Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730376/3/SR/Jo

Linz, 13.02.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger der islamischen Republik Iran, unbekannter Aufenthalt, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 27. März 2007, AZ Sich40-3105-2006, betreffend die Verhängung eines auf die Dauer von 5 Jahren befristeten Rückkehrverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, zu Recht erkannt:

 

 

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 53 Abs. 1 und 54 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 112/2011;

§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 27. März 2007, AZ Sich40-3105-2006, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 62 Abs. 1 iVm 60 Abs. 1 Z. 1 sowie 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Rückkehrverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.

 

Das Rückkehrverbot stützte die belangte Behörde im Wesentlichen auf eine gerichtliche Verurteilung. Demnach sei der Bw am 15. Dezember 2006 vom Landesgericht Korneuburg wegen Urkundenfälschung und versuchtem Diebstahl zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Wochen verurteilt worden.

 

1.2. Innerhalb offener Frist brachte der Bw eine Berufung ein und verwies dabei auf die Angaben in der Stellungnahme vom 23. März 2007.

 

Darin hatte sich der Bw auf das Urteil des LG Korneuburg bezogen und ausgeführt, dass die von ihm gesetzten Delikte die österreichische Rechts- und Werteordnung nicht wirklich gefährden würden.

 

1.3. Mit Bescheid vom 12. Juli 2007, St. 112/07, gab der Sicherheitsdirektor von Oberösterreich der Berufung keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

 

1.4. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2007/18/0737-6, den Bescheid des Sicherheitsdirektors von Oberösterreich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

 

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof wie folgt aus:

 

"Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die – zutreffende – behördliche Rechtsansicht, dass ein Rückkehrverbot auch unmittelbar gestützt auf § 62 Abs. 1 FPG verhängt werden kann, wenn zwar keiner der Tatbestände des § 60 Abs. 2 iVm. § 62 Abs. 2 FPG erfüllt ist, wohl aber triftige Gründe vorliegen, die in ihrer Gesamtheit eine der in § 62 Abs. 1 FPG umschriebenen Annahmen rechtfertigen. Er weist jedoch darauf hin, dass die bedingt nachgesehene Haftstrafe von acht Wochen erheblich unter jenen in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG genannten liege und die belangte Behörde keine besonderen Umstände angeführt habe, die eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung rechtfertigen könnten. Einerseits falle der versuchte Diebstahl von Rasierklingen in den absoluten Bagatellbereich strafrechtlich relevanten Verhaltens. Andererseits sei es im Hinblick auf eine Asylantragstellung und eine Gefährdung in der Heimat auch nachvollziehbar, dass aus Anlass der Flucht verfälschte (öffentliche) Urkunden verwendet würden, um die Flucht zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Diesem Einwand kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Der belangten Behörde ist zwar zunächst darin beizupflichten, dass der Beschwerdeführer durch die Vorlage eines gefälschten französischen Führerscheins und eines gefälschten französischen Reisepasses eine Stellung als EU-Bürger und ein dieser entsprechendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet vorzutäuschen versucht habe. Damit liegt eine dem Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG zumindest nahe kommende Sachverhaltskonstellation vor (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 8. September 2009). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG rechtfertigt dieser Tatbestand jedoch nicht die Erlassung eines Rückkehrverbotes gegen einen Asylwerber (vgl. dazu die nähere Begründung im hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2011, Zl. 2007/18/0067).

Angesichts dessen und des Umstandes, dass kein Tatbestand des § 60 Abs. Z. 1 FPG erfüllt ist, hätte die belangte Behörde besonders begründen müssen, weshalb sie im vorliegenden Fall auf Grund der in Rede stehenden Handlungen davon ausgegangen ist, der Beschwerdeführer gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dass der Beschwerdeführer bereits kurze Zeit nach seiner Einreise in das Bundesgebiet straffällig wurde, stellt –ohne entsprechend begründete individuelle Gefährdungsprognose – keine ausreichende Begründung für das Vorliegen triftiger Gründe dar, die in ihrer Gesamtheit eine im § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme rechtfertigen könnten."

 

 

2. Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2011/38 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG 2005 in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen zuständig sind. Darüber hinaus stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2011/22/097, zusammengefasst fest, dass nach den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden sowohl über die Beendigung des Aufenthaltsrechts entschieden als auch dem nicht mehr länger zum Aufenthalt berechtigten Drittstaatsangehörigen die Pflicht zum Verlassen des Bundesgebietes, sohin eine Rückkehrverpflichtung im Sinne der Rückführungsrichtlinie, auferlegt sowie der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet für einen bestimmten Zeitraum oder für unbefristete Zeit untersagt, sohin auch ein Einreiseverbot im Sinne der Rückführungsrichtlinie ausgesprochen werde. Diese Vorgangsweise, nämlich mit einer einzigen Entscheidung das Aufenthaltsrecht zu beenden sowie unter einem die Rückkehr des Drittstaatsangehörigen anzuordnen und ihm den künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verbieten, stelle sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie als zulässig dar. Ungeachtet dessen seien dabei nach dieser Bestimmung die Verfahrensgarantien des Kapitels III der Rückführungsrichtlinie einzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es sohin als nicht zweifelhaft, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes – unabhängig von der Benennung des innerstaatlich festgelegten Rechtsinstituts – um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie und ein Einreiseverbot im Sinne des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handelt, bei deren Erlassung die in der Richtlinie festgelegten Verfahrensgarantien einzuhalten seien. Daraus folge aber, dass für Entscheidungen über eine dagegen gerichtete Berufung seit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Unabhängigen Verwaltungssenate zuständig seien.

 

Gleiches hat im gegenständlichen Fall zu gelten, da sich das vom Bw bekämpfte Rückkehrverbot von der Wirkung her von einem Aufenthaltsverbot nicht unterscheidet.

 

3. Am 28. Juli 2011 übermittelte die Sicherheitsdirektion Oberösterreich zuständigkeitshalber das wiederum offene Berufungsverfahren dem Oö. Verwaltungssenat.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister am 13. Februar 2012.

 

Der Bw war bis zum 7. September 2010 im Bundesgebiet polizeilich gemeldet. Seit diesem Zeitpunkt verfügt der Bw über keine Meldung mehr.

 

Im vorliegenden Verfahren ist der Bw unvertreten.

 

Das Asylverfahren unter der Zahl 06 10.349 wurde vom Asylgerichtshof am 9. September 2010 für gegenstandslos erklärt.

 

Am 2. September 2010 hat der Bw das Bundesgebiet freiwillig verlassen.

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 3.1. dieses Erkenntnisses dargestellten und vom Bw im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

3.4. Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 125 Abs. 16 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG , BGBl I 2005/100 in der Fassung BGBl I 2011/38, bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 2011/38 erlassene Rückkehrverbote gemäß § 62 bis zum festgesetzten Zeitraum weiterhin gültig.

 

Aufgrund der zwischen dem Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde und dem Entscheidungszeitpunkt der Rechtsmittelbehörde erfolgten Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 durch das Bundesgesetz BGBl I 2011/38 gelangt bei der rechtlichen Beurteilung im gegenständlichen Fall nicht mehr – wie von der Erstbehörde zu Recht herangezogen – § 62 FPG 2005 (alt) sondern § 54 2005 (neu) zur Anwendung.

 

4.2. Gemäß § 54 Abs. 1 FPG 2005 ist gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Im vorliegenden Fall scheidet eine weitere Anwendung des § 54 Abs. 1 FPG 2005 jedoch aufgrund der Tatsache aus, dass das Asylverfahren durch den Asylgerichtshof für gegenstandlos erklärt worden ist und dem Bw somit nicht mehr die Asylwerbereigenschaft zukommt.

 

Gemäß § 10 Abs 7 Asylgesetzes 2005 in der geltenden Fassung zufolge gilt eine durchsetzbare Ausweisung als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005. Systematisch an diese Bestimmung anknüpfend normiert § 54 Abs. 9 FPG 2005, dass, wenn eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 durchsetzbar wird, das Rückkehrverbot als Einreiseverbot gilt. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

Bedingt durch die Gegenstandsloserklärung des Asylverfahrens wurde auch keine Ausweisung nach dem Asylgesetz erlassen, die als Rückkehrentscheidung gedeutet werden könnte.

 

4.3. Da sich der Bw nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, kann auch keine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in Verbindung mit einem Einreiseverbot gemäß § 53 FPG erlassen werden.

 

4.4. Selbst wenn im vorliegenden Fall die zuletzt genannten Bestimmungen Anwendung finden würden, könnte kein Einreiseverbot verhängt werden.

 

4.4.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang im Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2007/18/0737 (siehe die einschlägigen Passagen unter Punkt 1.4.), ausgeführt hat, rechtfertigte der vorliegende Tatbestand nicht die Erlassung eines Rückkehrverbotes. Mangels entsprechender individueller Gefährdungsprognose sah der Verwaltungsgerichtshof auch keine ausreichende Begründung für das Vorliegen triftiger Gründe, die in ihrer Gesamtheit eine im    § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme rechtfertigen hätte können.

 

4.4.2. Abstellend auf die geltende Rechtslage und davon ausgehend, dass der Bw als Fremder (und nicht mehr als Asylwerber) zu betrachten wäre, käme allenfalls die Bestimmung des § 53 FPG zur Anwendung.

 

§ 53 FPG sieht in der geltenden Fassung keinen dem § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG (in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 38/2011) vergleichbaren Tatbestand vor.

 

Im Hinblick auf den gegenständlichen Sachverhalt, die mehr als fünf Jahre zurückliegende Verurteilung und die Aktenlage wäre der Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes zu folgen, wonach diesem Sachverhalt keine triftigen Gründe entnommen werden können, die in ihrer Gesamtheit eine im § 53 Abs. 2 FPG (erster Absatz) umschriebene Annahme rechtfertigen würden.

 

4.5. Aufgrund obiger Überlegungen war aus Anlass der Berufung der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

5. Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs.2 leg. cit., soweit es die Verfahrensvorschriften nicht anders vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung (siehe diesbezüglich § 23 ZustG) ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

 

Dass der Bw im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung in Kenntnis des fremdenpolizeilichen Verfahrens war, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Entgegen dem § 8 Abs. 1 ZustG hatte es der Bw, welcher am 7. September 2010 seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet behördlich abgemeldet hat, jedoch unterlassen, dem Oö. Verwaltungssenat oder der belangten Behörde eine neue Abgabestelle zu nennen. Eine solche konnte auch nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden, zumal die Abfrage des Zentralen Melderegisters vom 13. Februar 2012 ergab, dass der Bw seit 7. September 2010 über keinen Wohnsitz in Österreich verfügt.

 

Der gegenständliche Bescheid wird daher gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG (Hinterlegung ohne Zustellversuch) ohne vorherigen Zustellversuch im gegenständlichen Akt des Oö. Verwaltungssenats hinterlegt und für den Bw zur Abholung bereitgehalten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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