Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281361/13/Kl/Pe/BRe

Linz, 26.01.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 11. Oktober 2011, Ge-1393/10, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 21. Dezember 2011 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass

-   im Spruch anstelle von „handelsrechtlicher Geschäftsführer“ der Ausdruck „Komplementär und unbeschränkt haftender Gesellschafter“ zu treten hat und

-   die Bauarbeiterschutzverordnung mit „BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 21/2010“ und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz mit „BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 221/2010“ zu zitieren ist.

 

 

II. Der Berufungswerber hat einen Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 100 Euro, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 11. Oktober 2011, Ge-1393/10, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 87 Abs.3 und 155 Abs.1 BauV iVm §§ 118 Abs.3 und 130 Abs.5 Z1 ASchG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma x in x, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten hat, dass am 30.9.2010 auf der Baustelle o.a. Firma in x (Zu- und Umbau eines Wohnhauses), ein Arbeitnehmer o.a. Firma mit Arbeiten auf dem dortigen Dach (Anbringen der Dachlattung sowie Neueindeckung des Wohnhauses) beschäftigt war, ohne dass an der Westseite, an der Südwestecke sowie im Bereich der Innenecke des Gebäudes (bei den dortigen Silos) geeignete Schutzeinrichtungen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, vorhanden gewesen wären. Es war somit kein durchgehender Schutz gegen das Abstürzen von Menschen und Material vorhanden. Es war gegenständlicher Arbeitnehmer auch nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt. Die Absturzhöhe auf gegenständlichem Dach betrug ca. 6,00 m bis 7.00 m und die Dachneigung des gegenständlichen Daches betrug über 20°. Da bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m, geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) und des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) dar.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass an der gegenständlichen Baustelle rund 14 Tage gearbeitet worden sei, ursprünglich ein Konsolgerüst vorhanden war, welches als Sicherheit ausreichend gewesen wäre, und der Bw auch das Gerüst und die Mitarbeiter kontrolliert hätte. Es habe sich daher der Bw darauf verlassen, dass alles in Ordnung sei. In der Folge habe die Baufirma das Konsolgerüst abgebaut, weil es anderweitig benötigt worden sei. Der Mitarbeiter sei trotzdem ungesichert auf das Dach geklettert und mit der Anbringung der Dachlattung beschäftigt gewesen. Arbeiten an der Traufe seien nicht durchgeführt worden. Am Tag der Beanstandung sei der Bw selbst auf die Baustelle gekommen, weil er eine Kontrolle durchgeführt habe. Die montierten Dachschutzblenden seien ausreichend gewesen, weil der Mitarbeiter im Traufenbereich nicht gearbeitet hätte. Der Bw sei vom Vorarbeiter hinsichtlich des Abbaus des Gerüstes nicht angerufen worden, weil dieser gewusst hätte, dass der Bw auf die Baustelle kommen würde. Es reiche daher die objektive Erfüllung des Tatbestandes für eine Verurteilung nicht aus, sondern könne dem Bw ein Verschulden nicht angelastet werden. Er könne nicht verpflichtet werden, alle Baustellen und Mitarbeiter tagtäglich rund um die Uhr zu kontrollieren. Dies sei unzumutbar. Er sei regelmäßig auf der Baustelle. Es sei nicht vorhersehbar gewesen, dass der Mitarbeiter trotz Abbaus des Schutzgerüstes kurzfristig ungesichert auf das Dach klettert. Das ursprüngliche Konsolgerüst sei tatsächlich und ausreichend vorhanden gewesen. Dies könne der Baupolier und der Mitarbeiter x bezeugen. Es hätte daher das Strafverfahren eingestellt werden müssen. Subsidiär werde ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG beantragt.

 

3. Der Magistrat der Stadt Steyr hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere durch die der Anzeige angeschlossenen Fotos, sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.12.2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Bw, sein Rechtsvertreter und ein Vertreter des zuständigen Arbeitsinspektorates haben an der Verhandlung teilgenommen; die belangte Behörde ist nicht erschienen. Weiters wurden die Zeugen Arbeitsinspektor x, x und x geladen und einvernommen. Seitens des Arbeitsinspektorates wurden weitere Fotos, aufgenommen zum Kontrollzeitpunkt, bei der Verhandlung vorgelegt und zum Akt genommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist Komplementär und uneingeschränkt haftender Gesellschafter der x mit Sitz in x. Diese führt ein Zimmereiunternehmen.

Auf der Baustelle x, Zu- und Umbau des Wohnhauses x, war die x mit der Anbringung der Dachlattung beauftragt. Anlässlich der Kontrolle am 20.9.2010 wurde ein Arbeitnehmer der x, nämlich Herr x, bei Dacharbeiten angetroffen. Die Dachlattung war fast fertig. Herr x hat die Lattung auf der Giebelseite am Dachsaum abgelängt. Herr x ist der Vorarbeiter. Es waren Dachblenden vorhanden, diese waren aber nicht überall am Dach vorhanden. Der Arbeitnehmer war nicht angeseilt. Konkret hat der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kontrolle am Dachsaum gearbeitet, wobei in diesem Bereich die Dachblende nicht ausreichend vorhanden war, nämlich am Dachsaum nicht vorhanden war. Sodann hat sich der Arbeitnehmer auf der Dachfläche weiter nach oben bewegt zur anderen Seite der Dachfläche. Auch hier waren die Dachblenden nicht ausreichend. Es war auch keine sonstige Sicherung vorhanden. Dies war an der Südwestseite (Foto 1 und 3). Auf der Westseite (Foto 4) war keine Sicherung mehr vorhanden. Ebenfalls fehlte eine Sicherung an der Innenecke zu den Silos im Bereich der Dachgaupe (Foto 5). Ein Dachfanggerüst war nicht vorhanden. Es waren Teile eines Konsolgerüstes ersichtlich, welche nicht den Anforderungen an ein Dachfanggerüst entsprachen, weil eine Verlängerung und Ausführung 60 cm parallel zur Dachfläche fehlte. Zum Kontrollzeitpunkt war lediglich noch das Baukonsolgerüst wie auf Foto 6 ersichtlich vorhanden.

Die Absturzhöhe betrug ca. 6,00 bis 7,00 m. Die Dachneigung war je nach Gebäudetrakt verschieden, jedenfalls aber überall über 20°.

Die Firma x führte die Zimmereiarbeiten aus. Die Arbeiten dauerten ca. 14 Tage. Zum Kontrollzeitpunkt waren nur mehr Restarbeiten durchzuführen. Es war ursprünglich von der Baufirma ein Konsolgerüst aufgestellt. Dieses wurde auch von der x verwendet. Es wurde auch zur Abnahme des Naturmaßes verwendet. Zusätzlich waren immer auch Dachblenden von der x in Verwendung, weil das Gerüst nach Angaben des Vorarbeiters nicht vollständig war. Ein Teil des Gebäudes war nicht eingerüstet. Das Baugerüst, das von der Baufirma aufgestellt wurde und auch von der x verwendet wurde, schaute überall so aus, wie auf dem Foto 6 ersichtlich ist. Es war also kein vollständiges Dachfanggerüst. Sicherheitsseile wurden nicht verwendet. Sicherheitsgurte und -seile waren für jeden Arbeitnehmer im Bus. Die Dachblenden wurden von der Firma mit dem Material mitgeliefert. In der Firma gibt es Unterlagen und Prospekte, wo man über Gerüste und Sicherungsmaßnahmen nachsehen kann. Es gibt auch kurze Einweisungen, wenn die Seile von der jährlichen Überprüfung zurückkommen. Bei großen Baustellen gibt es noch spezielle Einweisungen. Auf der konkreten Baustelle gab es keine Einschulung oder Einweisung.

Die Baufirma hat das vorhandene Gerüst knapp vor dem 30.9.2010 nach und nach abgebaut. Es ist dem Arbeitnehmer x nicht aufgefallen, dass das Gerüst abgebaut wurde. Über Anfrage teilte der Polier der Baufirma dem Arbeitnehmer x mit, dass das Gerüst auf einer anderen Baustelle gebraucht werde. Der Vorarbeiter hat den Bw nicht davon informiert, dass das Gerüst abgebaut wurde. Es gibt eine Anweisung, dass die Firma verständigt werden muss, wenn solche Vorkommnisse bemerkt werden. Der Bw war aber am 30.9.2010 auf der Baustelle zur Baubesprechung. Daher wurde mit ihm vorher nicht telefoniert. Der Bw kommt nicht täglich auf die Baustelle, er kommt aber zur wöchentlichen Baubesprechung.

Die Giebelhöhe betrug ca. 9 m.

Der Vorarbeiter x ist seit 6 bis 7 Jahren in der Firma beschäftigt. Er hat die Zimmereilehre abgeschlossen. Er wurde auch unterwiesen, wie ein Dachfanggerüst auszusehen hat. Ist ein Gerüst nicht vollständig, so hat er dies mit dem Polier zu besprechen, nämlich dass er das Gerüst entsprechend ausführt. Die Unterlagen über die Sicherheitsvorschriften sind im Firmenauto und soll das Dachfanggerüst so ausgeführt sein.

Das Dach war aber noch nicht eingedeckt und die Spenglerarbeiten waren noch nicht durchgeführt.

Für die Baustelle gab es einen SiGe-Plan und es war ein Baustellenkoordinator bestellt. Der Bw ging daher davon aus, dass hinsichtlich Sicherheitsmaßnahmen alles passt. Er hat sich auf den Baustellenkoordinator verlassen.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die vorliegenden Fotos und die übereinstimmenden Aussagen der einvernommenen Zeugen. Die Zeugen machten einen glaubwürdigen Eindruck und bestand keine Veranlassung an der Richtigkeit der Aussagen der Zeugen zu zweifeln. Es konnten daher die Aussagen der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Auch sind die Zeugenaussagen durch die aufliegenden Fotos untermauert.

Hingegen konnte entgegen den Behauptungen des Bw ein Dachfanggerüst bzw. ein Baukonsolgerüst ausgebildet als  Dachfanggerüst nicht festgestellt werden. Insbesondere ist auch auf die Aussage des Poliers der Baufirma hinzuweisen, dass es sich dabei nur um ein Baugerüst gehandelt hätte, dieses durch die Firma x nicht verändert wurde und daher zu niedrig sei und keinen Schutz für die Dacharbeiten biete. Auch der Vorarbeiter x bestätigte, dass das vorhandene Baugerüst niemals umgeändert worden sei und daher auch für den Giebelbereich nicht ausreichend gewesen sei. Das Baugerüst war nicht am gesamten Gebäude angebracht. Es wurden daher Dachschutzblenden durch die Firma x angebracht. Allerdings wurde auch vom Vorarbeiter bestätigt, dass die Blenden nicht ausreichend überall vorhanden waren. Auch war keine persönliche Schutzausrüstung verwendet worden. Dies bestätigte ebenfalls der Zeuge x. Es sind daher die Feststellungen einwandfrei erwiesen und können der Entscheidung zu Grunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 221/2010, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 21/2010 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88).

 

Wenn Arbeiten auf Dächern gleichzeitig oder aufeinanderfolgend sowohl an der Dachfläche als auch an der Traufe durchgeführt werden, müssen solche Schutzeinrichtungen verwendet werden, die sowohl für die Arbeiten an der Dachfläche, als auch für Arbeiten an der Traufe wirksam sind.

Da sowohl auf der Dachfläche als auch an der Traufe gearbeitet wurde, auch noch weitere Arbeiten, wie Spenglerarbeiten und die Dacheindeckung erforderlich waren, war jedenfalls ein Dachfanggerüst nach den zitierten gesetzlichen Bestimmungen erforderlich.

 

Gemäß § 88 Abs.3 BauV müssen Dachfanggerüste mit einer mindestens 1,00 m hohen tragfähigen Schutzwand ausgerüstet sein, deren oberer Rand, gemessen im rechten Winkel zur Dachfläche, einen Abstand von mindestens 60 cm von der Dachfläche haben muss.

 

Der Belag des Dachfanggerüstes darf bei Arbeiten im Bereich des Dachsaums nicht mehr als 1,50 m unterhalb des Dachsaums liegen. Dachschutzblenden und Dachfanggerüste müssen die zu sichernden Arbeitsplätze seitlich um mindestens 2,00 m überragen (§ 88 Abs.4 BauV).

 

Im Grunde der erwiesenen und zu Grunde gelegten Feststellungen hat daher der Bw an der näher angeführten Baustelle am 30.9.2010 den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 87 Abs.3 und 88 BauV war das vorhandene Konsolgerüst nicht als Dachfanggerüst ausgebildet und keine geeignete technische Sicherheitseinrichtung vorhanden. Auch waren die Dachschutzblenden nicht in ausreichendem Maße, nämlich an den Stellen, wo gearbeitet wurde, vorhanden. Die Dachneigung betrug über 20° und die Absturzhöhe zwischen 7 und 9 m. Es war daher während der gesamten Dauer der Dacharbeiten die erforderliche technische Sicherheitseinrichtung nicht vorhanden. Der Arbeitnehmer war zum Kontrollzeitpunkt auch nicht angeseilt. Es hat daher der Bw als Komplementär und unbeschränkt haftender Gesellschafter des angeführten Unternehmens die Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

5.2. Dem Vorbringen des Bw konnte nicht Rechnung getragen werden. Insbesondere hat das Beweisverfahren eindeutig gezeigt, dass das vom Bw angeführte Baukonsolgerüst nicht ausreichend war, um als Dachfanggerüst den Anforderungen der BauV zu entsprechen. Auch waren die Dachschutzblenden nicht im ausreichenden Maß vorhanden. Entgegen den weiteren Ausführungen war der Bw verpflichtet, als Arbeitgeber die für seine Arbeitnehmer erforderlichen Sicherheitseinrichtungen zur Verfügung zu stellen und die Verwendung zu kontrollieren. Es ist daher nicht zielführend, wenn sich der Bw auf den SiGe-Plan und die Baustellenkoordination beruft. Vielmehr ist er verpflichtet, den Arbeitnehmerschutz hinsichtlich seiner Arbeitnehmer einzuhalten. Auch das Argument, dass unmittelbar vor dem 30.9.2010 das Konsolgerüst von der Baufirma entfernt wurde, verhilft den Bw nicht zum Erfolg, zumal dieses Konsolgerüst an sich nicht den Anforderungen der BauV hinsichtlich Dacharbeiten entspricht.

 

5.3. Der Bw hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Es ist nicht ausreichend, dass der Vorarbeiter langjährig in der Firma tätig ist und eine Zimmereilehre abgeschlossen hat. Es reicht auch nicht aus, dass ein SiGe-Plan und ein Baukoordinator für die Baustelle bestellt ist. Auch sind reine jährliche Unterweisungen und das Vorhandensein der Unterlagen in der Firma bzw. im Firmenbus nicht ausreichend. Vielmehr hat der Bw die Baustelle selbst zu kontrollieren und sich davon zu überzeugen, dass die Anordnungen und Unterweisungen auch tatsächlich eingehalten werden und den Arbeitnehmerschutzbestimmungen auf der konkreten Baustelle durch die Arbeitnehmer entsprochen wird. Es ist daher dem Bw vorzuhalten, dass er nicht selbst den ausreichenden Schutz durch das Baugerüst kontrolliert hat, er selber das Gerüst für die Naturmaßabnahme verwendet hat und nicht die weitere Ausführung als Dachfanggerüst angeordnet hat. Auch hat das Beweisverfahren gezeigt, dass der Bw nicht selbst lückenlos kontrolliert, sondern vielmehr nur gelegentlich auf die Baustelle kommt, jedenfalls aber zur wöchentlichen Baubesprechung, wie am Tag der Kontrolle. Es genügt auch nicht, dass der Vorarbeiter Anweisungen hatte, sich anzuseilen bzw. ohne Gerüst die Arbeiten nicht vorzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrmals ausgesprochen (vgl. 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317), dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, das eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und es soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5, ist für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, u.a. aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Der Bw hat aber ein konkretes Kontrollsystem gar nicht eingerichtet, dargelegt und nachgewiesen. Er ist daher seiner erhöhten Sorgfaltspflicht betreffend die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht nachgekommen. Es liegt daher auch Verschulden vor.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat die Unbescholtenheit des Bw strafmildernd gewertet und straferschwerende Umstände nicht zu Grunde gelegt. Sie ist von einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.500 Euro und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Auch in der Berufung hat der Bw keine weiteren Milderungsgründe vorgebracht und den persönlichen Verhältnissen auch nichts entgegengesetzt. Sie konnten daher der Strafbemessung zu Grunde gelegt werden. Im Hinblick auf die objektive Strafbemessung gemäß § 19 Abs.1 VStG war aber besonders zu werten, dass eine hohe Absturzhöhe und daher eine besondere Gefährdung des Arbeitnehmers gegeben war. Auch ist die verhängte Geldstrafe im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens gelegen und daher nicht überhöht. Sie war daher tat- und schuldangemessen sowie den persönlichen Verhältnissen des Bw angepasst. Besondere Milderungsgründe traten nicht hervor, sodass mit Ausnahme der Unbescholtenheit kein erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe gemäß § 20 VStG festzustellen war und daher nicht mit einer außerordentlichen Strafmilderung vorzugehen war. Auch lag nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, weil das Verhalten des Bw dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat entspricht. Es war daher auch nicht mit einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG vorzugehen. Im Übrigen soll die Strafe den Bw zu  einem gesetzeskonformen Verhalten anleiten und ihn dazu bewegen, ein ausreichendes Kontrollnetz zu schaffen. Es war daher die Geld- als auch die Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 100 Euro, festzusetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung:

 

Kontrollsystem

 

 

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