Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523057/2/Bi/Eg

Linz, 23.01.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn B P, c/o JVA R, B, R, vom 21. Dezember 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshaupt­mannes von Braunau/Inn vom 14. Dezember 2011, VerkR21-634-2011/BR, ua wegen Entziehung der Lenk­berechtigung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 3 Abs.1 Z2, 7 Abs.1 Z2 und Abs.3 Z9 und 10 und Abs.4, 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 3 und 32 Abs.1 FSG die von der BH Braunau/Inn am 20.1.2011, GZ: 11/022173, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von 20 Monaten, gerechnet ab 30. Dezember 2011, dh bis einschließlich 30. August 2012, entzogen und für den selben Zeitraum das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten und  gemäß § 29 Abs.3 FSG die unverzügliche Ablieferung des  Führerscheins ange­ordnet. Gemäß § 24 Abs.3 FSG iVm § 17 Abs.1 FSG-GV wurde die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens zur gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen sowie die Durchführung einer verkehrspsycho­logischen Untersuchung bei einer hiezu ermächtigten Stelle angeordnet, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Dauer der Entziehung sowie des Lenkverbots nicht vor Befolgung dieser Anordnung ende. Gemäß § 64 Abs.2 VStG wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung wegen Gefahr im Verzug ausgeschlossen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 22. Dezember 2011.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er ersuche um eine Chance und wisse, dass sein Verhalten im Straßenverkehr nicht in Ordnung gewesen sei. Er bereue es und brauche den Führerschein, um in die Arbeit zu kommen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

 

Daraus lässt sich ersehen, dass der am x geborene und als Arbeiter beschäftigte Bw mit – seit 13. Oktober 2011 in Rechtskraft erwachsenem – Urteil des Landesgerichtes R vom 13. Oktober 2011, 30 Hv 31/11g, schuldig erkannt wurde, am 30. August 2011 in Helpfau-Uttendorf D.W.

1. mit Gewalt, indem er ihn mit seinem Pkw überholte und vor ihm abbremste, er seine Autotür aufriss und ihn an der linken Schulter packte und sagte: "W! Komm sofort mit mir!" zu einer Handlung, nämlich zum Anhalten seines Pkw und zum Aussteigen aus dem Fahrzeug genötigt zu haben,

2. dadurch, dass er eine Pistole (Gaspistole) durchlud und die D.W. seitlich an die Schläfe hielt, ihn fragte, ob er für oder gegen ihn sei, und äußerte, dass er ihn jederzeit "umlegen" könne, die nächste Kugel sei für ihn bestimmt, für ihn sei das kein Problem, ihn zu erschießen, denn ihm sei alles "scheißegal" und er könne nach Serbien abhauen und keiner würde ihn finden, weiters, dass er ihm nach Kroatien gefolgt sei und ihn dort erschossen hätte, hätte er ihn gefunden, mit dem Tod gefährlich bedroht zu haben, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Er hat dadurch zu 1. das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs.1 StGB und zu 2. das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 und 2 StGB begangen und wurde gemäß § 28 StGB nach § 107 Abs.2 StGB zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Erschwerend waren mehrere strafbare Handlungen verschiedener Art und die einschlägigen Vorstrafen, mildernd das Geständnis und das Alter unter 21 Jahren.

Vom Vorwurf einer weiteren Nötigung wurde der Bw mangels Schuldbeweis freigesprochen.

 

Der Bw hat gegenüber der Erstinstanz nach Vorhalt des Urteiles ausgeführt, er habe das Urteil akzeptiert und sich bei der Hauptverhandlung bei D.W. persönlich entschuldigt und dieser habe seine Entschuldigung angenommen. Er sei mit der Entziehung einverstanden, ersuche aber um Festsetzung einer Entziehungsdauer von 16 Monaten.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z10 FSG zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß §§ 102 (erpress­erische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes R vom 17. Dezember 2009, 7 Hv 72/09i, war der Bw  zuletzt des Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs.1 StGB und des Vergehens der Urkundenunter­drückung nach § 229 Abs.1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, wobei Verbrechen nach § 144 StGB zwar in der demonstrativen Aufzählung des § 7 Abs.3 FSG nicht enthalten sind, jedoch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch solche strafbare Handlungen als bestimmte Tatsachen heranzuziehen sind. Auf dieser Grundlage war ihm in der Zeit von 19. Jänner 2010 bis 19. Jänner 2011 – also für 12 und nicht für 20 Monate – die Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuver­lässigkeit entzogen worden.

 

Die nunmehrige Verurteilung erfolgte wegen zweier Vergehen, nämlich dem der Nötigung nach § 105 Abs.1 StGB und dem der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 und 2 StGB. Beide Vergehen sind im § 7 Abs.3 Z9 und 10 FSG nicht als bestimmte Tatsachen angeführt.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl E 26.2.2002, 2001/11/0379; 14.9.2004, 2004/11/0134) teilt dieser die Auffassung, auch die Vergehen der gefährlichen Drohung, deretwegen der Beschwerdeführer im dort zugrundeliegenden Fall verurteilt wurde, seien als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.2 FSG anzusehen, nicht. Er verweist darauf, dass der Gesetzgeber strafbare Hand­lungen gemäß § 107 StGB nicht in die demonstrative Aufzählung des § 7 Abs.3 FSG aufgenommen und damit zu erkennen gegeben hat, dass im Zusammen­hang mit der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit der Versetzung einer Person in Furcht und Unruhe nicht der gleiche Stellenwert zukomme wie den dort genannten strafbaren Handlungen. Das Gleiche gilt auch für das Vergehen der Nötigung gemäß § 105 Abs.1 StGB.

 

Selbst wenn beide Vergehen unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges begangen wurden und das Aggressionspotential des Bw nach dem festgestellten Sach­verhalt als bedenklich anzusehen ist, ist die Annahme einer bestimmten Tatsache nur in bestimmten Fällen gerechtfertigt. Ein solcher Fall ist beim Bw auf der Grundlage des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichtes R vom 13. Oktober 2011, 30 Hv 31/11g, nicht gegeben, sodass auch für die Anordnung gemäß § 24 Abs.3 FSG kein Raum bleibt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempel­gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Verurteilung wegen §§105 + 107 StGB ≠ bst. Tatsachen => keine Entziehung, keine Grundlage für eine VPU => Aufhebung

 

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