Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523087/8/Br/Th

Linz, 06.03.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H K, geb. x,  F, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G S, M, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz, vom 24.01.2012, Zl. FE-1612/2011, zu Recht:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben; der Bescheid wird ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 3 Abs.1 Z2,  § 24 Abs.1 Z2 Führerscheingesetz 1997, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 117/2010 - FSG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid hat die Behörde erster Instanz als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 21.12.2011 keine Folge gegeben und diesen Bescheid in allen Punkten bestätigt.

Dem Berufungswerber wurde demnach unter Hinweis auf die Rechtsvorschriften nach §§ 7, 24, 25, 26, 29, 32 FSG

1.    die ihm von der BPD Linz, am 27.10.2000, unter ZI. x, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 4 Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides entzogen

2.    ausdrücklich das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges für die Dauer von 4 Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides verboten.

3. die Absolvierung eines Verkehrscoachings innerhalb der Entzugsdauer angeordnet und

4.    das Recht von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung bzw. bis zum Ablauf des Lenkverbotes in Österreich Gebrauch zu machen aberkannt.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz ging im Ergebnis von einem alkoholisierten Lenken zum Unfallszeitpunkt aus, wobei der Grenzwert von 0,8 Promillen mit 0,406 mg/l als überschritten erachtet wurde.

Dies mit dem Hinweis wonach das vom Berufungswerber von einem Allgemein gerichtlich beeideten Sachverständigen für gerichtliche und Allgemeinmedizin, Dr. Lamprecht, als nicht schlüssig gewürdigt werden habe können.  Dies vor dem Hintergrund einer Rückrechnung des Alkoholgehaltes des Berufungswerbers um 00.10 Uhr, obwohl sich als Unfallszeitpunkt 00:05 Uhr ergeben habe.

Die Behörde erster Instanz vermeinte demnach, dass sich der Verkehrsunfall am 23.11.2011 vor 00.05 Uhr ereignet haben müsste und nicht erst um 00.10 Uhr, wie im Sachverständigengutachten von Dr. L angenommen worden sei.

Ein Alkoholisierungsgrad von 0,406 mg/l Atemluftalkoholgehalt zum Unfallszeitpunkt sei aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens vom 19.12.2011 festgestellt worden. Diesem Gutachten lag ein Unfallszeitpunkt von 00.05 Uhr des 23.11.2011 zugrunde.

 

 

2. Der Berufungswerber wendet sich in der dagegen fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:

"In umbezeichneter Angelegenheit wegen Führerscheinentzug erhebt der Berufungswerber gegen den Bescheid der BPD Linz vom 24.01.2012,  zugestellt am 26.01.2012 binnen offener Frist die

 

BERUFUNG

 

Der Bescheid; erster Instanz wird in seinem gesamten Umfang bekämpft. Als Berufungsgründe werden unrichtige Sachverhaltsfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilungen rechtlich geltend gemacht. Die Berufung wird wie folgt ausgeführt:

 

Berufung wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellungen:

 

la)Bekämpft wird unter diesem Berufungsgrund die Feststellung, dass sich der gegenständliche Unfall bereits um 00:05 Uhr ereignet hat. Diese Feststellung ist unrichtig. Richtig ist vielmehr, dass dem verunglückten Berufungswerber unverzüglich nach dem gegenständlichen Unfall vom einem unbekannten Lenker Erste Hilfe geleistet worden ist und dieser bereits zuvor den Unfall der Polizei gemeldet hat. Wenn daher bei der Polizeiinspektion Gallneukirchen um 00:10 Uhr . eine Unfallsmeldung eingegangen ist, kann sich der gegenständlichen Verkehrsunfall nur um 00:10 Uhr zu getragen haben.

 

Mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit kann sohin nur- die Feststellung getroffen werden, dass sich der Unfall um 00:10 Uhr ereignet hat.

Rechnerisch ergibt sich daher zwischen dem Unfall und der Überprüfung der Atemluft ein Zeitraum von 55 min.

 

Beweis:   K G, Bezirksinspektor bei der Bundespolizeiinspektion Gallneukirchen, Linzerstraße 6, 4210 Gallneukirchen, als Zeuge und PV

 

lb)    Die Behörde trifft eine unrichtige Feststellung auch insofern, als sie vermeint,  dass zum Tatzeitpunkt 00:05 Uhr der Berufungswerber alkoholisiert (0,406 mg/l Atemluft) gewesen sei. Diese Feststellung ist unrichtig und im Endergebnis auch unhaltbar.

 

Es wird zunächst darauf hingewiesen, dass eine Messung um 01:05 Uhr durchgeführt worden ist, die ein Ergebnis von 0,34 mg/l erbracht hat. Zur Ermittlung des Alkoholgehaltes um 00:10 Uhr bzw. 00.05 Uhr wäre eine Rückrechnung betreffend Alkoholabbau vorzunehmen gewesen und hat der Berufungswerber dazu das Gutachten des gerichtsmedizinischen Institutes vorgelegt. Konkret hat der gerichtlich beeidete Sachverständige Dr. L sein Gutachten erstellt. Dieses Gutachten geht zweifelsfrei davon aus, dass zugunsten des Berufungswerbers nach den Richtlinien der deutschen und österreichischen Gesellschaft für Rechtsmedizin ein Abbau von 0,1 Promille pro Stunde anzusetzen ist. Dieser Wert entspricht den einzig gültigen medizinisch - forensischen Kriterien und sind diese Ansätze der Rückrechnung zugrunde zu legen.

Zum   Tatzeitpunkt   00:10   Uhr   errechnet   sich   demnach   eine Alkoholisierung von 0,77 Promille.

 

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Tatzeitpunkt bei 00:05 Uhr gelegen hat, war dem Berufungswerber noch immer keine Alkoholisierung nachzuweisen.

 

Dagegen sind die Ergebnisse des Amtsarztes, der für den polizeiärztlichen Dienst tätig ist und nicht als Sachverständige in die Liste eingetragen ist, in keiner Weise nachvollziehbar. Wie er zu den Ergebnissen 0,066 mg/1 gekommen ist, ist nicht nachvollziehbar. Die Behörde erster Instanz. hat diese Werte auch in keiner Weise einer Würdigung unterzogen.

Auch aus dem Internet ist erkennbar, dass die Gerichtsmedizin mit dem für den Angeklagten günstigsten Wert von 0,1 Promille pro Stunde rechnet.

Nachdem es sich um ein Strafverfahren handelt, ist jedenfalls von der günstigsten Variante auszugehen und war demnach dem Berufungswerber zum Zeitpunkt des Unfalles keine Alkoholisierung nachweisbar.

 

Es wird aus diesem Grund

beantragt

 

der Berufung Folge zu geben, den Bescheid aufzuheben und dem Berufungswerber umgehend den Führerschein auszufolgen.

 

L,  am 09.02.2012                                                                                         H K"

 

 

3. Der Verfahrensakt gelangte dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 17.2.2012 ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung zur Vorlage. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG).

Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung konnte, in Verbindung mit den ergänzenden Erhebungen und der sich daraus ergebenden klaren Beweislage zu Gunsten des Berufungswerbers, unterbleiben (§ 67d Abs.1 AVG).

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einholung einer Gutachtensergänzung von SV Dr. L bezogen auf den präsumtiven Unfallszeitpunkt. Erhoben wurde der Stand des ebenfalls bei der belangten Behörde parallel anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens.

Den Parteien wurde über das Ergebnis der Gutachtensergänzung Parteiengehör gewährt.

 

 

4. Die erstinstanzliche Ausgangslage:

Unstrittig ist, dass sich der Berufungswerber am 23.11.2011 um 00:05 Uhr  mit seinem Pkw auf der B126 bei Strkm 8,1 überschlug. Sein Fahrzeug erlitt dabei einen Totalschaden und der Berufungswerber selbst wurde erheblich verletzt.

Noch im Rettungswagen wurde der Berufungswerber zu einem positiv verlaufenen Vortest aufgefordert. Die nachfolgend um 01:05 u. 01:07 Uhr durchgeführte Atemluftalkoholuntersuchung erbrachte ein Ergebnis von 0,34 mg/l.

Aus der Rückrechung auf die Unfallszeit folgt demnach ein knapp unter 0,8 Promille liegender Alkoholisierungsgrad (rechnerisch exakt 0,07783 Promille).

Dies wurde vom Sachverständigen Dr. L über Auftrag des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 21.2.2012 errechnet.

Demnach kann der Behörde erster Instanz in der Würdigung des im Akt erliegenden amtsärztlichen Gutachtens nicht gefolgt werden. Hinzuweisen ist auf die Stellungnahme des Dr. G zum Gutachten Dr. L, wobei der Amtsarzt in der Umwandlung und Rückrechnung von Atemalkohol- auf den Blutalkoholgehalt Ungenauigkeiten erblickt. Diese dürfen jedoch im Zweifel nicht zum Nachteil des Betroffenen ausgelegt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, wenn so wie hier, in der dritten Kommastelle (6-tausendstel) der Grenzwert überschritten wird, wäre es rechtsstaatlich bedenklich die  damit einhergehenden gravierenden Sanktionsfolgen zum Nachteil des Betroffenen in Kauf zu nehmen. 

 

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde nochmals der Zeitpunkt der Verständigung des Rettungsdienstes nachvollzogen. Demnach ist davon auszugehen, dass um 00:05 Uhr des 23.11.2011 die Unfallmeldung bei der Rettung telefonisch einging. Im Abschlussbericht der Polizeiinspektion G ist von einem "Bekanntwerden des Unfalles" um 00:10 Uhr die Rede. Die vom Amtsarzt der Behörde erster Instanz vorgenommene Rückrechnung auf den Unfallzeitpunkt geht von einem Alkoholisierungsgrad im günstigsten Fall von 0,406 mg/l aus. Die vom Gerichtsmediziner Dr. L,  unter Grundlegung des Unfallereignisses um 00:10 Uhr, vorgenommene Rückrechnung gelangt zum Ergebnis eines Blutalkoholgehaltes zum Lenkende von 0,77 Promillen.

Die im Auftrag der Berufungsbehörde von Dr. L unter Annahme des Unfallereignisses um 00:05 Uhr  vorgenommene  Rückrechnung führt schließlich zu einem rechnerischen Ergebnis vom 0,07783 Promillen.

Die Berufungsbehörde sieht keine Veranlassung nicht von der für den Rechtsmittelwerber günstigeren Rückrechnungsvariante auszugehen.

Der gerichtsmedizinisch auf den Promillewert basierenden Rückrechnung wird eine höhere fachliche Validität als der vom Amtsarzt vorgenommenen Rückrechnung zuerkannt.

Hinzuweisen ist insbesondere auch, dass selbst die abtretende Behörde ebenfalls von einer Qualifikation der Alkofahrt iSd § 14 Abs.8 FSG (Minderalkoholisierung) ausgegangen ist.

Das Verwaltungsstrafverfahren wegen der vermeintlichen Übertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 ist bei der Behörde erster Instanz noch anhängig. Das h. Schreiben vom 28.2.2012 wurde von der Sachbearbeiterin des Strafverfahrens fernmündlich dahingehend beantwortet, zu beabsichtigen die h. Entscheidung des Führerscheinverfahrens abwarten zu wollen.

Eine inhaltliche Stellungnahme zur Ergänzung der Rückrechnung durch Dr. x wurde nicht erstattet.

 

 

4.2. Da demnach von keiner erwiesenen bestimmten Tatsache iSd § 3 Abs.1 Z2 iVm § 26 Abs.2 FSG auszugehen ist war der Bescheid ersatzlos zu beheben. Um die Rechtsfolgen des behobenen Entzuges möglichst rasch zu beseitigen ist der Berufungsbescheid den Parteien per FAX im Voraus zuzustellen.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

 

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