Linz, 07.03.2012
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau U J, geb. x, vertreten durch Mag. H H, M, S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr, vom 09.01.2012, AZ: S 5849/St/2011, nach der am 20. Februar 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben als die Entzugsdauer auf sechs (6) Monate ermäßigt wird.
Im Übrigen wird der Bescheid bestätigt.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 iVm § 67d Abs.1 AVG, idF BGBl. I Nr. 111/2010, § 7 Abs.1 u. 3 Z1 u. § 26 Abs.2 Z1 Führerscheingesetz – FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2010.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz begründete die Entscheidung mit folgenden Ausführungen:
2. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit Ihrer fristgerecht durch einen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung.
2.1. Diese im Ergebnis mit dem zum Verwaltungsstrafverfahren weitgehend identen Ausführungen erwiesen sich im Berufungsverfahren als nicht stichhaltig.
Mit Schriftsatz vom 6.3.2012 wird der Berufungsantrag abgeändert und gleichzeitig auf weitere Beweismittel – insbesondere die nicht möglich gewesene Vernehmung der Schwester der Berufungswerberin W. M – verzichtet.
Die Berufungswerberin beantragt nunmehr die Reduzierung der Entzugsdauer auf sechs Monate, wobei sie diesbezüglich auf ihre bisherige Unbescholtenheit verweist.
3. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt den Verfahrensakt und auch den Führerscheinakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Dieser hat, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG).
Im Verwaltungsstrafverfahren erging bereits unter der Geschäftszahl VwSen-164640/13/Br/Th eine gesonderte Berufungsentscheidung.
3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung der erstinstanzlichen Aktenlage anlässlich der zu beiden Verfahren am 20. Februar 2012 abgeführten Berufungsverhandlung. Als Zeugen einvernommen wurden die Aufforderer H. B und M. H, sowie der einschreitende Polizeibeamten GrInsp. M. L. Verlesen wurde die schriftliche Stellungnahme des GrInsp. R. G, der den entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teilnehmen konnte. Das Nichterscheinen der Berufungswerberin aus gesundheitlichen Gründen, sowie das deren Schwester M als Zeugin wegen eines Auslandsaufenthaltes war entschuldigt.
4. Sachverhalt:
Die Zeugen B und H haben vom Pkw aus die auffällig regelwidrige Fahrweise des Pkw´s der Berufungswerberin ab dem Posthofberg wahrgenommen. Der Pkw fuhr teilweise links und nach der E wurde der Kreisverkehr in der Gegenrichtung befahren. Dies war der Grund, dass B, H sowie ein dritter Mitfahrer diesem Fahrzeug folgten und via Handy die Polizei über diesen Vorfall verständigten. Nachdem das Fahrzeug in M, L abgestellt wurde, hielten auch die Aufforderer in einiger Entfernung (zwischen 10 und 40 Meter) an. Dabei beobachteten sie, dass die Lenkerin beim Anparken gegen die Hausmauer gestoßen war. Als sie aus dem Fahrzeug stieg rollte dieses auf die Straße zurück. Die Lenkerin stieg wieder ein und fuhr abermals gegen die Wand, ehe sie sich um die Ecke in das Haus begab. Beide Zeugen vermeinten über Vorzeigen des Fotos aus dem Führerschein der Berufungswerberin, dass es sich dabei um die damalige Lenkerin handeln könnte, diese aber als kürzeres und glattes Haar (die Haarfarbe wird von den Zeugen abweichend als hell, dunkelbraun, brünett) bezeichneten. Nach etwa fünf bis zehn Minuten traf an der Adresse der Berufungswerberin die Polizei ein.
Sie wurde von den Polizeibeamten L u. G in der Folge im Haus im sichtlich alkoholisiertem Zustand angetroffen. Sie habe angegeben mit dem Pkw kürzlich heimgekommen (laut Meldung bis vor fünf Minuten unterwegs gewesen) zu sein, jedoch nicht zu wissen wo sie gewesen sei.
Den Alkotest habe sie jedoch trotz Hinweis auf die Rechtsfolgen verweigert. Am Folgetag wurden die Aufforderer auf der Polizeiinspektion zu deren Wahrnehmung befragt.
4.1. Die Berufungsbehörde gelangte im Lichte der Zeugenaussagen zur Überzeugung, dass die Berufungswerberin als Lenkerin zumindest dringend verdächtig gewesen ist, wobei auf Grund der sich vor Ort bietenden Umstände nunmehr auch an deren Lenkeigenschaft nicht zu zweifeln ist. Da auf die Einvernahme der als Lenkerin ins Spiel gebrachten Schwester nunmehr verzichtet wurde, ist diese Sache spruchreif und die Berufungswerberin als damalige Lenkerin als erwiesen anzusehen.
Anlässlich der Berufungsverhandlung blieben die Aufforderer und Zeugen weitgehend inhaltsgleichen Angaben und es vermochte denen seitens der Berufungswerberin nichts von inhaltlicher Substanz entgegen gehalten werden. Das diese nicht völlig ident und in kleinen Details, etwa die Beschreibung der Fahrt, der Haarfarbe der Lenkerin, das Anstoßen an die Hausmauer und die Beobachtungsentfernung vor dem Haus, abweichend dargestellt wurden, macht dies die Darstellung im Ergebnis nur lebensnäher und jedenfalls nicht abgesprochen. Die Zeugen traten sehr glaubwürdig auf, sodass einerseits an der Richtigkeit ihrer Darstellungen kein substanzieller Zweifel gehegt wird und andererseits die Berufungswerberin als Lenkerin unzweifelsfrei feststeht.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Vorweg ist zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung festzustellen, dass die Behörde erster Instanz den § 64 Abs.2 AVG zu Recht angewendet hat. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat die Sach- u. Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides als maßgebend anzusehen (vgl. Hauer/Leukauf, Anmerkung 5 zu § 64 AVG). Es liegt in der Natur dieses Rechtsinstitutes, dass bei der Überprüfung dieser Frage der eigentliche Gegenstand des Berufungsverfahrens (konkret also die Frage der Entziehung der Lenkberechtigung) nur vorläufig und grob überprüft werden kann. Eine Detailprüfung dieser Frage erfolgt erst in der Entscheidung über die Hauptsache.
Der Verwaltungsgerichtshof bejaht ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollstreckung des Bescheides wegen Gefahr in Verzug bei derartigen Fällen regelmäßig (siehe zum Beispiel VwGH vom 24. März 1999, 99/11/0007 oder vom 29. September 2005, 2005/11/0123).
5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist
gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG die Verkehrszuverlässigkeit.
Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 gilt gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG insbesondere, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen hat und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 StGB zu beurteilen ist.
Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs. 3 Z. 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.
5.1. Gemäß § 26 Abs.2 Z1 FSG ist die Lenkberechtigung auf mindestens 6 Monate zu entziehen, wenn beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmals ein Delikt gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen wird.
Dabei handelt es sich nach dem klaren Gesetzeswortlaut um die jeweilige Mindestentzugsdauer. Der Gesetzgeber hat für bestimmte typische Alkoholisierungsfälle eine Mindestdauer der Entziehung der Lenkberechtigung festgelegt und damit bereits eine Wertung vorgenommen. Der Umstand, dass hier der Alkotest verweigert wurde indiziert jedenfalls keine bestimmte Tatsache, die über den vom Gesetzgeber im § 26 Abs.2 Z1 FSG normierte Verkehrsunzuverlässigkeitszeitraum einen hinausgehenden Entzug sachlich rechtfertigen könnte (vgl. VwGH 28.4.2011, 2010/11/0217 mit Hinweis auf VwGH 29.3.2011, Zl. 2011/11/0039, mwN.).
5.2. Der Berufung war daher mit der Maßgabe Folge zu geben, als die vom Gesetz vorgesehenen Mindestentzugsdauer auszusprechen war.
Hinzuweisen ist abschließend, dass die Berufungswerberin sich letztlich vor Ablauf des hier ausgesprochenen Entzuges neben einer VPU auch einer amtsärztlichen Untersuchung betreffend ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu unterziehen hat.
II. Der Entfall von Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 26 Euro angefallen [Eingabegebühr 14,30 Euro u. 3 Beilagen á 3,90].
Dr. B l e i e r