Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231196/12/BMa/Mu/Th

Linz, 30.01.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der X, geb. am X, X, vertreten durch Mag. X, Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 23. November 2010, S-40.390/10-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.               Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses nach der Wortgruppe "Sie halten sich seit 21.11.2009" die Wortgruppe " bis 13.08.2010 und seit 23.08.2010 bis 23. 11.2010" eingefügte wird. Gemäß § 21 Abs.1 VStG wird von der Verhängung einer Strafe abgesehen und der Berufungswerberin unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens eine Ermahnung erteilt. Im Übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II.           Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungs­senat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 111/2010 – AVG iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 111/2010 – VStG

Zu II.:  § 66 Abs.1 VStG


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Wie vom fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 12.08.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 21.11.2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31 Abs. 1 Z. 2-4 u. 6 FPG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe in Euro          falls diese uneinbringlich ist,      Gemäß §

                                      Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 1.000,--                      4 Tage                                       120 Abs. 1 FPG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

100,-- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 € angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

1.100,-- Euro."

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass die der Bwin angelastete Tat durch die eigene dienstliche Wahrnehmung eines Beamten des fremdenpolizeilichen Referates der BPD Linz sowie auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen sei. Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der relevanten Rechtsgrundlagen wird im Wesentlichen weiters vorgebracht, dass sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, die geeignet gewesen wären, den Aufenthalt der Bwin in Österreich als legal anzusehen. Mit Bescheid vom 12. August 2010 sei wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet die Ausweisung gegen sie angeordnet worden. Durch die dagegen eingebrachte Berufung habe sie allerdings keinen Aufenthaltstitel erworben.

 

Mildernd wurde bei der Strafbemessung die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt. Der Strafbemessung wurde zugrunde gelegt, dass die Bwin kein relevantes Vermögen besitze und weder Sorgenpflichten habe noch Einkommen beziehe.

 

1.3. Gegen diesen ihrem Rechtsvertreter am 29. November 2010 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 7. Dezember 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung vom selben Tag.

 

Darin machte die Bwin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter zunächst als Berufungsgründe die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.

Weiters führt die Berufung aus, die Bwin habe am 13. August 2010 ihren Wohnsitz im Bundesgebiet abgemeldet und erst wieder am 23. August 2010 angemeldet, weil sie sich in dieser Zeit in Kroatien aufgehalten habe. Aufgrund dieses Umstandes sei sie seit 23. August 2010 wieder zu einem dreimonatigen sichtsvermerkfreien Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen, weshalb sich die Bwin zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Straferkenntnisses rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe. Sie sei, nachdem sie erfahren habe, dass ihrer Berufung im Niederlassungsverfahren Folge gegeben werde, wieder ins Bundesgebiet eingereist und davon ausgegangen, dass ihr, wenn sie sich nach ihrer Wiedereinreise rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ihr eine Niederlassungsbewilligung erteilt werde.

Die Feststellung der belangte Behörde, dass die Bwin durch ihren Aufenthalt in Kroatien ihren Wohnsitz in Österreich nicht aufgegeben habe, sei daher ohne entsprechende Begründung nicht nachvollziehbar.

Der erstbehördlichen Äußerungen zu § 85 Abs.3 FPG wird entgegnet, dass ihr österreichischer Ehegatte bereits vor vielen Jahren in Deutschland aufhältig gewesen sei und dort gearbeitet habe. Somit liege nach der Rückkehr ihres Ehegatten nach Österreich ein Freizügigkeitssachverhalt vor.

Weil sich die belangte Behörde im gegenständlichen Fall nicht mit dem Freizügigkeitssachverhalt auseinandergesetzt habe, indem sie ihren Ehegatten einvernommen habe, liege ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vor.

Daher wird die Aufhebung des gegenständlichen Straferkenntnis bzw. in eventu die Aufhebung des Straferkenntnisses und Zurückverweisung an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung, nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens beantragt.

 

2.1. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 hat die belangte Behörde den Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu S-40.390/10-2 und den fremdenpolizeilichen Verwaltungsakt zu Zl. 1068415/FRB.

Ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt und fremdenbehördlichen Akt wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz per E-Mail vom 1. Juli 2011 erhoben, ob die Bwin einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt hat. Noch am selben Tag wurde vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz mitgeteilt, dass die Bwin bereits am 26. Jänner 2011 einen Aufenthaltstitel als Familienangehörige gültig bis zum 25. Jänner 2012 erhalten hat (vgl. E-Mail vom 1. Juli 2011, Zl. VwSen-231196/4, und vom 1. Juli 2011, Zl. VwSen-231196/5). Daraufhin wurde schließlich auch in den Verwaltungsakt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz zu Zl. 304-3-AEG/38227 Einsicht genommen.

 

Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ließ sich bereits aus den vorliegenden Verwaltungsakten und der Berufung klären, die Verfahrensparteien haben einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt, somit konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.1 VStG von einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevante Sachverhalt wird festgestellt:

Die Bwin ist brasilianische Staatsangehörige. Sie meldete erstmals am 18. Juli 2008 an der Wohnsitzadresse ihres Ehemannes ihren Wohnsitz in Österreich an und stellte am 25. August 2008 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "Erstbewilligung Familienangehörige".

Sie hat laut ZMR-Auszug vom 25.01.2012 vom 20. August 2009 bis 13. August 2010 und ab 23. August 2010 an der Wohnsitzadresse ihres Ehegatten ihren Wohnsitz in Österreich gemeldet.  Dazu bringt sie vor, dass sie am 13. August 2010 ihren Wohnsitz im Bundesgebiet abgemeldet habe und am selben Tag aus Österreich ausgereist sei. Diese Aussage steht aber im Widerspruch zu ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2010, wonach sie am 17. August 2010 nach Kroatien ausgereist sei. Zu ihren Gunsten wird davon ausgegangen, dass sie am 13. August 2010 Österreich verlassen hat und sich von ihr unbestritten – seit 23. August 2010 wieder in Österreich aufgehalten hat.

 

Am 12. August 2010 erstattete das fremdenpolizeiliche Referat der Bundespolizeidirektion gegen die Bwin Anzeige zu Zl. 1068415/FRB, weil sie sich seit dem 20. November 2009 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte.

Begründend führte die Fremdenbehörde aus, die Bwin habe am 20. August 2009 ihren Wohnsitz in Österreich angemeldet, sie hätte sich aber gemäß dem österreichischen brasilianischen Sichtvermerksabkommen, BGBl. Nr. 332/1967, nur bis zu drei Monate sichtvermerksfrei im Bundesgebiet aufhalten dürfen. Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz abgewiesen. Über die dagegen eingebrachte  Berufung war zum Zeitpunkt der Anzeigenlegung vom Bundesministerium für Inneres noch nicht entschieden.

Der zwischenzeitig rechtskräftig gewordene Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 10. Juni 2010, GZ: 155.099/2-III/4/10, mit dem der Bw der Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt wurde, stützt sich auf § 47 NAG. Die Aufenthaltskarte mit dem Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" wurde am 26. Jänner 2011 vom Magistrat  Linz ausgestellt.

Die Bwin hat das voraussichtliche monatliche Gesamteinkommen ihres Gatten nicht bereits im erstinstanzlichen Aufenthalts- und Niederlassungsverfahren offengelegt.

 

Mit Bescheid vom 12. August 2010, Zl. 1068415/FRB, ordnete der Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Linz die Ausweisung der Bwin aus dem Bundesgebiet an, weil sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Die dagegen erhobene Berufung war erfolgreich und der Ausweisungsbescheid wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 9. Mai 2011, Zl. E1/21758/2010, aufgehoben. Weil der Sicherheitsdirektor für Oberösterreich für die Erlassung dieses Bescheides sachlich unzuständig war, wurde die Berufung mit Beschluss des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 24. August 2011, VwSen- 730416/2/SR/Jo, als unzulässig zurückgewiesen, war doch die Ausweisung gegenstandslos, weil der Bwin zwischenzeitig ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden war.

 

3.2. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.2.1. Nach dem hier anzuwendenden § 120 Abs.1 Z2 des Fremdenpolizei­gesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zur Tatzeit geltenden Fassung, die mit Ausnahme der Strafgrenzen gleichlautend mit der derzeit geltenden Rechtslage, BGBl. I Nr. 38/2011, ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungs­unternehmers möglich ist. Die derzeit geltende, günstigere – und damit anzuwendende - Fassung des FPG, BGBl. I Nr. 38/2011, sieht einen Strafrahmen von 500 bis 2.500 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen vor.

 

Nach § 31 Abs.1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

 

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs­gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs.5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs.3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

Gemäß Artikel 1 des 332. Notenwechsels zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung von Brasilien über die Abschaffung des Sichtvermerkzwanges, BGBl. Nr. 78/1967, dürfen österreichische und brasilianische Staatsbürger, die einen von den zuständigen Behörden ihres Landes ausgestellten gültigen gewöhnlichen Reisepass besitzen, zu einem nicht Erwerbszwecken dienenden Aufenthalt sichtvermerksfrei in das Gebiet des anderen Vertragsstaat einreisen und sich dort drei Monate aufhalten. Die Aufenthaltsberechtigung kann gemäß den geltenden Gesetzen von den zuständigen Behörden verlängert werden.

 

Nach Artikel 2 leg.cit. ist für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder für einen drei Monate übersteigenden Aufenthalt im Gebiet des anderen Vertragsstaates ein Sichtvermerk erforderlich.

 

Gemäß § 2 Abs.4 Z11 FPG gilt als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" u.a. derjenige, der Ehegatte eines Österreichers ist, der sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat

 

Nach § 85 Abs.1 FPG in der zur Tatzeit geltenden Fassung haben begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs.4 Z11) das Recht auf Aufenthalt für einen Zeitraum von drei Monaten, unterliegen aber der Sichtvermerkspflicht, sofern Anhang I zur Visumpflichtsverordnung (§ 2 Abs.4 Z20) auf sie Anwendung findet. Sie haben Anspruch auf Erteilung eines Visums.

 

3.2.2. Die Bwin bestreitet nicht,  sich im vorgeworfenen Tatzeitraum seit 21. November 2009, mit Unterbrechung von 13. bis 23. August 2010, im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Sie sei aber der Meinung gewesen sei, dass sie vom 23. August 2010 bis zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Straferkenntnisses wieder zu einem dreimonatigen sichtsvermerksfreien Aufenthalt berechtigt gewesen sei.

 

Im vorliegenden Fall steht zunächst fest, dass sie seit 21. November 2009 bis zum 13. August 2010 keinen der Tatbestände des § 31 Abs.1 FPG erfüllt, und dass insoweit somit der objektive Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts grundsätzlich vorliegt.

 

Hinsichtlich ihrem Vorbringen, dass sie seit 23. August 2010 wieder zu einem dreimonatigen sichtvermerksfreien Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, ist zu entgegnen, dass  gemäß Art. 1 des Notenwechsels zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung von Brasilien über die Abschaffung des Sichtvermerkzwanges, BGBl.Nr. 332/1967, brasilianische Staatsbürger zu einem nicht Erwerbszwecken dienenden Aufenthalt sichtvermerkfrei in das Gebiet von Österreich einreisen und sich dort drei Monate aufhalten dürfen.

Die Begünstigungen dieses Abkommens befreien die sichtvermerkfrei eingereisten brasilianischen Staatsbürger nicht von der Verpflichtung, die österreichischen Gesetze und Vorschriften betreffend die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern zu beachten (Art. 3 leg.cit.).

 

Nach Art. 20 Abs.1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, BGBl. III Nr. 90/1997, können sich sichtvermerksfreie Drittausländer in dem Hoheitsgebiet der Vertragsparteien frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an.

 

Die Bwin, die vom 13. bis 23. August 2010 Österreich verlassen hat und sich davor mehr als drei Monate in Österreich aufgehalten hat, hat sich daher auch nach ihrer Wiedereinreise nach Österreich am 23. August 2010 unrechtmäßig in Österreich aufgehalten.

 

Die Bwin vermeint als Ehefrau eines Österreichers, der vorübergehend in Deutschland gearbeitet hat, als begünstigte Drittstaatsangehörige ein Aufenthaltsrecht gehabt zu haben und sich damit rechtmäßig in Österreich aufgehalten zu haben.

Diesbezüglich wird auf das durchgeführte Aufenthaltsberechtigungsverfahren verwiesen (siehe oben). Erst mit Verleihung des Aufenthaltstitels durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz war der Aufenthalt der Bwin rechtmäßig. Auch die Bwin hat diese nicht bekämpft. Daraus ergibt sich aber auch, dass die Bwin als Ehegattin das Verfahren gem. NAG betreiben musste, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen und sich rechtmäßig in Österreich aufhalten zu können.

Das dem widersprechende Vorbringen der Berufung wird daher als Schutzbehauptung gewertet.  

 

Die Bwin hat damit das Tatbild der ihr vorgeworfenen Rechtsnorm erfüllt.

 

3.3. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Die Bwin hat zumindest fahrlässig gehandelt, weil sie nicht dafür gesorgt hat, dass das voraussichtliche monatliche Gesamteinkommen ihres Gatten  bereits im erstinstanzlichen Aufenthalts- und Niederlassungsverfahren offengelegt wurde, sich dadurch die Verleihung des Aufenthaltstitels verzögert hat. 

Darüber hinaus war sie für die Zeit nach ihrer Wiedereinreise am 23. August 2010 in einem vorwerfbaren Rechtsirrtum befangen, weil sie der Meinung war, durch das kurzfristige Verlassen von Österreich sei sie wiederum zu einem dreimonatigen sichtvermerksfreien Aufenthalt berechtigt. Ihr ist vorwerfbar, dass sie keine fachkundige Information von kompetenter, behördlicher Stelle dazu eingeholt hat.

 

Die Bwin hat somit auch die subjektive Tatseite in Form leichter Fahrlässigkeit der ihr vorgeworfenen Übertretung begangen.

 

Eine Einschränkung des Tatzeitraums entsprechend dem Berufungsvorbringen konnte erfolgen, weil der ursprünglich vorgeworfene weiter gefasst war.

 

3.4.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgeblichen Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

3.4.2. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Nach hM liegt ein geringes Verschulden des Täters vor, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. Hauer/Leukauf Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], VStG §21 E6ff). Nach der strafrechtlichen Judikatur zum vergleichbaren § 42 StGB muss die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der Deliktsverwirklichung geringfügig sein. Maßgebend sind der das Unrecht bestimmende Handlungsunwert und der Gesinnungswert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt. Der Erfolgsunwert wurde im Merkmal "unbedeutende Folgen der Übertretung" verselbstständigt.

 

Die Folgen der Übertretung können im konkreten Fall als unbedeutend gewertet werden, sind doch von Anfang der Antragstellung zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung an alle Voraussetzungen einer Erteilung vorgelegen, sodass der Bwin, hätte sie die Belege bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt, ihr das Aufenthaltsrecht auch früher erteilt werden hätte können, und sie ihren Aufenthalt bereits früher legalisieren hätte können. Das Verschulden der Bwin ist als geringfügig zu werten (siehe oben). Zudem ist sie bis dato unbescholten und noch nicht negativ in Erscheinung getreten.

 

Auf Grund dieser besonderen Fallkonstellation konnte nicht nur in spezialpräventiver Hinsicht mit einer Ermahnung der Bwin das Auslangen gefunden werden, wobei die Bwin auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens hinzuweisen war, um sie künftig von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten, sondern auch in generalpräventiver.

 

4. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt im Fall der Aufhebung eines Strafausspruches die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 


 

VwSen-231196/2/BMa/Mu/Th vom 30. Jänner 2012

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

Notenwechsel zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung von Brasilien über die Abschaffung des Sichtvermerkzwanges Art1;

Notenwechsel zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung von Brasilien über die Abschaffung des Sichtvermerkzwanges Art3;

Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen Art20 Abs1

 

 

Durch den Verweis des Art 3 des Notenwechsels zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung von Brasilien über die Abschaffung des Sichtvermerkzwanges, BGBl. Nr. 332/1967, wonach die sichtvermerkfrei eingereisten brasilianischen Staatsbürger nicht von der Verpflichtung, die österreichischen Gesetze und Vorschriften betreffend die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern zu beachten, befreit sind, dürfen brasilianische Staatsbürger zu einem nicht Erwerbszwecken dienenden Aufenthalt sichtvermerkfrei in das Gebiet von Österreich einreisen und sich dort drei Monate aufhalten (Art 1 leg cit).

In Zusammenschau mit Art 20 Abs 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, BGBl. III Nr. 90/1997, bezieht sich diese Frist von drei Monaten, in denen sich sichtvermerksfreie Drittausländer in dem Hoheitsgebiet der Vertragsparteien frei bewegen können, auf eine Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an.

 

 

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