Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730011/3/BP/MZ/Wu

Linz, 01.02.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des mj. X, StA von Armenien, gesetzlich vertreten durch X, diese vertreten durch RA X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 7. Jänner 2010, AZ: 1064671/FRB, betreffend einer Ausweisung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid        ersatzlos behoben.

 

II.     Gleichzeitig wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung      gegen den Berufungswerber auf Dauer unzulässig ist.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 125 Abs. 14 iVm. §§ 52 und 61 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2011/38

§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 7. Jänner 2010, AZ: 1064671/FRB, über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 53 Abs. 1 iVm. § 31 Abs. 1 und § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung eine Ausweisung verfügt.

 

Zusammengefasst führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, der am X geborene Bw sei am 27. August 2003 illegal über die Slowakei nach Österreich eingereist. Am 28. August 2003 habe sein Vater als gesetzlicher Vertreter für ihn einen Asylantrag gestellt, welcher am 28. Juli 2009 rechtskräftig negativ entschieden wurde.

 

Von der eingeräumten Möglichkeit, im Ausweisungsverfahren Stellung zu nehmen, habe der Bw bzw. dessen gesetzliche Vertreterin keinen Gebrauch gemacht.

 

Im Anschluss folgt eine Wiedergabe der §§ 53 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 1a sowie des § 66 Abs. 1, 2 und 3 FPG.

 

Rechtlich beurteilend gelangt die belangte Behörde zu dem Schluss, dass aufgrund des seit über 6-jährigen Aufenthalts in Österreich die Ausweisung einen nicht unerheblichen Eingriff in das Privatleben des Bw bedeuten möge. Dieser sowie die damit einhergehende Integration sei allerdings dadurch zu relativieren, dass der Aufenthalt auf Rechtsgrundlage eines offensichtlich unbegründeten Asylantrages beruhe. Bereits am 11. Oktober 2004 sei der erste abweisende Bescheid zugestellt worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe dem Bw bewusst sein müssen, dass es sich bei der Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz um eine mit der Dauer des Verfahrens befristete Berechtigung handle und er nicht darauf vertrauen dürfen, das bestehende Familienleben im Gastland nach Erledigung des Asylantrages fortsetzen zu können.

 

Von einem Eingriff in das engste Familienleben des Bw könne nicht gesprochen werden, weil gegen die Eltern, Geschwister und die Großmutter vom Bundesasylamt Ausweisungen erlassen worden seien, und daher die gesamte Familie von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sei.

 

Der Bw halte sich seit 29. Juli 2009 unrechtmäßig in Österreich auf. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs stelle die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Wenn Fremde nach Abschluss des Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen, werde dadurch die öffentliche Ordnung schwerwiegend beeinträchtigt. Es könne daher nicht hingenommen werden, dass Fremde ihren nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beharrlich fortsetzen und die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen versuchen.

 

Zusammenfassend könne daher nur festgestellt werden, dass die Ausweisung nicht nur zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Lichte des § 66 Abs. 1 FPG 2005 zulässig scheint, sondern auch unter Beachtung der Bestimmungen des § 66 Abs. 2 und 3 FPG zulässig ist.

 

1.2. Gegen diesen – am 8. Jänner 2010 der rechtsfreundlichen Vertretung des Bw zugestellten – Bescheid erhob der Bw mit Schreiben vom 22. Jänner 2010, zur Post gegeben am gleichen Tage, rechtzeitig Berufung.

 

Darin bringt der Bw vor, mit seiner Mutter und gesetzlichen Vertreterin seit sechs Jahren in Österreich aufhältig zu sein und im Kreise seiner Kernfamilie, welche ihn umfassend versorge, zu leben. Die Eltern hätten einen weiteren Asylantrag gestellt, der noch nicht erledigt wäre. Er selbst habe den größten Teil seines bisherigen Lebens in Österreich verbracht und sei mit der deutschen Sprache groß geworden. Sein Schicksal sei naturgemäß vom Schicksal seiner Kernfamilie abhängig weshalb er ersuche, die Entscheidung im Asylverfahren abzuwarten.

 

Der Bw stellt daher die Anträge, "den gegenständlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz, vom 7.1.2010, AZ 1064671/FRB, zugestellt am 8.1.2010, dahingehend ab[zu]ändern, dass das gegen mich eingeleitete Ausweisungsverfahren eingestellt und die ausgesprochenen (sic) Ausweisung aufgehoben wird, in eventu den gegenständlichen Bescheid dahingehend ab[zu]ändern, dass der erstinstanzliche Bescheid zur Gänze behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverwiesen wird."

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2011/38, in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen zuständig sind. Gemäß § 125 Abs. 14 FPG in der zitierten Fassung gelten "[v]or Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 […] als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist."

 

Da im ggst Fall vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 eine Ausweisung gemäß § 53 erlassen wurde, ist diese nunmehr als Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen, weshalb gemäß § 9 Abs. 1a leg cit eine Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über das Rechtsmittel gegeben ist, und der in Rede stehende Verwaltungsakt zuständigkeitshalber von der Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Oberösterreich dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem (hinsichtlich des Bw und dessen Eltern) sowie durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister (hinsichtlich des Bw und dessen Eltern).

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3.  Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, unstrittigen Sachverhalt aus.

 

Zudem geht aus dem Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem hervor, dass die zweiten Asylanträge der Eltern des Bw am 24. November 2009 rechtskräftig negativ erledigt und Ausweisungen verfügt wurden.

 

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG , BGBl I 2005/100 in der Fassung BGBl I 2011/38, gelten "[v]or Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 […] als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist."

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG ist "[g]egen einen Drittstaatsangehörigen […], sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält."

 

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

3.2. Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen gilt es daher zuvorderst, die Zulässigkeit des Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Bw dem Grunde nach zu prüfen. Dabei ist auf die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Bw sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung der Rechte gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Vorweg ist festzuhalten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und die Verbringung einer Person außer Landes grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.4. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn sie davon ausgeht, dass eine Subsumtion des gegenständlichen Sachverhalts unter die Tatbestandselemente des § 61 Abs. 2 FPG 2005 nicht zu einem unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw führt:

 

Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Bw alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen. Dem Höchstgericht zufolge hat der dem § 61 Abs. 2 FPG 2005 (neu) vergleichbare § 66 Abs. 2 FPG 2005 (alt) schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Sinne dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa 10 Jahren das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine Ausweisung – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist das Alter, mit welchem ein Fremder seinen Aufenthalt im Inland nimmt, maßgeblich für die Integration in das in Österreich gegebene soziale Gefüge sowie für die Kenntnis der deutschen Sprache. Die Einübung in soziale Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises beginne demnach aus dem Blickwinkel der Sozialisation des Kindes etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres, wobei jedoch die Abgrenzung zum vorangehenden Lebensabschnitt fließend sei. Die genannte altersmäßige Abgrenzung sei auch aus entwicklungspsychologischer Sicht von Bedeutung, werde doch die "Phase der ersten Verselbständigung", also das Stadium, in dem Kinder auch familienfremde Erzieher akzeptieren, mit anderen Kindern Freundschaften anbahnen, Spiele spielen, sich im Gruppenleben integrieren und somit ihren Lebensbereich über ihre unmittelbare familiäre Sphäre hinaus ausdehnen können, mit etwa drei Jahren erreicht (vgl. etwa VwGH 7.4.2011, 2008/22/0920; 9.11.2011, 2011/22/0264).

 

Der Bw ist seit etwa 8 ½ Jahren in der Republik Österreich aufhältig und erreicht damit an sich noch nicht die relevante Schwelle eines 10-jährigen Aufenthalts. Da er jedoch im Alter von etwa einem Jahr und damit in einem hinsichtlich der Integration ins soziale Gefüge der österreichischen Gesellschaft im Sinne der dargestellten Judikatur besonders sensiblen Alter ins Bundesgebiet eingereist ist, er also nahezu sein ganzes Leben in Österreich zugebracht hat und von klein auf im Inland aufgewachsen ist, ist von einer sehr tiefgreifenden Integration des Bw in Österreich auszugehen. Hingegen verfügt er im Herkunftsland über keinerlei soziale Integration bzw. kann er über eine solche nicht verfügen. Aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist daher davon auszugehen, dass eine Ausweisung des Bw sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben verletzen würde.

 

3.5. Aufgrund des im vorigen Punkt erlangten Ergebnisses ist gemäß § 61 Abs. 3 FPG auch festzuhalten, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Bw auf Dauer unzulässig ist.

 

3.6. Nachdem der Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

Bernhard Pree

 

Beschlagwortung:

Ausweisung, Kind, langjähriger Aufenthalt, § 52 FPG

 

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