Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420521/15/BP/MZ/Wu

Linz, 03.02.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, geboren am X, StA des Kosovo, vertreten durch X, wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht erkannt:

 

I.       Der Beschwerde gegen die am 20. September 2007 um ca.    10.45 Uhr (beginnend um ca. 6.00 Uhr durch Abholung im    Polizeianhaltezentrum X) erfolgte Abschiebung auf dem Luftweg    vom Flughafen X in den Kosovo (X via X) durch          Sicherheitswachebeamte wird stattgegeben und die Abschiebung          als rechtswidrig erklärt.

 

II.     Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Urfahr-   Umgebung) hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in        Höhe von 751,90 Euro (Schriftsatzaufwand 737,60 Euro +      Eingabegebühr 14,30 Euro) binnen zwei Wochen bei sonstiger      Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG; § 67c AVG; § 79a AVG iVm UVS-Aufwander­satzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008; § 46 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006)

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Nach Schilderung des Beschwerdeführers (in Folge: Bf) in der Beschwerde vom 1. Oktober 2007 sei er im Auftrag des Bezirkshauptmannes des Bezirks Urfahr-Umgebung am 20. September 2007 mit einem Flug ab X, 10.00 Uhr in den Kosovo (X) abgeschoben worden. Der Abschiebevorgang hätte bereits zuvor durch Abholung im Polizeianhaltezentrum (PAZ) X, wo sich der Bf seit 11. September 2007 in (mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10 für rechtswidrig erklärter) Schubhaft befunden hätte, um ca. 6.00 Uhr an diesem Tag durch beauftragte Sicherheitswachebeamte begonnen.

 

Der Schubhaft und der Abschiebung lägen zugrunde, dass der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) mit Bescheid vom 24. August 2007 die Berufung des Bf in der Asylsache gemäß § 3 AsylG abgewiesen und den Bf aus dem Bundesgebiet ausgewiesen habe. Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 7. September 2007, eingelangt bei der belangten Behörde am 10. September 2007, sei die belangte Behörde davon verständigt worden, dass die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Bf in den Kosovo gemäß § 8 AsylG rechtskräftig wäre und eine rechtskräftige Ausweisung mit Rechtskraftdatum 30. August 2007 vorläge.

 

Auf Grund eines Festnahmeauftrags der belangten Behörde sei der Bf am 11. September 2007 verhaftet und in Schubhaft genommen worden. Durch seinen ausgewiesenen Vertreter habe der Bf bereits am selben Tag bzw. am 13. September 2007 telefonisch, mit Eingabe vom 14. September 2007 auch schriftlich die belangte Behörde – verbunden mit der Erklärung, unmittelbar nach der Eheschließung freiwillig aus Österreich auszureisen, um vom Ausland aus seinen Aufenthalt zu legalisieren – in Kenntnis gesetzt, dass für den X ein Hochzeitstermin mit seiner Verlobten X beim Standesamt der X vereinbart wäre. Der belangten Behörde sei – laut Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10 – noch am 19. September 2007 telefonisch mitgeteilt worden, dass X ein behindertes Kind habe und es ihr daher unmöglich wäre, zur Eheschließung in den Kosovo zuzureisen.

 

2. Gegen diese dargelegte Abschiebung richtet sich die vor­liegende, am 1. Oktober 2007 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte, Be­schwerde.

 

Darin beantragt der Bf – nach Schilderung des Sachverhalts – die Abschiebung von Österreich über X in den Kosovo für rechtswidrig zu erklären sowie den Ersatz der Kosten gemäß § 79a AVG zuzuerkennen.

 

In seiner Begründung führt der Bf aus, dass der Oö. Verwaltungssenat insofern sachlich und örtlich zuständig sei, als die Abschiebung bei der Abholung am letzten Aufenthaltsort, konkret dem PAZ X, begonnen habe.

Weiters geht der Bf davon aus, dass eine Abschiebung nur unter den Voraussetzungen des § 46 FPG durchgeführt werden dürfe. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10, führt er aus, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FPG nicht vorlägen und daher die Abschiebung rechtswidrig gewesen sei. Dies begründet er im Wesentlichen damit, dass die Überwachung seiner Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht notwendig gewesen sei, da er sich bisher im Wesentlichen entsprechend der Rechtsordnung verhalten hätte und auch weiter erkennen habe lassen, dass er sich künftig rechtstreu verhalten würde. Insbesondere habe er auch angekündigt, unmittelbar nach der geplanten Eheschließung Österreich freiwillig mit seinem Reisedokument zu verlassen. Es sei daher auch davon auszugehen gewesen, dass er seiner Verpflichtung zur Ausreise zeitgerecht nachgekommen wäre.

 

Die Unzulässigkeit der Abschiebung ergebe sich auch bei verfassungskonformer Interpretation aus Art. 8 EMRK, zumal der Bf beabsichtigt hätte, am X mit X die Ehe zu schließen. Ein derartiger Schritt dürfe – insbesondere bei Personen, die sich bisher rechtstreu verhalten hätten – nicht durch unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt verhindert werden. Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass – wie der belangten Behörde im Zeitpunkt der Abschiebung bekannt war – die Verlobte des Bf ein zu 80% behindertes Kind hätte und es ihr grundsätzlich nicht möglich sei, zur Eheschließung in den Kosovo zu reisen. Insofern läge ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vor.

 

2.1. In einer Gegenschrift vom 4. Oktober 2007 führte der Bezirkshauptmann des Bezirks Urfahr-Umgebung aus, dass er mit Schreiben vom 7. September 2007 durch das Bundesasylamt verständigt worden sei, dass der Bescheid des Bundesasylsenates betreffend den Bf gemäß § 3 AsylG mit 30. August 2007 negativ in Rechtskraft erwachsen sei. Gleichzeitig seien die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien, Provinz Kosovo und die ausgesprochene Ausweisung rechtskräftig.

 

Unter Zugrundelegung des § 46 Abs. 1 FPG begründet der Bezirkshauptmann des Bezirks Urfahr-Umgebung die konkrete Abschiebung insofern, als erwiesen sei, dass der Bf seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen sei. Obwohl die vom Bundesasylsenat ausgesprochene Ausweisung mit 30. August 2007 in Rechtskraft erwachsen sei, hielt sich der Bf weiterhin im Bundesgebiet auf und wurde am 11. September 2007 auf Grund eines Festnahmeauftrags zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen.

 

Dass der Bf auch weiterhin im Bundesgebiet bleiben habe wollen, gehe auch daraus hervor, dass er – anstatt unverzüglich freiwillig auszureisen – am 7. September 2007 das Aufgebot bestellt habe, um am X am Standesamt X X zu heiraten. Diesbezüglich sei der Verdacht einer Aufenthalts- oder Zweckehe zur Verfestigung seines Aufenthaltes insofern nicht auszuschließen, als X weder einen gemeinsamen Wohnsitz mit dem Bf gehabt hätte, noch Informationen über die Abschiebung und über die weitere Vorgehensweise bezüglich ihres "zukünftigen Ehegatten" eingeholt hätte.

 

Die Aussage des Bf – die er erst während seiner Schubhaft tätigte –, er hätte nach der Hochzeit das Bundesgebiet freiwillig verlassen, sei unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar.

 

Ein Kostenantrag wurde in der Gegenschrift nicht gestellt.

 

2.2. Mit Telefax vom 25. Oktober 2007 wurde dem Bf vom Oö. Verwaltungssenat die Gegenschrift der belangten Behörde unter gleichzeitiger Einladung zur Stellungnahme übermittelt. In seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 2007 präzisiert der Bf seine Beschwerdebegründung wie folgt:

 

Die Abschiebung sei insofern rechtswidrig gewesen, als der Bf nach der Eheschließung freiwillig Österreich verlassen hätte, um von seiner Heimat aus seine legale Rückkehr nach Österreich zu bewerkstelligen. Gegenteilige Äußerungen der belangten Behörde seien – ebenso wie der geäußerte Verdacht einer Aufenthalts- oder Zweckehe – reine Mutmaßungen.

 

Die Abschiebungsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 FPG lägen nicht vor. Auf Grund der geplanten freiwilligen Ausreise aus Österreich nach erfolgter Eheschließung sei nicht zu befürchten gewesen, dass der Bf seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen wäre. Insbesondere könne aus der Tatsache, dass der Bf nach negativer Asylentscheidung vor seiner Ausreise aus Österreich noch die Ehe schließen wollte, nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Als Grundlage für die Abschiebung käme allenfalls § 46 Abs. 1 Z 2 FPG in Betracht. Im Hinblick auf die geplante Eheschließung könne allerdings auf Grund der Möglichkeit eines Durchsetzungsaufschubs im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG nicht davon ausgegangen werden, dass der Bf seiner Ausreiseverpflichtung nicht zeitgerecht nachgekommen sei. Vielmehr hätte die geplante Eheschließung im Rahmen des § 67 Abs. 1 FPG von der Behörde berücksichtigt werden müssen. Denn § 67 Abs. 1 FPG sei auch bei einer Ausweisung nach dem AsylG auf Grund einer verfassungskonformen Interpretation im Sinne des Gleichheitssatzes und der bloßen Ermessensentscheidung gemäß § 46 Abs. 1 FPG anzuwenden. Daher sei die Abschiebung nicht nur gesetzwidrig gewesen, sondern stelle auch einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht nach Art. 8 EMRK dar.

 

Nach erneutem Hinweis auf die Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10, wird ein Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Bf ausdrücklich nicht abgegeben.

2.3. In einem ersten Verfahrensgang wurde die Beschwerde des Bf mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenats vom 23. November 2007, VwSen-420521/6/Ste/AB, als unbegründet abgewiesen. Der gegen diese Entscheidung erhobenen Bescheidbeschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30. August 2011, 2008/21/0020, dem Oö. Verwaltungssenat zugestellt am 7. Oktober 2011, stattgegeben und der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

 

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungsakte sowie die vorgelegten Schriftsätze. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war nach Einschätzung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats nicht erforderlich (§ 67d Abs. 1 AVG). Der – rechtsfreundlich vertretene – Bf hat zwar auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht verzichtet, diese allerdings – entgegen § 67d Abs. 3 erster Satz AVG – auch nicht ausdrücklich beantragt, sondern die Entscheidung über deren Abhaltung der Beurteilung durch den Oö. Verwaltungssenat überlassen. Die mangelnde Erforderlichkeit der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ergibt sich vor allem daraus, dass im vorliegenden Fall bereits die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, im Kern im Wesentlichen lediglich eine Rechtsfrage zu klären ist und insgesamt dem nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK entgegen steht. Im Übrigen wäre auch eine Anwesenheit der einzigen Person, die inhaltlich zum konkreten Sachverhalt Ergänzendes beitragen könnte, nämlich des Bf selbst bei einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – wenn überhaupt – nur mit großem organisatorischem und finanziellen Aufwand möglich gewesen (vgl. dem gegenüber § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG).

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Mit Schreiben vom 7. September 2007 durch das Bundesasylamt, AZ 0704.370-EAST-West wurde die belangte Behörde darüber informiert, dass der Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates betreffend den Bf gemäß § 3 Asylgesetz 2005 – AsylG (BGBl. I Nr. 100/2005) mit 30. August 2007 negativ in Rechtskraft erwachsen ist. Die Feststellung gemäß § 8 AsylG über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien, Provinz Kosovo erwuchs – so wie die gleichzeitig ausgesprochene Ausweisung nach Serbien, Provinz Kosovo auch – ebenfalls mit 30. September 2007 in Rechtskraft. Mit Schreiben des Unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 313.899-1/5Z-XIX/61/07 ua. an die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, nachrichtlich ua. an das Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West, eingelangt bei der belangten Behörde am 6. September 2007, wurde gemäß § 22 AsylG mitgeteilt, dass über den Asylantrag des Bf eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates nach Serbien, Provinz Kosovo vorliegt.

 

Am 11. September 2007 wurde der Bf, der der albanischen Volksgruppe in der Region Kosovo zugehört und am 10. Mai 2007 illegal nach Österreich eingereist ist, wo er bei der Wohnadresse seines Onkels in X polizeilich gemeldet war und dort von Zuwendungen seiner Gastfamilie auch lebte, auf Grund eines Festnahmeauftrags zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen. Diese wurde mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 21. September 2007, VwSen-400906/10 für rechtswidrig erklärt. Am selben Tag (X) war die Hochzeit des Bf und Frau X (die Mutter eines behinderten Kindes ist und der es daher kaum möglich ist, zum Zwecke der Eheschließung in den Kosovo zu reisen) beim Standesamt der X – am 7. September 2007 beim Einwohner- und Standesamt der Landeshauptstadt Linz angemeldet – geplant. Mit Schreiben vom 14. September 2007 übermittelte der Bf der belangten Behörde die Bestätigung dieses Hochzeitstermins des Standesamtes Linz, AZ 794/2007, und erklärte, dass er unmittelbar nach der Eheschließung eigenverantwortlich Österreich verlassen wolle.

 

Am 20. September 2007 wurde der Bf, der im PAZ X um ca. 6.00 Uhr von Sicherheitswachebeamten abgeholt worden ist, im Auftrag der belangten Behörde am Luftweg mit Flug ab X über X nach X um ca. 10.00 Uhr abgeschoben. Gegen diese – von ihm als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehl- und Zwangsgewalt qualifizierte – Maßnahme richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

2.6. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den gegenseitigen Behauptungen in den vorgelegten Stellungnahmen im Wesentlichen unstrittig.

 

2.7. Gemäß § 67a Abs. 1 AVG ist zur Entscheidung über die vorliegende Be­sch­werde das durch die Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied des Oö. Ver­waltungssenates berufen.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2011, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu

sein, ausge­nommen in Finanzstrafsachen (vgl. auch Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG). Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungs­senat einzubringen, in dem der Be­schwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.

 

Gemäß § 67c Abs. 1 AVG sind Maßnahmenbeschwerden grundsätzlich innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Bf von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, bei dem Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde. Die Amtshandlung fand am 20. September 2007 statt. Die vorliegende Beschwerde vom 1. Oktober 2007 ist damit rechtzeitig. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung nur jener Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Abschiebung beginnt" (VwGH 23.9.1994, 94/02/0139; vgl. auch VfSlg 16.109/2001). Im vorliegenden Fall ist daher der Oö. Verwaltungssenat insofern örtlich zuständig, als sich der Bf am 20. September 2007 im PAZ X in Schubhaft befand, von wo er auch am Morgen dieses Tages zwecks Abschiebung über den Flughafen X von beauftragten Sicherheitswachebeamten abgeholt worden ist.

 

3.2. Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG ist, dass über­haupt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, der sich gegen die Person gerichtet hat, die als Be­schwerdeführer im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat auftritt und dass die Verletzung eines subjektiven Rechts des Beschwerdeführers zumindest möglich ist.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird.

 

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, dass es sich bei einer Abschiebung (in Form einer Vollstreckungshandlung einer durchsetzbaren Ausweisung) nach dem Fremdengesetz BGBl. Nr. 838/1992 (aufgehoben durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 75/1997) insofern um einen (mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbaren) Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handle, als für die Rechtmäßigkeit einer Abschiebung im Sinne des Fremdengesetzes (§ 36 Fremdengesetz 1992) zusätzlich "zur durchsetzbaren Ausweisung noch weitere Voraussetzungen treten müssen. [...] Dass ein derartiger Bescheid vorhanden ist, ist nur eine der Voraussetzungen für die Abschiebung. Es muss daher ein Weg eröffnet sein, die Rechtswidrigkeit der Abschiebung trotz Vorliegens durchsetzbarer Bescheide [...] geltend zu machen" (vgl. VwGH 23.9.1994, 94/02/0139).

 

Da einerseits § 46 FPG 2005 dem der damaligen Entscheidung des VwGH zugrundeliegenden § 36 Fremdengesetz 1992 nachgebildet ist und andererseits § 13 Abs. 3 FPG 2005 die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dazu ermächtigt, die ihnen gesetzlich eingeräumten Befugnisse und Aufträge der Fremdenpolizeibehörden mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen, ist davon auszugehen, dass – unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – die vorliegende Abschiebung des Bf vom 20. September 2007 als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren ist.

 

3.3. Die Maßnahmenbeschwerde ist nicht nur zulässig sondern auch begründet:

 

§ 46 Abs. 1 Z. 3 FPG normiert, dass Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung (§§ 53, 54 FPG und § 10 Asylgesetz 2005) durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden können (Abschiebung), wenn auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen. Diese Bestimmung sieht keine unbedingte Abschiebeverpflichtung vor, sondern stellt die Abschiebung in behördliches Ermessen. Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei zu berücksichtigen dass der Bf, was der abschiebenden Behörde bekannt war, seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin für den X, also nur einen Tag nach der von der belangten Behörde gebilligten Abschiebung, angesetzt hatte. Der Bf hat zudem angekündigt, unmittelbar nach Eheschließung Österreich freiwillig zu verlassen.

 

Da Umstände, aus denen eine erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen gerade auf Grund eines weiteren Aufenthaltes bis zu diesem Termin abgeleitet werden könnte, aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht ersichtlich sind, erweist sich die Abschiebung des Bf unmittelbar vor der geplanten Eheschließung als unverhältnismäßig (idS VwGH 30.8.2011, 2008/21/0020).

 

3.6. Im Ergebnis ist daher der vorliegenden Beschwerde stattzugeben und die Abschiebung als rechtswidrig zu erklären (Spruchpunkt I).

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ist gemäß § 79a Abs. 2 AVG der Bf die obsiegende Partei. Ein entsprechender Antrag auf Kostenersatz wurde gestellt (vgl. § 79a Abs. 6 AVG).

 

§ 1 Z 1 der UVS-Aufwander­satzverordnung 2008 sieht als Ersatz des Schriftsatzaufwandes im Falle, dass der Bf obsiegende Partei ist, einen Pauschalbetrag von EUR 737,60.- vor. Gemäß § 79a Abs. 4 Z 1 AVG sind zudem die Stempelgebühren, für die der Bf aufzukommen hat, zu ersetzen. Diese Gebühren betragen EUR 13,40.-. Es ist dem Bf daher ein Gesamtbetrag von EUR 751,90.- zuzusprechen (Spruchpunkt II).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

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