Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730546/13/Wg/Wu

Linz, 09.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. November 2011, AZ: 1049750/FRB, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2012, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Bescheid vom 7. November 2011, AZ: 1049750/FRB, den Antrag des Berufungswerbers (im Folgenden: Bw) vom 20. Mai 2010 auf Aufhebung des mit Bescheid der BPD Linz vom 6. August 2009 unter obiger Zahl gegen in erlassenen, auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) abgewiesen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Aufenthaltsverbot auf 10 Jahre befristet erlassen wurde, sei der seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes verstrichene Zeitraum noch viel zu kurz, um eine günstige Zukunftsprognose zu erstellen und könne in Anbetracht der Schwere seines Verbrechens nicht abgesehen werden, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, tatsächlich wieder weggefallen sein werden. Entscheidungsrelevant sei vor allem auch, dass seine damalige gesamte private und familiäre Situation bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes von der Behörde berücksichtigt worden sei – vor allem der Umstand, dass er in Österreich mit einer tunesischen Staatsangehörigen verheiratet sei und damals für eine Tochter sorgepflichtig gewesen sei, wobei er mit diesen im Familienverband lebte. Zwischenzeitig hätten sich die privaten und familiären Umstände dahingehend geändert, dass seine Ehegattin am X ein weiteres Kind zur Welt gebracht habe und er selbst seit 3. Jänner 2011 einer unselbstständigen Beschäftigung nachgehen würde. Aus von ihm vorgelegten verschiedenen ärztlichen Befunden lasse sich für die Behörde ersehen, dass das neugeborene Kind ein sogenanntes Frühchen war und anfänglich mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte – aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen lasse sich jedoch auch entnehmen, dass sich das Kind offensichtlich gut und ohne größere gesundheitliche Probleme weiterentwickelt habe. Nach Ansicht der Behörde könne zwischenzeitig die damalige starke familiäre Position, welche bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestand, durch den Umstand, dass er nun Vater eines zweiten Kindes geworden sei und er nun seit einigen Monaten einer Beschäftigung nachgehe, nicht entscheidungsrelevant verstärkt werden. Er habe auch weiterhin die Trennung von seinen Angehörigen, ebenso wie allfällige Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in seinem Heimatstaat (im Fall der Abschiebung oder freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet) im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Die Gründe, die zur Erlassung des verfahrensgegenständlichen Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien nicht weggefallen.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 22. November 2011. Der Bw stellte darin die Anträge, die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. November 2011 dahingehend abändern, dass seinem Antrag vom 20. Mai 2010 stattgegeben und das von der BPD Linz am "6. August 2011" (gemeint: 6. August 2009) zur Zahl 1049750/FRB erlassene, auf 10 Jahre befristete, Aufenthaltsverbot aufgehoben wird; oder den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde aufheben und dieser die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen; jedenfalls aber eine mündliche Verhandlung durchführen und in dieser den Berufungswerber und seine Ehegattin, Frau X, einvernehmen. Begründend führte er aus, dass sich die Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich geändert hätten. Er sei zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen, er sei als arbeitsuchend gemeldet gewesen. Dem gegenüber habe er jetzt einen fixen Arbeitsplatz. Sein Arbeitgeber sei mit ihm sehr zufrieden. Im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei er zwar bereits verheiratet gewesen und habe ein Kind mit seiner Frau gehabt. Mittlerweile sei die Familie größer geworden. Er habe jetzt 2 Kinder. Beide Kinder seien Frühgeburten und hätten entsprechende gesundheitliche Handicaps zu tragen. Er sei sich seiner Verantwortung gegenüber seiner Familie nunmehr wesentlich mehr bewusst geworden, als dies zum damaligen Zeitpunkt der Fall war. Er habe sich in der Zwischenzeit grundlegend geändert und sei, was seine Frau bestätigen werde, ein anderer Mensch geworden. Er sei auch bestrebt, entsprechende Therapien zu machen, um seine Persönlichkeit weiter zu festigen und auch dadurch sicher zu stellen, sich in Zukunft nicht mehr straffällig zu machen. Wenn im Bescheid der Erstbehörde ausgeführt werde, er würde bei der Firma X seit Jänner 2011 arbeiten, treffe dies nicht zu. Er arbeite dort vielmehr seit April 2010. Er habe bei dieser Firma zunächst über die Leasing-Firma X gearbeitet, in der Zwischenzeit sei er von der Firma X fix in deren Mitarbeiterstand übernommen worden. Er leide unter der Ungewissheit seines weiteren Aufenthalts sehr. Er habe psychische Probleme, leide unter Angstzuständen und sei im Begriff, sich auch diesbezüglich behandeln zu lassen. Er versichere, sich grundlegend geändert zu haben und keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen zu wollen. Er bitte, in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es sich im gegenständlichen Fall zwar um eine Suchtgiftverurteilung handle. Das Strafausmaß von 15 Monaten teilbedingt zeige aber doch, dass das Gericht von einer positiven Zukunftsprognose in seinem Fall ausgegangen sei (ansonsten hätte eine teilbedingte Strafnachsicht nicht erfolgen dürfen) und auch Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat als eher niedrig angesetzt worden wären. Er bitte, bei der Entscheidung auch zu berücksichtigen, dass die Umstände, die zur Versäumung der Rechtsmittelfrist gegen das Aufenthaltsverbot geführt hätten, für ihn äußerst unglücklich verlaufen seien. Er ersuchte die Berufungsbehörde, ihm und seiner Familie noch eine Chance auf ein weiteres gemeinsames Leben zu geben. Er sei sich sicher, das in ihn gesetzte Vertrauen durch weiteres Wohlverhalten in Österreich zu rechtfertigen.

 

Der Akt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt. Dieser führte am 23. Februar 2012 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

 

Der Vertreter des Berufungswerbers erstattete eingangs folgendes Vorbringen:

"Ich verweise auf das Vorbringen in der Berufung vom 22.11.2011 und stelle richtig, dass sich der Antrag nicht auf den Bescheid 'vom 6. August 2011' bezieht, sondern auf den Bescheid vom 6. August 2009. Weiters wird ein Dokumentenkonvolut vorgelegt, das belegt, dass sich die Lebenssituation des Bw seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich stabilisiert hat. Im einzelnen handelt es sich um folgende Dokumente: Unterstützungserklärungen der X, X, X, X, X, X, X, X, X, X, X, X, X, X, Familie X, sowie des Vereines X. Weiters werden vorgelegt: Anwesenheitsbestätigungen der Partner-Ehe- und Lebensberatung, Mietvertrag (bezeichnet als Benützungsvereinbarung), Lohnzettel, Dienstvertrag samt Dienstzeugnis, Bestätigung des Betriebsrates sowie eines Fußballvereines, ärztliche Atteste bzgl. der Kinder sowie ein Sicherstellungsprotokoll, aus dem hervorgeht, dass beim Bw kein Suchtgift gefunden wurde; des weiteren der Arbeitsvertrag der Ehegattin des Bw sowie Kontoauszüge. Des weiteren vorgelegt wird die Krankengeschichte der beiden mj. Kinder des Bw."

 

Der rechtsanwaltliche Vertreter erstattete folgendes Schlussvorbringen:

"Ich verweise auf den Berufungsschriftsatz. Festzuhalten ist, dass sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Situation bzw. die Sachlage wesentlich zugunsten des Bw verändert hat. Mittlerweile sind die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, weggefallen. Der Antrag, das Aufenthaltsverbot zu beheben wird daher in vollem Umfang aufrecht erhalten. Neben den heutigen Ergebnissen im Beweisverfahren zum Privat- und Familienleben des Bw wird insbesondere auch auf die neuropsychiatrische Stellungnahme des Dr. X vom 1.2.2012 verwiesen. Dieser hielt fest, dass das Wiederholungsrisiko einer Straftat als äußerst gering einzuschätzen ist."

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von Benin.

 

Er wurde in Benin eingeschult und ging dort bis etwa zum 17. Lebensjahr in die Schule. Er schloss die Schule erfolgreich ab. Laut seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung könnte er mit seinem Zeugnis theoretisch in Benin die Hochschule besuchen.

 

Nach seinem Schulabschluss begann er bei seinem Vater zu arbeiten. Dieser hatte in Benin ein Textilgeschäft. Er arbeitete dort etwa 7 Jahre bis zu meinem 24. Lebensjahr.

 

Die Bundespolizeidirektion Linz erließ mit Bescheid vom 6. August 2009, AZ: 1049750/FRB, gegen den Bw gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z1 iVm. § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich.

 

Zum Sachverhalt wird in der Begründung dieses Bescheides ausgeführt:

 

"Dem Fremdenakt kann entnommen werden, dass Sie 16.04.2004 durchgehend in Österreich polizeilich gemeldet sind. In der Zeit vom 25.02.2004 bis 24.02.2005 waren Sie im Besitz eines Visums C. Am 04.03.2005 wurde Ihnen erstmals eine Niederlassungsbewilligung, Zweck: Familiengemeinschaft § 20 Abs. 1 FrG erteilt. Zuletzt waren Sie im Besitz einer Nie­derlassungsbewilligung, Zweck: beschränkt, gültig bis 06.03.2009. Am 24.02.2009 stellten Sie einen Antrag auf Verlängerung dieser Niederlassungsbewiiligung. Dieses Verfahren ist derzeit beim Magistrat Linz anhängig.

Sie sind mit der tunesischen Staatsbürgerin X, X geb., verheiratet und haben mit ihr ein gemeinsames Kind (X; X geb., StA.: Benin).

 

Am 15.06.2009 wurden Sie vom Landesgericht Linz unter der Zahl 27 Hv 79/09h wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. und 6. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 11 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt.

 

Dieser Verurteilung liegt - laut schriftlicher Urteilsausfertigung - zugrunde, dass Sie, X und X schuldig sind:

 

Punkt A.) betrifft ausschließlich X

 

Punkt B.) betrifft ausschließlich X

 

C.) vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem anderen überlassen oder verschafft haben, nämlich aus der im Anklagepunkt A.) II.) nach Österreich eingeschmuggelten Menge

I.) Sie und X in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken im Zeit­raum Anfang bis Mitte März 2009 in Linz in 2 Angriffen jeweils 50 Gramm Kokain und in 2 weiteren Angriffen jeweils 10 Gramm Kokain, sohin insgesamt 120 Gramm Kokain, zum Grammpreis von € 50,- an bislang unbekannte Abnehmer verkauft und übergeben haben;

II.) Sie, X und X am 24.03.2009 in Linz einem verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres insgesamt 299,3 Gramm Kokain (enthaltend 8082 Gramm Reinsubstanz) zum Grammpreis von € 60,- verkauft und übergeben haben, und zwar:

1.) zunächst 0,5 Gramm Kokain (enthaltend 0,14 Gramm Reinsubstanz; 28,4%) zur Probe und

2.) in der Folge 298,8 Gramm Kokain (enthaltend 80,68 Gramm Reinsubstanz; 27%).

 

Im Einzelnen wird auf die Ausführungen der schriftlichen Urteilsausfertigung verwiesen, die an dieser Stelle, um Wiederholungen zu vermeiden, zum integrierenden Bestandteil des Be­scheides erhoben wird.

 

Weiters scheinen ho. über Sie zahlreiche verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf.

 

Mit Schreiben der BPD Linz vom 23.06.2009 (zugestellt durch Hinterlegung) wurde Ihnen mitgeteilt, dass beabsichtigt ist gegen Sie ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Gleichzeitig wurde Ihnen Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen und Ihre Privat- und Familien­verhältnisse darzulegen.

 

Eine diesbezügliche Stellungnahme langte bis dato ho. nicht ein."

 

Im Rahmen der rechtlichen Erwägungen argumentierte die Bundespolizeidirektion unter anderem, das gegenständliche Aufenthaltsverbot sei auch im Sinne des Artikel 8 Abs. 2 EMRK erforderlich, um das hohe Schutzinteresse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter zu wahren.

 

Die Sicherheitsdirektion Oberösterreich wies die dagegen eingebrachte Berufung mit Bescheid vom 12. April 2010, Zahl E1/16088/2009, als verspätet zurück. Die Sicherheitsdirektion führte begründend aus, der Bescheid der BPD Linz sei dem Bw zu eigenen Handen zugestellt und am 10. August 2009 gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz hinterlegt worden. Die Berufungsschrift hätte bis spätestens 25. August 2009 zur Post gegeben oder direkt bei der oben angeführten Behörde eingebracht werden müssen. Er habe die Berufungsschrift jedoch erst am 18. September 2009 (bzw. die zweite Berufungsschrift am 21. September 2009) – also verspätet – zur Post gegeben.

 

Mit Eingabe vom 20. Mai 2010 stellte der Bw den Antrag, die BPD Linz möge ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid der BPD Linz vom 6. August 2009 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen und holte die versäumte Rechtshandlung nach und erhob gegen den Bescheid der BPD Linz vom 6. August 2009 Berufung. Für den Fall der rechtskräftigen Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrages bzw. der eingebrachten Berufung stellte er den Antrag, die BPD Linz möge das gegen ihn mit Bescheid vom 6. August 2009 erlassene Aufenthaltsverbot aufheben. Zur Begründung dieses Antrages führte er aus:

 

"Die Verhältnisse haben sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes grundlegend geändert. Am X wurde unser zweites Kind geboren. Es handelt sich um ein Frühchen mit 1600 Gramm Geburtsgewicht. Erst am 03.05.2010 konnte meine Ehegattin mit unserem Kind das Krankenhaus verlassen. Sie ist durch das lange Warten, ob unser Sohn überhaupt überleben wird, psychisch sehr belastet. Auch die Situation zuhause mit der älteren, ca. drei Jahre alten Tochter muss sich noch einpendeln. Der Sohn braucht eine 24-Stunden Betreuung und schläft nur sehr wenig. Ich versuche meine Frau so gut wie möglich zu unterstützen. Einerseits sorge ich für das Familieneinkommen, andererseits nehme ich meiner Gattin soweit es geht, die Betreuung der dreijährigen Tochter ab. Diese besondere familiäre Situation stellt einen Grund dar, der die Aufhebung des gegen mich erlassen Aufenthaltsverbotes rechtfertigt.

 

Ich habe das Haftübel für zwei Monate verspürt, bereue meine Tat zutiefst und bin insbesondere angesichts meiner Familiensituation fest entschlossen, mich in Zukunft wohl zu verhalten. Ich ersuche die Fremdenbehörde, mir nochmals eine Chance zu geben, mich in Österreich zu beweisen."

 

Die Bundespolizeidirektion Linz wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 20. Mai 2010 wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Berufung mit Bescheid vom 9. Juni 2010, AZ: 1049750/FRB als verspätet zurück.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wies daraufhin mit Erkenntnis vom 9. August 2011 die Berufung vom 20. Mai 2010 gegen den Bescheid vom 6. August 2009 als unzulässig zurück. Die Berufung vom 14. Juni 2010 gegen den Bescheid vom 9. Juli 2010 wurde als unbegründet abgewiesen.

 

Die Bundespolizeidirektion Linz entschied daraufhin im nunmehr bekämpften Bescheid über den Antrag vom 20. Mai 2010 auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom 6. August 2009.

 

Zu den familiären Verhältnissen des Bw ist festzustellen, dass sich in seinem Heimatland Benin keine Angehörigen mehr aufhalten. Seine Eltern leben seit dem Jahr 2008 im Libanon. Dort halten sich auch seine Onkeln und Tanten auf.

 

Der Bw lebt in Österreich in Familiengemeinschaft mit seiner tunesischen Gattin X und den beiden minderjährigen Kindern X, geb. X und mj. X, geb. X. Die Gattin des Bw und die beiden minderjährigen Kinder sind tunesische Staatsangehörige. X verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG". Mj. X und X verfügen jeweils über eine "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt".

 

Der Bw spricht Deutsch, Französisch, Arabisch und Englisch. Französisch ist die Amtssprache in Benin. Er verfügt über ein Prüfungszeugnis über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1. Seine Gattin spricht Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Arabisch und Flämisch.

 

In der Familie wird Arabisch gesprochen. Vom Verhandlungsleiter befragt, aus welchem Grund in der Familie Arabisch gesprochen wird, gab er an, dass es wichtig sei, dass die Kinder Arabisch sprechen lernen. Sie sollen sich mit seinen Eltern auf Arabisch verständigen können. Außerdem hat der Bw viele Freunde, die Arabisch sprechen. Das hat laut Angaben des Bw jedenfalls keinen religiösen Hintergrund. Es geht ihm in seiner Familie vor allem um einen gewissen Pluralismus.

 

Zur Erwerbstätigkeit des Bw im Bundesgebiet ist zunächst festzustellen, dass der Bw nach der Einreise im Jahr 2004 zunächst selbstständig als Autohändler arbeitete. Er hatte damit aber keinen großen wirtschaftlichen Erfolg, da er Ende 2008 arbeitslos war. Seine Gattin gab in der mündlichen Verhandlung dazu an, dass damit die schwierigen Verhältnisse begannen, die über Anstiftung des tunesischen Bekannten zur Straftat führten.

 

Nach der bedingten Entlassung am 15. Juni 2009 arbeitete er zunächst als Pizzazusteller bei der Firma X. Dann wurde ihm wegen der Straftat der Führerschein entzogen, weshalb er den Job wechselte und bei der Firma X zu arbeiten begann. Seit April 2010 steht er in einem durchgehenden Beschäftigungsverhältnis mit der Firma X, X. Dort erhält er etwa 1.100,- bis 1.200,- Euro netto monatlich, wobei ein Betrag für die Miete abgezogen wird. Dazu ist festzustellen, dass der Bw mit seiner Gattin und den gemeinsamen Kindern an der Adresse X in einer Dienstwohnung lebt.

Der Bw verfügt über einen vom AMS ausgestellten Befreiungsschein, gültig vom 9. September 2008 bis 8. September 2013 (Nr. 0274769).

 

Die Dienstzeiten des Bw sehen wie folgt aus: Von 6.00 Uhr Früh bis 14.00 Uhr Nachmittag und von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Er ist eigenen Angaben zufolge bei der Einteilung seiner Dienstzeit relativ flexibel. In der Familie würde das so gemacht, dass, wenn seine Gattin vormittags arbeitet, er vormittags zu Hause sei. So würden sich die beiden abwechseln.

 

Seine Gattin arbeitet wieder seit etwa 4 Monaten. Zuvor war sie 2 Jahre wegen der Kinder in Karenz. Zurzeit arbeitet sie 30 Stunden pro Woche bei der Firma X in X. Sie erhält dort etwa 500,- bis 700,- Euro netto monatlich. Das Gehalt hängt im Einzelfall davon ab, wie viele Stunden sie effektiv arbeitet.

 

Sie erhält für den gemeinsamen Sohn Adam etwa 450,- Euro Kinderbetreuungsgeld pro Monat. Jedes zweite Monat erhält sie 700,- Euro Familienbeihilfe für die beiden Kinder.

 

Der Verhandlungsleiter befragte die Gattin des Bw in der mündlichen Verhandlung zum Gesundheitszustand der beiden Kinder. Dazu gab sie an, dass beide Frühchen sind. Deswegen hätten beide gesundheitliche Probleme und müssten regelmäßig in ärztliche Behandlung. Adam habe zudem Sprachprobleme und müsse in Behandlung bei einer Logopädin sein. Sie müsse mit X etwa alle 3 bzw. 4 Monate zur Kinderklinik bei X. Dieser überprüfe, ob X sich gesund entwickle. Sie verweise dazu auf die vom Bw vorgelegte Krankengeschichte. Sie seien zuletzt im September 2011 in der Kinderklinik gewesen. Dort hätten sie für X als nächsten Termin den 19. März 2012 erhalten. Wenn sie zunächst davon gesprochen habe, dass sie etwa alle 3 Monate zum Kinderarzt X mussten, habe sie das so gemeint, dass ursprünglich die Termine sogar noch kurzfristiger bzw. dichter beieinander lagen. Mittlerweile sei es so, dass der letzte Termin im September 2011 war. Der nächste Termin sei der 19. März 2012.

 

Vom Verhandlungsleiter befragt, welche Betreuungsleistungen bzw. Behandlungen täglich in der Familie für X erbracht werden müssten, gab sie an, dass sie mit ihm ca. 2 Mal am Tag spazieren gehen müsse, damit er sich wohl fühle. Auch wenn er gesund sei, sollte sie eigentlich jeden Tag mit ihm inhalieren. Dies müsse fast jeden Tag der Fall sein.

 

Festzustellen ist, dass sich der Bw und seine Gattin die Betreuung der beiden Kinder zu gleichen Teilen aufteilen. Der Bw hilft seiner Frau in allen Belangen im Haushalt sowie bei der Kindererziehung.

 

Aus dem Ambulanzbefund Neonatologie vom 20. September 2011 geht in der Anamnese Folgendes hervor: "X geht es sehr gut. Im Juli 2011 hat er sich den Ringfinger in einer Schublade eingeklemmt und hat eine Infektion des Nagels gehabt. Es erfolgte hierorts in unserer Chirurgie eine Nagelextraktion, postoperativ zeigten sich keine Komplikationen, der Nagel schön nachgewachsen. Nahrung: Familienkost, 2 – 3 Mal täglich Aptamil 230 ml, Oleovit wird weiter noch gegeben, soll laut behandelnden Kinderfacharzt bis zum 2. Lebensjahr fortgesetzt werden."

Zum "Status" stellt die Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde Neonatologie in diesem Ambulanzbefund fest: "Entwicklungsneurologischer Status im korrigierten Alter von 15 Monaten und 3 Wochen: X spielt eifrig mit seiner Schwester. Sitzt mit sehr gutem Gleichgewicht, kann sich nach allen Seiten abstützen, Beine außenrotiert. Steht auf, kann frei laufen, krabbelt am Stuhl hoch, greift nach Gegenständen, gute Hand-Auge- und Hand-Hand-Koordination. Räumt Klötzchen in den Kübel ein, spricht ca. 5 bis 8 Wörter deutlich und klar. Hat Spaß am Bilderbuchlesen. Trinkt bereits aus der Tasse, mag noch nicht selbstständig mit dem Löffel essen… Insgesamt altersentsprechender neuromotorischer Status nach Griffith's Entwicklungsskala."

Im Ambulanzbefund scheint folgende Zusammenfassung auf: "X kommt in Begleitung seiner Eltern und der Schwester in die Entwicklungsambulanz zum geplanten Termin. Neuromotorisch zeigt sich eine altersentsprechende Entwicklung. Gutes Gedeihen. Die nächste Kontrolle und zugleich Abschlusskontrolle wird für März 2012 vereinbart."

 

X, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde hält im ärztlichen Attest vom 9. Februar 2012 fest:

"Bei dem Patienten X, geboren am X besteht ein Zustand nach Frühgeburt 30. Gestationswoche. Das Kind wurde wegen Atemproblemen mit Coffeinzitrat behandelt und musste auf einer Apnoematte liegen. Es besteht eine Sprachentwicklungsverzögerung. Am 20. März 2012 ist eine Entwicklungskontrolle in der Landeskinderklinik vorgesehen. Bei X und seiner Schwester X, geb. X, bestehen in den Wintermonaten rezidivierende Infekte und Brochitiden. Die Kinder müssen regelmäßig Medikamente erhalten und bedürfen einer ständigen Inhalationstherapie. Diese Infektbereitschaft tritt jährlich ab Oktober – November auf."

 

X besucht mittlerweile die Krabbelstube, die Tochter geht bereits in den Kindergarten und verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse.

 

Zum Gesundheitszustand der beiden Kinder hielt der Bw fest, dass es bei Frühgeburten oftmals zu Schwierigkeiten bei den Atemwegen kommt. Er und seine Gattin seien deswegen im Winter 2011/2012 mehrmals beim Arzt gewesen. Die Gattin des Bw war im März 2011 gemeinsam mit den beiden Kindern für etwa 3 1/2 Wochen im Libanon aufhältig. Sie besuchte den Vater des Bw, da dieser im Krankenhaus war. Er sollte – da sie mit dem Schlimmsten rechneten und der womöglich sterben würde – noch einmal seine beiden Enkel sehen. Sie hielt ausdrücklich fest, dass diese 3 Wochen für sie und die beiden Kinder furchtbar waren. Es sei geschossen worden. Außerdem gelte sie im Libanon als liberale Muslimin, da sie eine offene Frau sei und zB. kein Kopftuch trage. Dies sei für libanesische Verhältnisse durchaus gefährlich. Sie hielt fest, dass ihre Kinder unter solchen Verhältnissen nicht aufwachsen sollen.

 

Die Gattin des Bw war noch nie in Benin. Sie stellte auch klar, dass sie dort nicht hingehen wird. Sie wisse aus den Medien, dass in Benin katastrophale Verhältnisse herrschen. Es gebe in keiner Weise ein angemessenes Gesundheitssystem oder eine angemessene Infrastruktur. Sie könne und werde – sollte der Bw tatsächlich ausreisen müssen – ihn nicht in Benin besuchen. Das Flugticket alleine würde etwa 1.200,- Euro kosten. Außerdem würde sie ihre Kinder einem unverantwortbaren Risiko aussetzen. Beide seien gesundheitlich in einem eher schlechten bzw. schwachen Zustand, weshalb sie befürchtet, dass sie sich in Benin mit Krankheiten infizieren würden.

 

Der Bw sagte in der mündlichen Verhandlung demgegenüber aus, dass er – sofern dies gesetzlich so vorgeschrieben würde – nur mit der gesamten Familie ausreisen würde.

 

Seine Gattin sagte in der mündlichen Verhandlung weiters aus, dass sie ohne den Bw vor dem Nichts stehen würde. Zunächst würden sie obdachlos, da sie die Dienstwohnung ihres Gatten bei der Firma X verlieren würden. Außerdem könne sie nicht für beide Kinder verdienen gehen bzw. die Versorgung der beiden Kinder alleine sicherstellen. Sie hätten Freunde, die ihnen vielleicht 1 bis 2 Mal aushelfen würden. Eine dauerhafte Verpflegung sei aber in keiner Weise sichergestellt. Sie habe keine Angehörigen im Bundesgebiet, die ihr helfen könnten. Ihre gesamte Verwandtschaft halte sich einerseits in Tunesien, andererseits aber auch in Frankreich auf. Sie möchte ihren Mann keinesfalls verlassen. Er sei immer gut zu ihr gewesen. Er habe sie nie geschlagen. Das Familienleben sei immer harmonisch gewesen.

 

Vom rechtsanwaltlichen Vertreter befragt, ob sie Medikamente nehme, gab sie an, dass sie Psychopax-Tropfen nehme. Weiters nehme sie Xenoar und ein Schlafmittel. Sie sei wegen der mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen psychischen Probleme bei einem Hausarzt in Behandlung. Dieser habe ihr auch die Medikamente verschrieben. Außerdem habe sie bereits einen Termin bei Herrn Dr. X, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am 5. März 2012. Außerdem gehe sie zur Partner-, Ehe-, Familie-, und Lebensberatung. Sie sei am 28. November 2011 das letzte Mal dort gewesen. Sie werde sich dort aber wieder einen Termin ausmachen. Die letzten 10 Tage habe sie zu Hause bleiben müssen, um ihre beiden Kinder zu betreuen. Alle beide seien zurzeit (23. Februar 2012) krank. Sie habe heute Nachmittag (23. Februar 2012) einen Termin auf der Knieambulanz im UKH. Sie habe sich verletzt und werde unter Umständen operiert werden müssen.

 

Generell hätten sie und der Bw eine gute Perspektive in Österreich. Wenn der Bw hierbleiben dürfte, würde sie ihren Angaben zufolge wieder in ihrem ursprünglichen Beruf tätig werden. Sie sei schon als Flugbegleiterin tätig gewesen. Weiters sei sie als Reisebüro-Fachangestellte ausgebildet. Aufgrund ihrer umfangreichen Sprachkenntnisse (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Arabisch und flämisch) möchte sie ein "In-Coming-Reisebüro" eröffnen für reiche Touristen aus dem arabischen Raum.

 

Ausdrücklich festzustellen ist, dass das Aufenthaltsverbot eine erhebliche psychische Belastung für die gesamte Familie X darstellt. Der Bw gab an, er lebe seit der Entlassung aus der Haft in ständiger Angst vor der Polizei.

 

Zu den vorgelegten Anwesenheitsbestätigungen der Partner-, Ehe-, Familie-, und Lebensberatung befragt, gab er an, dass seine Gattin und er im Winter 2011 insgesamt 3 Termine dort vereinbart hätten. Seine Gattin sei am 21. November 2011 dort gewesen, des Weiteren am 28. November 2011. Sie sei bei einer Frau in Betreuung gewesen. Er sei am 28. November 2011 hingegangen und sei bei einem Mann in Betreuung gewesen. Der Grund für die Behandlung war, dass seine Familie sehr unter der unsicheren Situation leidet, die sich aus dem Aufenthaltsverbot ergibt. Für seine Gattin sei die Vorstellung unerträglich, dass er das Bundesgebiet verlassen müsste. Das mache sie psychisch fertig. Darum hätten sich die beiden für eine Behandlung bei der Partner-, Ehe-, Familie-, und Lebensberatung entschieden. Er hielt ausdrücklich fest, dass das Familienleben harmonisch sei. Das Aufenthaltsverbot bzw. die drohende zwangsweise Aufenthaltsbeendigung stelle aber eine erhebliche Belastung dar, deretwegen sie auf professionelle Unterstützung zurückgegriffen hätten.

 

Vom Verhandlungsleiter befragt, wie er zu den Straftaten heute stehe, gab er an, dass Straftaten grundsätzlich nicht seine Sache wären. Er habe sich im Jahr 2009 in einer finanzielle schwierigen Lage befunden. Sein Vermieter habe Druck gemacht. Daher habe er sich von einem Bekannten seiner Frau, einem tunesischen Staatsbürger, zu diesen Straftaten überreden lassen. Die Haft habe bei ihm zu einem Umdenken geführt. Er habe eingesehen, dass man nur mit ordentlicher Arbeit im Leben etwas weiterbringen könne. Der Sinneswandel werde durch das Beschäftigungsverhältnis dokumentiert.

 

In der neuropsychiatrischen Stellungnahme des Dr. X vom 1. Februar 2012 wird unter anderem ausgeführt: "Aus psychiatrischer Sicht ist festzuhalten, dass bei Herr X keine Psychopathologie vorliegt, er glaubhaft seinen Fehltritt bereut, sozial gut integriert ist, verheiratet und als Vater von zwei Kindern für seine Familie sorgt. Aus dieser Sicht ist das Wiederholungsrisiko einer Straftat als äußerst gering einzuschätzen."

 

Die vorgelegten Unterstützungserklärungen belegen, dass der Bw einen Freundeskreis im Bundesgebiet hat, mit dem er regelmäßig in Kontakt steht.

 

Darunter sind auch Arbeitskollegen. Er hielt fest, dass diese Freunde auch Familie hätten. Sie hätten kleine Kinder. Darum hätten er und seine Frau mit den anderen Familien intensiven Kontakt und würden sich austauschen.

 

Vom Verhandlungsleiter zu weiteren Freizeitaktivitäten befragt, gab er an, dass er sehr viel Sport treibe. Dazu sei festzuhalten, dass er einerseits mit Freunden einen Fußballplatz manchmal anmiete und dort Soccer-Five spiele. Des weiteren trainiere er mit einer Askö-Fußballmannschaft. Er sei aber nicht Mitglied beim x. Eine Vereinsmitgliedschaft würde sich zur Zeit mit seiner Berufstätigkeit nicht vereinbaren lassen. Das wäre zeitlich eine zu große Belastung, da er familiäre Verpflichtungen habe. Außerdem spiele er Basketball. Es handele sich dabei um den Verein "X", deren Trainer ihn zuletzt angesprochen hat, dass er doch zum Training kommen möge. Dort sei er letzte Woche das erste Mal hingegangen und beabsichtige er, wenn es sich zeitlich ausgehe, wieder hinzugehen. Morgen (24. Februar 2012) werde er dort wieder trainieren. Er sei aber nicht Mitglied bei den "X".

 

Vom Verhandlungsleiter befragt, ob auch Österreich zu seinem Freundeskreis gehören, gab er an, dass die Personen, die die Unterstützungserklärungen unterschrieben hätten, teilweise Österreicher sind. Weiters trainieren in den erwähnten Sportvereinen viele Österreicher.

Er erwarb seine Deutschkenntnisse in den Beschäftigungsverhältnissen und im Freundeskreis. Es liegt ein Zertifikat über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 vor.

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der Verwaltungssenat führte am 23. Februar 2012 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch, bei der der Bw als Partei und seine Gattin X als Zeugin einvernommen wurden.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den angeführten behördlichen Entscheidungen sowie dem Vorbringen des Bw und der Zeugenaussage seiner Gattin.

 

Im bekämpften Bescheid wird ausgeführt, dass die mj Tochter des Bw Staatsangehörige des Benin ist. Auf Grund der Zeugenaussage der Gattin des Bw und einem aktuellen Auszug aus dem Fremdeninformationssystem war aber festzustellen, dass die mj Kinder des Bw Staatsangehörige von Tunesien sind. 

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Das Aufenthaltsverbot vom 6. August 2009 ist mit 25. August 2009 in Rechtskraft erwachsen.

 

Gem. § 125 Abs. 16 FPG idF BGBl I Nr. 38/2011, bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gem. § 60 oder Rückkehrverbote gem. § 62 bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

 

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 31. Mai 2011, GZ 2011/22/0097, ausgeführt, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (unabhängig von der Benennung des innerstaatlichen Rechtsinstituts) um eine Rückkehrentscheidung im Sinn des Art. 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie und eine Einreiseverbot im Sinn des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handelt.

 

§ 9 Abs 1 Z 1 FPG und § 9 Abs 1a FPG sehen die Zuständigkeit des Verwaltungssenates als Berufungsbehörde grundsätzlich nur im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen sowie bei Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen vor.  Aus dem erwähnten Erkenntnis des VwGH vom  31. Mai 2011, GZ. 2011/22/0097 folgt aber letztlich, dass in Belangen einer aufenthaltsbeendenden  Maßnahme – wie z.B. Ausweisung, Aufenthaltsverbot, Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot – auf Grund der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 13 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 generell der Unabhängige Verwaltungssenat zuständige Berufungsbehörde ist.

 

Als das Aufenthaltsverbot vom 6. August 2009 erlassen wurde, war ein Verfahren über den Antrag auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung des Bw anhängig. Da er sich damals rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, sind die Bestimmungen für "Aufenthaltsverbote für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel" iSd. § 63 FPG anzuwenden.

 

Eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot sind gemäß § 69 Abs. 2 FPG auf Antrag oder von Amtswegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

 

Gemäß dem am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetz (FrÄG), BGBl. I Nr. 38/2011, dürfte im Fall des Bw ein höchstens 10-jähriges Aufenthaltsverbot erlassen werden (vgl. § 63 Abs. 3 iVm. § 53 Abs. 3 Z1 FPG). Das Aufenthaltsverbot vom 6. August 2009 überschreitet nicht diese maximal zulässige Höchstdauer.

 

Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (Vgl. VwGH vom 2. September 2008, GZ: 2006/18/0512).

 

Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Aufhebungsantrag zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zugunsten des Fremden weggefallen sind (vgl. VwGH vom 3. April 2009, GZ: 2008/22/0598).

 

Eine bloße Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist durch § 69 Abs. 2 FPG nicht gedeckt (vgl. VwGH vom 18. Juni 2009, GZ: 2008/22/0605).

 

Ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. VwGH vom 3. November 2010, GZ: 2010/18/0358).

 

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Bw entgegen der Verpflichtung zur Ausreise nach wie vor im Bundesgebiet aufhält. Er geht seit der Entlassung aus der Haft einer geregelten Erwerbstätigkeit nach. X hielt aus psychiatrischer Sicht fest, dass das Wiederholungsrisiko einer Straftat als äußerst gering einzuschätzen ist.

 

Die Frage, ob die sich in einem Fehlverhalten des Fremden manifestierende Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit als im rechtserheblichen Ausmaß gemindert anzusehen ist, ist vorwiegend daran zu messen, ob sich der Fremde tatsächlich bereits seit der Entlassung aus der Haft über einen relevanten Zeitraum wohl verhalten hat. Ein von einem Psychologen oder Psychiater festgestellter Gesinnungswandel, der nicht den Entsprechungen in einem relevanten Zeitraum umfassenden Wohlverhalten gefunden hat, reicht nicht aus (vgl. VwGH vom 11.5.2009, 2008/18/0533).

 

Die Dauer des Wohlverhaltens seit der Entlassung 15. Juni 2009 ist in Anbetracht des schweren Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. und 6. Fall SMG noch zu kurz, um auf eine nachhaltige Besserung schließen zu können. Die Gefährdungsmomente sind noch nicht weggefallen.

 

Zweifelsohne stellt die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Aufenthaltsbeendigung einen äußerst gravierenden Eingriff in das Familienleben des Bw dar. Nun durften aber weder er noch seine Gattin in Anbetracht des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes darauf vertrauen, dass der Bw im Bundesgebiet bleiben dürfe.

 

Die Bundespolizeidirektion Linz verwies im bekämpften Bescheid zutreffend darauf, dass im Aufenthaltsverbot vom 6. August 2009 bereits die damalige familiäre Situation berücksichtigt wurde. So wurde damals festgestellt, dass der Bw mit der tunesischen Staatsbürgerin X verheiratet ist und mit ihr ein gemeinsames Kind X hat.

 

Bezüglich der Familienverhältnisse ist insoweit eine Änderung eingetreten, als am X ein weiteres Kind geboren wurde. X war wie seine Schwester eine Frühgeburt. Im Ambulanzbefund vom 20. September 2011 wird ausdrücklich festgehalten, dass es mj. X "sehr gut geht".

 

Im ärztlichen Attest vom 9. Februar 2012 wird festgestellt, dass bei den Kindern in den Wintermonaten rezidivierende Infekte und Brochitiden bestehen. Die Kinder müssen demzufolge regelmäßig Medikamente erhalten und bedürfen einer ständigen Inhalationstherapie. Die Gattin des Bw gab an, sie müsse – auch wenn Adam gesund sei – fast jeden Tag mit ihm inhalieren. Es ist ihr zuzumuten, auch ohne dem Bw für diese Behandlung zu sorgen. Gleiches gilt für ihr Vorbringen, sie müsse zwei Mal am Tag mit X spazieren gehen, damit er sich wohl fühlt.

 

Der Bw und seine Gattin sind offenbar unterschiedlicher Auffassung, ob die Familie mit ihm nach Benin ausreisen oder ob sie hierbleiben wird. Diese Meinungsverschiedenheit könnte im Ernstfall nur das Pflegschaftsgericht entscheiden.

 

Aus fremdenpolizeilicher Sicht ist entscheidend, dass nur gegen den Bw eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in Rechtskraft erwachsen ist und folglich nur er das Bundesgebiet verlassen muss. Die damit verbundene Trennung stellt die Gattin des Bw bei der Kindererziehung vor große Herausforderungen. Jedoch ist nicht erkennbar, dass durch die Aufenthaltsbeendigung das Kindeswohl gefährdet würde. Mj. X besucht die Krabbelstube. Mj. X geht bereits in den Kindergarten. Insoweit wird die Gattin des Bw durch öffentliche Einrichtungen bei der Erziehung und Verpflegung der beiden Kinder unterstützt.

 

Seine Gattin konnte mit den beiden Kindern den Vater des Bw im März 2011 für 3 Wochen im Libanon besuchen. Dies zeigt, das die Gattin des Bw und die Kinder mobil sind. Es kann ihr und den beiden Kindern zugemutet werden, den Bw in Benin zu besuchen. Sie kann auch über E-Mail bzw Telefon den Kontakt aufrecht erhalten.

 

Sie geht einer geregelten Arbeit nach. Sie war schon als Flugbegleiterin tätig. Sie ist als Reisebüro-Fachangestellte ausgebildet. Weiters verfügt sie über umfangreiche Sprachkenntnisse, was generell auf dem Arbeitsmarkt einen erheblichen Vorteil darstellt.

 

Sollte sie nicht mit dem Bw ausreisen, wird sich ihre Situation nicht von der anderer alleinerziehender Mütter unterscheiden. Dazu gehört auch die Suche einer neuen Unterkunft. Der Bw kann zudem – wenn auch im geminderten Umfang – vom Ausland aus Unterhaltszahlungen leisten (vgl VwGH vom 25. Februar 2010, GZ 2010/18/0011).

 

Zusammengefasst hat sich die Sachlage nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht dermaßen geändert, dass ein Aufenthaltsverbot – aus jetziger Sicht – gemäß Artikel 8 EMRK iVm. § 61 FPG dauerhaft unzulässig wäre.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 36,10 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

Beachte:


Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.


VwGH vom 05.07.2012, Zl.: 2012/21/0099-4

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