Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720311/3/BP/Wu

Linz, 01.02.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Tschechien, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 3. November 2011, AZ: 1053162/FRB, mit dem ein Antrag des Berufungswerbers vom 19. September 2011 auf Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Dem Antrag vom 19. September 2011 auf Aufhebung des mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 6. Juni 2007, AZ.: 1053162/FRB, verhängten unbefristeten Aufenthaltsverbotes wird gemäß § 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr.          112/2011, stattgegeben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 6. Juni 2007,
AZ: 1053162/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen.

 

1.2. Mit Bescheid vom 3. November 2011 wies die belangte Behörde einen Antrag des Bw auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes vom 19. September 2011 gemäß § 69 Abs. 2 FPG in der damals geltenden Fassung ab.

 

In diesem Bescheid verweist die belangte Behörde zunächst auf den Antrag des Bw, in dem (unter Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0545) ausgeführt worden sei, dass eine seit der Verurteilung / Bescheiderlassung in der Zwischenzeit eingetretene familiäre bzw. berufliche und soziale Integration schon im Allgemeinen dazu führen könne, dass die ursprüngliche Gefährdungsprognose nicht – mehr – weiter aufrecht zu erhalten sei. Ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes führe dann zum Erfolg, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die hiefür maßgeblichen Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, was vorliegend der Fall sei.

 

Nach der Verurteilung des Bw durch das LG Linz am 30. März 2007 habe er aufgrund eines Urteils des Kreisgerichtes Budweis, gestützt auf das bilaterale Abkommen zwischen Tschechien und Österreich, die in Österreich verhängte Freiheitsstrafe in Tschechien verbüßt. Am 14. April 2008 sei der Bw aufgrund eines Gnadenaktes des Präsidenten der Tschechischen Republik vorzeitig bedingt aus der Strafhaft entlassen worden. Nach dieser Entlassung sei er zu seinem Vater nach Prag verzogen und würde dort seit Mai 2008 in einer Privatklinik arbeiten.

 

Am X habe er in X geheiratet und sei nach der Geburt der ersten Tochter im Jahr 2003 im Jahr 2009 Vater einer weiteren Tochter geworden. Der Bw lebe jetzt mit seiner Familie in X und studiere dort auch.

 

Weiters sei die österreichische strafgerichtliche Verurteilung gemäß dem CZ-Tilgungsgesetz gnadenweise getilgt worden.

 

Es treffe zwar zu, dass die Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu Recht von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr des zur Verurteilung führenden Verhaltens ausgegangen sei, jedoch zeige der komplett geänderte Lebenswandel des Bw – nämlich die völlige berufliche, familiäre, soziale und wissenschaftliche Integration – ein völlig geändertes Verhalten. Der Bw habe dabei auf den Tilgungsbeschluss des Kreisgerichtes Budweis verwiesen. Da nun die Gründe, welche zur seinerzeitigen Erlassung des vorerst unbefristeten Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen seien, habe der Bw den Antrag gestellt, dieses aufzuheben.

 

In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass es zutreffend sei – angesichts seines massiven strafrechtlichen Fehlverhaltens –, dass von dem Bw eine maßgebliche Gefährdung ausgehe.

 

Nach der Bestimmung des § 69 Abs. 2 FPG, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 67 und 61 FPG gewinne, habe sich die Behörde mit der Frage auseinander zu setzen, ob ein relevanter Eingriff im Sinne des § 61 Abs. 1 vorliege und – gegebenenfalls – die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei; bejahendenfalls ferner, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten sowie familiären Interessen andererseits maßgeblich gewesen seien, zu Gunsten des Fremden geändert haben und daran anschließend deren Abwägung vorzunehmen.

 

Es sei festzuhalten, dass im konkreten Fall auch jetzt die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes um vieles schwerer wögen, als die Auswirkungen desselben auf die Lebenssituation des Bw.

 

Das in Rede stehende Aufenthaltsverbot sei im Wesentlichen deshalb erlassen worden, weil der Bw am 30. März 2007 vom LG Linz wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten, gewerbsmäßigen, schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 und 2, § 130 1. Satz, 2. Fall und Satz 2 iVm. § 15 sowie § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei.

 

Dem lag ua. der Sachverhalt zu Grunde, dass der Bw im Jahr 2003 Diebstähle durch Einbruch von rund 30 Kraftfahrzeugen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung beging.

 

Aufgrund der weiterhin zu bejahenden negativen Zukunftsprognose sei die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung von massiven, qualifiziert strafbaren Handlungen im Eigentumsbereich in diesem Fall unverhältnismäßig schwerer wiege als die privaten Interessen.

 

Es sei der seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes verstrichene Zeitraum noch viel zu kurz, um eine günstige Zukunftsprognose zu erstellen. Es könne in Anbetracht der Schwere des Verbrechens nicht abgesehen werden, wann die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes weggefallen sein würden. Ein längerer Zeitraum des Wohlverhaltens sei hier erforderlich. Zeiten des Wohlverhaltens in Haft seien (nach dem Erkenntnis des VwGH vom 26. Mai 2003, Zl. 2003/18/0029) nicht zu berücksichtigen.

 

Das relevante Privat- und Familienleben sei schon bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden. Der Bw habe keinerlei familiären oder privaten Bezug zu Österreich, halte sich in Tschechien auf, wo auch der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bestehe. Es liege durch die fremdenpolizeiliche Maßnahme demnach kein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw in Österreich vor.

 

Die Angaben des Bw hinsichtlich seines nachträglichen Wohlverhaltens stärken ebenfalls lediglich seinen Bezug zu seinem Heimatland, nicht aber zu Österreich.

 

Darüber hinaus werde festgestellt, dass der Bw schon im Zeitpunkt der Tatbegehung Vater einer Tochter gewesen sei und mit seiner damaligen Lebensgefährtin zusammengelebt habe, was ihn aber nicht von den Strafdelikten abgehalten habe. Auch sei er damals schon als selbstständiger Autohändler beruflich tätig gewesen und habe nur den Job gewechselt. Die in Tschechien vorgenommene Tilgung habe keine Auswirkung auf die Erstellung der Zukunftsprognose.

 

Es sei also im Ergebnis der Antrag als unbegründet abzuweisen.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 16. November 2011.

 

Darin wird zunächst festgestellt, dass die belangte Behörde ihre Annahme, dass beim Bw das seinerzeitige Gefährdungspotential weiterhin vorliege, nicht habe zu begründen vermocht. Die belangte Behörde hätte schlüssig und nachvollziehbar anzugeben gehabt, worin die von ihr angenommene gegenwärtige und maßgebliche Gefährdung noch bestehe, sowie, aufgrund welcher Tatsachen die Feststellung zu treffen gewesen sei, dass auch jetzt nachteilige Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes um vieles schwerer zu wiegen schienen, als die Auswirkung desselben auf den Antragsteller. Die Gegenwärtigkeit des Gefährdungspotentials im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG sei nicht entsprechend den Vorgaben des AVG bewiesen und begründet worden.

 

Wenn auch die der gerichtlichen Verurteilung zugrunde liegende, zweifellos schwere Straftat keinesfalls verharmlost werden solle, so liege doch ein strafrechtliches Wohlverhalten seit der Beendigung der Tatbeteiligung (spätestens im September 2003) bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vor (vgl. dazu VwGH vom 29. April 2010, Zl. 2009/21/0321)..

 

Unbestritten sei, dass der Bw zum Erlassungszeitpunkt des Aufenthaltsverbotes und auch aktuell keinen Bezug zu Österreich habe, wie auch, dass bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr geprüft werden könne. Dem entsprechend sei aber in Anschauung der Erstellung einer Gefährlichkeitsprognose auch nicht – mehr – der Zeitpunkt der seinerzeitigen Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes, sondern diese vielmehr zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides über die Ablehnung des ggst. Antrages dergestalt zu treffen, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich sei, um eine vom Fremden ausgehende tatsächliche und gegenwärtige Gefahr vom Bundesgebiet abzuwenden.

 

Der Bw lebe nicht nur mit seiner damaligen Lebensgefährtin zusammen, sondern habe diese geehelicht und somit eine wirkliche Familie gegründet. Er führe mit der Gattin und den beiden Töchtern ein geordnetes Familienleben, was eine wesentliche Änderung der Familienverhältnisse darstelle. Zudem habe der Bw nicht nur einfach seinen Job gewechselt, sondern mit seinem früheren Umfeld abgeschlossen, seinen Wohnsitz zur Gänze von X nach X verlegt, wo er nicht nur einfach Mitarbeiter in einer Klinik, vielmehr im Management tätig sei. Darüber hinaus habe der Bw sein Studium mit dem MBA an einer anerkannten Schweizer Universität abgeschlossen und studiere noch an der X Universität, wobei mit einem Abschluss (Mag. rer. Soz.) noch dieses Jahr zu rechnen sei. Die Begründung der Tilgung der Straftat in Tschechien zeige überdies, dass die tschechischen Gerichte ebenfalls von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen seien.

 

Abschließend wird der Antrag gestellt, der UVS möge den hier angefochtenen Bescheid aufheben; in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 6 Jahre, höchstens aber auf 10 Jahre reduzieren.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 16. November 2011 übermittelte die belangte Behörde den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.2. und 1.3. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 65 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 112/2011 genießen EWR-Bürger und Schweizer Bürger Visumfreiheit und haben das Recht auf Aufenthalt für einen Zeitraum von drei Monaten. Darüber hinaus besteht ein Aufenthaltsrecht nach Maßgabe des 4. Hauptstückes des zweiten Teils des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist nun unbestritten, dass der Bw als tschechischer Staatsangehöriger Unionsbürger bzw. EWR-Bürger ist, weshalb auf ihn hinsichtlich des Antrags auf Aufhebung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes § 69 Abs. 2 iVm. § 67 FPG anzuwenden ist.

 

3.2.1. Gemäß § 69 Abs. 2 FPG sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

 

3.2.2. Das vorliegende Aufenthaltsverbot war auf § 87 iVm. § 86 FPG in der damaligen Fassung gestützt, die nunmehr in § 67 Abs. 1 FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 normiert ist.

 

Demnach ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

3.2.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem inhaltlich mit dem aktuellen § 69 Abs. 2 FPG vergleichbaren § 65 Abs. 1 FPG in der vorhergehenden Fassung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.

 

Bei dieser Beurteilung ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grunde des nunmehrigen § 61 FPG (Schutz des Privat- und Familienlebens) zulässig ist.

 

Der UVS des Landes Oberösterreich hat sich somit mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und – gegebenenfalls - ob im konkreten Fall ein relevanter Eingriff im Sinne des § 61 FPG vorliegt. Bejahendenfalls wäre ferner zu erörtern, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben. Diese Interessen wären daran anschließend gegeneinander abzuwiegen.

 

3.3.1. Unter Heranziehung des § 67 Abs. 1 FPG bedarf es einer Begriffsbestimmung der relevanten Tatbestandselemente, um darzulegen, welcher Art die im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes anhand des Verhaltens des Bw festgestellte Gefährdung der öffentlichen Interessen vorliegen muss.

 

Bei Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs "nachhaltig" ist festzuhalten, dass darunter sowohl eine nach Intensität als auch Konstanz vorliegende Wirksamkeit angesprochen wird. Als Synonym bzw. Deskription von nachhaltig könnte demnach auch "wirksam andauern" verstanden werden.

 

Zum Vorliegen des Tatbestandselements der Gegenwärtigkeit bedarf es eines Sachverhalts, dessen Wirkungen nicht schon als in der Vergangenheit erschöpft, sondern auch zumindest in die Gegenwart reichend anzusehen sind. Dies impliziert jedoch auch die Beurteilung einer aus Sicht des gegenwärtigen Augenblicks erstellten Zukunftsprognose.

 

"Erheblich" wiederum bedeutet in etymologischer Herleitung: "Schwer genug, um die Waagschale zu heben". Ursprünglich aus dem Rechtsbegriff Relevanz abgeleitet, übersteigt "erheblich" in der Gemeinsprache den Ursprungsbegriff der Intensität nach.

 

Die eben dargestellten Tatbestandselemente müssen zur Rechtfertigung des Aufrechterhaltens eines Aufenthaltsverbotes kumulativ gegeben sein.

 

3.3.2.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass der Bw im Rahmen der von ihm begangenen Straftaten eine besonders hohe und intensive kriminelle Energie an den Tag legte, die folglich zu einer Verurteilung von 5 Jahren Freiheitsstrafe unbedingt führte.

 

3.3.2.2. Dabei ist aber darauf hinzuweisen, dass diese Taten in einem wenige Monate umfassenden Zeitraum im Jahr 2003 begangen wurden, also bis dato knapp 9 Jahre zurückliegen.

 

Nun ist grundsätzlich der belangten Behörde in ihrer Ansicht zu folgen, dass ein entsprechend langer Beobachtungszeitraum von Nöten ist, um feststellen zu können, dass eine – vormals intensiv gegebene – kriminelle Energie nicht mehr vorliegt. Es kann also nicht per se davon ausgegangen werden, dass, wenn ein Delinquent einen gewissen Zeitraum des nachträglichen Wohlverhaltens aufweist, jedenfalls die kriminelle Motivation verneint werden müsse. Je nach Schwere der ursprünglich begangenen Straftat ist dieser Beobachtungszeitraum zu erstrecken.

 

Zeiten, die in Haft verbracht werden, sind hier – auch nach Judikatur der Höchstgerichte von minderer Relevanz (siehe dazu VwGH vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0174, grundlegend schon VwGH  18. März 2003, Zl. 2002/18/0187). Es bedarf schon gesicherter Merkmale, die ein Abgehen von der ursprünglich negativen Zukunftsprognose rechtfertigen können. Bloße Beteuerungen sind hier ebenfalls wenig geeignet, einen tatsächlichen Gesinnungswandel zu untermauern. Positiv sind in der Beurteilung Umstände zu werten, die annehmen lassen, dass der Bw etwa sein früheres Umfeld verlassen hat oder sonst stabilisiert einen straffreien Lebenswandel führt.

 

3.3.2.3. Genau dies behauptet nun der Bw im vorliegenden Fall und dokumentiert dies durch seinen Wohnsitz- und Berufswechsel sowie das nach der Eheschließung im Jahr 2008 geordnete Familienleben. Weiters führt er seine wissenschaftlichen Erfolge bzw. Perspektiven und den Umstand der Tilgung seiner Straftat nach tschechischem Recht (gestützt auf eine positive Zukunftsprognose) an.

 

3.3.2.4. Dazu ist zu bemerken, dass der strafgerichtlichen Tilgung eine allenfalls untergeordnete Rolle zukommen kann, da sie lediglich mittelbar mit der von österreichischen Institutionen zu erstellenden Prognose verbunden ist. Anders verhält es sich mit den davor genannten Momenten des nachträglichen Wohlverhaltens. Aus deren Zusammenschau lässt sich mit Blickrichtung auf die nach § 67 Abs. 1 FPG geforderte "nachhaltige" und vor allem "gegenwärtige" Gefährdung der öffentlichen Interessen durch das Verhalten des Bw nicht mehr konkret begründet aufrecht erhalten. Der Bw scheint durch seine Tätigkeit in der Klinik, durch die mittels des absolvierten Studiums gegebenen weiteren beruflichen Chancen, durch den Wohnsitzwechsel und nicht zuletzt durch das intensivierte Familienleben tatsächlich sein früheres Umfeld hinter sich gelassen zu haben.

 

3.3.3. In diesem Sinn ist also abschließend festzustellen, dass die ursprüngliche Prognoseentscheidung, wonach im Fall des Bw ein besonders hohes, gegenwärtiges und nachhaltiges Gefährdungspotential vorliegt, nicht mehr aufrecht zu erhalten ist.

 

Ein Eingehen auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK erübrigt sich daher genau so wie die Erörterung der weiteren in der Berufung vorgebrachten Gründe.

 

3.4.1. Es war somit der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Aufhebung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes stattzugeben.

 

3.4.2. Im Rahmen eines Verfahrens zur möglichen Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes besteht nicht die Möglichkeit die festgesetzte Dauer herabzusetzen, weshalb der darauf gerichtete Eventualantrag als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre (vgl. VwGH Zl. 2008/22/0605).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Bernhard Pree

 

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