Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166450/11/Zo/Rei

Linz, 06.02.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn S G, geb. x, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. T Ö, W vom 25.10.2011 gegen die Punkte 1. bis 5. des Straferkenntnisses des Polizeidirektors von Wels vom 6.10.2011, Zl. 2-S-14.688/10 wegen Übertretungen des FSG und des KFG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18.01.2012 zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird stattgegeben, die Punkte 1. bis 5. des angefochtenen Straferkenntnisses werden aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z1 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis in den Punkten 1. bis 5. vorgeworfen, dass er am 28.06.2010 um 08.10 Uhr in W, S, Parkplatz vor dem Kindergarten

   1. als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen x den für das gelenkte Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Führerschein nicht mitgeführt bzw. diesen bei der Kontrolle nicht ausgehändigt habe;

   2. den für das Lenken des oa Kraftfahrzeuges notwendigen Zulassungsschein nicht mitgeführt bzw. diesen bei der Kontrolle auf Verlangen nicht ausgehändigt habe;

   3. das oa Kraftfahrzeug gelenkt habe, wobei festgestellt wurde, dass er keine geeignete der ÖNORM 471 entsprechende Warnkleidung mit weiß retroreflektierenden Streifen mitgeführt bzw. diese den kontrollierenden Polizeibeamten nicht zugänglich gemacht habe;

   4. das oa Kraftfahrzeug gelenkt habe, wobei festgestellt wurde, dass er keine geeignete der ÖNORM 471 entsprechende Warnkleidung mit weiß retroreflektierenden Streifen mitgeführt bzw. diese den kontrollierenden Polizeibeamten nicht zugänglich gemacht habe;

   5. das oa. Kraftfahrzeug gelenkt habe, wobei festgestellt wurde, dass er kein zur Wundversorgung geeignetes und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpacktes und gegen Verschmutzung geschütztes Verbandszeug mitgeführt bzw. dieses den kontrollierenden Polizeibeamten nicht zugänglich gemacht habe.

 

Der Berufungswerber habe dadurch zu 1. eine Verwaltungsübertretung gemäß

§ 14 Abs.1 Z1 FSG, zu 2. eine solche nach §102 Abs.5 lit.b KFG sowie zu 3., 4. und 5. jeweils eine Übertretung des § 102 Abs.10 iVm § 102 Abs.11 KFG begangen. Es wurden deshalb Geldstrafen in Höhe von 36 Euro zu 1. sowie von jeweils 20 Euro zu 2., 3., 4. und 5. verhängt. Weiters wurden entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und der Berufungswerber zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 10% der Strafen verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass die Vorwürfe unberechtigt seien. Er habe damals seine Tochter in den Kindergarten gebracht, wobei ihm bei dieser Fahrt ein Polizeiauto entgegengekommen sei. Nachdem er seine Tochter in den Kindergarten gebracht habe, sei ihm aus dem am Straßenrand abgestellten Fahrzeug zugerufen worden, dass er zum Polizisten kommen solle. Dieser Aufforderung sei er nachgekommen und der Polizist habe ihn gefragt, ob er bei der vorhergehenden Fahrt angegurtet gewesen sei. Dies habe er bejaht. Daraufhin wollte der Polizist eine Verkehrskontrolle durchführen und er habe ihm gesagt, dass er ja als Fußgänger unterwegs sei und daher nicht verstehe, weshalb eine Verkehrskontrolle gemacht werden solle. Daraufhin habe der Polizist einen Ausweis verlangt, wobei er vorerst angegeben habe, keinen mitzuführen. Letztlich sei ihm eingefallen, dass sich der Reisepass im Auto befinde und er habe diesen geholt. Nachdem er ihm seinen Reisepass übergeben hatte, habe ihn der Polizist gefragt, welche Staatsbürgerschaft er habe und er habe ihm gesagt, dass er "Gott sei Dank türkischer Staatsbürger sei". Zu diesem Zeitpunkt sei auch Herr C dazugekommen, welcher zufällig in der Nähe gewesen sei. Der Polizeibeamte habe lediglich seiner Kollegin gesagt, dass sie Anzeige erstatten solle. Er sei zu keinem Zeitpunkt aufgefordert worden, seinen Führerschein oder Zulassungsschein vorzuzeigen. Auch zum Vorzeigen der Warnkleidung sei er nicht aufgefordert worden. Wäre er entsprechend aufgefordert worden, so hätte er diese Gegenstände vorzeigen können.

 

Im Zuge der Amtshandlung sei seine Tochter weinend aus dem Kindergarten gekommen, da ihr andere Kinder gesagt hätten, dass ihr Vater von der Polizei abgeholt werde. Er habe seine Tochter jedoch beruhigen können und sie wieder in den Kindergarten gebracht. Er habe keinesfalls die ihm vorgeworfenen Übertretungen begangen.

 

3. Der Polizeidirektor von Wels hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18. Jänner 2012. Anzuführen ist, dass bzgl. Punkt 6. des Straferkenntnisses (Vorwurf der Störung der Ordnung) für das Berufungsverfahren ein anderes Mitglied des UVS Oberösterreich zuständig ist. Die Verhandlung wurde gemeinsam durchgeführt, die Entscheidung zu Punkt 6. ergeht zu Zahl VwSen-231279. An der Verhandlung haben der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter teilgenommen und es wurden die Polizeibeamten Kontrollinspektor A und Revierinspektor R zum Sachverhalt befragt. Die bereits im erstinstanzlichen Verfahren gemachte Aussage des Zeugen C wurde mit Zustimmung der Parteienvertreter verlesen.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber brachte am 28.06.2010 kurz vor 08.10 Uhr seine Tochter mit seinem PKW x in den Kindergarten in die S. Auf dieser kurzen Fahrt kam ihm ein Polizeifahrzeug entgegen. Auf dem Parkplatz des Kindergartens wollten die Polizeibeamten beim Berufungswerber eine Verkehrskontrolle durchführen. Die Frage, ob der Berufungswerber seine Tochter bereits vorher in den Kindergarten gebracht hatte oder diese am Beginn der Amtshandlung noch anwesend war, ist für die rechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung.

Jedenfalls kam es im Zuge dieser Amtshandlung zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Berufungswerber und den Polizeibeamten darüber, ob die Polizisten überhaupt zur Durchführung einer Verkehrskontrolle berechtigt seien, weil der Berufungswerber zu diesem Zeitpunkt ja bereits als Fußgänger und nicht mehr als Fahrzeuglenker unterwegs war.

 

Der Berufungswerber führte in diesem Zusammenhang aus, dass ihn der Polizist zu einer Verkehrskontrolle angehalten hatte. Er habe ihn aber darauf hingewiesen, dass er jetzt als Fußgänger unterwegs sei, woraufhin der Polizist von einer weiteren Verkehrskontrolle Abstand genommen habe. Der Polizist habe dann noch ein Reisedokument verlangt, welches er letztlich auch vorgewiesen habe. Die Amtshandlung habe zwar insgesamt längere Zeit gedauert, er sei jedoch nicht nach Führerschein, Zulassungsschein, Verbandspäckchen, Pannendreieck und Warnweste gefragt worden.

 

Die Polizeibeamten gaben dazu übereinstimmend an, dass sie beim Berufungswerber eine Verkehrskontrolle durchführen wollten. Der Berufungswerber habe zwar die Berechtigung der Polizisten zu einer Verkehrskontrolle in Frage gestellt, weil er eben nicht unmittelbar beim Lenken des Fahrzeuges betreten worden sei, dennoch hätten sie ihm aber klar zu verstehen gegeben, dass eben eine Verkehrskontrolle durchgeführt werde. Der Zeuge A gab an, dass er ausdrücklich den Führerschein, den Zulassungsschein, das Verbandspäckchen, das Warndreieck und die Warnweste verlangt habe. Diese habe ihm der Angezeigte aber nicht gezeigt. Letztlich habe er ihm ein anderes Dokument in Scheckkartenformat vorgezeigt. Er habe den Anzeigten dann auch um den Reisepass gefragt und diesen habe er nach anfänglichem Weigern letztlich doch vorgezeigt. Der Zeuge führte auch aus, dass er den Eindruck gehabt habe, dass ihn der Angezeigte nicht richtig verstanden habe, einerseits dahingehend, ob die Verkehrskontrolle überhaupt zulässig sei, andererseits auch dahingehend, was er eigentlich von ihm wolle.

 

4.2. Zu diesen unterschiedlichen Angaben ist in freier Beweiswürdigung Folgendes festzuhalten:

 

Die Behauptung des Berufungswerbers, dass sich die Polizeibeamten mit seinem Hinweis, er sei jetzt Fußgänger, zufrieden gegeben hätten, ist wenig wahrscheinlich. Die Polizisten wollten eine Verkehrskontrolle durchführen und wussten auch, dass sie zu dieser berechtigt waren, weil sie den Berufungswerber unmittelbar vorher beim Lenken eines PKW gesehen hatten. Es ist daher glaubwürdig, dass die Polizisten den Berufungswerber tatsächlich um Führerschein, Zulassungsschein, Verbandspäckchen, Warndreieck und Warnweste gefragt haben. Dies erklärt auch die relativ lange Dauer der Amtshandlung. Hätten die Polizisten tatsächlich – so wie der Berufungswerber behauptet – von einer Verkehrskontrolle Abstand genommen, so hätten sie auch keinen Grund gehabt, den Reisepass des Berufungswerbers zu verlangen. Es ist daher als erwiesen anzusehen, dass die Polizeibeamten vom Berufungswerber tatsächlich das Vorweisen des Führerscheines, des Zulassungsscheines, des Verbandspäckchens, des Pannendreiecks und der Warnweste verlangten.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1.  Gemäß § 14 Abs.1 Z1 FSG hat der Lenker eines Kraftfahrzeuges unbeschadet der Bestimmungen des § 102 Abs.5 KFG auf Fahrten den für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Führerschein mitzuführen und auf Verlangen die entsprechenden Dokumente den gemäß § 35 Abs.2 FSG zuständigen Organen zur Überprüfung zu übergeben.

 

Gemäß § 102 Abs.5 lit.b KFG hat der Lenker auf Fahrten den Zulassungsschein für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug oder einen mit diesem gezogenen Anhänger mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.

 

Gemäß § 102 Abs.10 KFG hat der Lenker auf Fahrten ein Verbandszeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, sowie bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen eine geeignete Warneinrichtung und eine geeignete, der ÖNORM EN 471 entsprechende Warnkleidung mit weiß retroreflektierenden Streifen mitzuführen.

 

5.2. Wie bereits oben dargelegt, wurde der Berufungswerber zum Vorzeigen von Führerschein, Zulassungsschein, Verbandspäckchen, Pannendreieck und Warnweste aufgefordert. Er hat diese Dokumente bzw. Ausstattungsgegenstände nicht vorgezeigt, bzw. den Polizisten nicht zugänglich gemacht, weshalb er die ihm vorgeworfenen Übertretungen objektiv betrachtet begangen hat.

 

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sogar der anzeigende Polizeibeamte einräumte, dass ihn der Berufungswerber nicht richtig verstanden hatte. Wenn man weiters berücksichtigt, dass der Berufungswerber behauptete, zum Vorweisen dieser Gegenstände gar nicht aufgefordert worden zu sein, so steht unter Berücksichtigung dieser Aussage des Polizisten nicht mit Sicherheit fest, dass der Berufungswerber die an ihn gerichteten Aufforderungen zum Vorweisen dieser Dokumente und Ausstattungsgegenstände tatsächlich verstanden hatte. Um einer Aufforderung nachkommen zu können ist aber zwingend notwendig, diese Aufforderung auch zu verstehen. Es kann niemandem zum Vorwurf gemacht werden, dass er eine bestimmte Handlung nicht gesetzt hat, wenn er die Aufforderung zu dieser Handlung gar nicht verstanden hatte. Aufgrund des gesamten Verhaltens des Berufungswerbers und der Dauer der Amtshandlung ist es zwar durchaus naheliegend, dass der Berufungswerber ohnedies genau wusste, was die Polizisten von ihm wollten, nachdem aber selbst der die Amtshandlung durchführende Beamte Zweifel hatte, ob der Berufungswerber die an ihn gerichtete Aufforderung verstanden hat, ist nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" letztlich davon auszugehen,  dass dies nicht der Fall war und den Berufungswerber daher an der Nichtbefolgung kein Verschulden trifft. Es war daher seiner Berufung hinsichtlich der Punkte 1. bis 5. des Straferkenntnisses stattzugeben und das Strafverfahren in diesen Punkten einzustellen.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

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