Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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Linz, 25.01.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufungen 1. des X, geb. X, 2. der X, 3. der mj. X, geb. X, 4. des mj. X, geb. X, 5. der mj. X, geb. X und 6. der mj. X, geb. X, alle vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen die mit Bescheide der Bundespolizeidirektion Wels vom 4. August 2010, zu Zlen.: 1-1012191/FP/10, 1-1013664/FP/10, 1-1013665/FP/10, 1-1015412/FP/10, 1-1021469/FP/10 und 1-1024113/FP/10, verhängten Ausweisungen, zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Den Berufungen wird stattgegeben und die bekämpften Bescheide ersatzlos behoben.

 

II.                Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG und  § 61 Abs 3 FPG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bundespolizeidirektion Wels hat die Berufungswerber (im Folgenden: Bw) mit Bescheide vom 4. August 2010, Zlen.: 1-1012191/FP/10, 1-1013664/FP/10, 1-1013665/FP/10, 1-1015412/FP/10, 1-1021469/FP/10 und 1-1024113/FP/10, gemäß § 53 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen. Dagegen richten sich die Berufungen vom 24. August 2010. Die Bw stellen darin die Anträge, die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich möge nach Verfahrensergänzung die bekämpften Bescheide aufheben und die Ausweisungen auf Dauer für unzulässig erklären.

 

Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion die Berufungsakte dem Verwaltungssenat zuständigkeitshalber übermittelt.

 

 

Der Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

X (im Folgenden: 1. Bw) wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von Mazedonien.  Er reiste am 26.03.2002 über unbekannt illegal/LKW in das Bundesgebiet ein und hält sich seit diesem Tag im Bundesgebiet auf. Er ist seit 24. April 2002 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

 

Der 1. Bw besuchte in der Heimat die Grundschule von X bis X sowie die Berufsschule von X bis X. Er spricht albanisch, serbokroatisch, mazedonisch und deutsch. Er war X beim Militärdienst und Soldat in X.

 

Er schloss im Bundesgebiet folgende Kurse ab: Sprachzertifikat Deutsch, Niveaustufe A2.

 

Bezüglich dem 1. Bw scheinen laut Versicherungsdatenauszug vom 11. Jänner 2012 folgende Versicherungszeiten auf:

 

von                             bis                               Art der Monate /meldende Stelle       

04.05.1995                 11.10.1995                 Arbeiter

                                                                       X

20.08.2002                 31.03.2008                 Arbeiter

                                                                       X

01.04.2008                 30.06.2011                 Arbeiter

                                                                       X

01.07.2011                 laufend                       Arbeiter

                                                                       X

 

Der 1. Bw ist sozialversichert und arbeitet bei der Firma X, wo er einen monatlichen Nettogehalt von durchschnittlich 1.500 bis 1.600 Euro erhält.

 

X (im Folgenden: 2. Bw) – die Ehegattin des 1. Bw – wurde am X geboren und ist Staatsangehörige von Mazedonien. Sie reiste im Dezember 2002 illegal per Autobus in das Bundesgebiet ein und hält sich seither im Bundesgebiet auf. Sie ist seit 27. Dezember 2002 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

 

Die 2. Bw besuchte in der Heimat die Grundschule von X bis X, sie spricht albanisch und schloss im Bundesgebiet das Sprachzertifikat Deutsch, Niveaustufe A2 ab. Sie ist Hausfrau und – so wie die gemeinsamen Kinder – mit ihrem Ehegatten mitversichert.

 

Zu den gemeinsamen Kindern ist Folgendes auszuführen:

 

X (im Folgenden: 3. Bw) wurde am X geboren und ist Staatsangehörige von Mazedonien. Sie reiste mit ihrer Mutter (2. Bw) im Dezember 2002 in das Bundesgebiet ein und hält sich seither im Bundesgebiet auf. Seit 27. Dezember 2002 ist sie durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Die 3. Bw besucht die 3. Klasse Volksschule in X. Sie schloss die 2. Klasse positiv ab und erhielt im Unterrichtsfach Deutsch die Beurteilung "Genügend".

 

X (im Folgenden 4. Bw) wurde am X in X geboren, ist Staatsangehöriger von Mazedonien und hält sich seit seiner Geburt durchgehend im Bundesgebiet auf. Seit 26. September 2003 ist er durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Der 4. Bw besucht in der Volksschule X die 1. Klasse.

 

X (im Folgenden: 5. Bw) wurde am X in X geboren, ist Staatsangehörige von Mazedonien, hält sich seit ihrer Geburt im Bundesgebiet auf und ist seit 8. Mai 2006 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Die 5. Bw besucht den Kindergarten X.

 

X (im Folgenden: 6. Bw) wurde am X im X geboren, ist Staatsangehörige von Mazedonien und hält sich seit ihrer Geburt im Bundesgebiet auf. Sie ist seit 22. August 2007 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Die 6. Bw besucht ebenfalls den Kindergarten X.

 

Die gesamte Familie X lebt seit 14. Dezember 2011 mit Hauptwohnsitz an der Adresse X in Familiengemeinschaft.

 

In der Heimat halten sich vom 1. Bw 7 Brüder und 4 Schwestern mit ihren Familien und von der 2. Bw die Eltern, 1 Bruder und die Schwester auf.

 

Der 1. Bw stellte am 27. März 2002 einen Asylantrag, dieser wurde am 12. November 2002 rechtskräftig negativ abgeschlossen. Am 28. August 2003 stellte er einen zweiten Asylantrag, dieses Verfahren wurde am 31. Jänner 2006 in II. Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen. Den dritten Asylantrag stellte er am 28. August 2007, welcher wiederum mit 14. Dezember 2009 in II. Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde.

 

Die 2. und 3. Bw stellten am 28. August 2003 einen Asylantrag. Diese Asylverfahren sind seit 31. Jänner 2006 rechtskräftig negativ abgeschlossen.

 

Für den 4. Bw wurde am 21. April 2004 ein Asylantrag gestellt, welcher ebenfalls mit 31. Jänner 2006 rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde.

 

Für die 5. Bw wurde am 11. Mai 2006 und für die 6. Bw am 28. August 2007 ein Asylantrag gestellt. Beide Verfahren sind seit 14. Dezember 2009 rechtskräftig negativ abgeschlossen.

 

Die gesamte Familie stellte am 23. Dezember 2009 einen Antrag auf Aufenthaltstitel.

Im Verfahrensakt scheint gegen den 1. Bw lediglich eine Verwaltungsübertretung nach dem KFG im Jahr 2006 auf. Gegen die 2. Bw scheinen keine Vormerkungen auf.

 

Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit Bescheide vom 4. August 2010 eine Ausweisung gegen die Bw erlassen. Dagegen richten sich die gegenständlichen Berufungen.

 

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Da schon nach der Aktenlage feststand, dass die bekämpften Bescheide zu beheben sind, war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen schon aus dem bekämpften Bescheid und dem Vorbringen der Berufungswerber. So hat der 1. Bw am 19. Dezember 2011 (Eingang beim UVS) folgende ergänzende Unterlagen eingereicht:

-         Bestätigung des Arbeitsverhältnis bei der X

-         Lohn/Gehaltsabrechnungen von Mai bis Oktober 2011

-         Sprachzertifikat Deutsch, Niveaustufe A2 des 1. Bw

-         Sprachzertifikat Deutsch, Niveaustufe A2 der 2. Bw

-         Schulbesuchsbestätigungen für die 3. und den 4. Bw

-         Schulbesuchsbestätigung für das Jahr 2010/2011 des 4. Bw

-         Jahreszeugnis 2009/2010 der 3. Bw

-         Kindergarten Besuchsbestätigung für die 5. und die 6. Bw

-         Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe

-         Mietvertrag.

 

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Die bekämpften Ausweisungen gelten gemäß § 125 FPG als Rückkehrentscheidungen im Sinn des § 52 FPG. Die Bw verfügen seit rechtskräftig negativem Abschluss ihrer Asylverfahren über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet der Republik Österreich. Somit ist der Tatbestand für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG dem Grunde nach erfüllt.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Die Berufungsbehörde hat während des Berufungsverfahrens eingetretene Änderungen bzw. Entwicklungen zu berücksichtigen. Aufgrund der festgestellten Umstände (insbesondere langjährige Familiengemeinschaft, durchgehende Beschäftigung, Aufenthalt seit 26. März 2002 [1. Bw], seit Dezember 2002 [2. und 3. Bw] bzw. von Geburt an [4., 5. und 6. Bw]), ist mittlerweile eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerden von insgesamt 48,10 Euro (2 x Eingabegebühr und Beilagengebühren) angefallen.

 

 

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

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