Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310448/2/Re/Sta

Linz, 27.01.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des F M, geb., W, vertreten durch Rechtsanwälte W O N G, G, S, vom 13. Juli 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 27. Juni 2011, Gz:. Ur-96-14/8-2010, wegen einer Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz (VStG).

§ 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 27. Juni 2011, Ur-96-14/8-2010, über Herrn F M, geb. , W, eine Geldstrafe in der Höhe von 1.800 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 1 Tag wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs.2 Z3 iVm § 15 Abs.3 Z1 AWG 2002 verhängt, weil er es als verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der F M GesmbH zu verantworten habe, dass im Werk "D" Gst. Nr.  und  alle KG. U, Gemeinde D, zumindest am 27. Mai 2010 mehrere tausend Kubikmeter fremder Bodenaushub, somit nicht gefährlicher Abfall außerhalb einer genehmigten Anlage gelagert wurde.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde begründend aus, dass auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens fest stehe, dass in der Schottergrube D fremdes Bodenaushubmaterial und damit Abfall im Sinne des § 2 Abs.1 AWG zur Wiederverfüllung eingebracht worden sei. Dies sei auch vom Beschuldigten nicht bestritten worden. Für den Schotterabbau in den zitierten Grundstücken wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 10. März 2003 der F M GesmbH die mineralrohstoffrechtliche und wasserrechtliche Bewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt, welche auch Anordnungen für den Fall von Wiederverfüllungsmaßnahmen beinhalten; diese seien jedoch nicht geeignet, die Genehmigung nach abfallrechtlichen Bestimmungen zu ersetzen. Auf das Erfordernis einer Deponiebewilligung sei F M bereits im Rahmen einer Überprüfung am 22. April 2008 hingewiesen worden. Das Ermittlungsverfahren habe keine Anhaltspunkte ergeben, das Verschulden im Sinne des § 5 Abs.1 auszuschließen.

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bestrafte, vertreten durch Rechtsanwälte W O N G, S, mit dem am 13. Juli 2011 und somit innerhalb offener Frist eingebrachten Schriftsatz Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, der Tatbestand nach § 15 Abs.3 iVm § 79 Abs.2 Z3 AWG sei nicht erfüllt. Eine endgültige Ablagerung sei nicht vorgenommen worden. Die Auffüllung der Schottergrube mit dem Material, das ihm jetzt vorgeworfen werde, sei mit Auflagenpunkten 28 und 27 des MinroGbzw. des wasserrechtlichen Bescheides vorgeschrieben worden. Die Geldstrafe in der Höhe von 1.800 Euro würde die gewerbsmäßige Tätigkeit der F M GesmbH im Bereich der Abfallwirtschaft voraussetzen. Der Berufungswerber sei nach § 9 StVO (gemeint wohl VStG) in Anspruch genommen. Abzustellen sei darauf, ob die Normadressatin F M GesmbH (FN) gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die F M GesmbH sei bzw. sei tätig gewesen im Bereich des Handelsgewerbes, der Güterbeförderung, der Erdaushub- und Planierungsarbeiten, des Erdbaus, der gewerbsmäßigen Güterbeförderung im Güterfernverkehr und als Transportbegleiter. Da die F M GesmbH jedoch nicht im Bereich der Abfallwirtschaft tätig gewesen sei, betrage die Mindeststrafdrohung 360 Euro, worauf die Strafe zumindest herabzusetzen wäre, wenn die Erfüllung des Tatbestandes angenommen würde. Beantragt werde die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift mit Schreiben vom 19. Juli 2011 gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich  ist gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage fest steht, dass das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderen die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Danach ist es im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täter und Tatumstände so genau zu umschreiben, dass zum einen die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und zum anderen die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 13.6.1984, Slg. Nr.11466/A, sowie VwGH 13.9.1999, 98/09/0084).

Demnach sind zum einen entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Zum anderen nämlich in Bezug auf das unverwechselbare Festhalten der Identität der Tat, muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Das bedeutet, dass die den Beschuldigten vorgeworfene Tat unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren.

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z1 des § 44a VStG der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (siehe dazu Hauer/Leukauf, aaO, Seite 1522).

 

Gemäß der dem gegenständlichen Tatvorwurf zu Grunde liegenden Bestimmung des § 15 Abs.3 AWG dürfen Abfälle außerhalb von

  1. hiefür genehmigten Anlagen oder
  2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

 

Im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren wurde dem Berufungswerber der Tatvorwurf, fremden Bodenaushub, somit nicht gefährlichen Abfall, "außerhalb einer genehmigten Anlage" gelagert zu haben, erstmals mit dem nunmehr bekämpften Straferkenntnis vom 27. Juni 2011 zur Last gelegt. In der, diesem Straferkenntnis vorangegangenen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. Oktober 2010, Ur-96-14/2-2010, welche innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des AWG (§ 81 Abs.1) erfolgte, wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, fremden Bodenaushub, somit nicht gefährlichen Abfall, "außerhalb einer nicht genehmigten Anlage" abgelagert zu haben.

Die offensichtlich zutreffende Formulierung, nämlich die Lagerung von nicht gefährlichem Abfall außerhalb einer genehmigten Anlage erfolgte erst im Spruch des Straferkenntnisses, nicht jedoch innerhalb der einjährigen Frist des § 81 Abs.1 AWG und kann somit eine wirksame Verfolgungshandlung nicht mehr darstellen, weshalb bereits aus diesem Grunde die Aufhebung des Straferkenntnisses geboten war.

Dem Strafvorwurf fehlt darüber hinaus das Ergebnis der Prüfung der zweiten Tatvariante des § 15 Abs.3 AWG. Gemäß dieser Gesetzesbestimmung dürfen Abfälle nämlich außerhalb von entweder hiefür genehmigten Anlagen oder für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt gelagert oder behandelt werden. Der Vorwurf, Abfälle seien außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen gelagert worden, schließt somit nicht zwingend die Möglichkeit aus, dass diese Abfälle an einem für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Ort, und somit nicht unzulässiger Weise, gelagert wurden.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat kommt daher zum Ergebnis, dass der Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses nicht vollständig den Erfordernissen des § 44a VStG entspricht, weshalb insgesamt der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war. Auf Grund der – bereits zum Zeitpunkt der Berufungsvorlage eingetretenen Verfolgungsverjährung war es nicht möglich, im Berufungsverfahren Konkretisierungen vorzunehmen.

 

6. Auf Grund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG die Verpflichtung zur Vorschreibung jeglicher Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Reichenberger

 

 

 

 

 

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