Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166535/10/Ki/CG

Linz, 20.02.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung von xxx, xxx, xxx, vertreten durch xxx, xxx, xxx, vom 23. November 2011 gegen die Punkte 2 - 5 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. Oktober 2011, Zl. VerkR96-3838-2010, wegen Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 6. Februar 2012 zu Recht erkannt:

 

 

            I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das Straferkenntnis in den angefochtenen Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

 

        II.      Hinsichtlich der angefochtenen Punkte entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, § 45 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 VStG.

zu II.: §§ 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, deren Zuständigkeit nach Abtretung gemäß § 29a VStG gegeben ist, vom 25. Oktober 2011, Zl. VerkR96-3838-2010, wurden über xxx wegen fünf Verwaltungsübertretungen, festgestellt am 29.3.2010, 11.05 Uhr, in der Gemeinde xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, Fahrtrichtung Ried im Innkreis, gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

Im Einzelnen wird der Berufungswerberin zur Last gelegt:

1. Die Berufungswerberin habe das KFZ, xxx xxx, welches mit dem angeführten Probefahrtkennzeichen (xxx) versehen war, zum Tatzeitpunkt am Tatort verwendet, obwohl Probefahrtkennzeichen nur bei Probefahrten im Sinne des § 45 Abs.1 KFG verwendet werden dürfen. Im gegenständlichen Fall habe es sich um keine Probefahrt gehandelt, da sie am Anhalteort angab ihren Vater ins Krankenhaus zu fahren und sonst kein anderes Kraftfahrzeug zur Verfügung stand.

2. Die Berufungswerberin habe sich als Lenkerin, obwohl es ihr zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihr verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass am PKW das zugewiesene behördliche Kennzeichen nicht angebracht war, da beide Kennzeichen fehlte(n).

3. Die Berufungswerberin habe sich als Lenkerin, obwohl es ihr zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihr verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es sei festgestellt worden, dass folgende nicht typisierte Teile angebracht waren: 4 Stück Reifen der Dimension 225/35R18. Die Gefahr bzw. Umweltbeeinträchtigung sei durch 4 Stk. Reifen in der Dimension 225/35R18 gegeben gewesen.

4. Die Berufungswerberin sich habe als Lenkerin, obwohl es ihr zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihr verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass beim betroffenen Fahrzeug unzureichende Radabdeckungen angebracht waren, obwohl Räder von Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h und Räder von Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, mit ausreichenden Radabdeckungen wie Kotflügel und dergleichen versehen sein müssen. Position des Rades: linkes Hinterrad.

5. Die Berufungswerberin sich habe als Lenkerin, obwohl es ihr zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihr verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass beim betroffenen Fahrzeug unzureichende Radabdeckungen angebracht waren, obwohl Räder von Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h und Räder von Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, mit ausreichenden Radabdeckungen wie Kotflügel und dergleichen versehen sein müssen. Position des Rades: rechtes Hinterrad.

 

Die Bw habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

  1. § 45 Abs 4 2. Satz KFG 1967
  2. § 36 lit.b KFG 1967
  3. § 102 Abs. 1 Z. 1 iVm § 4 Abs. 2 KFG 1967

4. und 5. § 101 Abs. 1 Z. 1 iVm § 7 Abs. 1 KFG 1967

 

Überdies wurde die Berufungswerberin gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 6. Februar 2012, an der der Rechtsvertreter der Berufungswerberin sowie ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger teilnahmen, der Meldungsleger als Zeuge einvernommen wurde und während der die Berufung hinsichtlich Punkt 1 des Straferkenntnisses ausdrücklich zurückgezogen wurde,  Folgendes erwogen:

 

Zu Punkt 1.:

Diesbezüglich wurde die Berufung im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung zurückgezogen. In diesem Punkt ist das Straferkenntnis somit in Rechtskraft erwachsen.

 

Zu Punkt 2.:

Gemäß § 36 lit.b KFG 1967 dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger außer Anhängern, die mit Motorfahrrädern gezogen werden, unbeschadet der Bestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs.7  über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen und von nicht zugelassenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie das behördliche Kennzeichen (§ 48) führen.

 

Die Berufungswerberin wurde rechtskräftig bestraft, weil sie mit dem gegenständlichen KFZ mit Probefahrtkennzeichen unterwegs war, obwohl es sich um keine Probefahrt gehandelt hat. Andererseits wird ihr vorgeworfen, es sei bei dieser Fahrt nicht das zugewiesene behördliche Kennzeichen angebracht gewesen. Es ist daher zu berücksichtigen, dass der EGMR im "Zolotukhin"-Urteil vom 10. Februar 2009, 14939/03, festgestellt hat, dass Artikel 4 7. Protokoll EMRK so zu verstehen ist, dass er die Verfolgung oder Anklage einer "zweiten" strafbaren Handlung verbietet, wenn diese auf identischen Tatsachen oder auf Tatsachen beruht, die im Wesentlichen dieselben sind.

 

Vorliegend handelt es sich nach Auffassung der Berufungsbehörde bezogen auf diese konkret zu beurteilende Fahrt um einen verwirklichten identischen Sachverhalt, dessen Beurteilung eine Übertretung des § 45 Abs.4 KFG ergeben hat und diesbezüglich eine Bestrafung erfolgte. Im Sinne der zitierten Judikatur des EGMR läge daher im Falle einer weiteren Verurteilung (wegen § 36 KFG) eine unzulässige Doppelbestrafung vor, weshalb in diesem Punkt der Berufung Folge zu geben war.

 

Zu Punkt 3.:

Am Fahrzeug waren unbestrittenerweise vier Sommerreifen der Dimension 225/35R18 angebracht gewesen.

 

An der diesbezüglichen Spruchformulierung im angefochtenen Straferkenntnis fällt auf, dass hier der Gesetzestext des § 4 Abs.2 KFG 1967 wiedergegeben wurde, diese allerdings außer dem Hinweis auf die erwähnte Reifendimension keine Feststellungen enthält, inwiefern hier Gefahren für den übrigen Verkehr ausgehen konnten.

 

Auf den konkreten Fall bezogen gab der verkehrstechnische Amtssachverständige an, dass hier aufgrund der Reifendimension die Gefahr, die ansonsten bei breiteren Reifen ausgehen könnte, dass nämlich Anhaftungen am Reifen durch Aufwirbelungen oder Wegschleuderungen sich entfernen, nicht gegeben war. Die verwendete Reifendimension 225/35/R18 wäre zudem unter gewissen Voraussetzungen laut Angaben des Sachverständigen auch genehmigungsfähig.

 

Aufgrund dieser Sachlage kann also eine Übertretung des § 4 Abs. 2 KFG 1967 iVm § 102 Abs. 1 leg.cit. nicht abgeleitet werden.

 

Zu den Punkten 4. und 5.:

Hier enthält der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nach der Wiedergabe des 2. Satzes des § 7 Abs.1 KFG 1967 jeweils folgenden Tatvorwurf:

Position des Rades: linkes Hinterrad (Punkt 4.) bzw. rechtes Hinterrad (Punkt 5.).

 

Bei der Berufungsverhandlung wurde der Meldungsleger im Hinblick auf seine  Wahrnehmungen in diesem Punkt befragt. Er hat dabei angegeben:

 

"Die geforderten 50 Grad nach hinten als Abstand zum Kotflügel waren nicht gegeben. Die Reifen haben massiv vorgeschaut. Von hinten betrachtet etwa 7-8 cm."

 

In diesem Punkt ist der Amtssachverständige zu dem Schluss gekommen, dass, ginge man von den erwähnten  7 cm aus, das eine zu große Abweichung wäre. Hier entstünden die Gefahren für den übrigen Verkehr. Allerdings erschien dem Sachverständigen diese Schätzung des Zeugen ohne einer Messung vor Ort - diese ist nicht erfolgt – mit zu großen Unsicherheiten behaftet.

 

Dieser schlüssigen Ansicht kann sich die Berufungsbehörde nur anschließen. Ganz abgesehen davon, dass schon die Formulierung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses in diesem Punkt keine Aussage zulässt, in welchem Ausmaß die Radabdeckungen nicht entsprachen, reicht auch die Sachverhaltsfeststellung anlässlich der Berufungsverhandlung nicht aus, um von einer entsprechenden Übertretung ausgehen zu können. Gegenständlich ist weder eine Vermessung erfolgt noch wurden Lichtbilder angefertigt, sodass mangels hinreichender Beweise für die Übertretung das Verwaltungsstrafverfahren auch in diesen Punkten einzustellen war.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Alfred Kisch

 

 

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