Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-500217/ 13/Kl/TK

Linz, 28.02.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzende Mag. Bismaier, Berichterin Dr. Klempt, Beisitzer Mag. Kühberger) über die Berufung des Herrn x, x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. September 2011, VerkGE-212.032/10-2011-Sie, wegen Entziehung der Gewerbeberechtigung "Konzession zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit fünf (5) Kraftfahrzeugen des Straßenverkehrs im grenzüberschreitenden Güterverkehr" im Standort x, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 22. Dezember 2011 zu Recht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995 - GütBefG

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. September 2011, VerkGe-212.032/10-2011-Sie, wurde dem Berufungswerber die Gewerbeberechtigung "Konzession zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit fünf (5) Kraftfahrzeugen des Straßenverkehrs im grenzüberschreitenden Güterverkehr" im Standort x, entzogen. In der Begründung wurde angeführt, dass gegen den Gewerbeinhaber zwei rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen, nämlich des BG x zu 16 U 20/2008 K vom 12.6.2008 wegen § 15 und § 293 Abs. 2 StGB mit einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen sowie des LG Salzburg vom 7.3.2011 wegen § 12 3.Fall und § 225 Abs. 2 StGB zu 360 Tagessätzen, vorliegen und somit die im § 5 Abs. 1 Z. 2 Güterbeförderungsgesetz 1995 geforderte Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist. Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 5 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz abschließend besondere Bestimmungen getroffen und ist die Zuverlässigkeit jedenfalls zu verneinen, wenn eine gerichtliche Verurteilung vorliegt, deren Strafausmaß drei Monate oder eine Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen überschreitet. Es war daher die Gewerbeberechtigung zu entziehen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Bescheides und Einstellung des Verfahrens beantragt. Begründend wurde dargelegt, dass die Maßnahme des Entzugs der in Rede stehenden Konzession massiv in die Rechtsposition des Berufungswerbers eingreife, auf deren Grundlage der Berufungswerber seine Zukunftsplanung aufgebaut habe. Er habe den Kredit für den Bau des Einfamilienhauses zu bedienen, ebenso die Kreditraten betreffend den Ankauf eines neuen Lkw samt Sattelauflieger vor nicht einmal einem Jahr um 160.000 Euro. Der Entzug der Konzession führe zum völligen Wegfall der wirtschaftlichen Basis der familiären und beruflichen Zukunftsplanung. Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 Z. 1 GütBefG stelle lediglich auf die Höhe der Freiheits- und Geldstrafe ab, ohne danach zu differenzieren, ob diese Verurteilung im Sinn des Art. 6 StGG und der dazu ergangenen Judikatur das öffentliche Interesse am Entzug der Konzession begründet sowie diese beschränkende Maßnahme zur Verwirklichung des öffentlichen Interesses geeignet, adäquat und sachlich gerechtfertigt sei. Die in Rede stehende Norm sehe einen uneingeschränkten "Automatismus" vor, wonach jede gerichtliche Verurteilung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen zwingend zum Entzug der Güterbeförderungskonzession führe. Ein solcher Automatismus greife in den Wesensgehalt der Erwerbsausübungsfreiheit ein und sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße damit gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums. Ein derartiger Automatismus greife in den Wesensgehalt der Erwerbsausübungsfreiheit ein, weil er der Konzessionsbehörde verbiete, das Vergehen auf seine Relevanz in Bezug auf die Ausübung der Güterbeförderungskonzession zu überprüfen. Es sei daher der Behörde verwehrt, die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit sowie Angemessenheit des Konzessionsentzugs zu prüfen. Eine Prognose dahingehend, ob öffentliche Interessen der Belassung der Konzession entgegen stehen, weil zu befürchten sei, dass deren Inhaber in Hinkunft Straftaten begehen werde, welche mit der Konzessionsausübung unvereinbar seien, verbietet die in Rede stehende Norm des Güterbeförderungsgesetzes und sei dies daher verfassungswidrig. Es stelle der Entzug der Konzession eine reine Strafe dar, die Entzugsmaßnahme sei rein punitiv und nicht in die Zukunft gerichtet mit dem Ziel die öffentlichen Interessen an einer geordneten Konzessionsausübung zu wahren. Aufgrund des aufgezeigten Automatismus ist es nicht möglich auf jene Umstände einzugehen, welche zur Verurteilung zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen geführt haben. Weiters könne aus diesem Grund auch nicht damit argumentiert werden, dass der Berufungswerber nicht als unmittelbarer Täter sondern als Beitragstäter im Sinn des § 12 StGB verurteilt worden sei.

 

3. Der Landeshauptmann von Oberösterreich als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt.

Gemäß § 67 a entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, welche aus drei Mitgliedern zusammengesetzt ist.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. Dezember 2011, zu welcher der Berufungswerber, sein Rechtsvertreter und die belangte Behörde geladen wurden. Der Berufungswerber hat sich zur mündlichen Verhandlung entschuldigt, die belangte Behörde ist nicht erschienen. Der Berufungswerber hat durch seinen Rechtsvertreter an der Verhandlung teilgenommen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest und wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Der Berufungswerber ist Inhaber der Gewerbeberechtigung "Konzession zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit fünf (5) Kraftfahrzeugen des Straßenverkehrs im grenzüberschreitenden Güterverkehr" im Standort x.

Laut Protokolls und Urteilsvermerk des Bezirksgerichtes x vom 12.6.2008, 16 U 20/2008 K, wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, zu der durch den LKW-Lenker x begangenen Verwendung eines falschen Beweismittels in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren dadurch beigetragen zu haben, dass er ihm die auf ihn ausgestellte Fahrerkarte zur Verwendung im digitalen Kontrollgerät überließ. Er wurde des Beitrages zur Fälschung eines Beweismittels als Beteiligter nach §§ 12, 293 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von 140 Tagessätzen verhängt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 20. Jänner 2011, 35 HV 111/10a, wurde der Berufungswerber wegen der Vergehen der Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen als Beitragstäter nach den §§ 12, 3. Fall, 225 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt, weil er dem Lenker x den von diesem verwendeten Magneten mit der sinngemäßen Äußerung übergab: "Wenn man fahren muss, muss man fahren. Vielleicht brauchst du den Magneten, wenn du zu einem Lade- und Entladetermin musst."

Die letztgenannte Verurteilung ist weder getilgt noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister unterlegen.

Dieser Sachverhalt wird auch vom Berufungswerber nicht bestritten.

 

4.2. In der mündlichen Verhandlung weist der Berufungswerber darauf hin, dass die Verordnung (EG) 1071/2009 seit 4.12.2011 gelte und eine Übereinstimmung des Güterbeförderungsgesetzes mit dieser Verordnung nicht mehr gegeben sei, insbesondere im Hinblick auf Art. 6 der Verordnung, der ein Verbot des Automatismus enthält sowie Verfahrensbestimmungen, die eine Verhältnismäßigkeitsprüfung fordern. Auch sei die Möglichkeit der Anwendung eines gelinderen Mittels vorgesehen, wie die Aussetzung der Konzession. Entgegen Art. 6 Abs. 2 lit. a der Verordnung habe die Behörde keine Feststellungen getroffen, ob in Anbetracht der spezifischen Gegebenheiten die Aberkennung der Zuverlässigkeit im konkreten Fall eine unverhältnismäßige Reaktion darstelle bzw. eine Aussetzung der Konzession als gelinderes Mittel ausreiche. Der Berufungswerber habe seit dem Strafurteil im Jänner 2010 keine weiteren Straftaten begangen und liegen auch keinerlei Verstöße vor, welche durch die Verwaltungsstrafbehörde geahndet worden seien.

In einer Berufungsergänzung vom 25. Jänner 2012 wurde die Beantragung einer Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof angeregt. Danach sei offen, ob im Zusammenhang mit dem Anwendungsvorrang und der Drittwirkung der Verordnung der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als zweite Instanz gehalten sei, auf Grundlage der Verordnung und nicht auf Grundlage des österreichischen Güterbeförderungsgesetzes zu entscheiden, obwohl sich der Sachverhalt, welcher im Zug der Konzession zugrunde liegt, im Jänner 2010 und daher vor Inkrafttreten der Verordnung zugetragen hat. Weiters sei die Frage zu stellen, ob dem § 5 Güterbeförderungsgesetz durch die Regelungen der EU-Verordnung, insbesondere Art. 3 in Verbindung mit Art. 6, materiell derogiert wurde und daher in Anbetracht der speziellen Gegebenheiten die Aberkennung der Zuverlässigkeit im konkreten Fall eine unverhältnismäßige Reaktion darstellen würde. Auch stelle sich die Frage nach einer materiellen Derogation durch Art. 13 ff der EU-Verordnung, wonach die Behörde dem Unternehmen eine Frist zur Behebung des vorschriftwidrigen Zustandes einräumen kann. Auch sehe das österreichische Güterbeförderungsgesetz die Möglichkeit zur Aussetzung der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers nicht vor. Da das Europäische Verordnungsrecht dem nationalen Recht widerspreche, sei nach dem Günstigkeitsprinzip nach der Rechtssprechung des EuGH jene Rechtsnorm anwendbar, welche für den Betroffenen die günstigere Rechtsfolge beinhaltet.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1.  Gemäß § 5 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütBefG, BGBl. Nr. 593/1995 in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2006, darf die Konzession nur erteilt werden, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines reglementierten Gewerbes

 

1.     die Zuverlässigkeit,

2.     die finanzielle Leistungsfähigkeit

3.     die fachliche Eignung (Befähigungsnachweis)

 

vorliegen.

 

Sämtliche Voraussetzungen müssen während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Werden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so ist die Konzession zu entziehen.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 Z. 1 GütBefG ist die Zuverlässigkeit insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Antragsteller oder der Gewerbeberechtigte von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt wurde, solange die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister unterliegt (§§ 1 - 6 Tilgungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 68).

Gemäß § 1 Abs. 5 GütBefG gilt, soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen trifft, für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen die Gewerbeordnung 1994 mit der Maßgabe, dass das Güterbeförderungsgewerbe als reglementiertes Gewerbe gilt, auf das § 95 Abs. 2 der GewO 1994 anzuwenden ist.

 

Aus dem erwiesenen Sachverhalt und vom Berufungswerber nicht bestritten und bestätigt steht als erwiesen fest, dass der Berufungswerber mit rechtkräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 20.1.2011 zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt wurde. Die Verurteilung ist nicht getilgt und unterliegt auch keiner Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister. Es ist daher der Tatbestand gemäß § 5 Abs. 2 Z. 1 GütBefG erfüllt, nämlich die Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben. Da die Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben war, war gemäß § 5 Abs.1 3. und 4. Satz GütBefG die Konzession zu entziehen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Judikatur (VwGH vom 23.4.2008, 2008/03/0043) davon aus, dass in den Fällen des § 5 Abs. 2 Z. 1 GütBefG daher der Behörde kein Ermessen zukomme, so dass die Zuverlässigkeit – ohne Beurteilung des Persönlichkeitsbildes – in solchen Fällen jedenfalls nicht mehr gegeben ist. Es ist daher nicht erforderlich, eine Zukunftsprognose hinsichtlich des zukünftigen Verhaltens zu erstellen und sei es auch rechtlich nicht von Relevanz, ob der Gewerbeberechtigte seit der gerichtlichen Verurteilung sich wohl verhalten habe. Auch sprach der Verwaltungsgerichtshof dazu aus, dass zwar das Güterbeförderungsgesetz an der gerichtlichen Verurteilung anknüpft, aber nicht zu einer weiteren Bestrafung führt, da die Zielsetzung der gesetzlichen Bestimmung sicher zu stellen ist, dass nur zuverlässige Personen das Güterbeförderungsgewerbe ausüben. Die Entziehung der Konzession für das Güterbeförderungsgewerbe ist daher vor dem Hintergrund der beschriebenen Zielsetzung der Gefahrenabwehr nicht als Strafe im Sinne von Art. 6 EMRK und Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zu EMRK anzusehen.

Da § 5 Abs. 2 GütBefG eine lex spezialis zu § 87 GewO darstellt, war gemäß § 1 Abs. 5 GütBefG eine Persönlichkeitsprüfung nach § 87 GewO nicht vorzunehmen. Es war daher der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

5.2. Wenn hingegen der Berufungswerber vorbringt, dass diese Vorgehensweise der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 widerspreche bzw. unangemessen sei, die Verordnung (EG) aber ab 4.12.2011 in allen ihren Teilen verbindlich sei und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelte, so sind eben folgende Erwägungen entgegen zu halten:

Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 müssen Unternehmen, die den Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ausüben, zuverlässig sein.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 (im Folgenden kurz EG-VO genannt) legen die Mitgliedsstaaten vorbehaltlich Abs. 2 des vorliegenden Artikels fest, welche Voraussetzung ein Unternehmen und ein Verkehrsleiter erfüllen müssen, damit die Anforderung der Zuverlässigkeit nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b erfüllt ist. Die in Unterabsatz 1 genannten Voraussetzungen umfassen mindestens Folgendes:

b) gegen den Verkehrsleiter oder das Verkehrsunternehmen darf in keinem Mitgliedstaat ein Urteil wegen einer schwerwiegenden Straftat oder eine Sanktion verhängt worden sein wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen Gemeinschaftsvorschriften, insbesondere in folgenden Bereichen:

i) Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer, Arbeitszeit sowie Einbau und Nutzung der Kontrollgeräte,

...

vii) Einbau und Benutzung von Geschwindigkeitsbegrenzern in bestimmten Fahrzeugklassen.

Gemäß Art. 6 Abs. 2 EG-VO gilt für die Zwecke von Abs. 1 Unterabsatz 3 Buchstabe b Folgendes:

a) wurde gegen den Verkehrsleiter oder das Verkehrsunternehmen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten ein Urteil wegen einer schwerwiegenden Straftat oder eine Sanktion wegen schwerster Verstöße gegen Gemeinschaftsvorschriften gemäß Anhang IV verhängt, so führt die zuständige Behörde des Niederlassungsmitgliedstaates rechtzeitig auf geeignete Art und Weise ein ordnungsgemäß abgeschlossenes Verwaltungsverfahren, gegebenenfalls einschließlich einer Prüfung in den Räumlichkeiten des betreffenden Unternehmens, durch.

In dem Verfahren ist festzustellen, ob in Anbetracht der speziellen Gegebenheiten die Aberkennung der Zuverlässigkeit im konkreten Fall eine unverhältnismäßige Reaktion darstellen würde. Alle Feststellungen sind gebührend zu begründen und zu rechtfertigen.

Würde die Aberkennung der Zuverlässigkeit ihres Erachtens eine unverhältnismäßige Reaktion darstellen, so kann die zuständige Behörde feststellen, dass die Zuverlässigkeit nicht beeinträchtigt ist.

Stellt die Aberkennung der Zuverlässigkeit nach Auffassung der zuständigen Behörde keine unverhältnismäßige Reaktion dar, so führt die Verurteilung oder Sanktion zur Aberkennung der Zuverlässigkeit.

In Anhang IV (Liste der schwersten Verstöße gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. a) sind in Ziffer 2 "fehlender Fahrtenschreiber und/oder fehlender Geschwindigkeitsbegrenzer oder Verwendung einer betrügerischen Vorrichtung durch die die Aufzeichnungen des Kontrollgeräts und/oder der Geschwindigkeitsbegrenzer verändert werden können, oder Fälschung der Schaublätter oder der vom Fahrtenschreiber und/oder von der Fahrerkarte heruntergeladenen Daten" angeführt.

Gemäß Art. 13 Abs. 3 EG-VO, wenn die zuständige Behörde feststellt, dass das Unternehmen eine oder mehrere Anforderungen nach Art. 3 nicht mehr erfüllt, setzt sie die Zulassung zum Beruf des Verkehrsunternehmers aus oder entzieht sie, und zwar innerhalb der in Abs. 1 genannten Fristen.

Gemäß Art. 15 Abs. 1 der EG-VO sind nach dieser Verordnung getroffene abschlägige Entscheidungen der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten, einschließlich der Ablehnung eines Antrags, sowie die Aussetzung oder der Entzug einer bereits erteilten Zulassung oder die Erklärung der Nichteignung eines Verkehrsleiters zu begründen. Bei solchen Entscheidungen werden verfügbare Informationen über die von diesem Unternehmen oder dem Verkehrsleiter begangenen Verstöße, die geeignet sind, die Zuverlässigkeit des Unternehmens zu beeinträchtigen, sowie alle sonstigen Informationen berücksichtigt, über die die zuständige Behörde verfügt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG, welcher auch im anhängigen Verfahren anzuwenden ist, und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der unabhängige Verwaltungssenat grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung anzuwenden. Da die EG-VO mit Wirkung vom 4. Dezember 2011 in Kraft gesetzt wurde und unmittelbar gilt, war sie zum Entscheidungszeitpunkt des Oö. Verwaltungssenates anzuwenden. Allerdings verhilft dem Berufungswerber der Verweis auf die zitierten Bestimmungen der EG-VO nicht zum gewünschten Erfolg. Nach den eindeutigen Feststellungen hat nämlich der Berufungswerber eindeutig einen Tatbestand nach Anhang IV Ziffer 2 der EG-VO erfüllt, nämlich Verwendung einer betrügerischen Vorrichtung, durch die die Aufzeichnungen des Kontrollgerätes verändert werden können, so dass der Tatbestand nach Art. 6 Abs. 1 lit. b sublit. i erfüllt ist und gemäß Art. 6 Abs. 2 lit. a ein Verwaltungsverfahren durchzuführen ist, wobei dann, wenn die Aberkennung der Zuverlässigkeit nach Auffassung der zuständigen Behörde keine unverhältnismäßige Reaktion darstellt, die Verurteilung oder Sanktion zur Aberkennung der Zuverlässigkeit führt. Dabei hat gemäß Art. 15 Abs. 1 Unterabsatz 2 der EG-VO die Behörde verfügbare Informationen über die von diesem Unternehmen begangenen Verstöße sowie alle sonstigen Informationen zu berücksichtigen. Aus diesem Anlass war daher vom Oö. Verwaltungssenat insbesondere zu berücksichtigen, dass der Berufungswerber nach dem Schuldspruch des Urteiles des LG Salzburg im Rahmen der Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes dem Lenker einen Magneten zur Manipulation am plombierten EG-Kontrollgerät übergab, um Aufzeichnungen über die Lenk- und Ruhezeiten sowie Fahrtunterbrechungen zu verhindern. Bereits im vorausgegangen Urteil des Bezirksgerichtes x vom 12.6.2008 wurde aber der Berufungswerber bereits rechtskräftig schuldig erkannt, dass er im Rahmen des Güterbeförderungsgewerbes seinem bei ihm beschäftigten Lenker die auf den Berufungswerber ausgestellte Fahrerkarte zur Verwendung im digitalen Kontrollgerät überließ. Es hat daher der Berufungswerber beide strafbaren Handlungen im Rahmen des Güterbeförderungsgewerbes ausgeübt und jedes Mal richtige Aufzeichnungen über die Lenker- und Ruhezeiten der Fahrer durch sein Verhalten gegenüber dem betroffenen Lenker manipuliert bzw. die richtige und wahrheitsgemäße Aufzeichnung verhindert. Die weitere zweite Tatbegehung erfolgte trotz einer rechtskräftigen Verurteilung für die erste Tat vor dem Bezirksgericht x. Diese Verurteilung war nicht geeignet, ihn von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Es war daher keine unverhältnismäßige Reaktion, dass die nunmehrige Verurteilung zum Anlass für eine Aberkennung der Zuverlässigkeit genommen wird. Vielmehr soll im Einklang mit der bisherigen Judikatur der Höchstgerichte der Güterverkehr davor geschützt werden, dass unzuverlässige Unternehmer das Gewerbe ausüben. Es soll damit auch der faire Wettbewerb gewährleistet werden und auch die Gewährleistung des Arbeitnehmerschutzes erreicht werden. Auch zu dieser Zielerreichung ist im Hinblick auf die wiederholte und einschlägige Tatbegehung des Berufungswerbers die Aberkennung der Zuverlässigkeit bzw. die Entziehung der Konzession nicht unverhältnismäßig. Es war daher auch im Sinn von Art. 6 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 3 der EG-VO mit Entziehung der Gewerbeberechtigung vorzugehen. Diese Vorgehensweise der Behörde ist auch ausreichend begründet und durch die zur Verfügung stehenden Informationen gestützt. Es führt daher auch die unmittelbar anwendbare Vorgehensweise gemäß der EG-VO zu keinem anderen Ergebnis.

 

5.3. Eine gelindere Vorgehensweise durch die Behörde durch Auftrag zur Behebung des vorschriftswidrigen Zustandes, wie dies in Art. 13 Abs. 1 EG-VO vorgesehen ist, kommt entgegen dem Vorbringen des Berufungswerbers aber nicht in Betracht. Wie nämlich Art. 13 Abs. 1 EG-VO ausführt, ist diese Vorgehensweise dann heranzuziehen, wenn die Behörde feststellt, "dass das Untenehmen möglicherweise die Anforderungen nach Art. 3 nicht mehr erfüllt". Im anhängigen Fall ist aber die Nichterfüllung der Anforderungen nach Art. 3 nicht nur möglich sondern durch die rechtskräftigen Entscheidungen der Strafgerichte unwiderruflich festgestellt. Es war daher nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 EG-VO vorzugehen. Eine Mängelbehebung bzw. Behebung des vorschriftwidrigen Zustandes ist hingegen bei einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung nicht möglich. Es fehlt daher eine wesentliche Voraussetzung.

 

5.4. Im Hinblick auf das Verfahrensergebnis sieht daher der Oö. Verwaltungssenat keine Veranlassung, eine Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof anzustrengen. Vielmehr wird festgehalten, dass die Verordnung verbindlich ist und unmittelbar wirkt bzw. auch unmittelbar angewendet werden kann. Ein Widerspruch zur Verordnung konnte nicht festgestellt werden. Vielmehr war der Oö. Verwaltungssenat durch den Grundsatz des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes gehalten, die Verordnung unmittelbar anzuwenden. Einer Umsetzung bedarf es hiezu nicht.

 

6. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

Beschlagwortung: rechtskräftige Verurteilung; keine Zuverlässigkeit; Entziehung der Konzession; keine Persönlichkeitsprüfung; unmittelbare Anwendbarkeit der EG-Verordnung; kein gelindertes Mittel

 

 

 

 

VwSen-500217/13/Kl/TK vom 28. Februar 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz 1

 

GütbefG §5 Abs1;

GütbefG §5 Abs2 Z1;

EMRK Art6;

EMRK (Protokoll Nr. 7) Art4

 

Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 23.4.2008, 2008/03/0043) kommt der Behörde bei der Beurteilung des Vorliegens der Zuverlässigkeit gem § 5 Abs 2 Z 1 GütbefG kein Ermessen zu, weshalb die Zuverlässigkeit in den dort angeführten Fällen jedenfalls – ohne Beurteilung des Persönlichkeitsbildes – nicht gegeben ist. Da die gesetzlich vorgesehene Konzessionsentziehung wegen nachträglichen Wegfalls der Zuverlässigkeit der bloßen Gefahrenabwehr dient, indem sichergestellt wird, dass nur zuverlässige Personen das Güterbeförderungsgewerbe ausüben, handelt es sich dabei um keine Strafe iSd Art 6 EMRK und Art 4 7. ZPzEMRK.

 

 

Rechtssatz 2

 

GütbefG §5 Abs2 Z1;

Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 Art6;

Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 Art13 Abs3

 

Die Entziehung der Konzession für das Güterbeförderungsgewerbe wegen nachträglichen Wegfalls der Zuverlässigkeit gem § 5 Abs 2 Z 1 GütbefG steht auch nicht im Widerspruch zur unmittelbar anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009, da auch gem Art 6 iVm Art 13 Abs 3 dieser VO mit Entziehung der Gewerbeberechtigung vorzugehen ist, wenn über den Konzessionsinhaber wegen Verwendung einer betrügerischen Vorrichtung, durch die die Aufzeichnungen des Kontrollgerätes verändert werden können, Sanktionen verhängt wurden und die Aberkennung der Zuverlässigkeit keine unverhältnismäßige Reaktion darstellt.

Da der Bw zwei strafbare Handlungen im Rahmen des Güterbeförderungsgewerbes ausgeübt hat, indem er jedes Mal richtige Aufzeichnungen über die Lenker- und Ruhezeiten der Fahrer durch sein Verhalten gegenüber dem betroffenen Lenker manipuliert bzw die richtige und wahrheitsgemäße Aufzeichnung verhindert hat, war die erste rechtskräftige Verurteilung offenbar nicht geeignet, ihn von weiteren Tatbegehungen abzuhalten, weshalb es keine unverhältnismäßige Reaktion darstellt, wenn die zweite Verurteilung nunmehr zum Anlass für eine Aberkennung der Zuverlässigkeit genommen wird.

 

Beachte:


Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgeleht.


VfGH vom 11.06.2012, Zl.: B 384/12-3


Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 28.02.2014, Zl.: 2012/03/0119-8

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