Linz, 29.02.2012
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau U J, geb. x, vertreten durch Dr. H H M, S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr, vom 09.01.2012, AZ: S 5849/St/2011, nach der am 20. Februar 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Die Berufung wird im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch ergänzend zu lauten hat, "sie habe, obwohl der Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung bestand und trotz Aufforderung durch ein geschultes und von der Behörde hierzu ermächtigten Organs, die Untersuchung ihrer Atemluft auf Alkohol verweigert."
Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf zwei Wochen ermäßigt.
II. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch, BGBl. I Nr. 135/2009 VStG.
Zu II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz begründete die Entscheidung mit folgenden Ausführungen:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung.
2. All diese Ausführungen erwiesen sich im Berufungsverfahren als nicht stichhaltig.
3. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt dem Verfahrensakt und auch den Führerscheinakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Berufungsentscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.
Im Führerscheinverfahren ergeht nach allfälliger Aufnahme der vom Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung in Aussicht gestellten Beweisanträge unter der Geschäftszahl VwSen-523073 eine gesonderte Berufungsentscheidung.
3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung der erstinstanzlichen Aktenlage anlässlich der zu beiden Verfahren am
20. Februar 2012 abgeführten Berufungsverhandlung. Als Zeugen einvernommen wurden die Aufforderer H. B und M. H, sowie der einschreitende Polizeibeamte GrInsp. M. L. Verlesen wurde die schriftliche Stellungnahme des GrInsp. R. G, der entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teilnehmen konnte. Ebenfalls war das Nichterscheinen der Berufungswerberin aus gesundheitlichen Gründen, sowie deren Schwester M als Zeugin wegen eines Auslandsaufenthaltes, entschuldigt.
4. Sachverhalt:
Die Zeugen B und H haben vom Pkw aus die auffällig regelwidrige Fahrweise des Pkw der Berufungswerberin ab dem P wahrgenommen. Der Pkw fuhr teilweise links und nach der Ennsbrücke wurde der Kreisverkehr in der Gegenrichtung befahren. Dies war der Grund, dass B, H sowie ein dritter Mitfahrer diesem Fahrzeug folgten und via Handy die Polizei über diesen Vorfall verständigten. Nachdem das Fahrzeug in M, L abgestellt wurde, hielten auch die Aufforderer in einiger Entfernung (zwischen 10 und 40 Meter) an. Dabei beobachteten sie, dass die Lenkerin beim Anparken gegen die Hausmauer gestoßen war. Als sie aus dem Fahrzeug stieg, rollte dieses auf die Straße zurück. Die Lenkerin stieg wieder ein und fuhr abermals gegen die Wand, ehe sie sich um die Ecke in das Haus begab. Beide Zeugen vermeinten über Vorzeigen des Fotos aus dem Führerschein der Berufungswerberin, dass es sich dabei um die damalige Lenkerin handeln könnte, diese aber kürzeres und glattes Haar (die Haarfarbe wird von den Zeugen abweichend als hell, dunkelbraun, brünett) bezeichnet. Nach etwa fünf bis zehn Minuten traf an der Adresse der Berufungswerberin die Polizei ein. Sie ist an dieser Adresse wohnhaft.
Sie wurde von den Polizeibeamten L u. G in der Folge im Haus im sichtlich alkoholisierten Zustand angetroffen. Sie habe angegeben mit dem Pkw kürzlich heimgekommen (laut Meldung bis vor fünf Minuten unterwegs gewesen) zu sein, jedoch nicht zu wissen wo sie gewesen sei.
Den Alkotest habe sie jedoch trotz Hinweis auf die Rechtsfolgen verweigert. Am Folgetag wurden die Aufforderer auf der Polizeiinspektion zu deren Wahrnehmung befragt.
4.1. Die Berufungsbehörde gelangt im Lichte der Zeugenaussagen zur Überzeugung, dass die Berufungswerberin als die Lenkerin zumindest dringend verdächtig gewesen ist. Inwieweit ihrer nunmehrigen Verantwortung der bestreitenden Lenkereigenschaft nur der Charakter einer Schutzbehauptung zugedacht werden kann ist im Rahmen des Führerscheinverfahrens abschließend zu klären. Die von ihr diesbezüglich beantragte Einvernahme ihrer Schwester W. M, die zur Berufungsverhandlung geladen wurde, war wegen deren Aufenthaltes auf den Kanaren bis zum April, nicht möglich. Sie allenfalls vor dem Vorwurf einer Alkofahrt zu schützen, obwohl dadurch gleichsam sie selbst als einzig logische Täterin übrig bliebe, wäre jedoch mehr als lebensfremd. Die diesbezüglichen Berufungsausführungen muten geradezu abenteuerlich an. Darin wird etwa nicht dargelegt, warum und zu welchem Zweck die Berufungswerberin ihrer Schwester ihren Pkw überlassen haben sollte.
Auch ist der Hinweis über fehlende Feststellungen von Mauerschäden einerseits unzutreffend, andererseits als Indiz für eine Trunkenheitsfahrt ins Treffen zu führen.
Warum sollten ferner drei junge und offenkundig verantwortungsbewusste Verkehrsteilnehmer diese Wahrnehmungen an dem nach dem Kennzeichen identifizierten Fahrzeug der Berufungswerberin erfunden haben.
Wäre etwa tatsächlich die Schwester der Berufungswerberin die Lenkerin gewesen, hätte sie diesen Umstand zumindest in zeitlicher Nähe zum Vorfall und nicht erst im Zuge ihrer anwaltlichen Vertretung, nämlich erstmals am 5.10.2011 dargelegt. Offenkundig wurde diese Variante als Schutzbehauptung regelrecht konstruiert.
Anlässlich der Berufungsverhandlung blieben die weitgehend inhaltsgleichen Angaben der Zeugen B und H vom Rechtsvertreter unwidersprochen bzw. vermochte denen nichts von inhaltlicher Substanz entgegen gehalten werden. Das diese nicht völlig ident und in kleinen Details, etwa die Beschreibung der Fahrt, der Haarfarbe der Lenkerin, das Anstoßen an die Hausmauer und die Beobachtungsentfernung vor dem Haus, abweichend dargestellt wurden, macht dies die Darstellung im Ergebnis nur lebensnäher und jedenfalls nicht abgesprochen. Die Zeugen traten sehr glaubwürdig auf, sodass an der Richtigkeit ihrer Darstellungen kein substanzieller Zweifel gehegt werden kann.
Die Berufungsbehörde sieht schon in diesem Verfahren – wo alleine der Verdacht der Alkofahrt zur Erfüllung des Verweigerungstatbestandes genügt - die damalige Lenkeigenschaft der Berufungswerberin als gesichert.
Die Einvernahme von Frau T in Verbindung mit einer Gegenüberstellung mit den Zeugen B und H ist für dieses Verfahren daher verzichtbar. Im fortzusetzenden Führerscheinverfahren könnte deren Einvernahme in weiterer Folge in Erwägung zu ziehen sein.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 5 Abs.2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand 1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder …..
Nach § 99 Abs.1 lit. b begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.600 Euro bis 5.900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht, Grundsätzlich ist zur Verweigerung auszuführen, dass es der ständigen Rechtsprechung zu § 5 Abs.2 zweiter Satz StVO entspricht, dass der bloße "Verdacht", der Aufgeforderte habe ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt, zur Rechtsmäßigkeit einer Aufforderung ausreicht (vgl. VwGH 21.10. 2005, Zl. 2004/02/0086, mwN).
Der Verdacht muss sich demnach einerseits auf die Alkoholisierung und andererseits auf das Lenken eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand beziehen (VwGH 20.3.2009, 2008/02/0035).
5.1. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist für die Erfüllung des Tatbestandes der Alkotestverweigerung ein Beweis des tatsächlichen Lenkens nicht erforderlich. Es genügt eben bereits der bloße Verdacht. Dieser für die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung berechtigende Verdacht wurde selbst von der Berufungswerberin zu keinem Zeitpunkt je ernsthaft bestritten. Vielmehr räumte sie gegenüber den Polizeibeamten doch selbst sogar die Lenkereigenschaft ein. Demnach war der Polizeibeamte in Vollziehung des Gesetzes zur Aufforderung zur Atemluftuntersuchung verpflichtet.
Im Führerscheinverfahren wird im Rahmen der Beweiswürdigung die Lenkereigenschaft betreffend noch näher auszuführen sein wird. In diesem Verfahren ist die Frage des Lenkens für die Beurteilung einer vorübergehend die Verkehrszuverlässigkeit ausschließende Tatsache abschließend zu klären.
Schon an dieser Stelle ist jedoch festzuhalten, dass die Berufungswerberin in deren Wohnung gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten keinen einzigen Hinweis auf eine dritte Person als Lenkerin machte, sodass es jedenfalls nicht lebensfremd ist eine nachgereichte anders lautende Verantwortung als bloße Schutzbehauptung zu qualifizieren.
Der Judikatur folgend, geht es im Fall des § 5 Abs.2 zweiter Satz StVO nur darum, ob zutreffend ein Verdacht vorlag, ein oder eine Betroffene(r) habe zu einer bestimmten Zeit sein Auto in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, worüber keine direkten Wahrnehmungen vorliegen müssen (Hinweis auf VwGH 21.10.2005, Zl. 2004/02/0086, VwGH 21.9.2006, Zl. 2006/02/0163, VwGH 12.10.2007, 2007/02/0286 und VwGH 23. 5.2002, Zl. 2002/03/0041).
Bei der Alkotestverweigerung handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs.1 VStG, bei dem vom Verschulden des der Täterin/des Täters auszugehen ist, wenn diese/dieser nicht glaubhaft macht, dass sie/ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
5.2. Im Sinne des § 44a Z1 VStG war binnen der offenen Verfolgungsverjährungsfrist der Tatvorwurf auf alle erforderlichen Tatbestandselemente zu ergänzen. Eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung ist nur strafbar, wenn die Aufforderung auf gesetzlicher Grundlage basiert. Diesbezüglich bedarf es des Verdachtes einer Beeinträchtigung und der Aufforderung eines hierzu von der Behörde nach entsprechender Schulung ermächtigten Organs. Diesbezüglich war demnach der Spruch zu ergänzen.
6. Zur Strafzumessung:
Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
6.1. Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt zunächst fest, dass den sogenannten "Alkoholdelikten" ein besonderer Unrechtsgehalt, welcher im hohen Potential der Gefährdung der Gesundheit und des Lebens anderer Menschen durch Lenken eines Fahrzeuges im alkoholisierten Zustand zugrunde liegt beizumessen ist. Mit der Verweigerung wird der Beweis über den Umfang einer Beeinträchtigung vereitelt. Der Tatunwert dieses Fehlverhaltens hat der Gesetzgeber durch den geschaffenen Strafrahmen zum Ausdruck gebracht.
Hier wurde hinsichtlich der Geldstrafe die Mindeststrafe ausgesprochen, jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen mehr als das doppelte Ausmaß der vorgesehenen Mindestersatzfreiheitsstrafe. Dies war mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot zu korrigieren.
Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 und § 21 VStG scheiden mangels Vorliegens der hiefür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen aus.
II. Der Entfall von Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r