Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730516/3/BP/Wu

Linz, 21.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA der Türkei, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 6. September 2011, GZ.: Sich40-22981-2004, betreffend die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 6. September 2011, GZ.: Sich40-22981-2004, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 67 Abs. 1 und 3 iVm. § 61  des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen und dem Bw gleichgehend von Amts wegen gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein türkischer Staatsangehöriger, seit dem 14. März 1990 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei. Von der BH Wels-Land sei ihm am 15. Dezember 1998 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung ausgestellt worden. Aufgrund dieses Umstandes und unter Berücksichtigung des ARB Nr. 1/80 des Assoziationsrates EU/Türkei, Art. 6, dessen Voraussetzungen der Bw zur Gänze erfülle, da er durchgehend mehr als 4 Jahre beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei, komme ihm die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen gemäß § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG zu.

 

Im Heimatstaat habe ein gerichtlicher Haftbefehl bzw. ein internationaler Steckbrief wegen Verdachts des Mordes bestanden. Dem Bw sei von Seiten eines türkischen Gerichtes (Amtsgericht für Strafsachen zu S. Kochisar) vorgeworfen worden, einen vorsätzichen Mord im September oder Oktober 1997 begangen zu haben. Daher sei vom türkischen Amtsgericht ein Antrag auf Auslieferung gestellt worden, dem mit Beschluss des OLG Linz vom 30. Juli 2007 stattgegeben worden sei. Der Bw habe in weiterer Folge beim BAA EAST-West zu Zl. 07 05.278 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des BAA EAST-West vom 20. August 2007 gemäß § 7 und 8 AsylG rechtskräftig abgewiesen worden sei.

 

In weiterer Folge sei der Bw an die Türkei ausgeliefert worden. Mit Urteil des Schwurgerichts Akaray zu Zl. 2008/327 und 2007/229 sei der Bw wegen Mordes gemäß Nr. 765 und Artikel 448 tStGB zu einer Haftstrafe von 24 Jahren verurteilt worden. Aus diesem Urteil sei weiters ersichtlich, dass unter Berücksichtigung des Strafzeitpunktes, Nr. 4616 und 647 des Gesetzes der Angeklagte enthaftet werden müsse. Falls der Angeklagte wegen einer anderen Straftat nicht in Haft sei, werde die Oberstaatsanwaltschaft wegen der Enthaftung schriftlich verständigt. Gegen dieses Urteil habe der Bw fristgerecht Berufung erhoben.

 

Am 22. Jänner 2009 sei der Bw zur belangten Behörde gekommen und dort zum Vorfall niederschriftlich einvernommen worden. In dieser Niederschrift habe er angegeben, aus der Haft entlassen worden und als "freier Mann" nach Österreich gekommen zu sein. Er habe gegen das oa. Urteil Beschwerde bzw. Berufung erhoben. Die Entscheidung sei noch ausständig. Er sei unschuldig.

 

Die belangte Behörde habe bereits am 19. November 2008 gegen den Bw ein Aufenthaltsverbotsverfahren – mit Aufforderung zur Rechtfertigung – eingeleitet. Am 3. März 2009 sei der Bw aufgrund der mit ihm aufgenommenen Niederschrift nochmals betreffend die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zur Stellungnahme aufgefordert worden. Eine schriftliche Stellungnahme sei durch seine Rechtsvertretung fristgerecht eingelangt.

 

Das türkische Außenministerium habe mit Schreiben vom 8. Juni 2009 der belangten Behörde betreffend den Fall des Bw Folgendes mitgeteilt:

 

"Die Haftstrafe des Angeklagten wurde aufgrund des Datums, an dem die Straftat verübt wurde, nach dem StGB Nr. 647 errechnet. Demnach wurde die Strafe um die Hälfte herabgesetzt und von dieser restlichen Strafe noch einmal zusätzlich für jeden Monat je 6 Tage abgezogen.   

Art. 1 des Gesetzes 4616, das am 21. Dezember 2000 angenommen und mit Veröffentlichung im Gesetzblatt Nr. 24268 am 22. Dezember 2000 in Kraft trat, besagt:

Bei Angeklagten, die sich aufgrund einer, vor dem 23. April 1999 verübten Straftat in Haft befinden, kann entsprechend den hier anzuwendenden Strafvollzugsbestimmungen (basierend auf die im Gesetz festgelegte Mindeststrafe für die Eigenschaft der im Vorbereitungsakt aufgeführten und für die Anklageschrift aufgeführte Straftat bzw. der jeweiligen Eigenschaft der Straftat) eine Herabsetzung der Strafdauer von 10 Jahren vorgenommen werden. Nach Berücksichtigung dieser Herabsetzung wird der Haftbefehl entsprechend der verbliebenen Haftdauer aufrecht erhalten, bzw. falls keine Resthaft mehr besteht, aufgehoben.

 

Das Datum, an dem der Angeklagte X die Straftat verübte, war 1997; demnach konnte der Obgenannte von den Bestimmungen des Gesetzes Nr. 4616 profitieren, und seine Strafe wurde um 10 Jahre herabgesetzt. Gemäß Anwendung des StGB Nr. 647 errechnete sich die bedingte Entlassung aus der Haft auf den 18. Mai 2017; doch da gemäß den Bestimmungen des Gesetzes Nr. 1616 die Strafe um 10 Jahre herabgesetzt wurde, wurde die Entlassung auf den 18. Mai 2007 festgelegt."

 

Nach neuerlicher Aufforderung am 23. Juli 2009 sei fristgerecht eine Stellungnahme des Bw übermittelt worden.

 

Nach Anfrage an die österreichische Botschaft in Ankara am 17. September 2009 über den Ausgang des Berufungsverfahrens habe diese am 9. Februar 2010 mitgeteilt, dass gemäß offizieller Mitteilung des türkischen Außenministeriums das Urteil i.G. noch nicht rechtskräftig bzw. das Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.

 

Aus diesem Grund habe die belangte Behörde mit rechtskräftigem Bescheid vom 25. Februar 2010, GZ.: Sich40-22981-2004, das Verfahren zur Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes bis zur Berufungsentscheidung ausgesetzt.

 

Nach Urgenz vom 15. Oktober 2010 an die österreichische Botschaft sei am 31. März 2011 bekannt geworden, dass das Kassationsgericht im Erkenntnis vom 24. Oktober 2010, zu Zl. 2009/6622 und Zl. 2010/3720 das erstinstanzliche Urteil zur Gänze bestätigt habe.

 

Der Bw sei am 17. Juni 2011 wiederum zur Stellungnahme betreffend das Aufenthaltsverbot aufgefordert worden und seiner Verpflichtung wiederum fristgerecht nachgekommen.  

 

Zu den Privat- und Familienverhältnissen wird angeführt, dass der 1961 geborene und seit dem Jahr 1990 in Österreich rechtmäßig aufhältige Bw, der aufgrund des Assoziationsabkommens EU/Türkei als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu betrachten sei, im Jahr 1992 eine türkische Staatsangehörige geheiratet habe, die mit ihm im selben Haushalt lebe. Dieser Ehe entstammten 3 Kinder, die X, X und X geboren seien. Sowohl die Kinder (allesamt türkische Staatsangehörige) als auch die Gattin seien im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen.

 

Der Bw habe mit der Ermordeten hier in Österreich zusammengelebt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet gewesen sei.

 

Aufgrund des gemeinsamen Familienwohnsitzes sei von einem aufrechten Familienleben auszugehen. Der Bw sei auch beruflich integriert, krankenversichert und selbsterhaltungsfähig. Daneben gehe die Gattin regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nach und sei selbsterhaltungsfähig und auch in der Lage für den gesamten Unterhalt der Kinder zu sorgen. Aufgrund des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet könne zudem vom Vorliegen entsprechender Deutschkenntnisse ausgegangen werden.

 

Der Bw sei im Alter von 29 Jahren nach Österreich gekommen, habe in der Türkei seine Schul- und Berufsausbildung absolviert und sei dort auch kulturell sozialisiert. In Österreich sei der Bw strafrechtlich unbescholten. Verwaltungsrechtlich lägen vier rechtskräftige Geldstrafen wegen Verkehrsdelikten vor. 

 

Der Bw habe ein Asylverfahren angestrebt, um der Abschiebung in die Türkei zu entgehen. Aus diesem Verfahren sei ersichtlich, dass sich seine Eltern und seine drei Brüder noch in der Türkei aufhielten, was zur Annahme familiärer Beziehungen im Heimatstaat führe.

 

Laut eigenen Angaben habe sich der im Oktober 2007 an die Türkei ausgelieferte Bw bis 2. Dezember 2008 dort in Haft befunden und sei am 20. Dezember 2008 wieder nach Österreich eingereist.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass Faktum sei, dass der Bw rechtskräftig wegen Mordes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 24 Jahren verurteilt worden sei. Somit stehe auch fest, dass er durch sein persönliches Verhalten eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Das Recht auf Leben stelle eines der bedeutendsten Grundinteressen der Gesellschaft dar und nehme einen gewichtigen Stellenwert der Bundesverfassung ein. Die Sicherheit der Republik sei nachhaltig und maßgeblich durch einen weiteren Verbleib des Bw im Bundesgebiet gefährdet. Dies werde auch dadurch untermauert, dass der Bw bis dato nicht in der Lage sei, das Urteil bzw. das Unrecht seiner Tat zu akzeptieren. Es sei jegliche Reue zu vermissen. Er leugne nach wie vor die verübte Tat. Durch dieses Verhalten zeige er noch immer die Gefährlichkeit seiner Person.  

In seiner schriftlichen Stellungnahme habe der Bw ausgeführt, dass das Urteil des türkischen Schwurgerichtshofes für österreichische Verwaltungsbehörden keine Bindungswirkung habe. Die Behörde habe sich inhaltlich mit dem Urteil und der Stichhaltigkeit der darin angeführten Gründe auseinander zu setzen und diese zu überprüfen. Eine pauschale Verurteilung reiche nicht.

 

Dazu stellt die belangte Behörde ua. fest, dass sie aus fremdenpolizeilicher Sicht eine Verurteilung wegen Mordes zu 24 Jahren unbedingt in einem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu würdigen habe, da Mord kein Bagatelldelikt, sondern das schwerste Verbrechen darstelle. Demnach habe auch die Türkei die Auslieferung des Bw verlangt. Ob die Tat als erwiesen anzusehen sei, habe nicht die Fremdenpolizeibehörde zu beurteilen, sondern allein das zuständige Gericht.

 

In der schriftlichen Stellungnahme habe der Bw weiters angegeben, aufgrund der dargelegten Zweifel an der Richtigkeit des türkischen Urteils und den aufgezeigten Widersprüchlichkeiten könne der darin festgestellte Sachverhalt nicht von der österreichischen Behörde ohne eigene Nachprüfung der Beweiswürdigung, insbesondere des gerichtsmedizinischen Gutachtens übernommen werden. Diesbezüglich sei zu ergänzen, dass dieses Gutachten auf Seite 9 des Urteils lediglich dahin zitiert werde, dass nach dem Bericht der Gerichtsmedizin X zu 99,99% der Vater des Opfers und X zu 99,99% die Mutter des Opfers seien. Dies sei ohne Relevanz für die ihm angelastete Tat.

 

Dazu werde festgehalten, dass eine Verwaltungsbehörde nicht befugt sei, ein Gerichtsurteil nachzuprüfen. Hier werde eindeutig auf die Gewaltentrennung hingewiesen.

 

Laut seiner Stellungnahme befinde sich der Bw seit 1990 im österreichischen Bundesgebiet und sei in diesen 20 Jahren weder mit den Behörden in Konflikt gekommen noch sonst in irgendeiner Art und Weise in Bezug auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auffällig gewesen. Auch die Tat, deretwegen er verurteilt worden sei, liege – selbst wenn im Urteil der Tatzeitpunkt nicht genannt werde – zumindest 17 Jahre zurück (X sei 1994 das letzte Mal gesehen worden); dies komme 2 Dritteln der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gleich. Wäre der Bw 1994 von einem österreichischen Gericht verurteilt worden, wäre er bereits bedingt entlassen worden. Jedenfalls liege ein langjähriges Wohlverhalten vor.

 

Dazu stellt die belangte Behörde fest, dass, sofern der Bw von einem österreichischen Gericht verurteilt worden wäre, gegen ihn schon ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und er in seinen Heimatstaat abgeschoben worden wäre. Auch wenn die Tat schon 17 Jahre zurückliege, sei der Bw erst am 24. April 2010 rechtskräftig wegen Mordes verurteilt worden. Regelmäßig verhielten sich Täter eines Tötungsdelikts unauffällig. Die Tatausführung berge in sich schon das erhebliche Gefährdungspotential. Den Entschluss zu fassen einen anderen zu töten, stelle eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar.

 

Laut Stellungnahme des Bw spreche gegen die Annahme einer negativen Zukunftsprognose seine unmittelbare Entlassung nach der Urteilsverkündung.

 

Dazu stellt die belangte Behörde klar, dass der Bw lediglich aufgrund einer Gesetzesänderung aus der Haft entlassen worden sei, die bloß den Vollzug aussetze, nicht aber über die Gefährlichkeitsprognose Aufschluss gebe.

 

Die belangte Behörde verkenne nicht den hohen Grad an Integration des Bw im Bundesgebiet. Jedoch gehe von seinem persönlichen Verhalten – der Ermordung eines Menschen – nicht nur eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, sondern auch eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Dies werde durch die Einstellung des Bw selbst untermauert, indem er sich nach wie vor nicht mit der Tat auseinandergesetzt habe, er nach wie vor die Tat bestreite und bis dato weder Reue noch Schuldeingeständnis zeige. Nach der Tat sei er wieder nach Österreich zurückgekehrt, um hier ein "normales" Leben mit seiner Familie zu führen, als wäre nichts geschehen.

 

Da sowohl die Gattin als auch die Kinder türkische Staatsangehörige seien, könnten diese den Bw jederzeit besuchen oder den Kontakt mittels der modernen Kommunikationsmittel aufrecht erhalten. Zudem sei die Ehegattin in der Lage für den eigenen Unterhalt und den der Kinder zu sorgen. Der Aufenthalt der Gattin und der der Kinder sei durch das in Rede stehende Aufenthaltsverbot nicht gefährdet.

 

Aus all diesen Gründen sei die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes erforderlich.   

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 27. September 2011.

Darin ficht der Bw den in Rede stehenden Bescheid seinem gesamten Inhalt nach an.

 

Wenn die Behörde dem Bw vorwerfe, die Aufarbeitung der Tat sei bei ihm noch nicht erfolgt, so schließe sie die Möglichkeit eines Fehlurteils grundsätzlich und kategorisch aus. Es sei aber eine notorische Tatsache, dass Personen auch fälschlich wegen Mordes verurteilt und sogar hingerichtet worden seien. Die Möglichkeit eines Fehlurteils sei auch in seiner Angelegenheit nicht auszuschließen. Ein Leugnen der Tat trotz Verurteilung sei daher auch aus fremdenpolizeilicher Sicht nicht zur Begründung eines Aufenthaltsverbotes geeignet.

 

Der Bw verweist auf seine bisherigen Stellungnahmen, worin er die Zweifel an der Richtigkeit des türkischen Urteils dargelegt habe. Die belangte Behörde bringe mit ihren Äußerungen eine in der Strafrechtspflege unzulässige Schlussfolgerung zur Anwendung, nämlich die, die meisten Mörder seien unbescholten, unauffällige und freundliche Menschen. Also sei auch er ein unbescholtener, unauffälliger und freundlicher Mörder. Diese Schlussfolgerung wäre nur dann zulässig, wenn alle Mörder unbescholten, unauffällig und nett wären und nicht nur die meisten.

 

Die Behörde argumentiere zum Teil widersprüchlich, indem sie einerseits zugestehe, nicht an das Urteil der türkischen Gerichte gebunden zu sein, andererseits aber doch ohne eigene Würdigung der vorliegenden Beweismittel von den Feststellungen dieser Urteile ausgehe, wobei hiezu auf die Gewaltentrennung verwiesen werde, die allerdings rein gar nichts mit der Frage der Bindungswirkung der türkischen Entscheidung für österreichische Gerichte oder Verwaltungsbehörden zu tun habe, handle es sich doch hier nicht um eine Frage der Trennung von Gesetzgebung, Vollziehung und Justiz, sondern ausschließlich darum, ob eine ausländische Entscheidung in Österreich anerkannt werde oder nicht.

 

Geradezu tendenziös seien die Ausführungen der belangten Behörde auf Seite 10 des angefochtenen Bescheides, wo bemerkt werde, der Bw hätte in Österreich mit der Ermordeten zusammengelebt, obwohl er bereits mit seiner Gattin verheiratet gewesen sei. Wie viele Österreicher seien verheiratet und würden mit einer anderen Frau zusammenleben. Die Behörde lasse tatsächlich die notwendige Sachlichkeit und Objektivität vermissen.

 

Dem Antrag des Bw in der Stellungnahme des Bw vom 19. Juli 2011 auf Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend die Gefährlichkeitsprognose sei die belangte Behörde nicht gefolgt. Sie sei in ihrem Bescheid mit keinem Wort darauf eingegangen, was hiermit ausdrücklich als Verfahrensmangel geltend gemacht werde.

 

Es sei auch der belangten Behörde entgegen zuhalten, dass in der Türkei Gesetze nicht erlassen würden, ohne dass sich zuvor Gedanken darüber gemacht würden, was damit bewirkt werde. Wenn in der Türkei ein Gesetz erlassen worden sei, aufgrund dessen für lange zurückliegende Taten – wie im Fall des Bw – eine nachträgliche Herabsetzung der Strafdauer im Umfang von 10 Jahren möglich sei und sodann unter bestimmten Umständen eine sofortige Enthaftung vorgenommen werden könne, könne der Grund nur darin liegen, dass der türkische Gesetzgeber davon ausgehe, dass der Entlassene keine Gefahr mehr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in der Türkei darstelle. Wenn eine österreichische Behörde eine andere Ansicht vertrete, habe sie dies konkret zu begründen und sich nicht mit allgemeinen Hinweisen auf die Psyche und das Verhalten der "meisten Mörder" zu berufen und daraus zwingende Rückschlüsse auf den Einzelfall zu ziehen.

 

Es könne in seinem Fall keineswegs davon ausgegangen werden, dass die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zum Schutz der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele unbedingt erforderlich sei.

 

Abschließend stellt der Bw daher den Antrag:  

Es werde der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

In eventu werde der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die I. Instanz (Einholung eines SV-Gutachtens zum Zwecke der Feststellung der Gefährlichkeit des Bw) zurückverwiesen. 

 

2.1.  Mit Schreiben vom 19. September 2011 übermittelte die belangte Behörde den in Rede stehenden Verwaltungsakt zuständigkeitshalber dem UVS des Landes Oberösterreich.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Aus der Aktenlage bzw. der Übersetzung des Urteils des Schwurgerichts 2008/327 betreffend die Aktenzahl 2007/229 und die Aktenzahl der Staatsanwaltschaft 2007/1931 geht betreffend den Sachverhalt des in Rede stehenden Mordes hervor, dass gemäß der Anklageschrift der Oberstaatsanwaltschaft Aksaray vom 7. Dezember 2002 zur Zl. 2002/1931-141-E4 festgestellt worden sei, dass der Bw mit dem Opfer in einer Beziehung gelebt habe und aus dieser Beziehung ein gemeinsamer Sohn zur Welt gekommen sei, das Opfer den Bw unter Druck gesetzt habe, damit der Bw das Opfer heirate und sich von seiner Frau X scheiden lasse und der Bw deshalb geplant habe, das Opfer zu ermorden. Der Bw habe das Opfer in das Weingut seines Vaters gebracht und dort durch erwürgen getötet. Er habe diesen Vorfall später seiner Frau X erzählt und sei mit dieser auf das Weingut zurückgekehrt und habe den Leichnam des Opfers begraben und das Weingut angezündet.

 

Dieser Sachverhaltfeststellung folgt eine dementsprechende Beweiswürdigung, die ua. Widersprüche in den Aussagen des Bw hinsichtlich seiner Anwesenheit zum Tatzeitpunkt in der Türkei, wie auch betreffend sein letztes Zusammentreffen mit dem Opfer aufzuzeigen sucht. Im Rahmen der Verhandlung entschlug sich ua. der Vater des Bw, der Besitzer des Weingutes, der Aussage.

 

Dem "In eventu-Antrag" des Bw auf Erstellung eines Sachverständigengutachtens betreffend die Gefährlichkeit war nicht zu folgen, da aufgrund der bestehenden Tatsachen (Uneinsichtigkeit des Bw, beharrliche Leugnung der Tat, mangelnde Reue) die Einholung eines derartigen Gutachtens nicht zweckmäßig und auch nicht erforderlich scheint.

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG). Auch wurde Im Übrigen besteht kein Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

Diese Vorgangsweise entspricht auch voll der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte, zumal den sachverhaltsbezogenen Vorbringen des Bw – mit Ausnahme der Frage des Mordes - ohnehin Glaubwürdigkeit zugemessen wird.

 

Abschließend ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen ua. vom 21. Dezember 2010, Zl. 2007/21/0528 und vom 5. Juli 2011; Zl. 2008/21/0671-6, explizit ausgeführt hat, dass im fremdenpolizeilichen Administrativverfahren ein Recht des Fremden von der Berufungsbehörde mündlich gehört zu werden, nicht besteht.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

Es ist darauf hinzuweisen, dass sich der Bw in seiner Sachverhaltsdarstellung im Wesentlichen darauf beschränkt der belangten Behörde generelle Äußerungen und mangelnde Feststellungen vorzuwerfen, ohne jedoch selbst konkret angaben anzubieten.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2011, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

3.1.2. Beim Bw handelt es sich zwar um einen türkischen Staatsangehörigen, der sich allerdings wegen seines seit 1990 bestehenden Aufenthalts in Österreich und der ununterbrochenen Beschäftigung bei einem Arbeitgeber von über 4 Jahren auf Art 6 des Ratsbeschlusses Nr. 1/1980 im Rahmen des Assoziationsabkommens EWG/Türkei stützen kann und demnach in seinem Status begünstigten Drittstaatsangehörigen gleichzuhalten ist, weshalb er auch betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unter § 67 FPG zu subsumieren ist.

 

3.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nachhaltig und schwerwiegend zu gefährden.

 

Nachdem der Bw seit rund 20 Jahren, wenn auch mit gewissen Unterbrechungen im Bundesgebiet aufhältig ist, kommt der besonders erhöhte Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1, 5. Satz FPG zum Tragen, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen Personen, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig ist, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

 

3.2.2. Zunächst ist das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik näher auszulegen. Es muss sich demnach um eine Gefährdung eines Sicherheitsinteresses der Republik handeln, das seiner Natur nach ein nicht punktuelles sondern ein, der Beeinträchtigung nach, breit gestreutes oder seiner Eigenheit nach von der Gesellschaft als besonders verwerflich eingestuftes Phänomen darstellt und bei dem der Staat ein besonders hohes Interesse haben muss, dessen Bedrohung und Verletzung nachhaltig und effektiv abzuwenden.

 

Mord ist eine Straftat, die als Angriff gegen das höchste Rechtsgut, das Leben von Menschen, seiner Eigenheit nach eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der Sicherheit der Republik im Sinne der obigen Überlegungen geradezu klassisch darstellt und die effektiv abzuwenden Grundinteresse einer jeglichen rechtstaatlichen Gesellschaft sein muss.

 

Allerdings stellt sich nun hier die Frage, inwieweit ausländische Verurteilungen bzw. ein im Ausland begangener Mord im Sinne der fremdenrechtlichen Beurteilung zu werten ist.

 

3.2.3.1. Zunächst ist also dabei zu klären, inwieweit eine in der Türkei begangene Straftat bei der in Rede stehenden Beurteilung in Betracht zu ziehen ist. § 67 FPG gibt darüber keinen Aufschluss. Dies korreliert mit der Vorgängerbestimmung des § 86 FPG, in der Fassung des BGBl. I Nr. 17/2011.

 

3.2.3.2. Nun ist aber mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung zur Vorgängerbestimmung festzuhalten, dass § 60 FPG in der damaligen Fassung als Orientierungsmaßstab anzusehen war, weshalb die belangte Behörde völlig zurecht offensichtlich bezogen auf Abs. 3 dieser Bestimmung i.V.m. § 73 StGB die einschlägige – in der Türkei geahndete gerichtliche Straftat in die Beurteilung mit einbezog.

 

In der aktuellen Fassung des FPG (BGBl. I Nr. 112/2011) findet sich eine dem    § 60 Abs. 3 FPG alt) vergleichbare Regelung in § 53 Abs. 5, wonach auf § 73 StGB verwiesen wird.

 

In Ermangelung einer diesbezüglichen expliziten Regelung dieser Frage in § 67 FPG ist nun zu erörtern, dass diese Norm per se generell keine Umschreibung bzw. keinen Katalog von relevanten Gerichtsdelikten anführt (weder inländische noch ausländische). In diesem Sinn wird – wie schon bei der vorhergehenden Gesetzeslage – ein Orientierungsmaßstab anzunehmen sein, wobei sich hier § 53 Abs. 5 FPG anbietet.

 

3.2.3.3. Im Ergebnis bedeutet dies, dass, sofern eine Straftat nicht getilgt ist und sofern der Tatbestand des § 73 StGB erfüllt ist, auch ausländische Verurteilungen in die Beurteilung des Verhaltens eines EWR-Bürgers oder wie hier eines türkischen Staatsangehörigen, der sich auf das Assoziationsabkommen EWG/Türkei stützen kann,  miteinzubeziehen sind.

 

Gemäß § 73 StGB stehen, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt, ausländische Verurteilungen inländischen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sind.

 

3.2.3.4. Im vorliegenden Fall wurde der Bw im Jahr 2010 rechtskräftig wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 24 Jahren verurteilt. Es ist wohl unbestritten, dass diese Tat noch nicht getilgt ist, wie auch die Tatsache, dass Mord gemäß    § 75 StGB ein Kapitalverbrechen nach der österreichischen Strafrechtspflege bildet. Die Türkei ist Mitglied des Europarates, hat die EMRK ratifiziert und ist grundsätzlich somit auch an die Vorgaben des Art. 6 EMRK gebunden. Weder aus dem Vorbringen des Bw noch aus dem Akt ergeben sich Hinweise, dass im vorliegenden Fall eine Verletzung des fairen Verfahrens Platz gegriffen hätte. Die Zusammensetzung der Gerichte, Anklage und Verteidigung entsprechen den Vorgaben der EMRK. Auch eine vom zuständigen Mitglied des UVS vorgenommene Grobprüfung des Verfahrens deutet auf keine Verletzung des Art. 6 EMRK. Die Klärung dieser Frage obliegt – im Sinne des Berufungsvorbringens - der fremdenpolizeilichen Beurteilung.

 

Nicht jedoch ist es Aufgabe des UVS eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung inhaltlich nachzuprüfen, zumal dies – der belangten Behörde folgend – eine klare Überschreitung der Kompetenzen darstellen würde.

 

3.2.3.5. Daraus folgt aber, dass – für das vorliegende Verfahren relevant – der UVS des Landes Oberösterreich davon auszugehen hat, dass der Bw tatsächlich (folgend dem türkischen Urteilsspruch) eine Frau, die ihn wegen der Heirat unter Druck gesetzt hatte und mit der er ein gemeinsames Kind hatte, ermordete, indem er sie erwürgte, und dass er sie im Anschluss im Bereich des väterlichen Weinguts verscharrte, wobei er durch Brandlegung die Spuren zu tilgen suchte. Die menschlichen Überreste wurden gefunden und als die des Opfers identifiziert.  

 

3.2.4. Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

In der Berufung wird nicht nur die Tat an sich vehement bestritten, sondern auch darauf hingewiesen, dass der in Rede stehende Mord schon vor 17 Jahren begangen wurde, der Bw sich aber in Österreich völlig unauffällig und wohl verhalten habe, weshalb keine negative Zukunftsprognose betreffend seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu erstellen sei. Weiters wird darauf hingewiesen, dass auch die türkischen Gerichte die Gefährlichkeit des Bw verneinen würden, zumal ihm der Strafvollzug erlassen worden sei.

3.2.5. Den Erwägungen der belangten Behörde folgend muss jedoch das Augenmerk im vorliegenden Fall besonders auf die näheren Umstände der Sachlage gerichtet werden.

 

Der Bw verübte Mitte der 90er-Jahre einen – den Sachverhaltsdarstellungen folgend – geplanten Mord, der jedoch erst Mitte der nächsten Dekade voll ans Licht kam. In diesem Zeitraum kann keinesfalls vom Wegfall der vom Bw ausgehenden Gefährdung gesprochen werden, gleich ob sich der Bw danach formal wohl verhielt oder nicht, denn das Verschweigen der Tat und damit verbunden das sich nicht damit Konfrontieren müssen dem Bw fraglos besonders schwer angelastet werden. Es kann also nicht die Gefährlichkeit einer Person dadurch wegfallen, dass sie einen Mord ungesühnt verschweigt. In weiterer Folge leugnete der Bw im Rahmen der Gerichtsverhandlungen beharrlich die Tatbegehung und zeigte als Konsequenz daraus auch keine Reue. Dieses Verhalten hält der Bw bis dato aufrecht.

 

Wenn nun der Bw generell auf die Möglichkeit eines Fehlurteils hinweist und damit den Schluss ziehen will, dass das Urteil nicht anzuerkennen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass – würde man seiner Intention folgen – niemals mehr eine strafgerichtliche Verurteilung, die von einem Täter nicht anerkannt wird, in eine Erörterung mit einbeziehen könnte, da stets – der menschlichen Natur innewohnend – die Möglichkeit eines Fehlurteils bestehen wird.

 

Bezeichnend ist zudem, dass der Bw - auch nicht in der Berufung – sein Bedauern für das Schicksal des Opfers äußerte, das ihn (seinem eigenen diesbezüglichen Schweigen nach) nicht besonders tangieren dürfte.

 

Der Bw hat also – wie schon die belangte Behörde zutreffend ausführte – keinesfalls gezeigt, dass er sich seiner Tat gestellt hätte, dass er diese bereuen würde oder zur Sühne bereit sei. Auch fehlte es ihm anscheinend bislang an der Möglichkeit (wie es auch Intention des Strafvollzugs ist) sein Verbrechen aufzuarbeiten.

 

Dass der Strafvollzug in der Türkei ausgesetzt wurde, kann an dieser Beurteilung nichts ändern. Die frühzeitige Entlassung etwa ist auch nach ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte nicht dazu geeignet, eine Gefährlichkeitsprognose im Sinne der fremdenpolizeilichen Normen zu verneinen.

 

3.2.6. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass aufgrund des persönlichen Verhaltens nach der Mordtat, dem anfänglichen Verschweigen und beharrlichen Leugnen sowie dem Fehlen jeglicher Reue oder gar Sühne, weiterhin ungebrochen von einem nachhaltigen und maßgeblichen Gefährdungspotential für die Sicherheit der Republik Österreich ausgegangen werden muss. Mag eine derartige Feststellung auch strikt erscheinen, ist jedenfalls auf die besondere Verwerflichkeit und das Höchstmaß an krimineller Energie hinzuweisen, das erforderlich ist, um vorsätzlich einen Menschen zu töten. Diesem Höchstmaß an krimineller Energie muss auch entschieden entgegengetreten werden, und es kann hier keine oberflächliche, bloß auf einen langen Zeitraum basierendes scheinbares Wohlverhalten Rücksicht genommen werden, da die kriminelle Energie, wenn auch nicht offen zu Tage getreten, offenbar ungebrochen mit der Persönlichkeit des Bw verbunden vorhanden ist.

 

Es muss – ohne den Grundsatz "in dubio pro reo" außer Acht zu lassen – auch weiterhin von einem akuten, nachhaltigen und besonders hohen Gefährdungspotential für die Sicherheit der Republik Österreich ausgegangen werden, weshalb der Tatbestand des § 67 Abs. 1 FPG als gegeben anzunehmen ist.

 

Allerdings ist im in Rede stehenden Fall auch besonders auf das Privat- und Familienleben des Bw im Sinne einer Interessensabwägung Bedacht zu nehmen.

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG  gelten, vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

3.4.2. Es steht außer Frage, dass das in Rede stehende Aufenthaltsverbot massiv in das Privat- und Familienleben des Bw eingreift, wobei schon an dieser Stelle anzumerken ist, dass dieses Privat- und Familienleben grundsätzlich als schützenswert zu erkennen ist. Im Bundesgebiet leben  die Gattin und drei Kinder des Bw. Zumindest zwei der Kinder sind noch nicht volljährig.

 

Hinsichtlich der Aufenthaltsdauer kann der Bw jedenfalls auf einen über 20-jährigen Zeitraum in Österreich verweisen, wobei der Aufenthalt als rechtmäßig zu  qualifizieren ist.

 

Der Bw ist als Kraftfahrer beruflich integriert, kranken- und sozialversichert sowie selbsterhaltungsfähig. Er verfügt über gute Deutschkenntnisse und – aufgrund seines langen Aufenthalts – über eine fraglos anzunehmende soziale Integration.

 

Nachdem der Bw erst im Alter von 29 Jahren nach Österreich gekommen ist, in der Türkei die Schul- und Berufsausbildung genoss sowie dort kulturell sozialisiert ist, sich noch Angehörige im Herkunftsland aufhalten und er nicht zuletzt – wie sich aus der Aktenlage ergibt – über die letzten Jahrzehnte hin den Kontakt in sein Heimatland durch Besuche gepflegt hat, scheint eine Rückkehr in die Türkei jedenfalls zumutbar.

 

Zu der mit der vom Bw verübten Mordtat verbundenen aufrechten Gefährlichkeit und der diesbezüglichen strafgerichtlichen Verurteilung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Im Rahmen der Interessensabwägung kommt dieser Verurteilung jedenfalls eine zentrale Rolle zu. In der Abwägung sind die 4 verkehrsrechtlichen Verwaltungsvorstrafen nicht besonders zu gewichten.

 

Das Privat- und Familienleben entstand nicht erst während eines aufenthaltsrechtlich unsicheren Status. Besondere Verzögerungen von Seiten der Behörden sind nicht erkennbar.

 

3.4.3. Aus all dem folgt, dass zwar ein massiver Eingriff in das Privatleben des Bw durch die Maßnahme zu bejahen ist, dass dieser aber im Verhältnis zu dem unter dem Punkt 3.2. eingehend dargestellten öffentlichen Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes weniger stark zu gewichten ist.

 

3.4.4. Bei der Abwägung ist aber besonders auch auf die Interessen der Familienangehörigen Rücksicht zu nehmen. In materieller Hinsicht ist aufgrund der unbestrittenen Selbsterhaltungsfähigkeit der Gattin des Bw, die auch in der Lage ist, für den Lebensunterhalt ihrer Kinder zu sorgen, keine unzumutbare Härte mit der fremdenpolizeilichen Maßnahme gegen den Bw verbunden.

 

Wenn auch die Bedeutung der Rolle eines präsenten Vaters für die Entwicklung der Kinder äußerst hoch anzusetzen ist, muss diese jedoch im vorliegenden Fall hinter die oa. öffentlichen Interessen zurücktreten und folglich die Beziehung des Bw zu seinen Kindern wie auch zu seiner Gattin (ebenfalls türkische Staatsangehörige) , sofern ihn die Familie nicht in sein Heimatland begleiten will, auf jederzeit mögliche Besuche in der Türkei und die Möglichkeiten der modernen Kommunikationsmittel beschränkt werden.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das in Rede stehende Aufenthaltsverbot im Rahmen der Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG nicht unzulässig scheint.

 

3.4.5. Auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips kommt man zu den eben dargestellten Überlegungen, wodurch grundsätzlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw gerechtfertigt ist.

 

3.5.1. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist auf § 67 Abs. 3 FPG zu verweisen.

 

Gemäß § 67 Abs. 3 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

     1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

     2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

     3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

     4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

3.5.2. Im angefochtenen Bescheid hatte die belangte Behörde ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Im Hinblick auf § 67 Abs. 3 Z. 1 FPG, der hier einschlägig ist, besteht kein Grund, von den diesbezüglichen behördlichen Überlegungen abzugehen, zumal der Bw ja im Jahr 2010 rechtskräftig zu 24 Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

 

In Anbetracht des festgestellten Gefährdungspotentials und der besonders großen Verwerflichkeit des Tuns des Bw kann aus derzeitiger Sicht nicht abgesehen werden, wann das beschriebene Gefährdungspotential wegfallen wird, zumal ihm jegliche Aufarbeitung des Verbrechens bis dato abgesprochen werden muss.  

 

Die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes ist daher erforderlich, um die Republik Österreich vor weiteren kriminellen Aktivitäten des Bw zu schützen. 

 

3.6.1. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

3.6.2. Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird dieser gesetzlichen Vorgabe gerecht.

 

3.7.1. Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen, der angefochtene Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.7.2. Auf eine Übersetzung des Spruchs bzw. der Rechtsmittelbelehrung konnte in Hinblick auf § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG verzichtet werden, da der Bw offenkundig der deutschen Sprache mächtig ist.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Bernhard Pree

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VwGH vom 14.06.2012, Zl. 2012/21/0109-3

 

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