Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420703/17/Gf/Mu

Linz, 13.01.2012

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde der x, vertreten durch den Verein y, gegen ihre durch Organe des Polizeidirektors der Stadt Linz am 30. August 2011 erfolgte Verbringung in eine geschlossene psychiatrische Abteilung des Wagner-Jauregg-Krankenhauses Linz zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

          II. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Kosten in einer Höhe von 887,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Begründung:

 

 

1.1. In ihrem mit 10. Oktober 2011 datierten, am selben Tag (und damit rechtzeitig) zur Post gegebenen, ho. am 12. Oktober 2011 eingegangenen Schriftsatz wird vorgebracht, dass der Lebensgefährte der Rechtsmittelwerberin am 30. August 2011 deshalb, weil jene zuvor Selbstmordabsichten geäußert hätte, zunächst den Rettungsdienst und anschließend die Polizei verständigt habe. Da die Beschwerdeführerin schon seit längerer Zeit an einer schweren Erkrankung leide, habe sie sich an diesem Tag in einem körperlich geschwächten Zustand befunden; außerdem habe sie damals auch gerade aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen wollen, weshalb sie wohl auf die eintreffenden Beamten sehr aufgebracht gewirkt haben müsse. Deshalb dürften die Polizisten auch die Beiziehung eines Amtsarztes angeordnet haben. Noch bevor jedoch der Amtsarzt vor Ort gewesen sei, sei sie von einem der Beamten so fest mit ihrem Kopf in einen Polster gedrückt worden, dass sie das Gefühl gehabt habe, keine Luft mehr zu bekommen; und obwohl sie nicht tätlich, sondern bloß verbal aggressiv gewesen sei, seien ihr danach auch Handfesseln – und zudem am Rücken – angelegt worden. Erst als die herbeigerufene Verstärkung eingetroffen war, seien ihr die Handfesseln wieder abgenommen worden. Daraufhin sei sie aus ihrer im zweiten Stock gelegenen Wohnung ins Freie getragen worden, wobei sie von vier Beamten jeweils an einer ihrer Extremitäten festgehalten worden sei. Dann seien ihr neuerlich Handfesseln angelegt und sie in einen bereitstehenden Arrestantenwagen bugsiert worden. Erst in der Folge sei eine Amtsärztin eingetroffen; diese habe eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt, worauf hin sie im Arrestantenwagen unter Begleitung von zwei Streifenfahrzeugen in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus verbracht und dort schließlich gegen ihren Willen in der geschlossenen Abteilung aufgenommen worden sei. Im Zuge dieser Überstellung habe sie eine Prellung der Brustwirbelsäule, Blutergüsse an beiden Oberarmen und am linken Handgelenk sowie eine Zerrung erlitten.

 

Durch diese Vorgangsweise sei sie in unverhältnismäßiger Weise in ihrem aus dem Unterbringungsgesetz sowie aus Art. 3 EMRK resultierenden Recht, keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, sowie in ihrem Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.

 

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme beantragt.

 

1.2. Die belangte Behörde hat ihren Bezug habenden Akt zu Zl. P1/24565/2011 vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

 

Begründend wird dazu ausgeführt, dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin am 30. August 2011 um 17:59 Uhr über Notruf die Stadtleitstelle der Linzer Polizei verständigt habe. Da es vor der vollständigen Schilderung des maßgeblichen Sachverhalts zu einer Unterbrechung der Verbindung gekommen sei, hätten die einschreitenden Polizeiorgane den Auftrag erhalten, sich rasch zur Wohnung des Anrufers zu begeben. Dort hätten sie von diesem erfahren, dass seine Lebensgefährtin gerade "ausgerastet" sei und einen Streit angefangen sowie angedroht habe, nicht mehr weiterleben zu wollen. Außerdem habe sie kurz vor dem Eintreffen der Beamten eine unbestimmte Zahl an Tabletten zu sich genommen. Da die Rechtsmittelwerberin ziellos in der Wohnung herumgelaufen sei und unkoordiniert persönliche Gegenstände in verschiedene Säcke gepackt, stark aufgebracht gewirkt und ihren Lebensfährten fortwährend verbal beschimpft habe sowie sämtliche Erklärungsversuche der Beamten bezüglich ihres Einschreitens ergebnislos verlaufen seien, sei nach Kontaktierung des diensthabenden Journalbeamten die Beiziehung eines Polizeiarztes verfügt worden. In der Folge habe die Rechtsmittelwerberin ihre Hand, in der sie einen Schlüsselbund gehalten habe, zu einer Faust geformt und diese gegen den einschreitenden Beamten gerichtet. Außerdem habe sie ein zum Hof gelegenes Fenster geöffnet und hinausgeschrien, dass sie von der Polizei misshandelt und festgehalten werde. Da aufgrund des emotionalen Zustandes der Rechtsmittelwerberin ein Sprung aus dem Fenster nicht auszuschließen gewesen sei und sie in der Folge zudem eine rasche Armbewegung in Richtung des Halses eines Beamten ausgeführt habe, seien ihr Handfesseln angelegt worden. Als sie sich danach dennoch nicht beruhigt, sondern eher noch mehr in diese Situation hineingesteigert habe, habe schließlich ein Arrestantenwagen und eine weitere Funkwagenbesatzung für deren Abtransport angefordert werden müssen. Beim Eintreffen der Amtsärztin hätten sich alle Beteiligten bereits im Stiegenhaus befunden, wobei die Beschwerdeführerin ihr Verhalten noch immer nicht eingestellt gehabt habe und auch weitere Beruhigungs- und Erklärungsversuche sowohl seitens der Beamten als auch der Polizeiärztin ergebnislos geblieben seien. Die Amtsärztin habe daher aufgrund dieses Verhaltens und ihrer durch eine Tabletteneinnahme unterstrichene Selbstmorddrohung eine Bescheinigung bezüglich einer akuten Selbstgefährdung der Rechtsmittelwerberin ausgestellt. In weiterer Folge sei jene daher von den Beamten zum Arrestantenwagen getragen worden. Erst auf der Fahrt zum Krankenhaus habe sie sich dann langsam beruhigt, sodass ihr noch vor dem dortigen Eintreffen die Handfesseln abgenommen worden seien.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. P1/24565/2011 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 10. Jänner 2012, zu der als Parteien die Beschwerdeführerin und deren Rechtsvertreterin bzw. a als Vertreter der belangten Behörde sowie die Zeugen b (Lebensgefährte der Rechtsmittelwerberin), c (PI Linz-Ontlstraße), d (PI Linz-Ontlstraße), e (PI Linz-Dornach) und f (PI Linz-Dornach) erschienen sind; die Zeugin g (Amtsärztin der BPD Linz) ist trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

 

2.1.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

Am 30. August 2011 hat der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin – d.i. der erste Zeuge – gegen 18:00 Uhr die Polizeiinspektion Ontlstraße in Linz-Urfahr telefonisch und die kurz darauf in seiner Wohnung eintreffenden Beamten – die zweite Zeugin und den dritten Zeugen – davon verständigt, dass die Rechtsmittelwerberin unmittelbar zuvor einen Selbstmordversuch unternommen hat, indem sie eine unbekannte Menge an Tabletten eingenommen und geäußert hat, jetzt mit ihrem KFZ wegfahren zu wollen; in gleicher Weise hatte sie schon einige Tage zuvor eine größere Anzahl von Tabletten zu sich genommen und angekündigt, mit ihrem PKW Selbstmord begehen zu wollen. Da die Beschwerdeführerin zudem völlig geistesabwesend wirkte und trotz mehrfacher Ansprech- und Erklärungsversuche der einschreitenden Polizisten nicht reagierte, sondern vielmehr unkoordiniert in ihrer Wohnung umherlief, ihren Lebensgefährten beschimpfte und ohne erkennbares Ziel mehrere Kleidungsstücke und andere der am Boden verstreuten Sachen in Taschen bzw. Plastiksäcke packte, forderte der dritte Zeuge die Beiziehung eines Amtsarztes an. In der Zwischenzeit öffnete die Rechtsmittelwerberin das Fenster und schrie in den Hof hinaus, dass sie Hilfe brauche, weil sie von der Polizei misshandelt werde. Als der dritte Zeuge das Fenster schließen wollte, um eine Selbstgefährdung der Beschwerdeführerin zu verhindern, fuhr diese mit ihrer Hand in Richtung des Halses des Beamten. Da er ihr schon zuvor die Festnahme angedroht hatte, weil sie mit ihrer Faust, aus der ein Schlüssel hervor ragte, gegen ihn aufgezielt hatte, wertete er dies als einen unmittelbaren Angriff gegen seine Person und brachte deshalb die Rechtsmittelwerberin mittels sog. "Armstreckhebel-Technik" zu Boden. Gemeinsam mit der zweiten Zeugin legte er dann der auf ihrem Bauch zu liegen gekommenen Beschwerdeführerin auf deren Rücken Handfesseln an. Dann wurde die Rechtsmittelwerberin aus der Wohnung in das Stiegenhaus geleitet und dort der inzwischen eingetroffenen Amtsärztin vorgeführt. Da es auch dieser nicht möglich war, mit der Beschwerdeführerin zu kommunizieren, stellte sie eine Bescheinigung zur Unterbringung in eine psychiatrische Anstalt aus, wobei sie die erforderlichen Personaldaten jeweils von ihrem Lebensgefährten, der während des Vorfalles im Stiegenhaus gewartet hatte, in Erfahrung brachte. Währenddessen wurde die Rechtsmittelwerberin, nachdem zwei weitere Beamten als Verstärkung eingetroffen waren, aus dem zweiten Stock des Hauses ins Freie getragen; dabei schrie sie unablässig und setzte sich heftig gegen den Abtransport zur Wehr, weil sie Angst hatte, eingesperrt zu werden. In der Folge wurde sie mittels eines Arrestantenwagens in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus überstellt, wobei sie sich erst im Zuge dieser Fahrt so weit beruhigte, dass ihr schließlich die Handfesseln abgenommen werden konnten. Zuletzt wurde sie dort in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung untergebracht.

 

2.1.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen.

 

Soweit diese hingegen dahin divergieren, als die Beschwerdeführerin vorbringt, dass sie nicht gegen den dritten Zeugen aufgezielt, sondern sich lediglich gebückt habe, um ein am Boden liegendes Kissen aufzuheben, als ihr plötzlich einer der beiden Beamten in den Rücken gesprungen sei und sie auf diese Weise zu Boden gebracht und ihr den Kopf in den Polster gedrückt habe, war dieser Darstellung nicht nur deshalb nicht zu folgen, weil die beiden zeugenschaftlich einvernommenen Polizisten – andere Personen waren in dieser Phase der Amtshandlung nicht zugegen – einen derartigen Vorgang nicht einmal ansatzweise geschildert haben: Vielmehr hat die Rechtsmittelwerberin selbst angegeben, dass sie im zeitlichen Umfeld des Vorfallstages "in keinem guten Zustand, sondern psychisch überfordert" war und sich "daran nicht aus eigenem erinnern kann, sondern" ihr "das später so erzählt wurde" (vgl. jeweils S. 13 des Verhandlungsprotokolls [ONr. 16 des h. Aktes]). Auf Basis dieses selbst eingestandenen mangelhaften Erinnerungsvermögens kann daher nicht verlässlich ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer subjektiven Empfindung, keine Luft mehr zu bekommen und Prellungen sowie Blutergüsse erlitten zu haben, auf einen Kausalverlauf geschlossen hat, der nicht den objektiven Gegebenheiten entspricht. Dem gegenüber waren die Aussagen der beiden Beamten nicht nur jeweils in sich und auch wechselseitig widerspruchsfrei, sondern zudem auch lebensnah und in keiner Weise unglaubwürdig. Dazu kommt, dass ein nachvollziehbares Motiv für ein derartiges Vorgehen, wie es von der Beschwerdeführerin geschildert wurde – nämlich: ein unvermutetes In-deren-Rücken-Springen und Kopf-in-den-Polster-Drücken –, unter Berücksichtigung der damaligen Begleitumstände bei objektiver Würdigung nicht einmal ansatzweise erkennbar ist. Unter Einbeziehung aller konkreten Rahmenbedingungen liegt daher im Ergebnis die Annahme, dass die Rechtsmittelwerberin beim Zu-Fall-Bringen mit ihrem Gesicht zufällig und kurzfristig auf einem auf dem Boden liegenden Kissen zu liegen kam – was im Übrigen von den beiden einschreitenden Beamten gar nicht in Abrede gestellt wurde – und sie sich ihre Verletzungen im Zuge ihres Abtransportes durch das Stiegenhaus zugezogen hat, wesentlich näher.

 

Schließlich ist auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass ihr nicht bloß ein Mal, sondern zwei Mal Handfesseln angelegt worden seien, offenkundig unzutreffend, denn Derartiges konnte keiner der einvernommenen Zeugen (insbesondere also auch ihr Lebensgefährte) wahrnehmen; vielmehr dürfte die Rechtsmittelwerberin wohl das Lockern der Fesseln im Stiegenhaus in diesem Sinne fehl­interpretiert haben.

 

2.1.3. Im Übrigen wird das Verhandlungsprotokoll zu einem integrierenden Bestandteil der Begründung dieser Entscheidung erklärt.

 

2.2. Gemäß § 67a AVG hatte der Oö. Verwaltungssenat über die vorliegende
Beschwerde durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG i.V.m. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

 

Dass eine ohne Willen des Betroffenen erfolgte Unterbringung in der psychiatrischen Abteilung einer Krankenanstalt eine Zwangsmaßnahme in diesem Sinne darstellt, bedarf keiner weiteren Erörterung (vgl. in diesem Sinne z.B. VwGH vom 27. September 2007, Zl. 2004/11/0152, m.w.N.).

 

Da hier auch die übrigen Prozessvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 und 2 AVG erfüllt sind, ist die gegenständliche Beschwerde sohin zulässig.

 

3.2. Nach § 8 Unterbringungsgesetz, BGBl.Nr. 155/1990, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 18/2010 (im Folgenden: UbG), darf eine Person nur dann gegen oder ohne ihren Willen in eine psychiatrische Abteilung verbracht werden, wenn sie zuvor ein im öffentlichen Sicherheitsdienst stehender Arzt oder Polizeiarzt untersucht und bescheinigt hat, dass die Voraussetzungen einer derartigen Unterbringung vorliegen, wobei in dieser Bescheinigung jene Gründe im einzelnen anzuführen sind, aus denen der Arzt diese Voraussetzungen für gegeben erachtet.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 UbG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dazu berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8 UbG) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine psychiatrische Abteilung zu verbringen oder dies zu veranlassen. Wird hingegen eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, dann darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

 

Nach § 9 Abs. 3 UbG haben der Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hierbei stets unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorzugehen und die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren zu treffen; sie haben, soweit das möglich ist, mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer Anstalt zusammenzuarbeiten und erforderlichenfalls den örtlichen Rettungsdienst beizuziehen.

 

3.2. Dass sich die Beschwerdeführerin am Vorfallstag in einem Zustand befand, der die Annahme einer psychischen Erkrankung nahe legte, wird weder von ihr selbst noch von ihrem Lebensgefährten bestritten (Letzterer sprach in der öffentlichen Verhandlung sogar explizit von einem "psychotischen Ausnahmezustand" – vgl. S. 13 des Verhandlungsprotokolls [ONr. 16 des h. Aktes]).

 

Die Vorgangsweise der Beamten, einen Amtsarzt zur Untersuchung der Rechtsmittelwerberin anzufordern und diese nach Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung in die psychische Abteilung einer Krankenanstalt zu verbringen, erweist sich sohin im Lichte des § 8 UbG i.V.m. § 9 Abs. 1 UbG dem Grunde nach jedenfalls als rechtmäßig.

 

3.3. Soweit sich die Beschwerdeführerin primär dagegen wendet, dass ihr im Zuge der Amtshandlung einer der Polizisten in den Rücken gesprungen sei und ihr den Kopf in ein Kissen gedrückt hätte, sodass sie keine Luft mehr bekommen habe, ist ihr vorweg entgegen zu halten, dass dieser Vorgang nicht als objektiv erwiesen angesehen werden kann.

 

Dass nämlich im Zuge eines Beschwerdeverfahrens gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B‑VG letztlich den Rechtsmittelwerber die Beweislast für das Zutreffen der Behauptung der Rechtswidrigkeit einer behördlichen Maßnahme trifft, entspricht der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. z.B. die Nachweise bei J. Hengstschläger – D. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Teilband, Wien 2005, RN 14 zu § 39).

 

Konnte hier aber das Vorliegen der faktischen Voraussetzungen für die behauptete Rechtswidrigkeit aus den bereits zuvor dargestellten Gründen (s.o., 2.1.2.) im Ergebnis als nicht objektiv erwiesen angesehen werden, war somit davon auszugehen, dass jedenfalls insoweit kein rechtswidriges Behördenhandeln vorlag.

 

3.4. Hinsichtlich des Einwandes der Beschwerdeführerin, dass das Anlegen der Handfesseln generell eine unverhältnismäßige Maßnahme gewesen sei, ist darauf hinzuweisen, dass sowohl aus der Sicht des einschreitenden Sicherheitsorganes (des dritten Zeugen) als auch objektiv besehen wegen des wiederholten Angriffsversuches seitens der Beschwerdeführerin – nämlich: zunächst das Aufzielen mit der Faust, aus der ein Schlüssel hervorragte, und in der Folgen das Führen der Hand gegen seinen Hals – gegen seine Person eine Notwehrsituation vorlag.

 

Unter derartigen Umständen würde das – offenkundig vom verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsprinzip durchdrungene – Waffengebrauchsgesetz, BGBl.Nr. 149/1969, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 113/2006 (im Folgenden: WaffGebrG), grundsätzlich sogar den Einsatz von Dienstwaffen zulassen, "wenn gelindere Mittel, wie insbesondere Handfesseln ..... ungeeignet scheinen" (vgl. § 2 Z. 1 i.V.m. § 4 WaffGebrG). Da somit Handfesseln, wie aus § 3 WaffGebrG hervorgeht, nicht einmal Dienstwaffen – sondern schon ex lege gelindere Mittel verkörpern, stellt sohin deren Gebrauchnahme bereits per se die – vor dem Hintergrund des Gesamtkreises aller auf Grund der konkreten Umstände grundsätzlich zulässigen Behördenbefugnisse betrachtet – weniger eingriffsintensive Maßnahme dar. Eine Unverhältnismäßigkeit kann daher weder darin, dass der Rechtsmittelwerberin überhaupt Handfesseln angelegt werden, noch darin, dass ihr diese am Rücken geschlossen wurden – schließlich war auf Grund ihres Verhaltens zu befürchten, dass sie die einschreitenden Beamten weiterhin (wie bereits zuvor) mit ihren Händen gefährdet –, erblickt werden.

 

Da sich die Beschwerdeführerin in der Folge weiterhin nicht bloß unkooperativ, sondern sogar derart aggressiv verhalten hat, dass ihre Verbringung ins Krankenhaus nicht einmal Rettungssanitätern zugemutet werden konnte, ohne eine Gefährdung von deren körperlicher Integrität zu riskieren – sämtliche Zeugen, darunter auch ihr Lebensgefährte, haben nämlich übereinstimmend angegeben, dass sie bis zu ihrer Ankunft im Krankenhaus nicht nur wirr herumgeschrien, sondern auch um sich getreten, mit den Füßen ausgeschlagen, gestrampelt, sich mit den Füßen im Geländer versperrt, sich massiv zur Wehr gesetzt sowie vehement gegen den Abtransport gesperrt hat (vgl. S. 4 f, 7, 9 f und 11 des Verhandlungsprotokolls [ONr. 16 des h. Aktes]) –, erweist sich aber auch die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Polizeibeamten davon ausgehen konnten, dass sich die Rechtsmittelwerberin endlich beruhigt hat und einem normalen Gespräch zugänglich ist (was erst unmittelbar vor der Ankunft im Krankenhaus tatsächlich zutraf), auch insofern nicht als rechtswidrig, weil und solange – in Analogie zu § 2 Z. 1 und 2 WaffGebrG i.V.m. § 4 WaffGebrG – eine Notwehrsituation vorlag bzw. dieser Eingriff erforderlich war, um einen auf die Vereitlung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstand zu überwinden.  

 

3.5. Da auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen behördlichen Maßnahme hervorgekommen sind, war die vorliegende Beschwerde sohin gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bund nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 bis 5 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Kosten in einer Höhe von insgesamt 887,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro; Verhandlungsaufwand: 461,00 Euro) zuzusprechen.


Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 45,50 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr.  G r o f

VwSen-420703/17/Gf/Mu vom 13. Jänner 2012

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

B-VG Art129a Abs1 Z2;

AVG §67a Z2 AVG;

AVG §39 AVG;

Waffengebrauchsgesetz 1969 §2;

Waffengebrauchsgesetz 1969 §3;

Waffengebrauchsgesetz 1969 §4

 

 

Es entspricht der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl zB die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 29 Rz 14), dass im Zuge eines Beschwerdeverfahrens gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B‑VG letztlich den Rechtsmittelwerber die Beweislast für das Zutreffen der Behauptung der Rechtswidrigkeit einer behördlichen Maßnahme trifft.

 

Das WaffengebrauchsG fußt offenkundig auf dem verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsprinzip und sieht grundsätzlich sogar den Einsatz von Dienstwaffen vor, "wenn gelindere Mittel, wie insbesondere Handfesseln (...) ungeeignet scheinen" (vgl § 2 Z 1 iVm § 4 WaffengebrauchsG). Daraus ergibt sich in Verbindung damit, dass Handfesseln – wie aus § 3 WaffengebrauchsG hervorgeht – nicht einmal Dienstwaffen verkörpern, dass deren Gebrauchnahme schon von vornherein die vergleichsweise weniger eingriffsintensive Maßnahme aus dem Kreis sämtlicher auf Grund der konkreten Umstände an sich zulässigen behördlichen Befugnisse darstellt.

 

Das Anlegen von Handfesseln ist nicht rechtswidrig, wenn und solange – in Analogie zu § 2 Z 1 und 2 WaffengebrauchsG – eine Notwehrsituation vorliegt oder diese Maßnahme erforderlich ist, um einen auf die Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstand zu überwinden.

 

 

 

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