Linz, 06.03.2012
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H K, geb. x, F, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G S, M, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz, vom 24.01.2012, Zl. FE-1612/2011, zu Recht:
Der Berufung wird Folge gegeben; der Bescheid wird ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 3 Abs.1 Z2, § 24 Abs.1 Z2 Führerscheingesetz 1997, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 117/2010 - FSG
Entscheidungsgründe:
Dem Berufungswerber wurde demnach unter Hinweis auf die Rechtsvorschriften nach §§ 7, 24, 25, 26, 29, 32 FSG
1. die ihm von der BPD Linz, am 27.10.2000, unter ZI. x, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 4 Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides entzogen
2. ausdrücklich das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges für die Dauer von 4 Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides verboten.
3. die Absolvierung eines Verkehrscoachings innerhalb der Entzugsdauer angeordnet und
4. das Recht von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung bzw. bis zum Ablauf des Lenkverbotes in Österreich Gebrauch zu machen aberkannt.
2. Der Berufungswerber wendet sich in der dagegen fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:
3. Der Verfahrensakt gelangte dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 17.2.2012 ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung zur Vorlage. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG).
Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung konnte, in Verbindung mit den ergänzenden Erhebungen und der sich daraus ergebenden klaren Beweislage zu Gunsten des Berufungswerbers, unterbleiben (§ 67d Abs.1 AVG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einholung einer Gutachtensergänzung von SV Dr. L bezogen auf den präsumtiven Unfallszeitpunkt. Erhoben wurde der Stand des ebenfalls bei der belangten Behörde parallel anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens.
Den Parteien wurde über das Ergebnis der Gutachtensergänzung Parteiengehör gewährt.
4. Die erstinstanzliche Ausgangslage:
Unstrittig ist, dass sich der Berufungswerber am 23.11.2011 um 00:05 Uhr mit seinem Pkw auf der B126 bei Strkm 8,1 überschlug. Sein Fahrzeug erlitt dabei einen Totalschaden und der Berufungswerber selbst wurde erheblich verletzt.
Noch im Rettungswagen wurde der Berufungswerber zu einem positiv verlaufenen Vortest aufgefordert. Die nachfolgend um 01:05 u. 01:07 Uhr durchgeführte Atemluftalkoholuntersuchung erbrachte ein Ergebnis von 0,34 mg/l.
Aus der Rückrechung auf die Unfallszeit folgt demnach ein knapp unter 0,8 Promille liegender Alkoholisierungsgrad (rechnerisch exakt 0,07783 Promille).
Dies wurde vom Sachverständigen Dr. L über Auftrag des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 21.2.2012 errechnet.
Demnach kann der Behörde erster Instanz in der Würdigung des im Akt erliegenden amtsärztlichen Gutachtens nicht gefolgt werden. Hinzuweisen ist auf die Stellungnahme des Dr. G zum Gutachten Dr. L, wobei der Amtsarzt in der Umwandlung und Rückrechnung von Atemalkohol- auf den Blutalkoholgehalt Ungenauigkeiten erblickt. Diese dürfen jedoch im Zweifel nicht zum Nachteil des Betroffenen ausgelegt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, wenn so wie hier, in der dritten Kommastelle (6-tausendstel) der Grenzwert überschritten wird, wäre es rechtsstaatlich bedenklich die damit einhergehenden gravierenden Sanktionsfolgen zum Nachteil des Betroffenen in Kauf zu nehmen.
4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde nochmals der Zeitpunkt der Verständigung des Rettungsdienstes nachvollzogen. Demnach ist davon auszugehen, dass um 00:05 Uhr des 23.11.2011 die Unfallmeldung bei der Rettung telefonisch einging. Im Abschlussbericht der Polizeiinspektion G ist von einem "Bekanntwerden des Unfalles" um 00:10 Uhr die Rede. Die vom Amtsarzt der Behörde erster Instanz vorgenommene Rückrechnung auf den Unfallzeitpunkt geht von einem Alkoholisierungsgrad im günstigsten Fall von 0,406 mg/l aus. Die vom Gerichtsmediziner Dr. L, unter Grundlegung des Unfallereignisses um 00:10 Uhr, vorgenommene Rückrechnung gelangt zum Ergebnis eines Blutalkoholgehaltes zum Lenkende von 0,77 Promillen.
Die im Auftrag der Berufungsbehörde von Dr. L unter Annahme des Unfallereignisses um 00:05 Uhr vorgenommene Rückrechnung führt schließlich zu einem rechnerischen Ergebnis vom 0,07783 Promillen.
Die Berufungsbehörde sieht keine Veranlassung nicht von der für den Rechtsmittelwerber günstigeren Rückrechnungsvariante auszugehen.
Der gerichtsmedizinisch auf den Promillewert basierenden Rückrechnung wird eine höhere fachliche Validität als der vom Amtsarzt vorgenommenen Rückrechnung zuerkannt.
Hinzuweisen ist insbesondere auch, dass selbst die abtretende Behörde ebenfalls von einer Qualifikation der Alkofahrt iSd § 14 Abs.8 FSG (Minderalkoholisierung) ausgegangen ist.
Das Verwaltungsstrafverfahren wegen der vermeintlichen Übertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 ist bei der Behörde erster Instanz noch anhängig. Das h. Schreiben vom 28.2.2012 wurde von der Sachbearbeiterin des Strafverfahrens fernmündlich dahingehend beantwortet, zu beabsichtigen die h. Entscheidung des Führerscheinverfahrens abwarten zu wollen.
Eine inhaltliche Stellungnahme zur Ergänzung der Rückrechnung durch Dr. x wurde nicht erstattet.
4.2. Da demnach von keiner erwiesenen bestimmten Tatsache iSd § 3 Abs.1 Z2 iVm § 26 Abs.2 FSG auszugehen ist war der Bescheid ersatzlos zu beheben. Um die Rechtsfolgen des behobenen Entzuges möglichst rasch zu beseitigen ist der Berufungsbescheid den Parteien per FAX im Voraus zuzustellen.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r