Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523044/2/Bi/Eg

Linz, 16.01.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA X, vom 23. Dezember 2011 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 6. Dezember 2011, FE-849/2011, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit eines Verfahrens wegen Entziehung der Lenkberechtigung als unzulässig zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Antrag des Berufungswerbers (Bw) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 28. November 2011 im Verfahren FE-849/2011 gemäß § 71 Abs.2 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Der Bescheid wurde am 9. Dezember 2011 zugestellt.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung wurde nicht beantragt und erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Antrag sei entgegen der Ansicht der Erstinstanz, die Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins wäre dem Rechtsvertreter am 4. November 2011 zugestellt worden und dieser daher gezwungen gewesen, sich mit der Aktenlage auseinanderzusetzen, nicht verspätet. Er sei bereits am 18. Oktober 2011 in der Kanzlei gewesen und habe den Führerschein dort abgegeben. Der Rechtsvertreter habe ihn gesondert verwahrt und daher übersehen, den Führerschein umgehend bei der Behörde abzugeben. Am 4. November 2011 sei bei der Zustellung der Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins festgestellt worden, dass der Führerschein bei der Behörde abzugeben gewesen wäre, und der Rechtsvertreter habe umgehend einem Mitarbeiter die Anweisung zur Abgabe erteilt; darüber hinaus sei aber eine Auseinandersetzung mit dem Akt nicht erforderlich gewesen. Ihm hätte daher aus deshalb die Versäumung des Rechtsmittels nicht auffallen müssen. Die Abgabe des Führerscheins sei nicht zwingend mit dem Ablauf der Rechts­mittelfrist zu sehen gewesen, zumal ja einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt gewesen sei. Leider habe er anstelle der unmittelbaren Abgabe des Führerscheins bei der Behörde diesen in der Kanzlei hinterlegt, wo er von einem Mitarbeiter entgegengenommen worden sei.  Beantragt wird daher die Bescheidabänderung, dem Antrag auf Wiederein­setzung in den vorigen Stand stattzugeben.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass dem Bw mit Bescheid der BPD Linz vom 6. Oktober 2011, FE-849/2011, Nsch-223/2011, gemäß §§ 7, 24, 25, 26, 29, 30 und 32 FSG die von der BPD Linz am 20.2.2009, Zl.09/058342, für die Klasse X erteilte Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzu­ver­lässigkeit für die Dauer von 12 Monaten ab Zustellung des Bescheides entzogen, ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge ausge­sprochen und ihm das Recht aberkannt wurde, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung für die Dauer der Entziehung in Österreich Gebrauch zu machen. Weiters wurde ihm eine Nachschulung für alkoholauffällige Lenker und die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung gemäß § 8 FSG sowie einer verkehrspsycho­lo­gischen Stellungnahme aufgetragen und gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung aberkannt. Außerdem wurde angeordnet, dass der Führerschein unverzüglich bei der Behörde abzuliefern sei.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 13. Oktober 2011 zu Handen des Rechtsvertreters.

 

Mit Anordnung der BPD Linz vom 2. November 2011, FE-849/2011, wurde dem Bw gemäß § 5 VVG die Verhängung einer Geldstrafe von 363 Euro für den Fall angedroht, dass er nicht binnen drei Tagen ab Zustellung der Anordnung den Führerschein bei der Behörde abliefere. Diese Anordnung wurde ebenfalls zu Handen des Rechtsvertreter am 4. November 2011 zugestellt.

 

Mit Schriftsatz vom 28. November 2011 stellte der Bw über seine Rechtsvertretung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit einer Berufung gegen den oben angeführten Entziehungs­bescheid. Darin macht der Rechtsvertreter geltend, er habe seinem Mitarbeiter Herrn X nach Zustellung des Bescheides am 13. Oktober 2011 die Anordnung erteilt, für 27. Oktober 2011 die Berufungsfrist einzutragen, was dieser auch am Eingangsstempel des Bescheides vermerkt habe; ebenso habe er am Aktendeckel einen entsprechenden Fristvermerk angebracht. Tatsächlich habe er aber aus einem nicht mehr nachvollziehbaren Grund in der computerunter­stützten Fristenliste den Termin nicht für 27. Oktober 2011 sondern für 27. November 2011 eingetragen; dort seien Wochentage nicht ersichtlich, sodass ihm daher auch nicht aufgefallen sei, dass es sich dabei um einen Sonntag handelte. In der Kanzlei bestehe die Anweisung, nicht erledigte Fristakten drei Tage vor Fristablauf vorzulegen. Am 24. November 2011 sei erst bemerkt worden, dass hier ein Fehler unterlaufen sei.

Vorgelegt wurde eine eidesstättige Erklärung des Herrn X, wonach dieser seit vielen Jahren verlässlich in der Kanzlei arbeite und ein derartiger Fehler noch nie vorgekommen sei. Im ggst Fall handle es sich um eine entschuldbare Fehlleistung bzw einen geringen Grad des Versehens. Geltend gemacht wird auch, dass der Rechtsvertreter selbst stichprobenartig die Fristeneintragung prüfe und ihm auch dabei nichts aufgefallen sei, weil ja auf dem Bescheid selbst das richtige Datum eingetragen worden sei.

 

Die Erstinstanz hat den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen, weil am 4. November 2011 der Bescheid betreffend eine Vollstreckungs­­verfügung (Androhung einer Geldstrafe gemäß § 5 VVG) an die Kanzlei zugestellt und daraufhin am 7. November 2011 der Führerschein durch die Rechtsvertretung bei der Behörde abgegeben worden sei. Das Versehen könne daher nicht erst am 24. November 2011 festgestellt worden sein, weil die rechtsfreundliche Vertretung schon bei der Zustellung am 4. November 2011, spätestens aber bei der persönlichen Abgabe des Führerscheins durch den Mandanten am 7. November 2011 gezwungen gewesen sei, sich mit der Aktenlage auseinanderzusetzen. Dabei hätte der Fehler bereits auffallen müssen. Spätestens am 7. November 2011 hätte daher die zweiwöchige Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu laufen begonnen und somit am 21. November 2011 geendet; der am 28. November 2011 eingebrachte Antrag sei somit verspätet und zurückzuweisen.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die Darstellung des Rechtsvertreters unglaubwürdig. Zwar ist die Schilderung nachvollziehbar, der Bw habe nach Zustellung des Entziehungsbescheides am Donnerstag, dem 13. Oktober 2011, an den Rechtsvertreter am darauffolgenden Dienstag, dem 18. Oktober 2011, den Führerschein zum Rechtsvertreter gebracht mit dem Auftrag, ihn bei der Erstinstanz abzuliefern. Nicht nachvollziehbar ist aber die Darstellung, der Führerschein sei dann in der Kanzlei – nicht beim dazugehörigen Handakt – gelegen und man habe auf die Abgabe vergessen, obwohl die Androhung gemäß § 5 VGG am 4. November 2011 zugestellt worden sei und dann der Rechtsvertreter durch die Abgabe des Führerscheins bei der Erstinstanz auch tätig geworden sei. Wenn von drei Vermerken – Fristende am Eingangsstempel auf dem Bescheid selbst, Fristende außen am Aktendeckel des Handaktes und in der Computer-Liste – kanzleiorganisatorisch ohnehin nur die Computer-Liste einge­sehen wird, erübrigt sich jede weitere Eintragung. Abgesehen davon bedingt die Übernahme des Führerscheins eines Mandanten zum Zweck der Ablieferung bei der Behörde in jedem Fall eine Information über die aktuelle Sach- und Rechtslage, weil niemand einen Führerschein ohne jeden Zeitdruck seinem Rechtsanwalt aushändigt, sondern normalerweise ein umgehendes Tätigwerden des Rechtsanwalts erwartet wird. Es wäre auch lebensfremd, anzunehmen, dass der beauftragte Rechtsanwalt sich bei der Übergabe des Dokuments durch den Mandanten an die im am 13. Oktober 2011 übernommenen Bescheid dargelegte Sach- und Rechtslage erinnern kann, ohne den Bescheid anzusehen, dem mit dem Auftrag des Mandanten zur Ablieferung Genüge getan werden soll. Nach der allgemeinen Lebens­erfahrung ist vielmehr anzunehmen, dass, selbst wenn der Führerschein völlig sinnlos vom 18. Oktober bis zum 4. bzw gar 7. November 2011 in der Kanzlei herumgelegen sein sollte, nach der Zustellung eines Bescheides mit dem Inhalt einer Androhung gemäß § 5 VVG am 4. November 2011 immer noch niemand zumindest den dazugehörigen Akt in die Hand genommen hätte, auf dessen Deckel das richtig eingetragene Datum des Ablaufs der Rechtsmittelfrist zu lesen war. Derartiges würde nicht nur bedeuten, dass auch der Androhungsbescheid irgendwo abseits des Handaktes in der Kanzlei herumgelegen sein muss, sondern auch, dass Führerscheine ohne jegliche (Hintergrund-)Information bei der Behörde abgegeben werden. Wenn auch die stichprobenartige Überprüfung zumindest von zwei der drei kanzleiintern vorgesehenen Fristeneintragungen offenbar den Fehler nicht offenkundig gemacht hat, ist doch davon auszugehen, dass zumindest der am 4. November 2011 zugestellte Bescheid in den Handakt eingelegt wurde und somit zwei "alte" Fristeneintragungen auf einen Blick ersichtlich waren, ohne jemals in eine (diesbezüglich unrichtige) Computerliste Einsicht nehmen zu müssen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG iVm § 24 VStG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzu­halten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

Bei Aufwendung der zu erwartenden Aufmerksamkeit und Sorgfalt musste am 4. November 2011 der an diesem Tag zugestellte Bescheid vom Rechtsvertreter in die bisher in der Kanzlei vorhandene Dokumentation miteinbezogen werden und war daher eine Information anhand des Handakts ohne Zweifel erforderlich – dass dem Rechtsvertreter der Fall des Bw ohne jede Einsichtnahme in die Unterlagen vom 13. Oktober 2011 noch in Erinnerung geblieben wäre, ist auszuschließen.

Bei dieser Gelegenheit musste die richtige und zu diesem Zeitpunkt bereits in der Vergangenheit liegende Fristvormerkung sowohl am Entziehungs­bescheid selbst als auch außen am Handakt auffällig werden, weil sich in der chronologischen Reihenfolge dann eine Ausfertigung des Berufungs­schrift­satzes im Akt befinden hätte müssen, dh bei entsprechender Aufmerksamkeit hätte die bereits erfolgte ordnungsgemäße Erledigung oder hier ein Fehlen einer Berufungs­schrift auffallen müssen.

 

Das Berufungsvorbringen, dass trotz all dieser Überlegungen erst bei der intern offenbar ausschließlich anhand der Computer-Liste vorgesehenen Fristenwahrung am 24. November 2011 der Fehler offenkundig geworden wäre, ist daher nicht geeignet, die Rechtzeitigkeit des Antrages auf Wiedereinsetzung vom 28. November 2011 glaubhaft zu machen. Die zweiwöchige Frist ist daher bereits am 18. November 2011, bei großzügiger Betrachtung spätestens aber am 21. November 2011 – die erfolgte Abgabe des Führerscheins bei der Erstinstanz müsste auch im Handakt bestätigt werden – abgelaufen und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

VwSen-523044/Bi/Eg vom 16. Jänner 2012

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

AVG §71 Abs1 Z1;

AVG §71 Abs2

 

Das Argument des Rechtsvertreters, ihm wäre die Einhaltung der 14-tägigen Berufungsfrist gegen den am 13. Oktober zugestellten Bescheid, mit welchem seinem Mandaten die Lenkberechtigung entzogen worden war, iSd § 71 Abs 1 Z 1 AVG ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen, weil ein Kanzleimitarbeiter einen fehlerhaften Fristablauf – nämlich den 27. November anstelle des 27. Oktobers – in die Fristenliste eingetragen habe, erweist sich als nicht glaubwürdig. Dieser Fehler hätte nämlich nicht erst – wie vom Rechtsvertreter behauptet – am 24. November auffallen müssen, sondern bereits am 18. Oktober, als der Mandant seinen Führerschein in der Kanzlei abgegeben hat, jedenfalls aber am 4. November, als der Bescheid betreffend eine Vollstreckungsverfügung (Androhung einer Geldstrafe gemäß § 5 VVG, da der Führerschein noch nicht bei der Behörde abgeliefert worden war) an die Kanzlei zugestellt wurde, spätestens am 7. November, als der Kanzleimitarbeiter den Führerschein des Mandanten tatsächlich bei der Behörde abgeliefert hat.

Da die Frist für die Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages somit – selbst bei großzügiger Betrachtung – gem § 71 Abs 2 AVG jedenfalls am 21. November abgelaufen ist, war die Entscheidung der Behörde I. Instanz, den Antrag auf Wiedereinsetzung vom 28. November wegen Fristablaufs als unzulässig zurückzuweisen, jedenfalls nicht zu beanstanden.

 

 

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