Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166511/5/Fra/Th

Linz, 10.02.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn Dr. X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. X gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 7. November 2011, VerkR96-8731-2010, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 17. Jänner 2012, zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

  II.      Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe (8 Euro) zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 VStG; §§ 16 und 19 VStG.

zu II.:      § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit eine Geldstrafe von 40 Euro (EFS 13 Stunden) verhängt, weil er am 29. April 2010 um 10:35 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen: X (D) im Gemeindegebiet Antiesenhofen, auf der Innkreisautobahn, A8, bei Kilometer 68.007, Fahrtrichtung Suben, gelenkt und die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 13 km/h überschritten hat, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen wurde.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von zehn Prozent der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51 c erster Satz VStG).

 

I.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am
17. Jänner 2012 erwogen:

 

I.3.1. Laut Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich, Zahl: 086330/2010-100503-API-Ried-2, vom 4. Mai 2010 wurde mit dem PKW, Kennzeichen: X (D) auf der Autobahn A8, in der Gemeinde Antiesenhofen, bei Straßenkilometer 68.007 am 29. April 2010 um 10:35 Uhr die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h – ohne Abzug der Messtoleranz – um 21 km/h überschritten. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mittels Radar Messgerät, Type: MUVR-6FM511 Nr: 03, festgestellt. Nach Abzug der Messtoleranz ergibt dies eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 13 km/h.

 

I.3.2. Der nunmehrige Bw teilte der belangten Behörde per E-Mail vom 7. Juni 2010 mit, sich nicht erinnern zu können, an diesem Tag in Österreich unterwegs gewesen zu sein. Er sei verreist gewesen, allerdings ohne Auto und nicht in Österreich. Er ersuche um Übersendung von Beweisunterlagen, sodass er den Verursacher ausfindig machen könne. Gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 8. Juli 2010, VerkR96-8731-2010, erhob der Bw Einspruch mit der Begründung, dass er das Fahrzeug nicht gelenkt habe. Die Lenkererhebung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 vom 3. August 2010, VerkR96-8731-2010, beantwortete der nunmehrige Bw wie folgt:

 

"Bezugnehmend auf Ihr Schreiben v. 03.08.2010 (zu meine Händen gekommen am 14.10.2010) möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich von meinem Auskunftsverweigerungsrecht (gemäß § 55 StPO in Deutschland) Gebrauch machen möchte.

 

Das österreichische Kraftfahrgesetz (§ 103 Österreich) greift nach meiner Auffassung hier nicht, da Amtshilfe (Amtshilfeabkommen) nur geleistet werden kann, wenn sie auch im anderen Staat zulässig ist, was in diesem Fall nicht zutrifft (siehe Auskunftsverweigerungsrecht in Deutschland)."

 

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Straferkenntnis unter anderem die Ansicht, dass der Bw wegen seiner Mitwirkungspflicht im Strafverfahren bekannt geben hätte müssen, welche andere Person das Fahrzeug gelenkt hat, um glaubhaft zu machen, dass er nicht selber Lenker war. Da er dies unterlassen habe, werde im Zuge der freien Beweiswürdigung angenommen, dass er das Fahrzeug zur Tatzeit selbst gelenkt habe. Es entspreche auch der allgemeinen Erfahrung, dass Zulassungsbesitzer ihr Fahrzeug in der Regel selbst lenken. Ein Entlastungsbeweis wäre möglich gewesen. Die Behauptung einer reisebedingten Abwesenheit werde seitens der Behörde als Schutzbehauptung qualifiziert.

 

Diesen Argumenten hält der Bw in seinem Rechtsmittel entgegen, dass es nicht als notorisch angesehen werden könne, dass Zulassungsbesitzer regelmäßig selbst ihr Fahrzeug lenken. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Zulassungsbesitzer ihr Fahrzeug oftmals auch anderen Lenkern zur Verfügung stellen. Soweit sich die belangte Behörde auf den Standpunkt zurückziehe, sie könne mangels Bekanntgabe eines anderen Lenkers gemäß § 45 Abs.2 AVG im Rahmen der freien Beweiswürdigung schließen, dass er das Fahrzeug selbst gelenkt hätte, sei dies unzulässig. Die belangte Behörde habe hiedurch das Verwaltungsstrafverfahren mit derartigen grundsätzlichen Verfahrensmängeln behaftet, dass das Straferkenntnis zu beheben sei. Die belangte Behörde habe den Umstand anderer möglicher unmittelbarer Täter nicht untersucht bzw. bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt. Auf dem übermittelten Lichtbild sei lediglich eine Heckansicht eines Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen: X (D) erkennbar, nicht aber, wer jenes Fahrzeug damals gelenkt habe. Es liege sohin kein Beweisergebnis für das Lenken des Pkws durch ihn vor.

 

Nicht einmal die von der Erstinstanz zitierte Entscheidung des VwGH lasse dieses Vorgehen rechtmäßig erscheinen. Die gewählte Vorgangsweise sei unabhängig davon aber unzulässig und stehe insbesondere im Widerspruch zur jüngsten Entscheidung des EGMR (Krumpholz gegen Österreich, Application no. 13201/05) in einem ähnlich gelagerten Fall. Die Vorgangsweise der belangten Behörde sei unverständlich, zumal offenbar unabhängig vom (Nicht-)Ergebnis einer Lenkerauskunft (oder einer allenfalls anders lautenden Auskunft) der Zulassungsbesitzer von der erstinstanzlichen Behörde grundsätzlich wegen des Grunddeliktes nach der StVO 1960 persönlich belangt werde. Die Bestrafung erfolge daher unzulässigerweise – zum Beispiel etwa infolge Nichtwissens des tatsächlichen Lenkers oder infolge eines nicht der Strafverfolgung Aussetzens einer anderen Person – zumindest unabhängig davon, ob aufgrund von Beweisergebnissen tatsächlich hervorgekommen ist, dass der Zulassungsbesitzer die Verwaltungsstraftat (persönlich) zu vertreten habe oder nicht. In Deutschland könne einerseits ein Beschuldigter in einem (Verwaltungs-)strafverfahren nicht rechtmäßig dazu verhalten werden, sich selbst zu belasten, andererseits darf ein solcher auch bei der Beantwortung des (in Deutschland so genannten) Zeugenfragebogens nach dem Fahrzeugführer eines Fahrzeuges wegen einer Verwaltungsübertretung (etwa nach der StVO) nähere Angaben dann verweigern, wenn der Fahrzeugführer (entsprechend dem Fahrzeuglenker) in einem Angehörigenverhältnis zu der verantwortlichen Person steht, dass heißt mit ihr oder mit ihm verlobt oder verheiratet ist, oder verheiratet war oder ihr Lebenspartner ist oder war, in gerader Linie verwandt oder durch Annahme als Kind verbunden ist oder in einer Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist. Eine Umkehrung der Beweislast sowohl für belastende als auch für ihn entlastende Umstände, welche grundsätzlich jeweils im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die (Verwaltungs-) strafbehörde zu erforschen sind, mit welchen ihm die Last des Freibeweises überantwortet würde, sei unzulässig. Ein solcher Freibeweis sei kaum je zu erbringen, weshalb dies im (Verwaltungs-)strafverfahren auch streng verpönt ist.

 

Er stelle daher den Antrag, das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

I.3.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Durchführung einer öffentlichen Berufungsverhandlung am 17.1.2012 erwogen:

 

Der Bw hat im Verwaltungsstrafverfahren stets vorgebracht, den in Rede stehenden Pkw zum Vorfallszeitpunkt nicht gelenkt zu haben. Hinsichtlich jener Person, welche nach seinen Aussagen das Fahrzeug zum inkriminierten Zeitpunkt gelenkt habe, hat er sich auf sein Entschlagungsrecht berufen, da er das Fahrzeug nach seinen Angaben einem nahen Angehörigen überlassen hatte. Zu dieser Vorgangsweise wird seitens des Oö. Verwaltungssenat vorerst festgehalten, dass nach höchstgerichtlicher Judikatur ohne weitere amtswegige Ermittlungen davon ausgegangen werden könne, dass ein Beschuldigter als Halter (Zulassungsbesitzer) eines Fahrzeuges dieses zum Tatzeitpunkt auch gelenkt hat, wenn ihm ausreichend Gelegenheit gegeben wird, Beweismittel für eine Behauptung anzubieten, jemand anderer als er habe das Fahrzeug gelenkt. In dem vom Bw zitierten Fall Krumpholz (EGMR 18.03.2010, Appl. 13201/05 = ÖJZ 2010, 782) hat der EGMR ausgesprochen, dass die Nichtbeantwortung einer Lenkeranfrage alleine nicht ausreicht, um einen Fahrzeughalter zu bestrafen. Im Fall Krumpholz hat auch keine mündliche Verhandlung stattgefunden und es hat der EGMR in diesem Fall eine Verletzung des Artikel 6 Abs.1 und 2 EMRK festgestellt. Diese Bestimmung gebietet, dass im Verwaltungsstrafverfahren die Behörde dem Beschuldigten die Begehung der ihm vorgeworfenen Tat nachweist. Eine Überwälzung der Beweislast auf den Beschuldigten in der Form, dass dieser seine Unschuld nachweisen muss, ist demnach unzulässig. Im Fall Krumpholz wurde seitens des Beschuldigten vorgebracht, das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt nicht gelenkt zu haben. Er habe sich nicht einmal in Österreich aufgehalten. Der UVS hat den Beschuldigten ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bestraft. Der EGMR erblickte darin eine unzulässige Überwälzung der Beweislast auf den Beschuldigten. Nach Ansicht des EGMR wäre die Berufungsbehörde zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet gewesen, wenn sie aus der – dargestellten – Verantwortung des Beschuldigten den Schluss ziehen möchte, er selbst habe die Verwaltungsübertretung begangen. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte sich laut EGMR die Behörde ein Bild von der Glaubwürdigkeit des Beschuldigten machen können.

 

Im vorliegenden Fall hat der Bw im erstinstanzlichen Verfahren seine Behauptung, er habe das Fahrzeug einem nahen Angehörigen überlassen, nicht durch näheres Angebot von Beweismitteln unter Beweis gestellt. Der Bw ist auch zur Berufungsverhandlung nicht erschienen. Der Vertreter des Bw hat bei der Berufungsverhandlung vorgebracht, sein Mandant befinde sich geschäftlich im Ausland. Vom Vertreter des Bw wurde weder eine Vertagung noch die persönliche Einvernahme des Bw beantragt. Der Vertreter des Bw verwies (lediglich) auf die bisher vorgebrachten Argumente. Der Oö. Verwaltungssenat geht daher von der Lenkereigenschaft des Bw zum Vorfallszeitpunkt an der Vorfallsörtlichkeit aus (vgl. VfGH v. 22.09.2011, GZ B1369/10).

 

Was die beanstandete Geschwindigkeitsmessung betrifft, verweist der Oö. Verwaltungssenat auf die Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich vom 4. Mai 2010. Nach dieser Anzeige wurde eine Geschwindigkeits-überschreitung von 21 km/h, nach Abzug der entsprechende Messtoleranz, von 13 km/h gemessen. Die Messung erfolgte mittels Radargerät Type MU VR 6 FM 511 Nummer Messgerät 03. Radarfotos wurden eingeholt und dem Bw zur Kenntnis gebracht. Auf diesen Radarfotos ist augenscheinlich das Kennzeichen X dem gemessenen Fahrzeug zuzuordnen. Weiters ist festzuhalten, dass auf dem Radarfoto kein weiteres Fahrzeug erkennbar ist. Seitens des Oö. Verwaltungssenates wurde der Eichschein eingeholt. Aus diesem ergibt sich, dass das gegenständliche Messgerät am 18.08.2009 geeicht wurde und die Nacheichfrist am 31. Dezember 2012 abläuft. Das Messergebnis ist sohin beweiskräftig. Der Bw hat keine konkreten Umstände für eine unrichtige Radarmessung aufgezeigt. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um eine Unrichtigkeit der Messung darzutun. Weitere Ermittlungen in Richtung auf unbestimmte Fehler des Gerätes waren daher nicht durchzuführen, weil es nicht um "denkbare" oder "mögliche", sondern um tatsächliche geht. Die dem Bw zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung ist sohin erwiesen. Weitere Beweise waren nicht aufzunehmen. Da keine Gründe hervorgekommen sind, welche die Fahrlässigkeitsvermutung im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG entkräften würden, hat der Bw die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung zu verantworten.

 

Zur Strafbemessung hat die belangte Behörde ausgeführt, dass sie den persönlichen Verhältnissen des Bw entspricht, wobei sie davon ausgegangen ist, dass er ein monatliches Einkommen von 1.300 Euro netto bei durchschnittlichem Vermögen bezieht und für Niemanden sorgepflichtig ist. Da der Bw diesen Annahmen nicht widersprochen hat, werden sie auch vom Oö. Verwatungssenat der Strafbemessung zugrunde gelegt. Zutreffend ist die belangte Behörde auch von der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Bw ausgegangen und hat diesen Umstand als mildernd gewertet. Weiters hat sie die lange Verfahrensdauer als mildernd gewertet. Straferschwerungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Strafrahmen für die gegenständliche Verwaltungsübertretung beträgt 726 Euro. Die verhängte Geldstrafe liegt somit im untersten Bereich dieses Strafrahmens. Eine Überschreitung des Ermessensspielraumes bei der Strafbemessung kann seitens des Oö. Verwaltungssenates nicht konstatiert werden.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

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