Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222577/2/Bm/Ba

Linz, 23.02.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn C A, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. L V, S, M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 22.12.2011, Ge96-71-2010, betreffend Zurückweisung des Antrages vom 31.10.2011 zu Recht erkannt:

 

 

 

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 22.12.2011, Ge96-71-2010, bestätigt.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 68 Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991 idgF; § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis vom 20.5.2010, Ge96-71-2010, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 368 iVm § 113 Abs.1 und Abs.7 GewO 1994 verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis wurde innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Berufung erhoben und wurde dieses Straferkenntnis sohin rechtskräftig.

 

2. Mit Eingabe vom 31.10.2011 wurde vom Rechtsvertreter des Bw der Antrag auf nachträgliche Herabsetzung der verhängten Geldstrafe mit der Begründung beantragt, die persönlichen Verhältnisse des Bw hätten sich seit Erlassung des Straferkenntnisses erheblich verändert. Nach der Insolvenz des Vereines m.m sei, da der Beschuldigte die persönliche Haftung für den Verein übernommen habe, das Privatkonkursverfahren über sein Vermögen eröffnet worden. Die Eröffnung habe durch Beschluss des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 13.1.2011 stattgefunden. Infolge dessen habe der Beschuldigte das gesamte ihm verbleibende Vermögen, nämlich den Liegenschaftsanteil an der EZ.  M durch Versteigerung verloren. Der Beschuldigte verfüge über keinerlei Einkommen. Das Schuldenregulierungsverfahren werde voraus­sichtlich in Kürze ohne Restschuldbefreiung aufgehoben werden. Dem Beschuldigten würden dann noch Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt etwa 1,330.000 Euro verbleiben. Da die Strafbehörde bei der Bemessung der Strafen durchschnittliche Verhältnisse zugrunde gelegt habe, müsse es nunmehr zu einer nachträglichen Anpassung, also Herabsetzung der Geldstrafen kommen. Der Beschuldigte sei sich bewusst, dass das VStG eine solche Möglichkeit nicht kenne, verweise aber darauf, dass das StGB eine nachträgliche Herabsetzung von Geldstrafen gemäß § 31a Abs.2 StGB vorsehe. Soweit eine solche Möglich­keit im VStG nicht vorgesehen sei, bestehe nach Meinung des Beschuldigten infolge der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes Verfassungswidrigkeit.

Es werde daher beantragt, die zu Ge96-71-2010 verhängte Geldstrafe entsprechend den nunmehr bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten herabzusetzen.

 

3. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 22.12.2011, Ge96-71-2010, wurde dieser Antrag um Herabsetzung der Geldstrafen wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das gegenständliche Straferkenntnis in Rechtskraft erwachsen und dagegen kein ordentliches Rechtsmittel mehr möglich sei. Wie der Beschuldigte in seinem Antrag richtig festgehalten habe, sehe das Verwaltungsstrafgesetz entgegen den Bestimmungen des Strafgesetzbuches keine nachträgliche Herabsetzung von Geldstrafen vor. Ein Anlass, den Bescheid gemäß § 68 Abs.4 AVG, welcher auch in Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden sei, als nichtig zu erklären, sei ebenfalls nicht gegeben, weshalb der Antrag gemäß § 68 Abs.1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei.

 

4. Gegen diesen Bescheid hat der Bw durch seinen anwaltlichen Vertreter innerhalb offener Frist Berufung erhoben und darin ausgeführt, die Erstbehörde verkenne die Natur des gegenständlichen Antrages, weshalb sie den Antrag als "Einspruch" bezeichnet und diesen als verspätet zurückgewiesen habe.

Tatsächlich handle es sich beim zurückgewiesenen Antrag um das Begehren eine nachträgliche – also nach Rechtskraft der betreffenden Bescheide – Neubemessung der verhängten Geldstrafen.

Der Bw habe bereits im Antrag darauf verwiesen, dass das VStG eine derartige nachträgliche Herabsetzung nicht vorsehe, weshalb es aus Sicht des Bw auch ganz klar war, dass dieser Antrag seitens der Erstbehörde abzuweisen sein werde.

Grund der Antragstellung, ebenso wie die Erhebung der Berufung sei, dass nach Einschätzung des Bw das Fehlen der Möglichkeit, einmal verhängte Geldstrafen den wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen, verfassungswidrig sei. Schon im einleitenden Antrag sei darauf hingewiesen worden, dass es im StGB sehr wohl eine derartige Möglichkeit der nachträglichen Korrektur von Geldstrafen, nämlich in § 31a Abs.2 StGB gebe. Es bedürfe nun wohl keiner ausführlichen Erörterung, dass die österreichische Rechtsordnung gerichtliche Verurteilungen als schwerer wiegend ansehe, als die Verhängung von Verwaltungsstrafen im Rahmen des VStG. Dies habe schon allein in wesentlich aufwändigeren Verfahren seinen Niederschlag gefunden. Betrachte man allein den Regelungsumfang des VStG im Vergleich zu StGB und der StPO, werde klar, welche Bedeutung die Rechtsordnung den jeweiligen Rechtsmaterien zumesse. Im gerichtlichen Strafverfahren seien es zwei Behörden, die im Verfahren auftreten, die Anklagebehörde und das über die Anklage entscheidende Gericht. Im Gerichtsverfahren gebe es ein Vorverfahren und ein Hauptverfahren, das nur über entsprechende Antragstellung eröffnet werde. Vor jeder Entscheidung habe eine mündliche Verhandlung mit unmittelbarer Beweisaufnahme stattzufinden. Hingegen sei das Verwaltungsstrafverfahren wesentlich einfacher aufgebaut, es gebe nur eine Behörde, die ohne kompliziertes und detailreich geregeltes Verfahren entscheide, eine mündliche Verhandlung mit unmittelbarer Beweisaufnahme und Verteidigungsmöglichkeit des Beschuldigten sei im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes – zumindestens in der I. Instanz – nicht vorgesehen. Auch die Folgen von Strafbescheiden und gerichtlichen Verurteilungen seien ganz unterschiedlich und sei aus Sicht des Bw vollkommen klar, dass die Folgen bei gerichtlichen Verurteilungen wesentlich schwerwiegender seien, da diese als Vorstrafen bei Leumundszeugnissen aufscheinen und das Fortkommen des Verurteilten beeinträchtigen können. Aus den oben näher dargestellten Umständen sei also ersichtlich, dass die österreichische Rechtsordnung Strafen, die im Rahmen von gerichtlichen Verfahren verhängt werden, als wesentlich schwerwiegender ansehe, als Verwaltungsstrafen. Vor diesem Hintergrund sei nicht nachzuvollziehen, warum in einem Fall, nämlich den schwerwiegenderen gerichtlichen Verurteilungen eine nachträgliche Anpassung gemäß § 31a Abs.2 StGB möglich sein solle, im Bereich von Verwaltungsstrafverfahren hingegen nicht. Wäre es umgekehrt, so wäre dies vielleicht noch nachzuvollziehen, es erscheine aber ebenfalls bedenklich im Sinne des Gleichbehandlungsgebotes. Aus Sicht des Bw gebe es keine sachlichen Gründe für eine derartige Differenzierung, vielmehr sei zu vermuten, dass der Gesetzgeber des VStG diesen Fall schlicht und einfach nicht bedacht habe und die mit Strafrechtsänderungsgesetz 1996 eingefügte Bestimmung des § 31a StGB nicht zum Anlass genommen habe, auch für das VStG einen vergleichbaren Tatbestand zu schaffen.

Es könne auch nicht behauptet werden, dass im Bereich des VStG kein Bedarf für derartige Regelungen bestünde. Dies zeige sich schon am gegenständlichen Fall, wo über den Bw Geldstrafen zum Teil nahe der Höchstgrenze verhängt worden seien und man dabei von durchschnittlichen Verhältnissen ausgegangen sei. Diese Verhältnisse hätten sich nachhaltig verändert. Wären die Verhältnisse bereits bei Verhängung der Strafen so gewesen, hätte dies bei der Strafbemessung berücksichtigt werden müssen.

 

Es werde sohin beantragt,

der Berufung Folge zu geben und die verhängten Geldstrafen entsprechend den nunmehr bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen des Bw herabzusetzen oder die angefochtenen Bescheide aufzuheben und an die Erstbehörde zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Ausdrücklich angeregt werde die Vorlage der gegenständlichen Sache an den VfGH gemäß Artikel 140 BV-G, sofern auch die Berufungsbehörde die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bw teilen sollte.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat hierüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 68 Abs.1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Nach § 24 VStG ist § 68 Abs.1 AVG auch in Verwaltungsstrafverfahren anzu­wenden.

 

 

5.2. Der Bw stellt im Antrag und in der Berufung ausdrücklich klar, dass es sich bei seinem Antrag um ein Begehren einer nachträglichen – nach Rechtskraft des  betreffenden Bescheides – Neubemessung der verhängten Geldstrafe, also um eine Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides handelt. Er macht im Wesentlichen geltend, dass sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verschlechtert hätten und demnach eine nachträgliche Anpassung ähnlich der Bestimmung des § 31a StGB gerechtfertigt wäre.

 

Dieses Vorbringen ist vor dem Hintergrund der hiezu bereits ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet, den Bescheid mit Erfolg zu bekämpfen.

So hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in den Erkenntnissen vom 30.3.2006, Zl. 2003/09/0014 und vom 24.3.2011, Zl. 2008/09/0216, mit dieser Frage ausführlich beschäftigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darin in ähnlich gelagerten Fällen dargelegt, dass die Bestimmungen der StPO und des § 31a StGB nicht anzuwenden sind. Anwendung findet in einem Verwaltungsstrafverfahren ausschließlich das VStG.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht auch die analoge Anwendung des § 31a StGB im Verwaltungsstrafrecht mangels echter Gesetzeslücke als nicht geboten und führt dazu aus, dass der Gesetzgeber angesichts der Unterschiede zwischen dem Verwaltungsstrafrecht einerseits und dem gerichtlichen Strafrecht andererseits auch nicht gehalten ist, im Verwaltungsstrafrecht, in welchem etwa geringere Strafdrohungen und geringere Verjährungsfristen bestehen, dieselben Regelungen des gerichtlichen Strafrechts im Verwaltungsstrafrecht anzuordnen.

Das Erfordernis einer "Lückenfüllung" liege schon deshalb nicht vor, weil das VStG für nachträgliche Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Bestraften die Regelung des § 54b Abs.3 VStG vorsehe.

Ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass in dem dem Erkenntnis vom 30.3.2006, Zl. 2003/09/0014, zugrunde liegenden Fall zunächst an den Ver­fassungsgerichtshof Beschwerde erhoben wurde, welche von diesem ohne fall­bezogene Begründung mit Beschluss vom 25.11.2002, B1546/02, abgelehnt wurde.

 

Unter Beachtung dieser höchstgerichtlichen Entscheidungen wurde der Antrag des Bw sohin von der Erstbehörde zu Recht zurückgewiesen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

Beachte:


Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen;


VwGH vom 22.05.2012, Zl. 2012/04/0041, 2012/04/0042, 2012/04/0043, 2012/04/0044, 2012/04/0045, 2012/04/0046, 2012/04/0047, 2012/04/0048, 2012/04/0049, 2012/04/0050, 2012/04/0051, 2012/04/0052, 2012/04/0053, 2012/04/0054 und 2012/04/0055-3

 

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