Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166529/5/Bi/Rei VwSen-166559/5/Bi/Rei

Linz, 02.02.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufungen des Herrn N P, H, A, vom 15. November 2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Linz-Land 1) vom 2. November 2011, VerkR96-9605-2011 (= VwSen-166529), und 2) vom 9. November 2011, VerkR96-14660-2011 (= VwSen-166559), jeweils wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses des am 2. Februar 2012 durchgeführten Ortsaugenscheins zu Recht erkannt:

 

I. Den Berufungen wird insofern teilweise Folge gegeben, als die angefochtenen Straferkenntnisse jeweils im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafen aber auf je 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafen auf  je 36 Stunden herabgesetzt werden.

 

II. Die Verfahrenskostenbeiträge erster Instanz ermäßigen sich auf je 7 Euro; Kostenbeiträge zum Rechtsmittelverfahren entfallen.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit den oben bezeichneten Straferkenntnissen wurden über den Beschuldigten jeweils wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 82 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.d StVO 1960 Geldstrafen von jeweils 100 Euro (jeweils 48 Stunden EFS) verhängt, weil er

1) am 1. März 2011, 14.50 Uhr, in A auf der Parkfläche entlang der H auf Höhe von Haus Nr.x, und

2) am 19. April 2011, 17.25 Uhr, in A, H neben dem Haus Nr.y, das Kraftfahrzeug Mercedes MB100, weiß, ohne Kennzeichentafel auf einer Straße abgestellt habe, obwohl er dafür keine Bewilligung der Behörde besessen habe.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von je 10 Euro auferlegt.

 

2. Gegen beide Straferkenntnisse hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufungen eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorent­scheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurden. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 2. Februar 2012 wurde ein Ortsaugenschein in der H vor den Häusern x und y durchgeführt. Zu der jeweils mit E-Mail-Ladung (Absendung 10. Jänner 2012) anberaumten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung ist der Bw nicht erschienen, die Vertreterin der Erst­instanz war entschuldigt.  Im Übrigen konnte gemäß § 51e Abs.3 VStG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil in den Berufungen lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde (Z1) und in den ange­fochtenen Bescheiden keine 500 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden (Z3); eine mündliche Verhandlung wurde auch nicht ausdrücklich beantragt.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, das auf Wechselkennzeichen zuge­lassene Fahrzeug sei unbestritten beide Male auf Privatgrund abgestellt gewesen, was auch die Wohnbaugenossenschaft X schriftlich bestätigt habe. Der Privatparkplatz sei auch mit dem Schild "Besucherparkplatz" gekenn­zeichnet; solche Beschilderungen gebe es nicht auf öffentlichem Grund von privaten Besuchern von Privatpersonen auf privaten Wohnblocks. Im Umkehr­schluss sei daher für jedermann laienhaft erkennbar, dass sein kenn­zeichen­loser Mercedes kurzfristig auf Privatgrund abgestellt gewesen sei. Dass dies dem Anzeiger nicht aufgefallen sei, möge ja noch angehen; aber dass dies auch bei der BH Linz-Land niemandem aufgefallen sei, verwundere schon. Die Behörde habe es nicht geschafft, in ihrem Vorgehen verhältnismäßig vorzugehen, weder der Polizist noch das Strafamt. Man könne ihn nicht glauben machen, der Parkplatz sei öffentlich; er zahle für den Privatgrund anteilig Miete und denke nicht daran, Strafe zu bezahlen. Auch wenn die Behörde "rechtstheoretisch" im Recht sei, sei die in Österreich tausendfach gelebte Praxis eine andere – praxisnah sei hier nicht gehandelt worden. Man hätte erkennen können, dass der Polizist einen "Schmarrn" anzeige und danach vorgehen müssen, zumal 100 Euro-Strafen oft nicht einmal für Gefährdungsdelikte verhängt würden. Da diese belanglose Übertretung auf Privatgrund auch ohne Folgen geblieben sei, hätte man ihn schon beim Posten Enns ermahnen können.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die beiden auch Fotos vom Abstellort des Pkw enthaltenden Verfahrensakten der Erstinstanz sowie Durchführung eines Ortsaugenscheins.

Dabei wurde festgestellt, dass die gepflasterten Parkplätze entlang der Gebäude­seite uneinge­schränkt befahren werden können. Gut lesbar sind jeweils die Schilder "Besucherparkplatz für die Häuser H ..".

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 82 Abs.1 StVO 1960 ist für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßen­verkehrs, z. B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung ist eine Bewilligung nach Abs.1 auch für das Abstellen von Kraftfahrzeugen oder Anhängern ohne Kennzeichen­tafeln erforderlich. Nicht erforderlich ist eine solche Bewilligung ua gemäß § 82 Abs.3 lit.b StVO für das Wegschaffen eines betriebsunfähig gewordenen Fahr­zeuges oder für dessen Instandsetzung, sofern dies einfacher als das Weg­schaffen ist und der fließende Verkehr dadurch nicht behindert wird, und auch nicht gemäß Abs.4 für geringfügige Instandsetzungs- oder Instandhaltungs­arbeiten an Fahrzeugen, z. B. Vergaserreinigung, Reifenwechsel, Arbeiten an der elektrischen Anlage oder dergleichen, vor der Betriebsstätte eines hiezu befugten Gewerbetreibenden, wenn dort das Halten und Parken nicht verboten ist (§§ 23 und 24).

Gemäß § 1 StVO 1960 gilt dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.

Nach der umfangreichen Judikatur des VwGH ist darunter zu verstehen, dass irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugver­kehrs jedermann offenstehen muss; die Einschränkung einer Benützungsart auf einen bestimmten Personenkreis entzieht der Straße nicht den Charakter einer öffentlichen Verkehrsfläche. Auch ein im Eigentum eines Privaten stehender Parkplatz stellt eine Straße mit öffentlichem Verkehr dar, wenn nicht durch eine entsprechende Kenzeichnung oder Abschrankung erkennbar ist, dass das Gegenteil zutrifft (vgl E 28.11.1995, 95/02/0378; 23.3.1999, 98/02/0343; 26.1.2002, 2001/02/0008)

Für die Widmung als Straße mit öffentlichem Verkehr ist ein Widmungsakt nicht erforderlich und es kommt auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßen­grund an, also nicht darauf, ob die betreffende Landfläche ganz oder teilweise in Privateigentum steht. Maßgeblich sind nicht die Besitz- oder Eigentumsverhält­nisse am Straßengrund sondern die tatsächliche Benützbarkeit der Verkehrs­fläche (vgl VwGH 28.11.2008, 2008/02/0200; 19.12.2006, 2006/02/0015; 4.7.2008, 2008/02/0131).

Für den Ausschluss des öffentlichen Verkehrs ist ein allgemein sichtbares Benützungsverbot erforderlich, allenfalls mit einem Hinweis auf die Eigenschaft als Privatstraße, wobei ein solcher dann von Bedeutung ist, wenn jeglicher öffentliche Verkehr ausgeschlossen werden soll (vgl VwGH 20.6.2001, 99/06/0187).

 

Beim Ortsaugenschein war festzustellen, dass die parallel zur Fahrbahn gelegenen Parkplätze direkt an der H frei zugänglich sind, dh sie sind für jedermann befahrbar, zB zum Umkehren, Ausweichen oder für Ladetätigkeit und auch zum Abstellen, wobei der Hinweis auf Besucherparkplätze nicht von vornherein jegliche Benützung verbietet, zumal nicht einzelne Flächen nummeriert sind im Sinne einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Wohnung. Damit war aber der Charakter einer Straße mit öffentlichem Verkehr zweifellos gegeben und die Bestimmung des § 82 StVO, die eine Bewilligungs­pflicht zum Abstellen eines Kraftfahrzeuges ohne Kennzeichentafeln vorsieht, ohne Einschränkung gültig.

Der Bw hat selbst ausgeführt, er habe am 1. März 2011 das Kraftfahrzeug ohne Kennzeichentafeln aus Zeitgründen für ca 2 Stunden vor den Wohnhäusern abgestellt; von einem betriebsunfähigen Fahrzeug im Sinne des  § 82 Abs.3 lit.b StVO war auch bezogen auf den 19. April 2011 keine Rede.

Damit hat der Bw in beiden Fällen den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, zumal ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

 

Er hat sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf bezogen, die Fläche stehe im Eigentum der Wohnungsgenossenschaft und er bezahle für die Fläche Miete, weshalb er weitere Zahlungen ablehne. Er hat sich daher im Irrtum befunden bezüglich der Begriffe "öffentliche Straße" (im Gegensatz zu Privateigentum) und Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne der oben zitierten Judikatur, wobei er diesen Irrtum damit begründet hat, auch andere Personen würden ihre Fahr­zeuge ohne Kenn­zeichentafeln dort abstellen und nicht beanstandet.

Dazu ist zu sagen, dass der Inhaber eines Wechselkennzeichens sich mit für ihn relevanten gesetzlichen Bestimmungen vertraut machen muss, wobei die Bestimmungen betreffend den Abstell­ort des Kraftfahrzeuges, auf dem sich gerade keine Kennzeichentafeln befinden, wesentlich sind. Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates kann sich der Bw daher nicht erfolgreich auf einen Irrtum im Sinne des § 5 Abs.2 VStG berufen, wenn es seine Aufgabe gewesen wäre, sich darüber zu informieren. Inwieweit ein aus der Sicht des Bw geringfügiges Verschulden am 1. März 2011 gegeben gewesen sein könnte, ist nicht nachvollziehbar, weil er die "Zeitgründe" für sein zweistündiges Parken nicht näher dargelegt hat. Zu betonen ist aber, dass er nach der Beanstandung am 1. März 2011 sein Fahrzeug am 19. April 2011 erneut unter den gleichen Bedingungen geparkt hat; damit fehlt jeglicher Ansatz für die Anwendung des    § 21 VStG, auch wenn in beiden Fällen die Übertretungen keine Folgen im Sinne einer Verkehrsbehinderung hatten.  

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Der Bw hat betont, er habe sein auf Wechselkennzeichen angemeldetes Kraft­fahrzeug ohne Kenn­zeichentafeln immer in der Tiefgarage abgestellt und es nun weggebracht. Er beziehe 1400 Euro Einkommen und habe Sorgepflichten für 4 Kinder zwischen 5 und 16 Jahren. Die Erstinstanz ist laut Begründung der beiden Straferkenntnisse von diesen Angaben ausgegangen und hat weder straf­erschwerende noch mildernde Umstände zu finden vermocht, weil der Bw Vormerkungen aus den Jahren 2007 und 2009 aufweist.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind diese Vormerkungen schon wegen der Höhe (je 21 Euro) als geringfügig anzusehen, wobei  aufgrund des Umstandes, dass der Bw das genannte Kraftfahrzeug nicht mehr besitzt, eine Strafherabsetzung aufgrund der finanziellen Gegebenheiten für gerechtfertigt erachtet wird.

Die nunmehr festgesetzten Strafen entsprechen unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG dem jeweiligen Unrechts- und Schuldgehalt beider Übertretungen, liegen im unteren Bereich des oben angeführten Strafrahmens und halten sowohl general- wie auch spezialpräventiven Überlegungen stand.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

82/2 2 121 Euro Vormerkungen 2007+2009 + 4 Kinder bei 1.400 Euro -> Herabsetzung 100 -> 70 Euro.

 

 

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