Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-531191/14/Re/Sta

Linz, 26.01.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung der H H GmbH, L vertreten durch die H-W Rechtsanwälte OG, G, vom 25. August 2008 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz  vom 2. August 2011, Gz:. 0001216/2010 ABA Nord, 501/N107002, betreffend die Vorschreibung einer Maßnahme im Grunde des § 81b Abs.1 GewO 1994  zu Recht erkannt:

 

 

          Der Berufung wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 2. August 2011, Gz.: 0001216/2010 ABA Nord, 501/N107002, wird behoben.

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG)

§§ 359a und 359b Abs.1 Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat mit dem nunmehr bekämpften  Bescheid vom 2. August 2011, 0001216/2010 ABA Nord, 501/N107002, gegenüber der H H GmbH als Inhaberin der gewerblichen Tierschlachtanlage im Standort L, H, auf Gst. Nr. der KG. L als zusätzliche Maßnahme im Grunde der §§ 77a, 81b Abs.1 iVm 81c und 333 GewO 1994 nachstehende Maßnahme angeordnet:

"Die für die Lagerung der Schlachtnebenprodukte bestimmten Lagerräume, das sind die nördliche Nebenprodukthalle und der Lagerraum im östlichen Bereich des Hauptgebäudes, sind durch bau- und anlagentechnische Maßnahmen innerhalb von 6 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides so umzugestalten, dass in diesen Lagerräumen eine Raumtemperatur von 5 Grad Celsius als Tagesmittelwert eingehalten wird."

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, bei der gegenständlichen Betriebsanlage zum Schlachten von Rindern mit einer Schlachtkapazität von 240 bis 274 t/d, liege eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung vor und handle es sich um eine in der Anlage 3 zur GewO 1994 angeführte sogenannte IPPC-Betriebsanlage, somit um eine Anlage mit einer Schlachtkapazität (Tierkörper) von mehr als 50 t/d (Anlage 3, Z.6.4a) und seien daher die §§ 77a Abs.1, 3, 4 und 5, § 81a, § 81b Abs.1, 3 und 4 sowie § 81c GewO 1994 anzuwenden. Die Anlage unterliege daher auch der in § 81c leg.cit. normierten Verpflichtung, spätestens mit 31. Oktober 2007 den Anforderungen des § 77a zu entsprechen. Für die Anlage liege eine mit Bescheid vom 15. Oktober 1974 idF mehrerer nachfolgender Bescheide bis 30. Dezember 2004 erteilte gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung vor. Die Anlageninhaberin sei bereits mit Schreiben vom 2. April 2004 darauf hingewiesen worden, dass sie als Inhaberin einer IPPC-Betriebsanlage verpflichtet sei, ihre Anlage bis spätestens 31. Oktober 2007 an die Anforderungen des § 77a GewO 1994 anzupassen und der Behörde die Maßnahmen mitzuteilen. Trotz Erinnerung sei die Anlageninhaberin dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen. Daraufhin sei bereits mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28. Mai 2010 eine Reihe von Maßnahmen im Grunde der oben zitierten Rechtsgrundlagen angeordnet worden. Auf Grund der gegen diesen Bescheid von der Betriebsanlageninhaberin eingebrachten Berufung wurde dieser Bescheid vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Erkenntnis vom 27. Oktober 2010 behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Dies mit der Begründung, das Parteiengehör sei nicht im gesetzlich geforderten Umfang gewährt worden und habe sich die Behörde nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die zum Einhalten des Standes der Technik geforderten Auflagen dem zu berücksichtigenden Begriff "wirtschaftlich verhältnismäßige Anpassungsmaßnahmen" entsprechen würden.

Im daraufhin ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren habe die Anlageninhaberin ein Gutachten der T  GmbH vom 15. Dezember 2010 vorgelegt, wonach zur Beurteilung des Standes der Technik auf dem Gebiet der Rinderschlachtbetriebe ein BAT-Dokument, veröffentlicht im Amtsblatt zur Europäischen Union am 3. Mai 2005, betreffend die besten verfügbaren Techniken sowie die erste allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft -TA-Luft) vom 24. Juni 2002 herangezogen und festgehalten wird, dass der Rinderschlachtbetrieb auf Grund der von der Anlageninhaberin umgesetzten Maßnahmen in Bezug auf Energieeffizienz, Wasserverbrauch und Abwasserbehandlung, Abfall, Lärm- und Störfallvorsorge dem Stand der Technik entspräche. In Bezug auf Einhaltung von NOx-Emissionsgrenzwerten sei eine Anpassungsmaßnahme getroffen, die Dampfkessel Mitte Dezember stillgelegt worden und erfolge seither die Energieversorgung durch Fernwärme. Die Anlageninhaberin habe darüber hinaus mehrere Punkte der im ursprünglichen, später behobenen Bescheid vom 28. Mai 2010 vorgesehenen Anpassungsmaßnahmen getroffen.

Bezüglich Reduzierung der Emissionen in die Luft inklusive Geruch werde im Gutachten vom 15. Dezember 2010 zusammenfassend festgehalten, dass die Rinderschlachtanlage auf Grund der umgesetzten Maßnahmen weitgehend die Anforderungen der TA-Luft 2002 erfülle; lediglich betreffend die Lagerung tierischer Nebenprodukte werde die in der TA-Luft 2002 angegebene Raumtemperatur von 5 Grad Celsius nicht erfüllt. In der Folge stellte der beigezogene umwelttechnische Amtssachverständige am 2. Mai 2011 fest, dass nach Punkt 4.1.27 des BAT-Dokumentes bei der Lagerung von tierischen Nebenprodukten zur Vermeidung von Problemen mit Gerüchen angabegemäß für Feststoffe eine Raumtemperatur von nicht mehr als 5 Grad Celsius und für Blut eine Materialtemperatur von unter 10 Grad Celsius erforderlich sei. Nach der TA-Luft 2002 seien für Anlagen zum Schlachten von Geflügel sowie zum Schlachten sonstiger Tiere von mehr als 10 Mg Lebendgewicht je Tag zusätzliche folgende Anforderungen anzuwenden:

Ergänzend zu lit.c solle die Temperatur der Schlachtabfälle und Schlachtnebenprodukte weniger als 10 Grad Celsius betragen oder diese seien grundsätzlich in Räumen mit einer Raumtemperatur von weniger als 5 Grad Celsius zu lagern.

Die im gegenständlichen Schlachtbetrieb anfallenden Schlachtabfälle und Schlachtnebenprodukte würden in der mit einer Kühlanlage ausgestatteten nördlichen Nebenproduktehalle und in einem Lagerraum im östlichen Bereich des Hauptgebäudes gelagert. Nach Auflagepunkt 5. des gewerbebehördlichen Bescheides vom 14. Jänner 2003 sei zur Verminderung von diffusen Geruchsemissionen aus der nördlichen Nebenproduktehalle die Kühlanlage so einzustellen, dass eine Raumtemperatur von 15 Grad Celsius nicht überschritten werde. Diese Temperatur könne jedoch bei Tagen mit höherer Außentemperatur nicht erreicht werden, sodass die Nebenproduktehalle zu einem "befahrbaren Kühlraum" umgebaut werden müsste. Laut umwelttechnischem Sachverständigen würde eine Absenkung der Raumtemperatur auf 5 Grad Celsius gegenüber dem vorherrschenden Zustand mit Sicherheit eine relevante Verminderung der bei der Lagerung der Schlachtnebenprodukte auftretenden Geruchsemissionen bewirken. In der Folge schließt der umwelttechnische Amtssachverständige aus der Tatsache, dass im BAT-Dokument davon ausgegangen werde, dass bei einer Lagerung von Nebenprodukten in Räumen mit einer Höchsttemperatur von 5 Grad Celsius Probleme mit Geruchsentwicklungen vermieden werden könnten, dass es bei Lagerungen bei höheren Temperaturen wie beispielsweise 15 Grad Celsius zu relevanten Geruchsentwicklungen kommen könne.

 

Eine in der Folge von einem technischen Amtssachverständigen festgestellten zu veranschlagenden Kosten für die bau- und kühltechnische Umgestaltung der beiden Lagerräume ergab einen Betrag von voraussichtlich 340.920 Euro plus/minus 20 % Schätzungenauigkeit.

Rechtlich erwägend stellt die belangte Behörde hiezu fest, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass die Lagerung der tierischen Nebenprodukte nicht dem Stand der Technik entspreche. Die mit Bescheid vom 14. Jänner 2003 vorgeschriebene Raumtemperatur in den beiden für die Lagerung der Schlachtabfälle und Schlachtnebenprodukte bestimmten Lagerräumen würden an Tagen mit einer höheren Außentemperatur überschritten. Der Ansicht der Anlageninhaberin, die TA-Luft 2002 sei auf ihr Unternehmen nicht anzuwenden, sei entgegenzuhalten, dass selbst in dem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten der T  GmbH festgehalten sei, dass die Lagerung tierischer Nebenprodukte nicht dem Stand der Technik gemäß TA-Luft 2002 entspreche. Demnach wurde von der belangten Behörde von einer wesentlichen Änderung des Standes der Technik ausgegangen.

 

Zur Frage der erforderlichen wirtschaftlich verhältnismäßigen Anpassungsmaßnahmen werde von Maßnahmen ausgegangen, die eine erhebliche Verminderung der Emissionen ermöglichen, ohne unverhältnismäßige hohe Kosten zu verursachen (§ 81b Abs.2 Z1 GewO 1994). Demnach werde laut Sachverhaltsdarstellung eine Absenkung der Raumtemperatur auf 5 Grad Celsius gegenüber dem vorherrschenden Zustand eine relevante Verminderung der bei der Lagerung der Schlachtnebenprodukte auftretenden Geruchsimmissionen bewirkt. Die Absenkung mache eine bau- und kühltechnische Umgestaltung der beiden Lagerräume notwendig. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit werde von den vom technischen ASV errechneten 340.920 Euro plus/minus 20 % ausgegangen und seien der finanzielle Aufwand für die Anpassungsmaßnahme einerseits und die dadurch ermöglichte wesentliche Emissionsverminderung andererseits gegeneinander abzuwägen. Angesichts der Tatsache, dass die Absenkung der Raumtemperatur auf Dauer eine wirksame Verminderung der Schadstoffemission erwarten lasse, seien nach Auffassung der belangten Behörde die mit der Maßnahme verbundenen Kosten bei Anlegung eines objektiven, die subjektiven Gesichtspunkte des Betriebes außer Acht lassenden Maßstabes als wirtschaftlich verhältnismäßig anzusehen.

 

 

2. Gegen diesen Bescheid hat die Anlageninhaberin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 25. August 2011 innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, bereits der Spruch sei unklar formuliert und hätte die Behörde konkrete Maßnahmen und nicht das Ziel von Maßnahmen vorschreiben müssen. Die Behörde hätte konkrete bauliche und anlagentechnische Maßnahmen, die sie für notwendig und wirtschaftlich zumutbar halte, beschreiben und vorschreiben müssen. Die vorgenommene finale Umschreibung sei unzulässig. Weiters sei der Spruch insofern unklar formuliert, als die Zeiten, in denen keine Schlachtnebenprodukte gelagert würden, nicht berücksichtigt worden seien. Die Behörde fordere unabhängig davon, ob Schlachtnebenprodukte gelagert würden oder nicht, die Einhaltung einer Temperatur von 5 Grad Celsius. Dies sei wesentlich, da es mehrfach am Tag dazu komme, dass die Lagerräume gänzlich entleert und danach wieder befüllt würden. Weiters sei die von der Behörde herangezogene TA-Luft 2002 auf den Betrieb der Berufungswerberin nicht anzuwenden. Noch im Bescheid vom 14. Jänner 2003 sei die Einhaltung einer Raumtemperatur von 15 Grad Celsius vorgeschrieben worden, obgleich bereits damals die TA-Luft 2002 existierte. Noch im Bescheid vom 28. Mai 2010 wurde im Spruchpunkt I.1. der Berufungswerberin die Einhaltung einer Innenraumtemperatur von 10 Grad Celsius vorgeschrieben und damals argumentiert, dass es sich hiebei um die Einhaltung des Standes der Technik handeln würde. Nunmehr würde unter Rückgriff auf die TA-Luft 2002 eben eine Innenraumtemperatur von 5 Grad Celsius verlangt. Beim Zitat des T-Gutachtens vom 15. Dezember 2010 in Zusammenhang mit der Anwendung der TA-Luft 2002 übersehe die Behörde, dass auch in diesem T-Gutachten die Frage, aus welchen Gründen die TA-Luft 2002 Anwendung finden würde, nicht behandelt wurde. Sowohl der T als auch das Amtssachverständigengutachten setze die Anwendung der TA-Luft 2002 schlichtweg voraus und setzen sich nicht damit mit der Notwendigkeit auseinander, weshalb sie mangels Schlüssigkeit nicht als Sachverhaltsgrundlage geeignet seien. Darüber hinaus habe sich die Behörde nicht mit der Sinnhaftigkeit der vorgeschriebenen Maßnahmen auseinandergesetzt und selbst ausgeführt, dass nur Maßnahmen, die zu einer erheblichen Verminderung der Emissionen führen, vorgeschrieben werden könnten. Weiters werde argumentiert, dass es durch die Absenkung der Temperatur auf 5 Grad Celsius zu einer Verminderung der bei der Lagerung von Schlachtnebenprodukten auftretenden Geruchsbelästigung kommen würde. Diese rechtliche Beurteilung finde jedoch im Sachverhalt keine Deckung, da vom Amtssachverständigen lediglich ausgeführt wird, dass bei der Lagerung von höheren Temperaturen als 5 Grad Celsius, wie beispielsweise 15 Grad Celsius, es zu relevanten Geruchsentwicklungen kommen könne. Eine potentielle Möglichkeit einer Emissionsausbreitung stelle jedoch keinen Grund dar, Maßnahmen gemäß § 81b GewO 1994 vorzuschreiben. Mit der Frage, ob es zu Geruchsbelästigungen komme bzw. in der Vergangenheit gekommen sei, setze sich die Behörde nicht auseinander. Es sei in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass es zu keinerlei Beschwerden wegen Geruchsbelästigung aus den beiden Nebenproduktelagerhallen gekommen sei und wird dies auch von der Behörde I. Instanz nicht ins Treffen geführt. Eine Verringerung der Emissionsbelastung sei daher durch zusätzliche Maßnahmen, wie die Absenkung der Temperatur auf 5 Grad Celsius nicht zu erwarten, weshalb bereits aus diesem Grund die Vorschreibung rechtswidrig und aufzuheben sei. Nicht berücksichtigt wurde, dass die Schlachtabfälle in den Hallen eine max. Verweildauer von max. 5 Stunden hätten, und das gelagerte Material täglich zwei- bis dreimal abgeholt werde, die anfallende Menge daher nicht mit einer Raumtemperatur von 5 Grad Celsius gekühlt werden könne, da die Verweildauer nicht ausreiche. Die kurze Verweildauer führe auch dazu, dass es zu keiner Geruchsbelästigung komme bzw. gekommen sei. Jedenfalls hätte die Absenkung der Innenraumtemperatur auf 5 Grad Celsius keinerlei Effekt. Schließlich sei der Bausachverständige im Gutachten unschlüssig, da es ausschließlich aus baufachlicher Sicht erstellt worden sei. Es hätte jedoch auch ein kältetechnisches Gutachten eingeholt werden müssen. Darüber hinaus ergebe sich auch aus dem Unsicherheitsfaktor von plus/minus 20 % eine Unschlüssigkeit. Weiters seien die laufenden Kosten der Absenkung der Raumtemperatur auf 5 Grad Celsius nicht ermittelt oder berücksichtigt worden und wäre ein weiteres Amtssachverständigengutachten erforderlich gewesen. Die Kosten des Umbaus der Lagerhallen sei nicht mit den Errichtungskosten in Verhältnis gesetzt worden und stelle die geforderte Maßnahme wirtschaftlich betrachtet in Wahrheit einen Abriss und eine Neuerrichtung der beiden Lagerhallen dar. Dies stelle jedoch eine wesentliche Veränderung der Betriebsanlage dar, die nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 79 Abs.3 GewO zulässig sei. Es zeige sich daher aus den verlangten Investitionskosten von 340.920 Euro plus/minus 20 % die wirtschaftliche Unangemessenheit der vorgeschriebenen Maßnahme. Dies wenn man bedenkt, dass es seit dem Jahr 2003 keinerlei Beschwerden im Zusammenhang mit Geruchsbelästigungen gekommen sei. Eine Verbesserung der Situation sei daher nicht zu erwarten. Zum Beweis des Nichtvorliegens einer Notwendigkeit und/oder Angemessenheit der Maßnahme sei ein Gutachten von der veterinärmedizinischen Universität W in Auftrag gegeben worden und werde dieses nachgereicht.

 

 

3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994  i.V.m. § 67a  Abs.1 AVG.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu GZ.: 0001216/2010 ABA Nord, 501/N107002  sowie Einbeziehung des von der Berufungswerberin eingeholten und vorgelegten Privatgutachtens des Univ.-Prof. Dr. G S, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Veterinärmedizinische Universität W, vom 29. September 2011 über die Geruchsstoffemission der Lagerhallen für tierische Nebenprodukte der Firma H in L und Einholung eines hiezu Stellung nehmenden und ergänzenden lufttechnischen Gutachtens des Amtssachverständigendienstes des Amtes der Oö. Landesregierung, Abteilung Umwelt-, Bau- und Anlagentechnik vom 30. November 2011, UBAT-803187/4-2011-An/Md, samt Wahrung des Parteiengehörs.

 

Im Grunde des § 67d Abs.1 AVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels Erfordernis abgesehen werden.

 

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5. Gemäß § 81c GewO 1994 müssen bestehende in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen den Anforderungen des § 77a bis spätestens 31. Oktober 2007 entsprechen. Als bestehend gilt eine in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlage, wenn sie vor Ablauf des 31. Oktober 1999 rechtskräftig genehmigt wurde oder ein Genehmigungsverfahren am 31. Oktober 1999 war und die Betriebsanlage bis zum 31. Oktober 2000 in Betrieb genommen wurde. § 81d Abs.1 und Abs.3 gilt sinngemäß.

 

Gemäß § 81b Abs.1 GewO 1994 hat der Inhaber einer in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführten Betriebsanlage jeweils innerhalb einer Frist von 10 Jahren zu prüfen, ob sich der seine Betriebsanlage betreffende Stand der Technik (§ 71a) wesentlich geändert hat und gegebenenfalls unverzüglich die erforderlichen wirtschaftlich verhältnismäßigen (Abs.2 Z1) Anpassungsmaßnahmen zu treffen. Der Betriebsanlageninhaber hat der Behörde unverzüglich eine Darstellung der Entwicklung des Standes der Technik und einer Darstellung der getroffenen Anpassungsmaßnahmen zu übermitteln. § 81a bleibt unberührt. Hat der Betriebsanlageninhaber Maßnahmen im Sinne des ersten Satzes nicht ausreichend getroffen, so hat die Behörde entsprechende Maßnahmen mit Bescheid anzuordnen.  § 81a ist auf die Durchführung solcher behördlich angeordneter Maßnahmen nicht anzuwenden.

 

Gemäß Abs.2 leg.cit. hat die Behörde auch vor Ablauf der 10-Jahresfrist gemäß Abs.1 entsprechende Maßnahmen im Sinne des Abs.1 mit Bescheid anzuordnen, wenn:

  1. sich wesentliche Veränderungen des Standes der Technik (§ 71a) ergeben haben, die eine erhebliche Verminderung der Emissionen ermöglichen, ohne unverhältnismäßig hohe Kosten zu verursachen, oder
  2. die Betriebssicherheit die Anwendung anderer Techniken erfordert.

 

Gemäß § 81b Abs.3 GewO 1994 hat die Behörde, wenn die gemäß Abs.1 oder 2 vorzuschreibenden Maßnahmen eine in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändern würden, § 79 Abs.3 sinngemäß anzuwenden.

 

5.1. Im von der Berufungswerberin vorgelegten Gutachten des Univ.-Prof. Dr. G S vom 29. September 2011 behandelt dieser insbesondere die Fragen, ob die angeordnete Reduktion der Raumtemperatur auf 5 Grad Celsius einen erheblichen Einfluss auf die Emission von Geruchsstoffen hat und ob die vorgeschriebene Maßnahme erforderlich ist, um unzumutbare Geruchsimmissionen zu vermeiden, schließlich, ob die geforderte Kühlung der beiden Lagerräume wirtschaftlich zumutbar ist; dies unter Heranziehung des bekämpften Bescheides vom 2. August 2011, des Gutachtens über die Prüfung des Schlachtbetriebes im Hinblick auf Einhaltung von BAT gemäß IPPC-Richtlinie  vom 15.12.2010 der T A S GmbH sowie des Schreibens des Amtssachverständigen des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 4.5.2011. Zum Thema "Verminderung der Geruchsstoffemissionen durch betriebliche Maßnahmen" wird darin festgestellt, dass die Geruchsstoffemission durch die Lagerung der tierischen Nebenprodukte vor allem von der Zeitspanne für die Freisetzung der Geruchsstoffe abhängt. Bisher sei durch den Verbleib von teilweise gefüllten Containern in den Lagerhallen eine Geruchsstofffreisetzung über 24 Stunden erfolgt. Durch Prozessoptimierungen des Betriebsablaufes würden die Container mit den tierischen Nebenprodukten in Zukunft am Betriebsende abtransportiert. Dadurch werde die Geruchsemission der zwei Lagerhallen zwischen Betriebsende und Betriebsbeginn nahezu auf Null reduziert. Der Zeitraum von 24 Stunden reduziere sich auf weniger als 12 Stunden. Die mittlere Geruchsstoffemission der beiden Lagerhallen würde um mehr als 50 % reduziert werden. Auch der Umstand, dass – bezogen auf das Vorliegen von Stabilität der Atmosphäre – der Anteil in der Nacht etwa um den Faktor 5 über dem des Tages liege, somit stabile Wetterlagen tagsüber mit wesentlich geringerer Häufigkeit auftreten, spreche für die prognostizierte Geruchsstoffimmission von deutlich unter 50 % der früheren Situation.

Zur Frage "mögliche Verminderung der Geruchstoffemissionen durch gekühlte Lagerräume" stellt Prof. Dr. S fest, dass die Geruchsstoffemission der tierischen Nebenprodukte stark von der Oberflächentemperatur abhängt. Die Lufttemperatur der Lagerräume hat jedoch nur einen geringen Einfluss auf die Freisetzung der Geruchsstoffe. Durch die Kühlung der Lagerhallen kann jedoch die Oberflächentemperatur nicht verringert werden. Dies ergibt sich aus der hohen Wärmekapazität der Produkte und der ständigen Überschichtung durch neu zugeführtes Material. Daher kann angenommen werden, dass die Oberflächentemperatur etwa der Temperatur der Schlachtkörper (ca. 35 Grad Celsius) entspricht. Durch die hohe Temperaturdifferenz zwischen der geforderten Lufttemperatur von 5 Grad Celsius und der Oberflächentemperatur von 35 Grad Celsius trete eine verstärkte Konvektion auf Grund der Thermik auf. Diese Konvektion führe zu einer Erhöhung der Luftbewegung und damit zu einer verstärkten Freisetzung von Geruchsstoffen, weshalb nicht schlüssig argumentiert werden kann, dass die Kühlung der Lagerräume auf eine Raumtemperatur von 5 Grad Celsius eine wirksame Verminderung der Geruchsstoffemission erwarten lasse.

Bezogen auf rechtliche Rahmenbedingungen wird darüber hinaus festgehalten, dass im gegenständlichen Falle keine Auflagen, die über den Stand der Technik hinaus gehen, vorgeschrieben werden könnten, da Überschreitungen eines Immissionsgrenzwertes nicht geprüft worden seien. Weiters ergebe sich auf Grund der fehlenden Anrainerbeschwerden keine Begründung für ein behördliches Einschreiten.

Zum Bescheidinhalt, wonach die Anlage nicht dem BAT-Dokument entspreche, zitiert der Gutachter unter Hinweis auf Punkt 4.1.27 dieses Dokuments und leitet daraus ab, dass die Kühlung von Lagerräumen für tierische Nebenprodukte einerseits von der Art der gelagerten Materialien und deren Geruchsstofffreisetzung und andererseits von den klimatischen Bedingungen abhänge. Auf Grund der im gegenständlichen Fall stattfindenden Lagerung im Container sowie fehlender Beschwerden könne davon ausgegangen werden, dass eine Kühlung der bestehenden Anlagen nicht erforderlich sei. Im Vergleich zu südeuropäischen Ländern der EU könne das Vorliegen eines heißen Klimas für den Standort Linz verneint werden. In anderen EU-Ländern, zB Belgien, werde entweder eine Kühlung oder regelmäßiger Abtransport der tierischen Nebenprodukte vorgesehen. Aus dem BAT-Dokument ergebe sich weder eine generelle Verpflichtung noch eine Empfehlung für die Kühlung der Lagerräume.

 

5.2. Zu diesem ergänzenden, von der Berufungswerberin beigebrachten Gutachten des Univ. Prof. Dr. S, gibt die belangte Behörde einerseits bekannt, dass hinsichtlich der angesprochenen Anrainerbeschwerden ergänzend festzustellen ist, dass seit Mitte Juni 2010 keine die Betriebsanlage betreffenden Nachbarbeschwerden vorliegen. Vom lufttechnischen Sachverständigen des U- und T-Center der Stadt L wird weiter argumentiert, dass es trotz der nunmehrigen Zusage der Berufungswerberin, dass nach Schlachtschluss in den Nebenproduktenhallen keinerlei Schlachtabfälle mehr lagern würden, die typischen Geruchsauswirkungen gegeben seien. Die gesamte Halle rieche, was bei einem Augenschein leicht festgestellt werden könne. Vorgeschriebene Auflagen betreffend tägliche Reinigung der Wände und der Böden der Halle könnten in Bezug auf die auf der Decke der Halle montierten Transporteinrichtungen samt Aufhängungen nicht ordentlich gereinigt werden, sodass die Halle eine dauernde Geruchsquelle sei. Die gleichzeitig mit Datum angegebenen Beschwerden beziehen sich auf einen Zeitraum vom 7. Jänner 2010 bis 14. Juni 2010 und werden auch für die Nachtzeit angesprochen, da auch zur Nachtzeit extrem stabile Ausbreitungsverhältnisse nachgewiesen würden.

 

5.3. Vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wurde auf Grund dieser vorliegenden, einander zum Teil widersprechenden fachlichen gutachtlichen Äußerungen eine darauf bezugnehmende gutachtliche Stellungnahme des Amtssachverständigendienstes des Amtes der Oö. Landesregierung, Abteilung Umwelt-, Bau- und Anlagentechnik, in Auftrag gegeben. In dieser gutachtlichen Stellungnahme stellt die lufttechnische Amtssachverständige in ihrer Stellungnahme vom 30. November 2011, UBAT-803187/4-2011, fest:

 

"Zu Beweisfrage 1:

ob die vorgeschriebene Kühlung der Lagerräume auf 5° Celsius einer wesentlichen Veränderung des Standes der Technik der letzten Jahre ableitbar ist:

 

Die TA-Luft stammt aus dem Jahr 2002, das BAT-Dokument aus 2003, eine Veränderung des Standes der Technik in den unmittelbar letzten Jahren lässt sich daraus nach meiner Einschätzung nicht ableiten.

 

Zu Beweisfrage 2:

ob die TA-Luft 2002 als Stand der Technik für die Beantwortung der Frage anzusehen ist:

 

In der Erstellung von Gutachten zur Luftreinhaltetechnik ist es täglich geübte Praxis, die TA-Luft als Beurteilungsgrundlage heranzuziehen – und dies nicht erst seit Erscheinen der aktuellen Ausgabe im Jahr 2002, sondern auch schon davor wurde die Vorläuferversion vom 27.2.1986 sehr häufig verwendet.

Der Grund liegt einerseits darin, dass der Entwicklungsstand technologischer Verfahren – der "Stand der Technik", aber auch der Beurteilungsmaßstab im Immissions- und Nachbarschaftsschutz in Deutschland und Österreich als durchaus vergleichbar zu bewerten sind und andererseits die TA-Luft sehr viele anlagenspezifische Bestimmungen enthält, für die es in Österreich keine so detaillierten Regelungen gibt.

 

Unabhängig davon enthält aber das BAT-Dokument eine gleichlautende Bestimmung, sodass aus meiner Sicht der Stand der Technik jedenfalls bei einer Raumtemperatur von 5 °C zu sehen ist.

 

Die Frage der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit fällt nicht in meinen Fachbereich. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass das o.z. BREF-SA unter dem genannten Pkt. 4.1.27 auch Ausführungen zu "Wirtschaftlichen Aspekten" enthält: "... Für Schlachtanlagen die tierische Nebenprodukte ohne kommerziellen Wert produzieren, ist die Investition in Lagereinrichtungen offenbar nicht rentabel. Das kann der Fall sein, wenn Nebenprodukte behandelt oder abtransportiert werden, bevor sie zu Gerüchen oder Belästigungen führen."

 

Zu Beweisfrage 3:

gegebenenfalls mit welcher Begründung und ob dem Gutachten des Univ. Prof. Dr. G S, wonach nicht schlüssig argumentiert werden kann, dass die Kühlung der Lagerräume auf eine Raumtemperatur von 5 ° Celsius eine wirksame Verminderung der Geruchsstoffemissionen erwarten lässt, gefolgt werden kann:

 

Ich teile die Meinung von Univ. Prof. Dr. G S, dass nicht schlüssig argumentiert werden kann, dass die Kühlung der Lagerräume auf eine Raumtemperatur von 5 °C eine wirksame Verminderung der Geruchsemissionen erwarten lässt – folge aber nicht seiner Begründung:

 

Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass das Absenken der Kühlraumtemperatur um 10 °C zu einer Erhöhung der Geruchsemissionen führen soll. Die als Ursache dafür genannte Thermik, die durch das große Temperaturgefälle entstehen soll, wird meines Erachtens völlig überlagert von jener Thermik, die ohnehin entsteht durch das ständige Einbringen der Pansen und Darmpakete in den Container.

Meiner Einschätzung nach sollte sich ein Absenken der Kühltemperatur jedenfalls positiv auf die Verlangsamung von Zersetzungsprozessen und dabei entstehenden geruchsintensiven Stoffen auswirken. Wie groß dieser Effekt ist und ob er überhaupt eine Auswirkung auf die Geruchsimmissionssituation in der Nachbarschaft hat, lässt sich aber nicht beziffern.

Dies ist damit zu begründen, dass die in der Praxis verwendeten Rechenmodelle eine exakte Quantifizierung derart komplexer Quellen (offener Container mit variabler Füllmenge, diffuse Geruchsstoffströme, keine definierte Quellkonfiguration, ...) kaum möglich ist – allenfalls könnte man noch mit Messungen Orientierungswerte bekommen. Völlig unmöglich ist es aber, daraus dann unter Zugrundelegung von Ausbreitungsmodellierungen seriöse Daten für Jahresgeruchsstundenhäufigkeiten (= Beurteilungsmaß für die Beeinträchtigung der Nachbarn) zu erhalten. Und umso unmöglicher ist es, diese Daten als Funktion der Kühlraumtemperatur (bzw. deren Absenkung um 10 °C) zu ermitteln."

 

5.4. Diese gutachtliche Stellungnahme der lufttechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung wird im Rahmen des Parteiengehörs von der belangten Behörde mit Schreiben vom 15. Dezember 2011 ausdrücklich und ohne weitere Ausführungen zur Kenntnis genommen. Von Seiten der Berufungswerberin wird dazu mitgeteilt, dass auch hiedurch der Standpunkt der Berufungswerberin vollinhaltlich bestätigt werde, weshalb Spruchreife im Sinne einer Stattgabe der Berufung bestehe.

 

5.5. Unbestritten steht zunächst fest, dass es sich bei der zu Grunde liegenden Betriebsanlage der H H GmbH um eine in der Anlage 3 zur GewO 1994 aufgezählten Anlagen, den sogenannten IPPC-Betriebsanlagen, handelt, nämlich um eine Anlage zum Schlachten von Tieren mit einer Schlachtkapazität (Tierkörper) von mehr als 50 t/d (Anlage 3 Zif. 6.4a zur GewO) und finden somit auf diese Anlage unter anderem die Bestimmungen der §§ 77a Abs.1, 3, 4 und 5, 81a, 81b Abs.1, 3 und 4 sowie 81c GewO 1994 Anwendung. Demnach unterliegt die gegenständliche Anlage auch unbestritten der in § 81c leg.cit. ausgesprochenen Verpflichtung, als bestehende, in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlage, den Anforderungen des § 77a bis spätestens 31. Oktober 2007 zu entsprechen. Da gemäß § 81c letzter Satz leg.cit. für derartige Anlagen § 81b Abs.1 und Abs.3  sinngemäß gelten, hat der Anlageninhaber im Sinne des angeführten § 81b Abs.1 GewO 1994 seine Anlage jeweils innerhalb einer Frist von 10 Jahren zu prüfen, ob sich der seine Betriebsanlage betreffende Stand der Technik wesentlich geändert und gegebenenfalls, unverzüglich die erforderlichen wirtschaftlich verhältnismäßigen (Abs.2 Z1) Anpassungsmaßnahmen zu treffen. Diesbezüglich bleibt § 81a unberührt. Hat jedoch der Betriebsanlageninhaber Maßnahmen im Sinne des ersten Satzes nicht ausreichend getroffen, so hat die Behörde entsprechende Maßnahmen mit Bescheid anzuordnen, wobei auf die Durchführung solcher behördlich angeordneter Maßnahmen § 81a nicht anzuwenden ist.

 

Im gegenständlichen Falle wurde von der belangten Behörde mit dem bekämpften Bescheid die Auflage betreffend die Umgestaltung der Lagerräume, sodass in diesen eine Raumtemperatur von 5 Grad Celsius als Tagesmittelwert eingehalten wird, mit der Begründung vorgeschrieben, die derzeitige Lagerung entspreche nicht dem Stand der Technik und habe die Anlageninhaberin insofern die erforderlichen, wirtschaftlich verhältnismäßigen, Anpassungsmaßnahmen zu treffen, also jene faktischen Veränderungen an der Betriebsanlage vorzunehmen, die für eine Anpassung an den "wesentlich geänderten Stand der Technik" notwendig seien.

 

Diesbezüglich gehen übereinstimmend sowohl der Amtssachverständige der belangten Behörde sowie die im Berufungsverfahren beigezogene Amtssachverständige der lufttechnischen Fachabteilung des Amtes der Oö. Landesregierung übereinstimmend davon aus, dass nach dem Stand der Technik zum derzeitigen Zeitpunkt unter begründeter  Heranziehung der TA-Luft 2002 als auch des oben zitierten BAT-Dokumentes von einer Raumtemperatur in derartigen Lagerräumen für Schlachtabfälle und Schlachtnebenprodukte von 5 Grad Celsius auszugehen sei.

Vom Sachverständigendienst wird jedoch gleichzeitig ausgesprochen, dass sich durch Heranziehung der TA-Luft (aus dem Jahr 2002) und des BAT-Dokuments aus dem Jahr 2003 eine Veränderung des Standes der Technik in den unmittelbar letzten Jahren daraus nicht ableiten lasse. Dafür spricht auch, dass trotz Bestand der TA-Luft im Jahr 2002 mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. Jänner 2003 die Einhaltung einer Raumtemperatur von 15 Grad Celsius in den besagten Räumlichkeiten vorgeschrieben wurde. Folgt man diesen Aussagen bzw. Feststellungen, so würde  sich daraus keine wesentliche Änderung des Standes der Technik ergeben und würde dies bereits aus diesem Grunde die Vorschreibung der bekämpften Auflage im bekämpften Bescheid aus dem Titel des § 81b GewO 1994 verbieten. Vielmehr wäre sicherzustellen, dass die rechtskräftig vorgeschriebene Raumtemperatur von 15 °C eingehalten wird.

 

Aber auch wenn man von einer wesentlichen Veränderung des Standes der Technik ausgeht, ist der Berufung Folge zu geben, da in diesem Falle von der Behörde im Sinne des § 81b Abs.1 iVm Abs.2 Z1 nur die erforderlichen, wirtschaftlich verhältnismäßigen, Anpassungsmaßnahmen zu treffen sind. Wirtschaftlich verhältnismäßig im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung wiederum (Abs.2 Z1) sind Maßnahmen, die eine erhebliche Verminderung der Emissionen ermöglichen, ohne unverhältnismäßige Kosten zu verursachen. Gegen das Vorliegen dieser Voraussetzung einer "erheblichen Verminderung der Emissionen" sprechen sowohl das von der Berufungswerberin beigebrachte Gutachten des Univ.-Prof. Dr. S als auch die hiezu eingeholte gutachtliche Stellungnahme der Abteilung Umwelt-, Bau- und Anlagentechnik des Amtes der Oö. Landesregierung. Die Berufungsbehörde kann sich diesen Ausführungen, wonach nicht schlüssig argumentiert werden kann, dass die Kühlung der Lagerräume auf eine Raumtemperatur von 5 Grad Celsius eine wirksame Verminderung der Geruchsemissionen erwarten lasse, welche auch in sich widerspruchsfrei ist und letztlich unbestritten blieb, anschließen und der Berufungsentscheidung zu Grunde legen. Ein Aufrechterhalten der vorgeschriebenen Auflage war daher auch unter dem Blickwinkel einer angenommenen, zu Grunde gelegten, Änderung des Standes der Technik nicht möglich.

 

Dem ist hinzuzufügen, dass Zweck der Auflage zweifelsfrei der Schutz der Anrainer vor unzumutbaren Belästigungen darstellt, da es sich insbesondere bei den verfahrensgegenständlichen Emissionen nicht um Luftschadstoffe sondern lediglich um Geruchsstoffe handelt. Immissionsbelastungen, welche zu Beschwerden führen, nachweislich seit Umstrukturierung des Betriebes, wonach Schlachtabfälle regelmäßig und jedenfalls täglich bei Betriebsende entsorgt werden, nicht mehr auftreten und aus diesem Grunde vorgeschriebene Maßnahmen, welche Kosten in der Höhe von mehreren hunderttausend Euro verursachen, ohne erwiesenermaßen den erzielten Zweck zu erfüllen, nur schwierig als verhältnismäßig einzustufen sein werden.

 

Die Behörde wird abschließend auf die Bestimmung des § 81b Abs.3  GewO 1994 hingewiesen, wonach bei gemäß Abs.1 oder 2 vorzuschreibenden Maßnahmen, die eine in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändern würden, die Behörde § 79 Abs.3 sinngemäß anzuwenden hat. Würde sich daher in Zukunft auf Grund von tatsächlichen Problemen die Notwendigkeit einer völliger Neugestaltung von Kühlungs- und Lüftungsanlagen ergeben, so wird es sich hiebei aller Voraussicht nach um Maßnahmen handeln, die das Wesen der Anlage verändern und somit nicht als Auflagen nach § 81b Abs.1 vorgeschrieben werden können.

 

Insgesamt war somit auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage der Berufung Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden. Die Anberaumung und Durchführung der beantragten Berufungsverhandlung war nicht erforderlich, da das von der Berufungswerberin mit diesem Antrag verbundene Beweisthema ohnedies in ihrem Sinne beantwortet wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.     Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.     Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind Gebühren in der Höhe von 36,40 Euro angefallen.

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

 

 

 

VwSen-531191/14/Re/Sta vom 26. Jänner 2012

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

GewO 1994 §81b Abs3;

GewO 1994 §79 Abs3;

GewO 1994 §81b Abs1

 

Wird in Bezug auf eine gewerbliche IPPC-Betriebsanlage auf Grund von Sachverständigenaussage die Notwendigkeit als gegeben erachtet, in Lagerräumen eine maximale Raumtemperatur von 5°C zu erreichen und ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer völligen Neugestaltung von Kühlungs- und Lüftungsanlagen, so wird es sich hiebei unter Heranziehung des § 81b Abs 3 GewO 1994 und des § 79 Abs 3 GewO 1994 aller Voraussicht nach um Maßnahmen handeln, die das Wesen der Anlage verändern und somit nicht als Auflagen nach § 81b Abs 1 leg cit vorgeschrieben werden können, sondern die Einforderung eines Sanierungskonzeptes verlangen.

 

 

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