Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-420712/5/Zo/Rei

Linz, 26.01.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Beschwerde des F H, geb. x, vertreten durch Rechtsanwälte H, R, P vom 13.12.2011 wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 12.11.2011 durch ein dem Bezirkshauptmann von Perg zurechenbares Organ, nämlich der vorläufigen Abnahme des Führerscheines, zu Recht erkannt:

 

 

I.              Der Beschwerde wird stattgegeben und die vorläufige Abnahme des Führerscheines am 12.11.2011 um 22.20 Uhr durch einen Beamten der Polizeiinspektion Perg für rechtswidrig erklärt.

 

II.           Der Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmannschaft Perg) wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer den Schriftsatzaufwand in Höhe von 737,60 Euro sowie die Eingabegebühr in Höhe von 14,30 Euro zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  §§ 67a Abs.1 Z2 und 67c AVG iVm § 39 Abs.1 FSG

zu II.: §§ 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr.456/2008

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 13.12.2011 eine Maßnahmenbeschwerde wegen der behaupteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 12.11.2011 durch einen Polizeibeamten der Polizeiinspektion Perg, nämlich der vorläufigen Abnahme seines Führerscheines am 12.11.2011 um 22.20 Uhr.

 

Diese Beschwerde begründete er damit, dass ihm der Führerschein entsprechend der Abnahmebescheinigung wegen einer "erheblichen Geschwindigkeits-überschreitung" abgenommen worden sei. Die Polizisten hätten behauptet, dass er die zulässige Geschwindigkeit um 45 km/h überschritten habe, was keinen Abnahmegrund im Sinne des § 39 Abs.1 FSG darstelle. Die mit einem mobilen Messgerät erfolgte Messung biete keinen Grund zur Abnahme des Führerscheines, wobei auch nicht klar sei, ob die Messtoleranz abgezogen worden sei. Sonstige Gründe für die Abnahme des Führerscheines liegen ebenfalls nicht vor. Der Beschwerdeführer beantragte daher, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären und den zuständigen Rechtsträger zum Ersatz der ihm zustehenden Kosten zu verpflichten.

 

2. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine schriftliche Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen erstattet. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zu Gänze und es steht fest, dass der Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war daher nicht erforderlich (§ 67d Abs.2 Z3 AVG).

 

2.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber lenkte am 12.11.2011 um 21.45 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen x in Perg auf der B3c in Richtung stadteinwärts. Entsprechend der Anzeige der Polizeiinspektion Perg vom 15.11.2011 führte der Polizeibeamte P eine Geschwindigkeitsmessung dieses PKW mit dem geeichten Messgerät der Marke LTI 20.20 TS/KM-E durch. Diese Messung ergab entsprechend der Anzeige eine Geschwindigkeit von 98 km/h, wobei die Messtoleranz (3 km/h) noch nicht berücksichtigt wurde. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte im Ortsgebiet und die erlaubte Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h.

 

Der Beschwerdeführer konnte nach einer kurzen Nachfahrt auf dem Hauptplatz von Perg angehalten werden. Dabei bestritt er das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Polizeibeamte nahm dem Beschwerdeführer den Führerschein wegen der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet von mehr als 40 km/h und des Verdachtes einer Übertretung der Gewerbeordnung (unbefugte Ausübung des Taxigewerbes) vorläufig ab. Eine Abnahmebestätigung wurde ihm ausgefolgt. Der Führerschein wurde dem Beschwerdeführer aufgrund einer Anordnung der Bezirkshauptmannschaft Perg am 18.11.2011 wieder ausgefolgt.

 

Gruppeninspektor P machte bei einer Einvernahme vor der Bezirks-hauptmannschaft Perg als Zeuge Ausführungen zur Geschwindigkeitsmessung und führte weiter aus, dass ihm der Beschwerdeführer aus zahlreichen Amtshandlungen bekannt sei. Dieser sei bereits des Öfteren wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen im Organmandatswege bestraft und auch angezeigt worden und ein amtsbekannter "Schnellfahrer". Er habe daher mit gutem Grund annehmen können, dass er sein vorschriftswidriges Verhalten fortsetzen werde.

 

Über den Berufungswerber scheinen bei der Bezirkshauptmannschaft Perg zahlreiche Verwaltungsvormerkungen auf, darunter vier wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen aus den Jahren 2009 bis 2011. Die höchste dabei verhängte Geldstrafe betrug 80 Euro.

 

3. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

3.1. Gemäß § 39 Abs.1 FSG haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, dass er insbesondere in Folge Alkohol- oder Suchtmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Weiters haben die Organe die genannten Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn ein Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder mehr oder ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde oder der Lenker eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 lit.b oder c StVO 1960 begangen hat, wenn der Lenker ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, in Betrieb genommen hat oder versucht hat, es in Betrieb zu nehmen, auch wenn anzunehmen ist, dass der Lenker in diesem Zustand kein Kraftfahrzeug mehr lenken oder in Betrieb nehmen wird. Außerdem haben diese Organe Personen, denen die Lenkberechtigung mit Bescheid vollstreckbar entzogen wurde oder über die ein mit Bescheid vollstreckbares Lenkverbot verhängt wurde und die der Ablieferungsverpflichtung der Dokumente nicht nachgekommen sind, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente abzunehmen. Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen, die mit einer Entziehung geahndet werde, den Führerschein vorläufig abnehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines oder Mopedausweises erforderlichen Schritte enthalten sind.

 

3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18.06.2008, Zl.2005/11/0048 nach ausführlicher Darstellung der historischen Entwicklung des § 39 Abs.1 FSG dargelegt, dass es sich bei der vorläufigen Abnahme des Führerscheines gemäß § 39 Abs.1 vierter Satz FSG um ein der Verkehrs-sicherheit dienendes Sicherungsmittel handelt. Durch die vorläufige Abnahme des Führerscheines soll einer "unmittelbaren Unfallgefahr" entgegen gewirkt werden.

 

Bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, steht es im Ermessen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, den Führerschein vorläufig abzunehmen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um schrankenloses Ermessen, sondern im Hinblick darauf, dass die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherheitsmaßnahme im Dienste der Verkehrssicherheit darstellt, ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines nur dann rechtmäßig, wenn das einschreitende Organ ausgehend von dem im Zeitpunkt des Einschreitens gegebenen Sachverhalt den Eindruck haben konnte, der Betreffende werde weiterhin durch sein Verhalten, etwa durch abermalige Einhaltung einer massiv überhöhten Geschwindigkeit, die Verkehrssicherheit gefährden.

 

Für eine derartige Wiederholungsgefahr gibt es jedoch im gegenständlichen Fall keine konkreten Hinweise. Der Umstand, dass der Berufungswerber in der Vergangenheit öfters Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen hat, reicht dafür alleine nicht aus. Dies insbesondere auch deshalb, da diese offenbar mit Organmandaten bzw. geringfügigen Geldstrafen geahndet wurden, sodass es sich um keine massiv überhöhten Geschwindigkeiten handeln konnte. Sonstige konkrete Anhaltspunkte (z.B. einen besonderen Termindruck) aus welchen der Polizeibeamte konkret auf eine neuerliche massive Geschwindigkeits-überschreitung schließen konnte, lagen nicht vor, weshalb die Annahme nicht gerechtfertigt war, dass der Beschwerdeführer bei Belassung des Führerscheines die Verkehrssicherheit gefährdet hätte.

 

 

Zu II.:

Da der Beschwerde Berechtigung zukam, war dem Beschwerdeführer der Ersatz des Schriftsatzaufwandes sowie der Eingabegebühr gemäß § 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung zuzusprechen.

 

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum