Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252907/4/Kü/Ba

Linz, 31.01.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung von Frau U S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, X, vom 29.6.2011 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 9. Juni 2011, SV-11/10, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 9. Juni 2011, SV-11/10, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.2 iVm § 111 Abs.1 und Abs.2 Allge­meines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine Geldstrafe von 750 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben es als Gewerbeinhaberin und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche des Gastgewerbebetriebes in X, X, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, dass durch oa. Firma Fr. A C H, geb. am X, zumindest am 11.7.2009, in der Betriebsstätte oa. Firma (Lokal B L') in X, X, als Kellnerin als Dienstnehmerin beschäftigt wurde, ohne dass diese Dienstnehmerin vor Arbeitsantritt von oa. Firma als verantwortlicher Dienstgeberin beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Der Monatslohn von Fr. A C H lag unter der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 (2) ASVG. Fr. A C H arbeitete gemäß den Anweisungen und auf Rechnung oa. Firma. Sie war somit Dienstnehmerin. Da die Dienstgeber jeden von ihnen Beschäftigten vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden haben, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) dar."

 

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter der Bw eingebrachte Berufung, mit der beantragt wird, das bekämpfte Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend wurde festgehalten, dass das Straferkenntnis erster Instanz von gravierenden Begründungsmängeln gekennzeichnet sei. Wie die Behörde in der Begründung völlig zutreffend ausführe, habe die Zeugin A H die Verantwortung der Beschuldigten anlässlich ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung vor der erkennenden Behörde vollinhaltlich bestätigt und vermöge die einzige in der inhaltlichen Begründung des Straferkenntnisses angeführte Konstatierung, wonach Kontrollinspektor S bei seiner Einvernahme ange­geben habe, Frau A H sei bereits zum Zeitpunkt seines Eintreffens im Lokal hinter der Theke gestanden und habe Getränke eingeschenkt, in keiner Weise das Vorliegen einer Dienstnehmereigenschaft der A H im Betrieb ihrer Freundin, der Bw, zu begründen, geschweige denn deren schlüssige und in jeder Hinsicht unbedenkliche Verantwortung zu widerlegen.

 

Woraus abgeleitet würde, dass Frau A H gemäß den Anweisungen der Bw gearbeitet oder auf deren Rechnung tätig gewesen sei, was nur so verstanden werden könne, dass die Bw Entgelte an die Zeugin H ausbezahlt hätte, würde in keiner Weise im bekämpften Straferkenntnis dargetan.

 

Abgesehen davon, dass die Zeugin A H als Volksschullehrerin tätig sei und zu keinem Zeitpunkt ein wie immer geartetes Dienstverhältnis zur Bw begründet habe und dies auch gar nicht ohne Zustimmung der Dienstbehörde gedurft hätte, sei grundsätzlich festzuhalten, dass das Leisten eines kurzfristigen Freundschaftsdienstes nicht dazu führen könne, dass eine Dienstnehmereigen­schaft angenommen werden könne.

 

Für einen Dienstvertrag (Arbeitsvertrag) im Sinne der Bestimmungen des ABGB seien ganz wesentliche Elemente und Voraussetzungen im Sinne ständiger Judikatur gefordert, so etwa eine persönliche Abhängigkeit, die sich in organisa­torischer Gebundenheit, insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle äußert sowie auch naturgemäß in einem korrespondierenden Entgeltanspruch. Im gegenständlichen Anlassfall mangle es an sämtlichen hiezu erforderlichen entscheidungswesentlichen Konstatierungen der Behörde erster Instanz und würden die in der Begründung getroffenen Feststellungen, resultierend aus den Angaben des Zeugen Kontrollinspektor S, in keiner Weise die von der Behörde erster Instanz abgeleitete Rechtsfolge begründen. Jedenfalls könne die Behörde erster Instanz kein taugliches Sachverhaltssubstrat und keine geeigneten Beweisergebnisse aufzeigen, die eine Verwaltungsübertretung der Bw gegen die Bestimmungen des ASVG auch nur ansatzweise begründen könnten.

 

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Steyr hat mit Schreiben vom 30. Juni 2011, eingelangt am 7. Juli 2011, die Berufung samt bezughabenden Verwaltungs­strafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Aktenein­sichtnahme.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.       Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.       Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.       Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.       gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensions­versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Nach § 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

5.2. Voraussetzung für die Annahme der Dienstnehmereigenschaft ist im Sinne des § 4 Abs.2 ASVG das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit. Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beur­teilung der persönlichen Abhängigkeit auf das Gesamtbild der Tätigkeit an. Es müssen nicht alle Kriterien der Dienstnehmereigenschaft vorliegen. Wesentlich ist, ob die Gesamtbetrachtung der Art und Weise der Tätigkeit zum Ergebnis der persönlichen Abhängigkeit gelangt.

 

Die Zeugin A H führt in ihrer Einvernahme aus, dass sie als Volksschul­lehrerin arbeitet und sonst kein Dienstverhältnis hat. Sie ist eine Freundin der Bw und hat am 11.7.2009 über Ersuchen der Bw im Lokal kurz ausgeholfen. Die Zeugin gibt an, zu diesem Zeitpunkt völlig unentgeltlich diesen Freundschafts­dienst gemacht zu haben. Auch die Bw selbst verantwortet sich damit, dass sie anlässlich einer Sperrstundenkontrolle durch die BPD ihre im Lokal anwesende Freundin Frau A H ersucht hat, sich kurz um die Gäste zu kümmern. Jedenfalls hat sie für diese Hilfstätigkeiten kein Entgelt bezahlt. Insofern decken sich die Ausführungen der Beteiligten. Die Angaben des als Zeugen einver­nommenen Kontrollinspektors, welcher die Sperrstundenkontrolle durchgeführt hat, erschöpfen sich darin, dass er eine weibliche Person hinter der Theke stehen gesehen hat, welche Getränke an die Gäste weiterleitete. Die Bw hat sich zu diesem Zeitpunkt unter den Gästen außerhalb des Thekenbereichs befunden. Zu dieser Aussage ist festzuhalten, dass diese Angaben jedenfalls nicht in Wider­spruch zu den Angaben der Bw bzw. der Zeugin H stehen, zumal beide angegeben haben, dass Frau H ihrer Freundin im Lokal behilflich gewesen ist und Gästen auch Getränke serviert hat, jedenfalls dieser Freundschaftsdienst aber unentgeltlich erfolgt ist.

 

Wie von der Bw zutreffend in den Berufungsausführungen festgehalten, findet sich im erstinstanzlichen Verfahren, weder im Strafantrag noch in den durchge­führten Zeugeneinvernahmen, ein Hinweis darauf, dass die Bw Frau A H in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit als Dienstnehmerin im Sinne des ASVG beschäftigt hat. Im gesamten Verfahrensakt finden sich keine Anhaltspunkte dahingehend, dass von keinem kurzfristigen unentgeltlichen Freundschaftsdienst von Frau A H ihrer Freundin gegenüber ausge­gangen werden könnte. Vielmehr stehen die Merkmale des Freundschafts­dienstes, und zwar die kurzfristige und unentgeltliche Tätigkeit, die dem Grunde nach von den Beteiligten auch nicht bestritten wird, im Vordergrund. Insgesamt kann aber bei der gegebenen Sachlage zur vorgeworfenen Tatzeit – wie oben bereits festgehalten – nicht von einem Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs.2 ASVG ausgegangen werden, weshalb der Bw daher die Verletzung der Meldepflicht im Sinne des § 111 ASVG nicht angelastet werden kann. In diesem Sinne war daher der Berufung Folge zu geben, das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren einzustellen.

 

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

 

 

 

 

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