Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150864/15/Lg/Hue

Linz, 29.02.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder nach der am 21. November 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Be­rufung des P A, S, E, vertreten durch Rechtsanwälte E & Partner KG, M, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 21. März 2011, Zl. BauR96-232-2010, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.    

II.              Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.  

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24, 45 Abs. 1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33  Stunden verhängt, weil er am 18. Juli 2010 um 20.29 Uhr als Lenker des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen und dem behördlichen Kennzeichen X die mautpflichtige Innkreisautobahn A8, Mautabschnitt Haag am Hausruck – Meggenhofen, ABKM 37.400, Gemeinde Haag am Hausruck, benutzt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut unterliege. Es sei festgestellt worden, dass ein für die elektronische Entrichtung der fahrleistungsabhängigen Maut zwingend vorgeschriebenes Fahrzeuggerät nicht ordnungsgemäß angebracht gewesen sei.

 

2. In der Berufung verwies der Vertreter des Bw auf seine Rechtfertigung vom 10. November 2010 und die dabei vorgelegten Fotos, aus welchen sich der Montageort der GO-Box ergebe. Dieser sei ident mit dem vom Tattag. Die Montage der GO-Box entspreche der Mautordnung und könne keine Abbuchungsprobleme verursachen. Von der Montage eines Dummys, einer Attrappe usw. könne keine Rede sein. Dass es sich auch um keine tschechische Box handle, ergebe sich doch klar aus den der ASFINAG zur Verfügung stehenden Daten (Einzelleistungsinformationen). Die GO-Box mit der Nr. X sei ständig im gegenständlichen LKW angebracht und es werde damit die Autobahnmaut abgebucht. Das vorgelegte ASFINAG-Beweisfoto sei völlig schwarz und darauf lediglich das LKW-Kennzeichen und die Frontscheinwerfer ersichtlich.

 

Beantragt wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 24. September 2010 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Als Beanstandungsgrund ist angegeben, dass die GO-Box nicht ordnungsgemäß angebracht gewesen sei. Gem. § 19 Abs. 2 BStMG sei dem Bw am 16. September 2010 vom Mautaufsichtsorgan P L mündlich eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht entsprochen worden.

 

Gegen die daraufhin von der belangten Behörde erlassene Strafverfügung vom 28. September 2010 brachte der Vertreter des Bw ein Rechtsmittel ein.

 

Einer zusätzlichen ASFINAG-Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass der Bw im Jahr 2010 bisher 296 Kontrollfälle durch Falschmontage der GO-Box verursacht habe. Sogar nach 18facher Anzeigenerstattung und nach Anhaltung und Kontrolle durch ein Mautaufsichtsorgan am 16. September 2010 habe der Bw bereits 10 Minuten später wiederum die Maut geprellt und in der Folge weitere 23mal die Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet.

Als Beilage angeschlossen sind Kontrollfalllisten vom 14. - 25. Juli 2010 sowie ein Beweisfoto.

 

Dazu rechtfertigte sich der (Vertreter des) Bw dahingehend, dass der gegenständliche LKW am Zulassungstag mit einer GO-Box ausgestattet worden sei. Die Situierung der Box sei niemals verändert worden. In der Strafverfügung werde nicht ausgeführt, aus welchem Grund das Fahrzeuggerät nicht ordnungsgemäß sein solle. Dies sei auch nicht der Fall. Bis zum Tattag habe es keine Probleme mit dieser GO-Box gegeben, die Maut sei immer abgebucht worden. Der Zulassungsbesitzer werde sich betreffend der Notwendigkeit eines GO-Box-Tausches mit der ASFINAG ins Einvernehmen setzen. Ebenso würden die Einzelleistungsinformationen beigeschafft werden, um das klaglose Funktionieren der GO-Box zu dokumentieren. Von einer mangelnden Funktionstüchtigkeit der GO-Box habe der Bw nicht gewusst, weshalb kein Verschulden vorliege.

Als Beilage wurden im Fax-Wege drei Fotos übermittelt, welche die Situierung der GO-Box zeigen soll.

 

Im Verwaltungsakt einliegend befinden sich folgende weitere ASFINAG-Stellungnahmen:

 

1) vom 12. Oktober 2010, wortident mit dem Brief vom 16. September 2010 und mit Übermittlung der Kontrollfalllisten.

 

2) vom 12. November 2010 mit dem Hinweis, dass die GO-Box am 28. März 2008 für das Kennzeichen X erworben worden sei, weshalb aufgrund des Alters der Box kein Tauschgrund bestehe. 

 

3) vom 14. Dezember 2010 mit der Stellungnahme, dass es sich bei den vom Bw vorgelegten Fotos um nachträglich angefertigte handle und diese somit keinen Beweis darstellten. Wie bereits dargelegt worden sei, habe der Bw im Jahr 2010 bisher 296 Kontrollfälle durch Nichtabbuchungen der Maut verursacht. Seit dem 12. Oktober 2010 seien weitere 110 Kontrollfälle angefallen. Dies bedeute, dass der Bw mittlerweile 406 Mautportale durchfahren habe, ohne die Maut zu entrichten. Die GO-Box sei entweder falsch oder überhaupt nicht montiert gewesen. Ein tatgegenständliches Verhalten des Bw sei dadurch zu erkennen, dass er in keiner Weise seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen sei. Die enorme Anzahl von Nichtabbuchungen könne weder ein Versehen noch eine Unachtsamkeit des Bw darstellen. Der letzte, aktuelle Fall (Nr. 406) stamme von Vorgestern (12. Dezember 2010). Das Beweisfoto vom Tattag werde nochmals übermittelt. Aufgrund der Dunkelheit sei nur das Kennzeichen zu erkennen. "Es ist nicht auszuschließen, und in der Vergangenheit bereits geschehen, dass, z.B. ein Vorsatzmautpreller, entweder eine defekte GO-Box (Dummy, Attrappe, etc.) montiert hatte um so den Eindruck einer korrekt montierten GO-Box – für die Mautportale mit Kamera – entstehen zu lassen.

Zusätzlich weisen wir höflich darauf hin, dass das elektr. Abbuchungsgerät für Tschechien dieselben Maße und dasselbe Aussehen der österr. GO-Box hat, da dieses ebenfalls von der Firma x hergestellt wird und somit ein Foto über eine ´angeblich` korrekt montierte österr. GO-Box weder für den FZG-Lenker oder den Beschuldigten sprechen kann noch zu deren Entlastung – im Falle von Mautvergehen – führt, da die Fotos des Mautsystems dazu dienen, eine Falschmontage der GO-Box (auch falsche Achsenzahl) zu dokumentieren und nicht bestätigen sollen, ob eine Richtigmontage einer GO-Box-Attrappe, Dummy oder eines anderen, z.B. tschechischem Abbuchungsgerät gab. Für die Beweisführung über Abbuchungen und Nichtabbuchungen stehen die lückenlosen Aufzeichnungen des Mautsystems zur Verfügung."

Es ist wiederum ein Beweisfoto angeschlossen.

 

Dazu ist eine Stellungnahme des Vertreters des Bw im Verfahrensakt – trotz eingeräumter Möglichkeit – nicht enthalten.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Auf Anforderung übermittelte die ASFINAG dem Oö. Verwaltungssenat am 24. Mai 2011 und 6. Juni 2011 Kontrollfalllisten für den Zeitraum vom 11. Juni 2008 bis 11. April 2011, 6 Beweisbilder vom 15., 18. und 25. Juli 2010 sowie einen Prüfbericht zur GO-Box mit der Nr. X.

 

Einer ASFINAG-Stellungnahme vom 23. Mai 2011 ist Folgendes zu entnehmen:

 

"1.) Unserer Ansicht nach handelt es sich bei dem Beschuldigten um einen schweren Vorsatzmautpreller.

 

2.) Der Beschuldigte ignoriert jegliche gesetzliche Mitwirkungspflicht, sei es Signaltöne, Montage einer funktionierenden GO-Box, Nachzahlungen, Herausgabe der GO-Box.

 

3.) Insgesamt verursachte der Beschuldigte im Jahr 2010  444 Kontrollfälle durch Falschmontage bzw. Nichtmontage der GO-Box. Das bedeutet, der Beschuldigte hat 444 Mautportale durchfahren ohne die Maut zu entrichten.

 

4.) Sogar nach Anhaltung durch die Kontrollorgane und erfolgter 18-facher Anzeigenerstattung wegen Mautprellerei am 16.09.2010 prellte der Beschuldigte bereits 10 Minuten später bei der Weiterfahrt bis hin zum 31.12.2010 weitere 226mal die Maut.

 

5.) Der Beschuldigte war darüber informiert, dass er die Maut im enormen Ausmaße prellt. Er ignorierte dies seit 1 1/2 Jahren und war nie gewillt eine GO VERTRIEBSSTELLE aufzusuchen um die geprellte Maut nachzuzahlen. Der Beschuldigte behauptete, die GO-Box sei defekt. Trotzdem fuhr dieser nie zu einer GO VERTRIEBSSTELLE um die GO-Box tauschen oder überprüfen zu lassen.

 

6.) Bei einer weiteren Anhaltung durch die Mautaufsichtsorgane im Jahr 2011 verweigerte der Beschuldigte die Herausgabe der GO-Box. Wir halten ausdrücklich fest, dass die GO-Box Eigentum der ASFINAG ist und der Beschuldigte keinerlei Recht hat die GO-Box zu behalten.

 

7.) Bei einer darauffolgenden Anhaltung durch die Mautaufsichtsorgane im Jahre 2011 gab der Beschuldigte, vermutlich unter Androhung die Polizei einschalten zu müssen, die GO-Box heraus. Nähere Stellungnahmen von den Mautaufsichtsorganen werden noch eingeholt.

 

Beginnen ab dem 02.01.2011 bis hin zum 12.04.2011 prellte der Beschuldigte bereits in den ersten 4 Monaten ca. 80 mal die Maut.

 

(siehe Anhang, Liste der Kontrollfälle = Nichtabbuchungen, geprellte Mautportale und Unregelmäßigkeiten)

 

Unserer Ansicht nach ist ein absichtliches und tatgegenständliches Verhalten des Beschuldigten zu erkennen, da der Beschuldigte in keiner Weise seiner Mitwirkungspflichten nachgekommen ist und die enorme Anzahl an Nichtabbuchungen weder ein Versehen noch eine Unachtsamkeit seitens des Beschuldigten darstellen können.

 

[...] Für die Beweisführung über Abbuchungen und Nichtabbuchungen stehen die lückenlosen Aufzeichnungen des Mautsystems zur Verfügung. (Das beinhaltet – bis auf die Sekunde genau – das Mautportal, die Station, Fahrtrichtung)."

 

5. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden zunächst die Vorbringen des Vertreters des Bw, es sei ein technischer Defekt des Mautsystems vorgelegen, ausführlich erörtert und die diesbezüglichen Behauptungen durch die Zeugenaussagen eines Vertreters der ASFINAG sowie durch eine gutachtliche Stellungnahme des Amtssachverständigen widerlegt.

 

Gegen Ende der Berufungsverhandlung brachte der Vertreter des Bw vor, dass er erst seit dem Vortag wisse, dass der Bw am Tattag nicht der Lenker des LKW gewesen sei. Der Rechtsvertreter legte dazu Ausdrucke der Tachographenblätter vor, aus denen der tatsächliche Lenker ersichtlich sei.    

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:  

 

Der Straftatbestand des § 20 BStMG bezieht sich ausschließlich auf den Lenker eines Kfz, mit welchem die Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet wurde. Aus dem erstbehördlichen Akt ist jedoch kein Schriftstück ersichtlich, das (mit der nötigen Sicherheit) auf die Täterschaft des Bw schließen lässt. Der Vertreter des Bw hat – wenn auch erst gegen Ende der Berufungsverhandlung – Beweismittel vorgelegt, die eine andere Person als Lenker des LKW zur Tatzeit ausweisen. Die Lenkereigenschaft des Bw zur Tatzeit wurde durch diese Beweismittel widerlegt. Gegenteilige Beweismittel liegen im Akt nicht auf.

 

Aus diesem Grund war das bekämpfte Erkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.  

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

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