Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281370/16/Kl/BRE

Linz, 14.03.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Arbeitsinspektorates Linz vom    2. Dezember 2011, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 21. November 2011, Ge96-66-2010, wegen Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen Herrn x wegen Übertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 9. Februar 2012 zu Recht erkannt:

 

I.      Der Berufung wird stattgegeben und Herr x folgender Verwaltungsübertretungen für schuldig erkannt:

Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ der x Ges.m.b.H. als Arbeitgeber mit dem Sitz in x nachfolgende Verwaltungsübertretungen zu verantworten:

Die im Dachdecker-, Spengler- und Zimmermeisterbetrieb der Gesellschaft beschäftigen Arbeitnehmer:

1)   x,

2)   x und

3)   x

wurden am 17.6.2010 auf der Baustelle in x, x, auf einem 2-etagigen, ca. 4 m hohen Metallgerüst beschäftigt, bei dem der Gerüstbelag aus ca. 3 cm dicken Holzpfosten bestand, obwohl Pfosten aus Holz mindestens 5 cm dick sein müssen, wenn diese als Gerüstbelag verwendet werden.

Sie haben daher in 3 Fällen je eine Verwaltungsübertretung gemäß § 57 Abs. 2 Bauarbeiterschutzverordnung-BauV, BGBl.Nr. 340/1994 i.d.F., BGBl.Nr. II Nr. 21/2010, in Verbindung mit §§ 118 Abs. 3 und 130 Abs. 5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz-ASchG, BGBl.Nr. 450/1994 i.d.F., BGBl. II Nr. 13/2007, begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über sie eine Geldstrafe von je 300 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 16 Stunden (in 3 Fällen) gemäß § 16 VStG verhängt.

Ferner sind 30 Euro in 3 Fällen, das sind 10 % der jeweils verhängten Geldstrafe, also insgesamt 90 Euro, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz gemäß § 64 VStG zu zahlen.

 

 

II.             Zum Verfahren vor dem OÖ. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

Zu II: § 65 Abs. 1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

1.                Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 21. November 2011, Ge96-66-2010, wurde das gegen Herrn x eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen gemäß § 57 Abs. 2 BauV i.V. mit §§ 118 Abs 3 und 130 Abs. 5 Z1 ASchG, gemäß § 45 Abs. 1 Z3 VStG eingestellt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nach Artikel 4 7. Zusatzprotokoll zur EMRK niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates verurteilt oder frei gesprochen worden ist, in einem Strafverfahren des selben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf. Im Lichte des x-Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und unter Hinweis auf das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 27.6.2011 muss Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK so verstanden werden, dass eine Verfolgung oder ein Strafverfahren wegen einer zweiten "strafbaren Handlung" insoweit ausgeschlossen ist, als sich diese auf "den selben Sachverhalt" ("identical facts") oder auf einen "substanziell gleichen Sachverhalt" ("facts which are substantially the same") gründet. Es komme daher für das Hindernis des Doppelverfolgungs. – bzw. - bestrafungsverbotes ausschließlich auf einen "(völlig oder zumindest substanziell)" identischen Sachverhalt ("identical or substantially the same facts") an. Im Hinblick auf das von der Staatsanwaltschaft Linz gemäß § 190 Z2 StPO rechtskräftig abgeschlossene gerichtliche Strafverfahren ist es demnach der Verwaltungsstrafbehörde unter Berücksichtigung des Art. 4 des 7. ZPMRK verwehrt, wegen der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung eine Bestrafung auszusprechen.

 

2.                Dagegen wurde vom Arbeitsinspektorat Linz rechtzeitig Berufung eingebracht und beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren fortzuführen. Das Arbeitsinspektorat Linz gehe davon aus, dass eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 190 StPO einer Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft nach dem früheren § 90 StPO gleichzusetzen sei und dass in diesem Fall – nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens – die Verhängung einer Verwaltungsstrafe möglich sei und daher das Verwaltungsstrafverfahren weiter zu führen sei.

 

3.                Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen als belangte Behörde hat die Berufung samt dem Bezug habenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4.                Der OÖ. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2012, zu welcher das Arbeitsinspektorat, der Beschuldigte und sein Rechtsvertreter sowie die belangte Behörde geladen wurden und mit Ausnahme des Beschuldigten erschienen sind. Weiters wurden die Zeugen Arbeitsinspektor x, x und x geladen und einvernommen.

 

4.1.         Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

x ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x Ges.m.b.H. mit Sitz in x, welche einen Dachdecker-, Spengler- und Zimmermeisterbetrieb führt.

Am 17.6.2010 waren die Arbeitnehmer x, Vorarbeiter, x und x auf der Baustelle in x beschäftigt. Es sollten Fassadenplatten montiert werden. Die dafür erforderliche Unterkonstruktion war bereits vorhanden. Bei den Arbeiten benützten die Arbeitnehmer x und x ein 2-etagiges, ca. 4 m hohes Metallgerüst, welches als Gerüstbelag Holzpfosten mit zirka 3 cm Dicke aufwies. Das Metallgerüst wurde vom Bauherrn zur Verfügung gestellt, ist also kein von der Firma x Ges.m.b.H. aufgestelltes Gerüst. Es handelte sich bei dem Gerüst um ein altes Maurergerüst und um kein Fassadengerüst. Im Gegensatz zum Fassadengerüst war es breiter, bestand aber aus alten Pfostenbelegen. Dabei waren jeweils 2 Pfosten von unten durch Querleisten bzw. teilweise durch quer liegende Platten miteinander vernagelt oder verschraubt. Der Belag bestand aus 2 Elementen zu jeweils 2 vernagelten Pfosten. Am Unfallstag kam der Arbeitnehmer x erst um zirka 14 Uhr auf die Baustelle nach, um seinen Kollegen bei der Arbeit zu helfen. Der Vorarbeiter x befand sich auf der 2. Gerüstetage und kam der Arbeitnehmer x dann zu ihm auf die 2. Etage hinauf. Erst beim Besteigen durch den weiteren Arbeitnehmer x brach dann der Gerüstbelag ein und verunfallte x und verletzte sich schwer. Auch der Vorarbeiter x brach ein.

Gewöhnlich werden von dem Unternehmen Gerüste von einer Gerüstebaufirma angefordert und aufgestellt und abgenommen. Nur selten stellt die Firma selbst ein Gerüst auf, wobei dann die jeweiligen auf die Baustelle zugeteilten Arbeitnehmer aufstellen. Der Vorarbeiter hat es dann zu kontrollieren. Auch der Vorarbeiter x hat bereits ein Gerüst aufgestellt, aber nur selten. Eine Abnahme bzw. einen Abnahmevermerk hat er jedoch schriftlich noch nie ausgestellt. Auch hat er keine spezielle Ausbildung im Gerüstebau und auch keine Schulung. Lediglich bei Anlieferung des Gerüstes in die Firma hat die Gerüstefirma das Zusammensetzen des Gerüstes den Arbeitnehmern erklärt und Unterlagen in der Firma hinterlassen. Allerdings kommt es gelegentlich vor, dass auch bauherrnseitig Gerüste für das Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Es gibt dann die Anweisung an den Vorarbeiter, sich so ein Gerüst genau anzusehen und wenn es nicht entspricht, die Arbeit nicht zu beginnen. Es ist auch in der Praxis schon vorgekommen, dass ein Holzgerüst vorgefunden wurde, das nicht in Ordnung war und dann die Baustelle durch die Arbeitnehmer der Fassadenbau x Ges.m.b.H. wieder verlassen wurde.

Das bei der gegenständlichen Baustelle vorgefundene Gerüst hat sich der Vorarbeiter x angesehen, aber für in Ordnung befunden. Weil aus der Unteransicht ersichtlich war, dass die Pfosten vernagelt bzw. verschraubt waren, hat er das Gerüst als Plattengerüst angesehen und in Ordnung befunden. Er weiß, dass für ein Plattengerüst 3 cm Dicke ausreichen und Belagspfosten dicker sein müssen. Da er das vorgefundene Gerüst als Plattengerüst angesehen hat, war die Plattendicke für ihn ausreichend. Der weitere und dann in späterer Folge verunfallte Arbeitnehmer x hat sich das Gerüst nicht angesehen. Er hat gleich bei Eintreffen mit der Mithilfe bei der Montage von Fassadenplatten begonnen.

Herr x war von Beginn der Arbeiten bis zum Unfall nicht auf der Baustelle.

Herr x ist seit 2008 handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fassadenbau x Ges.m.b.H. Im Zeitraum seit dem Jahr 2008 wurden über ihn 5 rechtskräftige Straferkenntnisse wegen mehrjerer einschlägiger Übertretungen nach der Bauarbeiterschutzverordnung bzw. dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz verhängt.

Der Aufforderung, Angaben zu den persönlichen Verhältnissen zu machen, ist der Beschuldigte weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren nachgekommen.

Die Staatsanwaltschaft Linz gab am 15. September 2011 zu GZ 47 BAZ 760/10b bekannt, dass das Verfahren gegen x wegen § 88 StGB gemäß § 190 Z2 StPO eingestellt wurde.

 

4.2.         Der Sachverhalt ist insbesondere aufgrund der übereinstimmenden glaubwürdigen Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen erwiesen. Es bestand kein Zweifel an der Richtigkeit und Wahrheitsgemäßheit der Aussagen der Zeugen. Der festgestellte Sachverhalt kann daher der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Das beantrage Sachverständigengutachten, dass nicht erkennbar gewesen sei, dass die Gerüstplatten mangelhaft gewesen seien und nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hätten, war nicht erforderlich. Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Arbeitnehmer, insbesondere der Vorarbeiter sehr wohl die Dicke von 3 cm wahr genommen hat, das Gerüst aber fälschlicherweise als Plattengerüst angesehen hat und daher als ordnungsgemäß betrachtet hat. Es war daher schon die geringere Dicke des Belages augenscheinlich ersichtlich. Darüber hinaus ist aber auch der Pfostenbelag messbar. Eine Kontrolle durch den Beschuldigten hat an der Baustelle nicht stattgefunden. Auch hat eine Gerüstabnahme nicht statt gefunden. Auch war augenscheinlich ersichtlich, dass als Belag Holzpfosten verwendet wurden.

 

5.                Hierüber hat er OÖ. Verwaltungssenat erwogen:

5.1            Zur Verfahrenseinstellung:

Gemäß § 22 VStG sind die Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndenden strafbaren Handlungen.

§ 22 VStG normiert grundsätzlich ein Kumulationsprinzip. Nur im Fall des Vorliegens einer Scheinkonkurrenz kommt das Kumulationsprinzip nicht zum Tragen.

Fest steht, dass das gegen den Beschuldigten durch die Staatsanwaltschaft Linz eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen § 88 StGB nach § 190 Z2 StPO eingestellt wurde.

Gemäß § 190 StPO hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, als

1)    die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung des Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre oder

2)    kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht.

Gemäß Artikel 4 des 7. Zusatzprotokolles zur Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK, BGBl. Nr. 628/1988 zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 30/1998, darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren des selben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

Die Normierung des Kumulationsprinzips im Falle von Idealkonkurrenz begegnet im Hinblick auf Art. 4 7. ZPMRK verschiedentlich verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach der Rechtssprechung des VfGH ist eine mehrfache Strafverfolgung wegen mehrerer Delikte dann ausgeschlossen, wenn diese zueinander in einer Scheinkonkurrenz stehen. Der EGMR stellt in seiner neueren Rechtssprechung darauf ab, dass eine mehrfache Strafverfolgung dann unzulässig ist, wenn sie sich auf den selben oder im Wesentlichen den selben Sachverhalt bezieht. (EGMR x, 10.2.2009, 14.939/03). Der VfGH ist dieser Auffassung nicht gefolgt: VfSlg 18.833/2009, (vgl. x Verwaltungsverfahren, 18. Auflage, x, Seite 226 mit Nachweisen).

Es schließt sich daher auch der OÖ. Verwaltungssenat der ständigen Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts an. Insbesondere ist den Ausführungen des Berufungswerbers dahingehend beizupflichten, dass eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 190 StPO einer Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft nach dem früheren § 90 StPO gleichzusetzen ist. Insbesondere ist aber auch davon auszugehen, dass Art. 4 7. ZPMRK von einer rechtskräftigen Verurteilung oder einem rechtskräftigen Freispruch ausgeht, welche dann eine neuerliche Verfolgung durch ein Gericht ausschließen. Bei der Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft ist es aber noch zu keiner rechtskräftigen Verurteilung bzw. keinem rechtskräftigen Freispruch gekommen. Vielmehr kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 193 Abs. 2 StBO bis zum Eintritt der Strafbarkeitsverjährung die Fortführung eines nach § 190 StPO beendeten Ermittlungsverfahrens anordnen. Darüber hinaus ist aber auch noch anzuführen, dass es sich beim Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft um keine gerichtliche Entscheidung handelt. Es ist daher bei einer weiteren Verfolgung oder Bestrafung durch den OÖ. Verwaltungssenat noch kein gerichtliches Verfahren vorausgegangen, welches eine weitere Verfolgung oder Bestrafung hindert. Auf den letzten Halbsatz des Art. 4 7 ZPMRK ist hinzuweisen, wonach nicht "erneut vor Gericht gestellt....." werden darf. Dies setzt daher voraus, dass die rechtskräftige Verurteilung oder der rechtskräftige Freispruch von einem Gericht zu erfolgen hat. Dies war auch die Sachverhalts- und Entscheidungsvoraussetzung des zitierten Urteils des EGMR vom 10.2.2009, 14.939/03.

 

Es war daher kein Einstellungsgrund gemäß § 45 Abs. 1 Z3 VStG gegeben, weshalb der Berufung gegen den Einstellungsbescheid stattzugeben war.

 

5.2. Gemäß § 57 Abs. 2 BauV müssen, wenn als Gerüstbelag Pfosten aus Holz verwendet werden, diese mindestens 20 cm breit, mindestens 5 cm dick und parallel besäumt sein. Die Verringerung der Dicke infolge Herstellungstoleranz, Abnützung und Schwinden darf höchstens 5 % betragen.

Gemäß § 130 Abs. 5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz-ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/In den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zu wider handelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Im Grunde des festgestellten Sachverhaltes haben die namentlich genannten Arbeitnehmer der x Ges.m.b.H. auf der angeführten Baustelle am 17.6.2010 Arbeiten auf dem 2egagigen Metallgerüst in einer Höhe von zirka 4 m, welches mit Holzpfosten mit einer Dicke von 3 cm versehen war, gearbeitet. In der Folge sind die Arbeitnehmer durch den Pfostenbelag durchgebrochen und ist das Gerüst eingestürzt. Es wurde sohin der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß § 57 Abs. 2 BauV in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z1 ASchG erfüllt. Der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x Ges.m.b.H. hat die Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

5.3           Wenn sich der Beschuldigte hingegen auf mangelndes Verschulden stützt, so sind ihm folgende Erwägungen entgegen zu halten:

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht aus. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

Das Vorbringen des Beschuldigten ist daher im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere hat das Beweisverfahren ergeben, dass der Berufungswerber selbst das Gerüst nicht geprüft und abgenommen hat und zum Zeitpunkt der Arbeiten nicht auf der Baustelle war. Auch hat er nicht dafür Sorge getragen, dass das Gerüst von einer fachkundigen Person überprüft wurde, bevor die Arbeiten durch sein Unternehmen begonnen wurden. Vielmehr ist erwiesen, dass der für die Baustelle verantwortliche Vorarbeiter keine einschlägige fachliche Ausbildung im Gerüstebau hat. Auch ist der Vorarbeiter sonst nicht im Gerüstebau geschult. Schließlich hat auch das Beweisverfahren ergeben, dass Gerüste nur sehr selten vom Unternehmen selbst aufgestellt werden, sondern vielmehr Gerüste von Gerüstebaufirmen angefordert werden. Es ist daher dem Beschuldigten vorzuwerfen, dass er sich für den Fall des Vorhandenseins des Gerüstes auf der Baustelle nicht eines geeigneten und fachkundigen Arbeitnehmers bedient hat um das Gerüst auf Mängel zu überprüfen. Auch hat sich der Beschuldigte nicht um eine Abnahme und einen Abnahmevermerk des Gerüstes gekümmert und diesen eingefordert. Vielmehr ist ihm entgegen zu halten, dass das Gerüst auch augenscheinlich nicht einem üblichen und ordnungsgemäßen Fassadengerüst entsprach. So gaben die Arbeitnehmer selbst an, dass es sich um ein altes Maurergerüst gehandelt hat und nicht um ein Fassadengerüst. Auch war den Arbeitnehmern, konkret dem Vorarbeiter augenscheinlich ersichtlich, dass der Belag dünner war. Allerdings – auf Grund seiner nicht ausreichenden Fachkunde – hat er den Belag als Plattenbelag angesehen und daher nicht eine Dicke von 5 cm als erforderlich betrachtet. Dieser Sachverhalt zeigt, dass der Beschuldigte selbst keine geeigneten Kontrollen durchgeführt hat und auch nicht Maßnahmen gesetzt hat, die unter vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Bauarbeiterschutzverordnung gewährleisten können. Er hat sich auch keines geeigneten Arbeitnehmers bedient und diesen Arbeitnehmer auch nicht kontrolliert. Vielmehr hat der Beschuldigte selbst in der Berufung und in der Verhandlung ausgeführt, dass für ihn das vorhandene Gerüst ordnungsgemäß gewesen sei und ein Mangel augenscheinlich nicht ersichtlich gewesen sei. Dies ist jedoch nach der gesetzlichen Grundlage nicht ausreichend. Vielmehr ist ihm entgegen zu halten, das vorausgesetzt werden kann, dass er als Unternehmer und Gewerbebetreibender die die Gewerbeausübung betreffenden Vorschriften kennt oder sich zumindest bei Nichtwissen die entsprechende Kenntnis verschafft. Ein diesbezügliches Vorbringen des Beschuldigten fehlt aber zu Gänze. Es war daher der . Verwaltungssenat nicht gehalten, mangels eines konkreten Vorbringens entsprechende Beweise aufzunehmen oder zu erheben, also sogenannte Erkundungsbeweise aufzunehmen.

Es war daher sorgfaltswidriges Verhalten des Beschuldigten festzustellen und daher jedenfalls von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.4. Im Verfahren vor dem . Verwaltungssenat hat sich gezeigt, dass der verunfallte Arbeitnehmer x ist. Diesbezüglich musste der Tatvorwurf berichtigt werden. Eine Verschlechterung der Rechtslage des Beschuldigten bzw. Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten, da von Einleitung des Strafverfahrens an fest stand, um welche Person des Arbeitnehmers konkret es sich gehandelt hat und auch zu keiner Zeit des Verwaltungsstrafverfahrens angezweifelt wurde, dass der Verunfallte an der Baustelle tätig gewesen ist. Es konnte daher diesbezüglich der Tatvorwurf berichtigt werden.

 

5.5. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Der Beschuldigte hat sowohl im Verfahren erster Instanz als auch im Verfahren vor dem . Verwaltungssenat die Bekanntgabe der persönlichen Verhältnisse verweigert. Es kann daher von überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen als handelsrechtlicher Geschäftsführer sowie keinen Sorgepflichten ausgegangen werden. Auch waren die festgestellten einschlägigen Verwaltungsvorstrafen nach der Bauarbeiterschutzverordnung bzw. dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu berücksichtigen.

Im Hinblick darauf, dass der Schutzzweck der Norm in erheblichem Maß verletzt wurde und es auch zu konkreten nachteiligen Folgen durch den Arbeitsunfall gekommen ist, ist ein erhöhter Unrechtsgehalt der Tat festzustellen. Im Hinblick auf die einschlägigen rechtskräftigen Vorstrafen ist von dem erhöhten Strafsatz im Wiederholungsfall auszugehen. Es ist daher die je Arbeitnehmer verhängte Geldstrafe von jeweils 300 Euro geringfügig über der gesetzlichen Mindeststrafe gelegen und im Hinblick auf den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht als überhöht zu betrachten. Vielmehr ist die Geldstrafe von jeweils 300 Euro erforderlich, um den Beschuldigten von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten und ihn zu einem gesetzmäßigen Verhalten zu bewegen. Insbesondere sollte die Geldstrafe ihn auch dahin anleiten, die Einrichtung und Führung seines Unternehmens entsprechend den gesetzlichen Anforderungen auszurichten.

Weil aber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in jenen Fällen, in denen namentlich genannte Arbeitnehmer durch die Verwaltungsübertretung in ihrer körperlichen Integrität gefährdet bzw. beeinträchtigt werden, von gesonderten Delikten auszugehen war, ist nach dem Kumulationsgebot nach § 22 VStG auch je Delikt eine gesonderte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe festzulegen.

Die verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen sind tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten angepasst.

Milderungsgründe waren nicht festzustellen und kamen nicht hervor, sodass eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG nicht in Betracht zu ziehen war. Auch lag nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Beschuldigten nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurück bleibt. Mangels dieser Voraussetzung und weil auch nachteilige Folgen konkret eingetreten sind, war auch nicht mit einem Absehen der Strafe gemäß § 21 VStG vorzugehen.

 

6. Gemäß § 64 Abs. 1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat, und ist dieser Beitrag für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe zu bemessen. Es war daher ein Kostenbeitrag von insgesamt 90 Euro festzusetzen.

 

Weil aber die Berufung des Arbeitsinspektorates Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem . Verwaltungssenat gemäß § 65 VStG nicht auszusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach StPO; keine Doppelverfolgung; kein Grund für Verfahrenseinstellung nach VStG.

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VfGH vom 22.11.2012, Zl.: B 474/12-3

 

Beachte:


Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.


VwGH vom 11. September 2013, Zl.: 2013/02/0013-7

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum