Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222554/2/Bm/Sta

Linz, 12.01.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des  Herrn C A, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. L V, S,  M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 7.11.2011, Zl.: Ge96-21-2010, mit dem der Antrag um Herabsetzung der Geldstrafen als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

 

            Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 7.11.2011, Ge96-21-2010, wird ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Strafverfügung vom 15.2.2010, Ge96-21-2010, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) 5 Geldstrafen in der Höhe von jeweils 150 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 30 Stunden wegen Übertretungen gemäß
§ 367 Z25 GewO 1994 iVm dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 28.2.2006, Ge20-57-2005, verhängt.

 

Gegen diese Strafverfügung wurde innerhalb der Rechtsmittelfrist kein Einspruch erhoben und wurde diese Strafverfügung sohin rechtskräftig.

 

2. Mit Eingabe vom 31.10.2011 wurde vom Rechtsvertreter des Bw der Antrag auf nachträgliche Herabsetzung der verhängten Geldstrafen mit der Begründung beantragt, die persönlichen Verhältnisse des Bw hätten sich seit Erlassung der Strafverfügung erheblich verändert. Nach der Insolvenz des Vereines X sei, da der Beschuldigte persönliche Haftungen für den Verein übernommen hatte, das Privatkonkursverfahren über sein Vermögen eröffnet worden. Die Eröffnung habe durch Beschluss des Bezirksgerichtes M vom 13.1.2011 stattgefunden. Infolge dessen habe der Beschuldigte das gesamte ihm verbleibende Vermögen, nämlich den Liegenschaftsanteil an der EZ x GB x M, durch Versteigerung verloren. Der Beschuldigte verfüge über keinerlei Einkommen. Das Schuldenregulierungsverfahren werde voraussichtlich in Kürze ohne Restschuldbefreiung aufgehoben werden. Dem Beschuldigten würden dann noch Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt etwa 1,330.000 Euro verbleiben.

Da die Strafbehörde bei der Bemessung der Strafen durchschnittliche Verhältnisse zu Grunde gelegt habe, müsse es nunmehr zu einer nachträglichen Anpassung, also Herabsetzung der Geldstrafen, kommen. Der Beschuldigte sei sich bewusst, dass das VStG eine solche Möglichkeit nicht kenne, verweise aber darauf, dass das StGB eine nachträgliche Herabsetzung von Geldstrafen gemäß
§ 31a Abs.2 StGB vorsehe. Soweit eine solche Möglichkeit im VStG nicht vorgesehen sei, bestehe nach Meinung des Beschuldigten infolge der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes Verfassungswidrigkeit. Es werde daher beantragt, die zu Ge96-21-2010 verhängten Geldstrafen entsprechend den nunmehr bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten herabzusetzen.

 

3. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 7.11.2011, Ge96-21-2010, wurde dieser Antrag um Herabsetzung der Geldstrafen als verspätet zurückgewiesen.

Von der belangten Behörde wurde dieser Antrag als Einspruch gegen die oben genannte Strafverfügung vom 15.2.2010 gedeutet und in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dass die Einspruchsfrist gegen eine Strafverfügung gemäß § 49 Abs.1 VStG zwei Wochen betrage. Der Bw hätte den Einspruch somit spätestens am 3.3.2011 (gemeint wohl 2010) zur Post geben müssen. Tatsächlich sei der Einspruch jedoch erst am 31.10.2011 beim Postamt abgegeben worden. Da sohin der Einspruch gegen die Strafverfügung verspätet eingebracht worden sei, sei dieser als verspätet zurückzuweisen.

 

4. Gegen diesen Bescheid hat der Bw durch seinen anwaltlichen Vertreter innerhalb offener Frist Berufung erhoben und darin ausgeführt, die Erstbehörde verkenne die Natur des gegenständlichen Antrages, weshalb sie den Antrag als "Einspruch" bezeichnet und diesen als verspätet zurückgewiesen habe.

Tatsächlich handle es sich beim zurückgewiesenen Antrag um das Begehren eine nachträgliche – also nach Rechtskraft der betreffenden Bescheide – Neubemessung der verhängten Geldstrafen.

Der Bw habe bereits im Antrag darauf verwiesen, dass das VStG eine derartige nachträgliche Herabsetzung nicht vorsehe, weshalb es aus Sicht des Bw auch ganz klar war, dass dieser Antrag seitens der Erstbehörde abzuweisen sein werde.

Grund der Antragstellung, ebenso wie die Erhebung der Berufung sei, dass nach Einschätzung des Bw das Fehlen der Möglichkeit, einmal verhängte Geldstrafen den wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen, verfassungswidrig sei. Schon im einleitenden Antrag sei darauf hingewiesen worden, dass es im StGB sehr wohl eine derartige Möglichkeit der nachträglichen Korrektur von Geldstrafen, nämlich in § 31a Abs.2 StGB gebe. Es bedürfe nun wohl keiner ausführlichen Erörterung, dass die österreichische Rechtsordnung gerichtliche Verurteilungen als schwerer wiegend ansehe, als die Verhängung von Verwaltungsstrafen im Rahmen des VStG. Dies habe schon allein in wesentlich aufwändigeren Verfahren seinen Niederschlag gefunden. Betrachte man allein den Regelungsumfang des VStG im Vergleich zu StGB und der StPO, werde klar, welche Bedeutung die Rechtsordnung den jeweiligen Rechtsmaterien zumesse. Im gerichtlichen Strafverfahren seien es zwei Behörden, die im Verfahren auftreten, die Anklagebehörde und das über die Anklage entscheidende Gericht. Im Gerichtsverfahren gebe es ein Vorverfahren und ein Hauptverfahren, das nur über entsprechende Antragstellung eröffnet werde. Vor jeder Entscheidung habe eine mündliche Verhandlung mit unmittelbarer Beweisaufnahme stattzufinden. Hingegen sei das Verwaltungsstrafverfahren wesentlich einfacher aufgebaut, es gebe nur eine Behörde, die ohne kompliziertes und detailreich geregeltes Verfahren entscheide, eine mündliche Verhandlung mit unmittelbarer Beweisaufnahme und Verteidigungsmöglichkeit des Beschuldigten sei im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes – zumindestens in der I. Instanz – nicht vorgesehen. Auch die Folgen von Strafbescheiden und gerichtlichen Verurteilungen seien ganz unterschiedlich und sei aus Sicht des Bw vollkommen klar, dass die Folgen bei gerichtlichen Verurteilungen wesentlich schwerwiegender seien, da diese als Vorstrafen bei Leumundszeugnissen aufscheinen und das Fortkommen des Verurteilten beeinträchtigen können. Aus den oben näher dargestellten Umständen sei also ersichtlich, dass die österreichische Rechtsordnung Strafen, die im Rahmen von gerichtlichen Verfahren verhängt werden, als wesentlich schwerwiegender ansehe, als Verwaltungsstrafen. Vor diesem Hintergrund sei nicht nachzuvollziehen, warum in einem Fall, nämlich den schwerwiegenderen gerichtlichen Verurteilungen eine nachträgliche Anpassung gemäß § 31a Abs.2 StGB möglich sein solle, im Bereich von Verwaltungsstrafverfahren hingegen nicht. Wäre es umgekehrt, so wäre dies vielleicht noch nachzuvollziehen, es erscheine aber ebenfalls bedenklich im Sinne des Gleichbehandlungsgebotes. Aus Sicht des Bw gebe es keine sachlichen Gründe für eine derartige Differenzierung, vielmehr sei zu vermuten, dass der Gesetzgeber des VStG diesen Fall schlicht und einfach nicht bedacht habe und die mit Strafrechtsänderungsgesetz 1996 eingefügte Bestimmung des § 31a StGB nicht zum Anlass genommen habe, auch für das VStG einen vergleichbaren Tatbestand zu schaffen.

Es könne auch nicht behauptet werden, dass im Bereich des VStG kein Bedarf für derartige Regelungen bestünde. Dies zeige sich schon am gegenständlichen Fall, wo über den Bw Geldstrafen zum Teil nahe der Höchstgrenze verhängt worden seien und man dabei von durchschnittlichen Verhältnissen ausgegangen sei. Diese Verhältnisse hätten sich nachhaltig verändert. Wären die Verhältnisse bereits bei Verhängung der Strafen so gewesen, hätte dies bei der Strafbemessung berücksichtigt werden müssen.

 

Es werde sohin beantragt,

der Berufung Folge zu geben und die verhängten Geldstrafen entsprechend den nunmehr bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen des Bw herabzusetzen oder die angefochtenen Bescheide aufzuheben und an die Erstbehörde zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Ausdrücklich angeregt werde die Vorlage der gegenständlichen Sache an den VfGH gemäß Artikel 140 BV-G, sofern auch die Berufungsbehörde die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bw teilen sollte.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat außer dem in Abs.2 erwähnten Fall die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

5.2. Wie oben bereits ausgeführt, wurde vom Bw mit Eingabe vom 31.10.2011 ein Antrag auf nachträgliche Herabsetzung der mit Strafverfügung vom 15.2.2010 verhängten Geldstrafen beantragt.

Von der Erstbehörde wurde dieser Antrag als Einspruch gegen die Strafverfügung gewertet.

Hiezu ist auszuführen, dass die Erstbehörde insofern im Recht ist, als nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens es nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter, sondern auf den Inhalt der Eingabe ankommt. Entscheidend ist, wie das Erklärte, also der Wortlaut des Anbringens, unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenswegs und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel darf nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht davon ausgegangen werden, dass eine Partei einen von vornherein sinnlosen oder unzulässigen Antrag gestellt hat.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass es unzulässig ist, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann, mag auch das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein.

 

Gegenständlich ist dem vom Bw gestellten Antrag eindeutig das damit verbundene Begehren, nämlich die nachträgliche Herabsetzung der verhängten Geldstrafen nach Eintritt der Rechtskraft der Strafverfügung, zu entnehmen.

Bei diesem eindeutigen Inhalt des Anbringens hätte die Erstbehörde nicht davon ausgehen dürfen, dass das Ziel des Bw der Einspruch gegen die genannte Strafverfügung darstellt, sondern hätte vielmehr über den Antrag auf nachträgliche Herabsetzung der Geldstrafen in I. Instanz entscheiden müssen.

 

Da sohin die Zurückweisung des Antrages (von der Behörde fälschlicherweise als Einspruch bezeichnet) zu Unrecht erfolgt ist, war der Bescheid ersatzlos zu beheben.

 

5.3. Soweit der Bw in der Berufung eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag durch die Berufungsbehörde begehrt, ist darauf zu verweisen, dass im Fall der Zurückweisung eines Antrages durch die Erstbehörde Sache und Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Frage ist, ob dem Antragsteller von der unterinstanzlichen Behörde zu Recht eine Sachentscheidung verweigert wurde, das heißt, ob die Zurückweisung des Antrag zu Recht erfolgt ist oder nicht. Eine inhaltliche Entscheidung ist der Berufungsbehörde verwehrt.

 

Aus den oben angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

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