Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-730378/2/BP/Wu

Linz, 12.01.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Nigeria, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 3. Dezember 2004, Zl.: 1004384/FRB, betreffend die Verhängung eines auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, nach Aufhebung eines Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. September 2007, AZ.: St 2/05, durch den Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2007/18/0746-6, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 


Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 3. Dezember 2004, Zl.: 1005384/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 36 Abs. 1, 2 Z. 6 und 9, sowie 37, 39, 48 Abs. 1 und 49 Abs. 1 FrG 1997, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Dabei führte die belangte Behörde zum Sachverhalt wie folgt aus:

 

„Am 17.08.2004 stellten Sie einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck „Familiengemeinschaft mit Österreicher“ und beriefen sich dabei auf die am 16.06.2004 mit Frau X, geb. X, geschlossene Ehe.

Nach der Aktenlage ist Ihre Ehe noch aufrecht.

Die weiteren in dieser Sache durchgeführten Erhebungen ergaben jedoch, dass es sich im gegenständlichen Fall um eine Scheinehe handelt bzw. dass Sie gegenüber einer österr. Behörde und Ihren Organen unrichtige Angaben über Ihre persönlichen Verhältnisse sowie den Zweck Ihres Aufenthaltes gemacht haben, um sich die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen.

 

Anlässlich der zeugenschaftlichen Einvernahme von Frau X am 02.11.2004 vor der erkennenden Behörde führte diese zur gegenständlichen Ehe befragt im Wesentlichen aus, dass sie schon länger ein Ehepaar, einen Afrikaner und eine Österreicherin, kennt, die in X wohnen. Jedoch wollte sie deren Namen nicht nennen, um ihnen keine Schwierigkeiten zu bereiten. Nach der Zeugenaussage der Frau X wurde sie im Frühjahr 2004 gefragt, ob sie ihnen nicht einen Freundschaftsdienst erweisen möchte. Das heißt, sie sollte einen Freund des Ehepaares heiraten, damit er eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich bekommen kann. Die Zeugin überlegte sich das gut und stimmte letztendlich der Ehe zu. Die Ehe wurde in der Folge am Standesamt in Wien, X, geschlossen. Weiters sagte die Zeugin aus, dass ihr mitgeteilt wurde, dass sie ca. ein halbes Jahr mit Ihnen verheiratet bleiben muss, dann würde sie sich auch wieder scheiden lassen können. Zudem musste sie ihre Person in Ihrer Wohnung anmelden. Für die Ehe wurden ihr 3.000,-- Euro versprochen, welche sie auch in der Folge nach der Hochzeit in mehreren Teilbeträgen bekam. Das Geld erhielt sie vom Mann des ihr bekannten Ehepaares. Der Zeugin war von vornherein klar, dass es sich bei dieser Eheschließung um eine Scheinehe handelt, die nur dazu dienen sollte, um Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Zudem gab die Zeugin an, dass die Ehe nie vollzogen wurde.

Bereits vor der gegenständlichen Einvernahme wurden aufgrund des Verdachtes der Scheinehe durch Beamte des Wachzimmers Hauptbahnhof Erhebungen geführt. Diesbezüglich ist einem Bericht vom 06.10.2004 zu entnehmen, dass Ihre Person am 01.10.2004 abends in der Wohnung in X, angetroffen wurde. Sie befanden sich alleine in der Wohnung. Zum Verbleib Ihrer Gattin befragt, gaben Sie damals an, dass sie bei einer Freundin zu Besuch wäre. Sie hätten sie jedoch telefonisch nicht erreichen können, da das Telefon Ihrer Gattin entweder kaputt oder gestohlen worden wäre. Zudem konnten Sie nach dem Bericht nicht anführen, wie die Freundin Ihrer Gattin heißt, wo sie genau wohnt oder wie diese Freundin erreicht werden kann. Am 03.10.2004 wurde nach dem besagten Bericht vom 06.10.2004 die angeführte Wohnung am Vormittag aufgesucht. Auch diesmal waren Sie wieder alleine in der Wohnung und wussten nicht, wo sich Ihre Frau befindet.

Von den Beamten wurde die gegenständliche Wohnung in Augenschein genommen. Diesbezüglich ist dem Bericht zu entnehmen, dass bei beiden Besuchen das Bett im Wohn- Schlafraum offensichtlich nur von einer Person benützt wird. Im Bad/WC befand sich nur eine Zahnbürste. Sie konnten bei den Überprüfungen lediglich einen Plastiksack mit Kleidung vorweisen, welcher sich in der Küche befand, wobei nicht feststellbar war, ob diese Kleidung und Unterwäsche von einer weiblichen Person verwendet wird. Weiters ist dem Bericht zu entnehmen, dass die Befragung von Nachbarn ergab, dass diese noch nie eine weibliche Person gesehen hatten, die bei Ihnen wohnen soll. Letztendlich ist nach dem Bericht der Gesamteindruck entstanden, dass in der Wohnung kein gemeinsames Eheleben geführt wird.

Mit Schreiben vom 09.11.2004 wurde Ihnen im Rahmen des Parteiengehörs mitgeteilt, dass es sich bei Ihrer Ehe mit der Österreicherin X um eine Scheinehe handelt und deshalb beabsichtigt ist, gegen Sie ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen. Gleichzeitig wurde Ihnen die Möglichkeit gegeben, innerhalb einer Frist von 14 Tagen Ihre persönlichen Verhältnisse bekannt zu geben sowie zum gegenständlichen Sachverhalt Stellung zu nehmen.

In der darauffolgenden schriftlichen Stellungnahme, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, vom 26.11.2004, führte Ihre anwaltschaftliche Vertretung im Wesentlichen aus, dass Sie aus Liebe geheiratet hätten. Die Ehe wäre auch vollzogen worden und Sie würden Ihre Gattin nach wie vor lieben. Sie würden Ihr deshalb verzeihen, dass sie aus Angst vor ihren Eltern gelogen und Sie dadurch in Schwierigkeiten gebracht hätte. Sie würden hoffen, dass sie nunmehr genug Kraft hätte, sich auch in der Öffentlichkeit bzw. auch ihren Eltern gegenüber zur gegenständlichen Ehe zu bekennen und das sie wieder zu Ihnen in die Wohnung zurückkehrt. Der Stellungnahme wurde ein von Ihrem Anwalt verfasster Aktenvermerk beigelegt, welcher eine Frau X getätigte eidesstattliche Erklärung beinhaltet. Diesbezüglich ist dem Aktenvermerk zu entnehmen, dass Frau X ihre Angaben vom 02.11.2004 mit dem Ausdruck des Bedauerns wegen inhaltlicher Unrichtigkeit zurückzieht und an Eides statt erklärt, dass es sich bei der Ehe mit Herrn X nicht um eine Scheinehe gehandelt hat. Dieser Erklärung zufolge sind die falschen Angaben deshalb entstanden, weil Frau X ihren Eltern die Ehe mit Ihnen aus Angst verschwiegen hätte, weil sie gewusst hätte, dass diese einen Schwarzafrikaner niemals als ihren Schwiegersohn akzeptiert hätten. Nachdem Frau X bei ihrer Einvernahme von Frau X befragt worden wäre und Frau X wusste, dass Frau X mit Ihren Eltern persönlich  bekannt ist, wäre diese etwa in Panik geraten, das sie befürchtete, dass ihre Eltern auf diese Weise nun doch von  ihrer Heirat erfahren würden. Es ist der eidesstättlichen Erklärung zu entnehmen, dass Frau X angab, dass die Ehe mit Ihnen sich nicht so positiv entwickelt hätte, wie sie dies erwartet hätte. Nachdem Frau X gewusst hätte, dass Scheinehen problemlos rückgängig gemacht werden könnten, hätte sie anlässlich ihrer Einvernahme bei Frau X spontan Angaben gemacht, welche die unrichtige Behauptung der Vernehmungsbeamtin, dass es sich nämlich im gegenständlichen Fall um eine Scheinehe handeln würde, gestützt hätten.

Nunmehr würde Frau X jedoch frei von jedem Zwang diese unwahren Angaben mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückziehen.“

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2004. Darin wird ua. ausgeführt:

 

"Jede Behörde hat gemäß § 84 StPO die gesetzliche Verpflichtung zur Anzeigeerstattung, wenn ihr der Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung bekannt wird. Die Entscheidung, ob eine Handlung strafbar ist und verfolgt wird oder nicht, obliegt zunächst der zuständigen Staatsanwaltschaft, der auch das staatliche Anklagemonopol zusteht.

Im Falle der Strafverfolgung obliegt wiederum ausschließlich den Gerichten, durch Urteil zu entscheiden, ob ein konkreter Tatbestand verwirklicht wurde, und ob der oder die Beschuldigte schuldig ist oder nicht, jene Tat begangen zu haben, deretwegen er oder sie verdächtig war.

Dass mit Vorlage der eidesstättlichen Erklärung der Erstbehörde der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung – nämlich einer falschen Zeugenaussage der X vor der Bundespolizeidirektion Linz – bekannt wurde, steht wohl außer Frage.

Statt diesen gesetzlich vorgeschriebenen Weg zu gehen und dem Gericht die Entscheidung, ob eine strafbare Handlung vorliegt, zu überlassen und mit seiner Entscheidung über das Aufenthaltsverbot den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, hat die Behörde ihre Entscheidung darauf gestützt, indem sie eine durch eidesstattliche Erklärung bereits widerrufene Zeugenaussage als schlüssig und glaubwürdig hinstellt. Dies obwohl die Zeugin – entgegen der Behauptung im Bescheid – auch nachvollziehbare Gründe für die seinerzeitige falsche Angabe bekannt gegeben hat, und der Widerruf im Bewusstsein der auf sie zukommenden strafrechtlichen Verfolgung abgegeben wurde. 

Zeigt doch der von der Sachbearbeiterin selbst eingeräumte Umstand, dass die Zeugin wegen der Möglichkeit der Bekanntgabe ihrer Ehe an die mit ihr befreundeten Eltern jedenfalls  besorgt war und (zumindest) am Ende der Befragung ihrer Sorge Ausdruck verlieh. Es ist nicht nachvollziehbar, zu glauben, dass diese Sorge erst im Laufe der Befragung entstanden ist und nicht von Anfang an Anlass für die unwahren Angaben gewesen sind.

Hierbei handelt es sich auch nicht um eine Vorfrage, über die die Verwaltungsbehörde gemäß § 38 AVG auch selbst entscheiden kann. (siehe z.B. E 61 und 62. zu § 38 AVG – Hauer Leukauf)

Durch das Nichtabwarten der gerichtlichen Entscheidung hat die Erstbehörde eine gesetzliche Verpflichtung verletzt und hat ihren Bescheid – abgesehen von der unrichtigen Beweiswürdigung – mit einer Mangelhaftigkeit belastet.

Dass sie diese Pflichtverletzung begeht, nur um rasch einen Bescheid zu erlassen, der im Falle der Verurteilung zu einer entsprechenden Wiederaufnahme und damit zu einem nicht unerheblichen Verfahrensmehraufwand führen muss, überrascht und sollte nicht Schule machen. Diese Vorgangsweise indiziert meiner Meinung nach zugleich eine Intention, bei der eine objektive Beweiswürdigung schon von vornherein  in Frage zu stellen ist.

Tatsächlich hat die Behörde die vorliegenden Beweisergebnisse auch nicht objektiv beurteilt und ist aus der Bescheidbegründung herauszulesen, dass seitens der Behörde schon von vornherein ein Verdacht der Scheinehe gehegt wurde, obwohl dafür nicht der geringste Anlass bestand. Im 3. Absatz des Bescheides steht: „Bereits vor der gegenständlichen Vernehmung (gemeint: Vernehmung meiner Gattin am 02.11.2004) wurden aufgrund des Verdachtes der Scheinehe durch Beamte des Wachzimmers Hauptbahnhof Erhebungen geführt.“

Ich frage mich nur, woher die Behörde bei mir einen solchen Verdacht geschöpft hat?

Konkret geht die Erstbehörde auf diesen Umstand nicht ein, was meiner Überzeugung nach nur geschieht, weil kein begründeter Verdacht vorlag.

Im Übrigen stellt die Nichtbekanntgabe der angeblichen Verdachtsgründe eine (weitere) Mangelhaftigkeit dar, weil das gesetzliche Gehör verletzt wird, wenn mir seitens der Behörde keine Gelegenheit gegeben wird, auf einen bei der Entscheidung mitberücksichtigten Umstand Stellung zu nehmen.

Gleiches gilt auch bei den erstmals im Bescheid erwähnten Erhebungsergebnissen der beiden Wohnungsnachschauen, die zur Begründung des Bescheides herangezogen wurden. Auch diesbezüglich leidet der Bescheid bzw. das Verfahren an einer Mangelhaftigkeit.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass ich kurz nach der Eheschließung in die Wohnung meiner Frau in X, gezogen bin und dort auch gemeldet war. Hätte die Behörde in dieser Wohnung Nachschau gehalten, hätte sie u.a. die gemeinsam benutzten Ehebetten vorgefunden. Derartige Überprüfungen sollten daher – wenn sie Sinn machen sollen – am Beginn der Ehe und nicht erst Monate später gemacht werden, wo es möglicherweise schon zu einer Ehekrise, Trennung oder Ähnlichem gekommen sein kann, die nichts darüber aussagen, ob eine Scheinehe geplant war oder ob es ursprünglich eine Liebesheirat (die es auch bei Mischehen gibt!) war. Und nur darauf kommt es an.

Ergänzend zum besseren Verständnis des wahren Sachverhaltes möchte ich auch noch vorbringen, dass ich von Anfang an lieber in meiner alten Wohnung bleiben wollte, weil diese Wohnung schöner und moderner eingerichtet ist als die meiner Frau. Ich habe aber dem Wunsch meiner Frau nachgegeben, in der Hoffnung, dass sie es sich nach einiger Zeit doch anders überlegen würde; sie kannte ja meine Wohnung zumal sie manchmal auch bei mir übernachtet hatte, bevor wir geheiratet haben. Aus dieser Überlegung heraus habe ich meine Wohnung auch nicht sofort aufgegeben. Tatsächlich war meine Frau im Laufe September zum Umzug bereit und wir meldeten uns gemeinsam am 27.08.2004 in der X an.

Aus dem Umstand, dass meine Frau am 1.10.2004 bis 03.10.2004, also innerhalb einer Woche (!) noch nicht mit Ihrer gesamten Habe von ihrer Wohnung in meine Wohnung gezogen ist und auch den Nachbarn noch nicht als neue Hausbewohnerin bzw. meine Ehefrau aufgefallen war, kann wohl nicht geschlossen werden, dass wir nur eine Scheinehe geführt haben.

Es dürfte wohl allgemein bekannt sein, dass Umzüge nicht von einem Tag auf den anderen erledigt sind und oft sogar einen noch viel längeren Zeitraum als 1 Woche in Anspruch nehmen und dass man von manchen Hausparteien erst nach sehr langer Zeit bemerkt wird bzw. selbst den einen oder anderen Hausbewohner kennen lernt.

Nachdem mich meine Frau am 01.10.2004 in der Arbeit anrief, um mir mitzuteilen, dass sie sich abends noch mit einer Freundin treffen wolle und später nachhause kommen werde, spricht dieser Umstand wohl auch mehr für als gegen eine Ehe. Nachdem ich diese Freundin nicht persönlich gekannt habe, bestand für meine Frau auch kein Anlass, mir deren – für mich nichts sagenden – Namen und/oder Adresse zu nennen. Ist das so etwas Ungewöhnliches?

Das Handy war meiner Frau auch nicht gestohlen worden; sie hatte es nur verloren, und ich habe mit meinen schlechten Deutschkenntnissen den Polizeibeamten auch nur das gesagt bzw. versucht, verständlich zu machen. Warum hat die zur amtswegigen Wahrheitsfindung verpflichtete Behörde diese Angaben nicht auf die Richtigkeit überprüft, wenn sie der Meinung ist, dass sie meiner Aussage keinen Glauben schenken kann? 

Die Beamten haben auch nicht meine Zahnbürste, sondern jene meiner Frau in der Wohnung gesehen. Der von den Beamten nicht genauer untersuchte Wäschesack enthielt auch (nur) ihre Wäsche, die sie mit der Waschmaschine in ihrer alten Wohnung waschen wollte.

Diese für mich neuen Verfahrensergebnisse, auf die ich in der Kürze nicht in allen Punkten eingehen kann, hätten mir im Übrigen alle schon anlässlich der Aufforderung zur Stellungnahme bekannt gemacht bzw. vorgehalten werden müssen, um mir Gelegenheit zu geben durch entsprechende Beweisanträge die Haltlosigkeit der bestehenden Vorwürfe beweisen zu können.

Damit leidet der Bescheid in mehrfacher Hinsicht an einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die mir zum Nachteil gereicht."

 

1.3. Mit Bescheid vom 3. September 2007, AZ.: St 2/05, gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

 

In ihrer rechtlichen Begründung führt sie aus:

 

"Der Tatbestand des § 86 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Zi. 9 FPG ist schon insofern erfüllt, als Ihr Ehepartner in eindeutiger Weise niederschriftlich ausgeführt hat, dass es sich in Ihrem Fall um eine Scheinehe handeln würde. Ihr Ehepartner hat in schlüssiger, nachvollziehbarer und glaubwürdiger Weise dargelegt, dass eine Scheinehe eingegangen wurde.

Diesen Angaben ist schon deshalb mehr Gewicht beizumessen, da es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass derartige Angaben (Eingeständnisse) gegenüber Behörden nicht leichtfertig gemacht werden. Muss der Betreffende doch davon ausgehen, sich „unangenehme Fragen“ seitens der Behörden und/oder Exekutive stellen zu lassen. Dass derartige Angaben vor diesem Hintergrund sehr gut überlegt werden, braucht nicht eigens erwähnt zu werden.

Insbesondere ist den Angaben Ihres Ehepartners schon deshalb mehr Gewicht und Wahrheitsgehalt beizumessen, als sich dieser mit seinen Angaben auch der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung (siehe § 117 FPG) ausgesetzt hat.

Hinsichtlich Ihrer eidesstättlichen Erklärung ist auszuführen, dass bezüglich des Wahrheitsgehaltes den Erstangaben mehr Glauben zu schenken ist. Man muss wohl, wie dies auch gesicherte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in anderen Verwaltungsmaterien ist, davon ausgehen, dass die ursprünglichen Angaben, die gemacht werden, der Wahrheit am nächsten kommen und nicht jene, die erst später (vor allem erst nach anwaltlicher Vertretung bzw. nach Kontakt mit „Beratern“) im Verlaufe des Verfahrens gemacht werden (vgl. z.B. Erkenntnis des VwGH vom 22.11.1995, Zl. 95/21/0008). 

Auch ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, da es sich bei der Ehe um eine elementare gesellschaftliche Institution, die man nicht zu einer Ware, deren Wert sich nach Marktmechanismen richtet, herabsinken lassen darf, handelt. Das Eingehen einer Ehe lediglich zum Erlangen eines Aufenthaltstitels in Österreich ist gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht und stellt einen krassen Rechtsmissbrauch dar. In weiterer Folge ergibt sich aus dieser Sicht der Dinge nicht nur eine „tatsächliche“ und „gegenwärtige“, sondern auch eine „erhebliche“ Gefahr, die zweifelsohne ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (das Grundinteresse der Gesellschaft liegt in diesem Fall schon darin, dass die gesamt staatliche Verwaltung, deren Handlungsweisen und Entscheidungen auf fundierten und der Richtigkeit entsprechenden Angaben beruhen müssen; das Erschleichen von Leistungen oder Rechten durch unwahre Angaben, bis hin zu kriminellen Handlungen ist im Lichte einer geordneten Gesellschaft verpönt).

Hinsichtlich Ihrer persönlichen und familiären Situation war zu beachten, dass Ihnen zweifelsohne eine der Dauer Ihres Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen ist. Insbesondere war zu beachten, dass Sie sich seit Sommer 2001 in Österreich aufhalten und Sie in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für Ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer zu wiegen scheinen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf Ihre Lebenssituation, ist das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG.

Aus oben angeführten Gründen war auch von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen, da eine Abstandnahme diesbezüglich die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte, insbesondere da das Ihnen vorwerfbare (Fehl-)Verhalten (Scheinehe) im Verhältnis zu der von Ihnen geltend gemachten Integration überwiegt und weder aus der Akte noch aus Ihrer Berufungsschrift besondere Umstände ersehen werden können, die eine Ermessensübung zu Ihren Gunsten begründen würde.

Insbesondere war zu beachten, dass sich das Eingehen von Scheinehen zu einer „beliebten Spielart“ entwickelt hat, um so leichter Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt bzw. zu einer Aufenthaltsberechtigung zu kommen. Die Ermessensübung zu Ihrem Nachteil ist daher schon deshalb erforderlich, da eine gegenteilige Handlungsweise (Absehen von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes) einen zu starken Anreiz für andere Fremde bieten würde, in diesem Bereich ebenfalls Missbrauch zu betreiben. Das Eingehen von Scheinehen darf nicht zu einem „Kavaliersdelikt“ herabsinken.

Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden kann, dass Sie sich wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten."

1.4. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 2011, Zl. 2007/18/0746-6, wurde einer Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

 

Dabei rügt der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen die Beweiswürdigung im Bescheid der Sicherheitsdirektion

 

 

2.1. Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung in Verbindung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ergibt sich, dass der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Eine telefonische Erhebung beim Magistrat Linz ergab, dass der Bw seit X mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet ist.

 

Ein Telefonat mit dem Marktgemeindeamt X, wo die Eheschließung stattgefunden hatte, ergab, dass der Bw noch mit der österreichischen Staatsangehörigen Frau X (geb. X) verheiratet aufscheint.

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. bis 1.4. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 65b des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 112/2011 unterliegen Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z. 12) der Visumpflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG ist Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, die Drittstaatsangehörige sind.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist § 65b FPG einschlägig, da der Bw seit September 2009 wiederum Ehegatte einer österreichischen Staatsangehörigen ist. Ausschlaggebend ist dabei, dass die offensichtlich gültig geschlossene Ehe bislang nicht geschieden wurde, wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt zweifelsfrei ergibt.

 

Die Verhängung von Aufenthaltsverboten für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ist in § 67 FPG geregelt, der durch § 65b FPG als anwendbar erklärt wird.

 

3.2.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

3.2.2. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nachhaltig und erheblich zu gefährden.

 

Bei Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs "nachhaltig" ist festzuhalten, dass darunter sowohl eine nach Intensität als auch Konstanz vorliegende Wirksamkeit angesprochen wird. Als Synonym bzw. Deskription von nachhaltig könnte demnach auch "wirksam andauern" verstanden werden.

 

Zum Vorliegen des Tatbestandselements der Gegenwärtigkeit bedarf es eines Sachverhalts, dessen Wirkungen nicht schon in der Vergangenheit erschöpft, sondern auch zumindest in die Gegenwart reichend anzusehen sind. Dies impliziert jedoch auch die Beurteilung einer aus Sicht des gegenwärtigen Augenblicks erstellten Zukunftsprognose.

 

"Erheblich" wiederum bedeutet in etymologischer Herleitung: "Schwer genug, um die Waagschale zu heben". Ursprünglich aus dem Rechtsbegriff Relevanz abgeleitet, übersteigt "erheblich" in der Gemeinsprache den Ursprungsbegriff der Intensität nach.

 

Die eben dargestellten Tatbestandselemente müssen zur Rechtfertigung eines Aufenthaltsverbotes kumulativ gegeben sein.

 

Weiters verweist § 67 Abs. 1 FPG für den Fall, dass sich ein Fremder – wie im vorliegenden Fall – schon seit 10 Jahren im Bundesgebiet aufhält, darauf, dass die Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich gefährdet sein muss, um die Rechtsfolge eines Aufenthaltsverbotes nach sich zu ziehen.

 

3.2.3. Im angefochtenen Bescheid wird dem Bw zunächst vorgeworfen, sich durch das Eingehen einer Scheinehe den Aufenthalt im Bundesgebiet habe erschleichen zu wollen.

 

Nun ergibt sich aber aus dem Sachverhalt, dass zwar die erste – auch aus Sicht des Oö. Verwaltungssenates wohl durchaus als Scheinehe anzusehende – Ehe des Bw mit einer österreichischen Staatsangehörigen aufgelöst wurde, allerdings der Bw seit dem Jahr X in aufrechter Ehe mit einer anderen österreichischen Staatsangehörigen lebt, weshalb hier kein akutes Gefährdungspotential – infolge der ersten allenfalls als Scheinehe zu bezeichnenden - Heirat erkannt werden kann.

 

Diesbezüglich mangelt es also in Hinblick auf § 67 Abs. 1 FPG – unter Heranziehung der oben getroffenen Begriffsbestimmungen – sowohl an der Gegenwärtigkeit als auch am wirksamen Andauern der dadurch entstandenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

 

3.2.4. Somit ist festzuhalten, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG zur Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes per se nicht vorliegen, weshalb sich nicht nur eine weitere Erörterung im Sinne des § 61 FPG bzw. des Art. 8 EMRK, sondern auch ein Eingehen auf die jeweiligen Berufungsvorbringen erübrigt.

 

3.3.1. Es war daher – ohne auf das weitere Berufungsvorbringen näher einzugehen - der in Rede stehende Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.3.2. Nachdem der Bw offenkundig der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden. 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum