Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252890/3/Kü/Ba

Linz, 02.02.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung von Frau A S, X, X, vom 21. Juni 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 8. Juni 2011, SV96-144-2010, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 8. Juni 2011, SV96-144-2010, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.2 iVm § 111 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine Geldstrafe von 2.180 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 216 Stunden verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie, Frau A S haben es als Dienstgeberin verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass die unten angeführte Person als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt mit Streicharbeiten bei der Fa. G in G, T am Kontroll­tag, den 17.6.2010 gegen 9.45 Uhr beschäftigt wurde und diese nicht vor Arbeitsbeginn beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Kranken­versicherung nach diesem Bundesge­setz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, angemeldet haben.

Diese Anzeige wäre auch für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z. 3 lit. a Pflichtversicherten zu erstatten gewesen. Sie wären als Dienstgeberin verpflichtet gewesen, die Beschäftigten vor Dienstantritt zu melden.

 

D M, geb. X

 

Diese Übertretung wurde am 17.6.2010 gegen 9.45 Uhr von Organen des Finanzamtes Grieskirchen im Zuge einer Kontrolle festgestellt und der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land am 5.8.2010 angezeigt."         

 

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher die Bw fest­hält, dass sie bereits am 20.6.2011 telefonisch mitgeteilt habe, dass sie Herrn D M, geb. X, nicht am 17.6.2010 beauftragt habe. Herr S S, geb. X, sei bei ihr beschäftigt gewesen und habe er an diesem Tag frei gehabt. Was Herr S an seinem freien Tag mache, sei ihr völlig egal. Herr D M sei an diesem Tag von Herrn S beauftragt gewesen. Die Aussagen der beiden Herren würden bereits beim Finanzamt aufliegen.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit Schreiben vom 22.6.2011 die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, bestehend aus drei Mitgliedern, berufen (§ 51c VStG).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.       Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.       Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.       Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.       gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensions­versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Nach § 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

5.2. Die Erstinstanz führt in ihrer Begründung zum Straferkenntnis aus, dass aufgrund der Feststellungen und der übermittelten ausführlichen Niederschriften des Finanzamtes Grieskirchen Wels der Sachverhalt als erwiesen angesehen würde. Im Strafantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 5. August 2010 wird der Sachverhalt so dargestellt, dass am 17.6.2010 eine Kontrolle in der Holzhalle der Firma G in G, T, stattgefunden hat und dort bei Abbindearbeiten der bosnische Staatsangehörige S S und bei Streicharbeiten der kosovarische Staatsangehörige D M ange­troffen wurden. In der ersten Befragung hat Herr S angegeben, für die Firma der Bw zu arbeiten und Herr M D ihm dabei helfe. Aufgrund dieses Umstandes wurde Herr D aufgefordert, ein Personenblatt auszu­füllen. In diesem Personenblatt hat er neben seinen persönlichen Daten angegeben, für die Firma S A zu arbeiten. Auffällig bei diesem Personenblatt ist allerdings, dass in der Rubrik "Ich arbeite derzeit für" ursprünglich eine andere Angabe gemacht wurde, welche in der Folge durchgestrichen wurde und scheinbar durch die Angabe A S ersetzt wurde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die handschriftlichen Aufzeichnungen eines Kontroll­organs, welche sich ebenfalls im Akt befinden, bei Herrn M D neben seiner Aufenthaltsberechtigung noch den Hinweis enthalten, dass dieser seit zwei Wochen nicht mehr bei der Firma S arbeitet. Im Zuge der weiteren Ermittlungen, und zwar der niederschriftlichen Einvernahme von Herrn S, konnte erhoben werden, dass dieser zwar bei der Firma A S in M beschäftigt ist, am Kontrolltag allerdings Urlaub genommen hat, um auf eigene Rechnung Abbindearbeiten durchzuführen. Er hat zu diesen Arbeiten den ihm bekannten M D mitgenommen, der ihm behilflich gewesen ist. Herr S hat Herrn D einen Stundenlohn von 8 Euro versprochen. Herr S hat den Kontrollorganen deshalb ursprünglich als Auftraggeber der Arbeiten die Firma S genannt, da er selbst für derartige Arbeiten nicht berechtigt ist und diese "schwarz" durchführte. Aus der Aussage ergibt sich allerdings, dass Herr S eigenständig den Auftrag für die Abbindearbeiten übernommen hat und von sich aus Herrn D M als Helfer engagiert hat. Warum diesen Aussagen kein Glauben geschenkt wird, wird weder im Strafan­trag des Finanzamtes Grieskirchen Wels noch von der belangten Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses ausgeführt. Auch die Bw selbst bestätigte in ihrer Einvernahme vor dem Finanzamt Grieskirchen Wels, dass Herr S bei ihr teilzeitbeschäftigt ist, am besagten Tag aber auf Urlaub gewesen ist. Die Firma S hat daher diese Abbindearbeiten, die in der Halle der Firma G in G durchgeführt wurden, nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten nicht beauftragt. Weiters bestätigt die Bw, dass Herr M D Dienstnehmer der Firma S gewesen ist und bis 31. Mai 2010 auch angemeldet gewesen ist.

 

Diese Ermittlungsergebnisse, welche Beilage zum Strafantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels sind, verdeutlichen für den Unabhängigen Verwaltungssenat, dass am vorgeworfenen Tattag, und zwar dem 17.6.2010, keine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Herrn D zur Firma der Bw bestanden hat. Es ist daher aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht davon auszugehen, dass Herr D als Dienstnehmer der Firma der Bw im Sinne des § 4 Abs.2 ASVG tätig geworden ist. Vielmehr hat der Dienstnehmer der Bw, Herr S S, an diesem Tag als Privatperson einen Auftrag für Abbindearbeiten durchgeführt und von sich aus als Helfer Herrn D engagiert, dem er auch 8 Euro pro Stunde an Lohn versprochen hat. Alleine aus dem Umstand, dass auch die Firma S bereits vor diesem Zeitpunkt Abbindearbeiten bei der Firma G durchgeführt hat, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass auch am fraglichen Tag entgegen den niederschriftlichen Angaben der Beteiligten die Firma S für die Abbindearbeiten verantwortlich gewesen ist. Sämtliche Beilagen zum vorliegenden Strafantrag, wie das Personenblatt, die handschriftlichen Auf­zeichnungen des Kontrollorgans und die übereinstimmenden niederschriftlichen Aussagen von Herrn S S sowie der Bw, zeigen für den Unabhängi­gen Verwaltungssenat das schlüssige Bild, dass Herr M D nicht als Dienstnehmer der Bw an diesem Tag tätig geworden ist. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Verfahrensakt kein Nachweis dafür, dass Herr D für seine Arbeiten von der Bw ein Entgelt im Sinne des § 49 ASVG bezogen hätte. Insgesamt liegt daher im gesamten Akteninhalt kein Erhebungsergebnis auf, welches an diesem Sachverhalt Zweifel hervorrufen könnte. Der Unabhängige Verwaltungssenat hält fest, dass im gegenständlichen Fall keine Verantwortung der Bw für die Arbeitsleistungen des Herrn M D zukommt, weshalb sie die angelastete Verwaltungs­übertretung nicht begangen hat. Aus diesem Grund war daher der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

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