Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252964/3/Kü/Sta

Linz, 29.02.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung des Herrn W F, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. T D, F, L, vom 10. August 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mannschaft Linz-Land vom 20. Juli 2011, SV96-190-2010, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20. Juli 2011, SV96-190-2010, wurde über den Berufungswerber wegen einer Verwaltungs­übertretung nach § 33 iVm § 111 Abs.1 Z 1 Allgemeines Sozialversicherungs­gesetz (ASVG) eine Geldstrafe von 2.180 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach Außen befugtes Organ der "R R" E & H GmbH mit Sitz in  N, A, gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass diese Firma als Dienstgeber Herrn F C, geb. X, als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit als Hilfskraft (Aufbau des Christbaumstandes, Diebstahl – Überwachung) beschäftigt hat, ohne vor Arbeitsantritt (7.12.2009) eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Oö. Gebietskrankenkasse mit Sitz in 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger zu erstatten.

Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See bei einer Kontrolle am 8.12.2009 um 12.50 Uhr beim Christbaumverkaufsstand am Parkplatz vor dem Penny-Markt, Z (S), F 2, festgestellt, bei der Herr C bei der Ausübung seiner Tätigkeit betreten wurde.

Der Dienstnehmer war nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen. Die Firma R R" E & H GmbH hat somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs.1 ASVG verstoßen."

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter des Bw eingebrachte Berufung mit der das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalte nach angefochten wird und die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt wurde.

 

Begründend wurde festgehalten, dass die Anzahl der Dienstnehmer dem entsprechenden Arbeitsaufwand in der Firma des Beschuldigten angepasst worden sei. Bei über 100 Christbaumständen, welche in ganz Österreich geführt würden, würde dafür Sorge getragen, dass genügend Mitarbeiter eingestellt würden. Ein Einschreiten des Stiefsohns des Herrn H wäre dadurch nicht notwendig gewesen.

 

Kontrollen durch den Gebietsleiter Herrn A H seien durchgeführt worden. Weiters wäre der Gebietsleiter sowie der Geschäftsführer telefonisch erreichbar gewesen, um eventuelle Probleme vorab zu lösen. Über eine notwendige Unterstützung durch Herrn C seien die genannten Personen nie informiert worden.

 

Herr H sei im Rahmen seines Dienstvertrages darauf hingewiesen worden, dass er nicht zur Einstellung weiterer Mitarbeiter berechtigt sei. Es sei sohin von einem Gefälligkeitsdienst gegenüber Herrn H durch Herrn C auszugehen. Weiters sei vom wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht von der äußeren Erscheinungsform auszugehen. Es würden sohin Gefälligkeitsdienste vorliegen, wenn aus den sie betreffenden Erklärungen bzw. Verhaltensweisen keine Rechtsfolge bzw. ein Geltungswille zum Abschluss eines Vertrages, insbesondere eines Dienstvertrages hervorgehe. Die hier vorliegende Kurzfristigkeit der Leistung sei angenommen und bestätigt. Im gegenständlichen Fall sei eine Mitfahrgelegenheit von derselben Wohnstätte und derselben Adresse mit dem Stiefvater ins 50 km entfernte H vorgelegen und sei sohin der längere Aufenthalt des Herrn C dadurch zu begründen.

 

Herr C habe lediglich auf Verlangen des Herrn H bei Aufbauarbeiten und bei kurzfristigen Überwachungen des Standes geholfen. Herr C habe laut Aufzeichnungen der Behörde auch nie beim Verkauf mitgeholfen. Die Leistung habe freiwillig stattgefunden. Weiters sei die Leistung des Herrn C unentgeltlich erfolgt. Er habe kein Entgelt der Firma R R E & H GmbH, dessen Geschäftsführer der Beschuldigte ist, erhalten.

 

Laut Aufzeichnungen der Behörde sei nur die Verpflegung des Herrn C von Herrn H zur Verfügung gestellt worden. Eine spezifische Bindung zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger sei dahingehend zu bejahen. Insbesondere würde diesbezüglich noch vorgebracht, dass Herr H der Stiefvater des Herrn C sei und auch diesbezüglich eine Rechtsnachfolge bzw. ein Geltungswille zum Abschluss eines Vertrages zu verneinen sei.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Schreiben vom 11. August 2011, eingelangt am 23. August 2011, die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, bestehend aus drei Mitgliedern, berufen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der "R R" E & H GmbH mit dem Sitz in A, N.

 

Von Der R R E & H GmbH wurde im Dezember 2009 ein Christbaumverkaufsstand am Parkplatz des Penny-Marktes, F, Z (S) betrieben. Als Verkäufer bei diesem Christbaumstand wurde in der Zeit von 7.12. bis 23.12.2009 Herr A H, wohnhaft S, H, eingesetzt. Die Geschäftsführung der R R E & H GmbH hatte mit Herrn H vereinbart, dass er für seine Tätigkeit ca. 500 Euro in bar ausbezahlt erhält.

 

Am 8.12.2009 führten Organe des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See eine Kontrolle beim Christbaumverkaufsstandes durch. Bei dieser Kontrolle wurde neben Herrn A H auch Herr F C angetroffen. Herr F C ist der Stiefsohn von Herrn A H. Herr C gab gegenüber den Kontrollorganen an, am Christbaumstand ausgeholfen zu haben und mit seinem Stiefvater wieder heimzufahren. Auch Herr H gab gegenüber den Kontrollbeamten an, dass sein Stiefsohn ihm beim Aufbau des Christbaumverkaufsstands geholfen hat, für diese Tätigkeit aber kein Entgelt erhält. Herr C gab gegenüber den Kontrollorganen an, dass er von seinem Stiefvater zum Christbaumverkaufsstand mitgenommen wurde und dort beim Aufbau geholfen hat. Außerdem gab er an, dass ihn sein Stiefvater mit Essen und Trinken versorgt. Hinsichtlich allfälliger Entgeltleistungen wurden keine Angaben gemacht. Herr C hat als Dienstgeber seinen Vater bezeichnet.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Strafantrag des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See vom 12. Februar 2010.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.       Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.       Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.       Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.       gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensions­versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Nach § 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

 

5.2. Der Bw verantwortet sich in seiner Rechtfertigung vom 19. August 2010 damit, dass Herr H ordnungsgemäß am Standort Penny-Markt in Z für seine Tätigkeit als Christbaumverkäufer angemeldet gewesen ist und dieser von sich aus ohne Wissen des Bw seinen Stiefsohn Herrn C zum Verkaufsstand mitgenommen hat. Der Bw kennt Herrn C persönlich nicht und hat diesen auch kein Entgelt für seine Aushilfstätigkeit bezahlt. Herr H hat die Hilfe seines Stiefsohns eigenmächtig veranlasst.

 

Zu diesen Rechtfertigungsangaben ist festzuhalten, dass sich auch aus dem Strafantrag des Finanzamtes und den darin dargestellten Ermittlungsergebnissen keine gegenteiligen Sachverhaltsannahmen ableiten lassen. Vielmehr ist festzuhalten, dass sowohl Herr H als auch Herr C bei ihren Befragungen durch die Finanzbeamten übereinstimmend angegeben haben, dass Herr C, der zu Herrn H als Stiefsohn in einem Naheverhältnis steht, diesem beim Aufbau des Christbaumverkaufsstands geholfen hat. Bereits aus dem Strafantrag ergibt sich auch, dass die Initiative für die Hilfe von Herrn H ausgegangen ist, ohne dass der Bw als Geschäftsführer der R R E & H GmbH davon Kenntnis gehabt hätte. Der Unabhängige Verwaltungssenat kann daher nicht erkennen, dass Herr C in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zur R R E & H GmbH gestanden sein soll. Zudem ergibt sich aus den von den Kontrollorganen durchgeführten Erhebungen, dass Herr C jedenfalls kein Entgelt für eine Tätigkeit erhalten hat, sondern vielmehr von seinem Stiefvater mit Essen und Trinken als Gegenleistung für seine Hilfstätigkeiten versorgt wurde. Es kann daher keine Bindung von Herrn C an Ordnungsvorschriften über Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten erkannt werden bzw. sind keine Weisungs- und Kontrollbefugnisse der R R E & H GmbH gegenüber Herrn C erkennbar. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass sich aus dem vorliegenden Strafantrag jedenfalls die angelastete Verwaltungsübertretung nicht ableiten lässt und daher im Zweifel den Rechtfertigungsangaben des Bw Glauben zu schenken ist. Festzuhalten ist, dass dem Bw daher die Verletzung der Meldepflicht nach § 111 ASVG nicht angelastet werden kann, weshalb sohin der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

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