Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253011/12/Py/Hu

Linz, 27.03.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x,  vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9. November 2011, GZ: SV96-72-2010/Gr, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 8. Februar 2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 1 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Hinsichtlich Faktum 2 wird der Berufung insofern Folge gegeben, als der von der Erstbehörde verhängte Strafausspruch behoben wird.

 

II.        Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen zum Verfahren vor der Erstbehörde sowie zum Berufungsverfahren.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 19, 24, 45 (zu Faktum 1) und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64ff VStG.

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9. November 2011, SV96-72-2010/Gr, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw)  wegen Verwaltungsübertretung nach § 33 iVm § 111 Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) idgF eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 49 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 73 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben es als unbeschränkt haftender Gesellschafter und somit als gemäß § 9 VStG nach außen zur Vertretung berufene Person der Firma x, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass diese Firma als Arbeitgeber ihrer Verpflichtung, die von dieser in der Krankenversicherung (Vollversicherung) pflichtversicherten, beschäftigten Dienstnehmer – vor Arbeitsantritt – beim zuständigen Krankenversicherungs­träger anzumelden insofern nicht nachgekommen ist, als die angeführte Unternehmung als Dienstgeber zumindest am 04.08.2009 die nachfolgend angeführten Dienstnehmer als Zusteller und somit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit (vollversichert) gegen Entgelt beschäftigt hat, ohne diese Arbeitnehmer – vor Arbeitsantritt – beim zuständigen Krankenversicherungsträger, nämlich der Gebietskrankenkasse mit Sitz Linz, Gruberstraße 77, angemeldet zu haben:

  1. Herrn x, geboren x, wohnhaft x, Staatsbürger von RUMÄNIEN, als Lenker des Fahrzeuges Fiat Ducato mit dem polizeilichen Kennzeichen x und
  2. Herrn x, geboren x, wohnhaft x, Staatsbürger von RUMÄNIEN, als Beifahrer.

 

Die Dienstnehmer waren nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass die vom Bw gemachten Angaben nicht zu seiner Entlastung beitrugen. Aus den vorliegenden Unterlagen war ersichtlich, dass Herr x zum gegenständlichen Tatzeitpunkt noch nicht im Besitz einer aufrechten Gewerbeberechtigung gewesen ist und er laut Anzeige der Polizei zum Kontrollzeitpunkt das gegenständliche Fahrzeug gelenkt hat. In der ersten Stellungnahme habe der Bw ausgeführt, dass an besagtem Tag Herr x für ihn tätig gewesen sei und dieser Herrn x als Beifahrer mitfahren ließ. Bei Betrachtung des Gesamtbildes ergibt sich, dass im konkreten Fall zumindest ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis bei Herrn x, der das Fahrzeug gelenkt hat und Paketzustellungen für die Firma des Bw durchgeführt hat, bestand. Herr x hatte zum Tatzeitpunkt keine aufrechte Gewerbeberechtigung und wurde ein Werkvertrag ebenso wenig wie hinsichtlich des Herrn x vorgelegt, weshalb auch bei diesem von einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit ausgegangen werden muss.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass mangels geeigneter Angaben hinsichtlich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse die belangte Behörde von der mit Schreiben vom 25. Februar 2010 angekündigten Schätzung ausgegangen ist.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 30. November 2011. Darin führt der Bw aus, dass er durch Vorlage von Unterlagen nachgewiesen hat, dass der Pkw, mit welchem die beiden Herren am 4.8.2009 unterwegs waren, bereits am Herrn x verkauft war und dieser somit mit einem eigenen Pkw unterwegs war. Der Beschuldigte habe zudem nachgewiesen, dass die erbrachten Leistungen über Honorarnoten im Rahmen von Werkverträgen erbracht und durch Legung von Honorarnoten verrechnet wurden und schade es nicht, dass Herr x formell noch über keine eigene Gewerbeberechtigung verfügte, da er diese bereits beantragt hatte. Jedenfalls ist ausreichend dokumentiert, dass Herr x als selbstständiger Unternehmer für die Firma x tätig war, wobei die Firma x am Vorfallstag keine direkten Rechtsbeziehungen zu Herrn x hatte. Dieser war ausschließlich für Herrn x tätig, welcher wiederum als Werkunternehmer für die Firma x Dienstleistungen erbracht hat. Beide hatten keinerlei Weisungsbindung gegenüber der Firma x, noch waren sie einer disziplinären Kontrolle unterworfen und traf sie keine persönliche Arbeitspflicht gegenüber der Firma x. Sie konnten sich bei Erbringung ihrer werkvertraglich geschuldeten Leistung von Dritten vertreten lassen und wurde dies seitens der Firma x nicht einmal überprüft. Sie waren in ihrer Entscheidung, die werkvertraglich geschuldete Leistung gegenüber der Firma x zu erbringen, völlig frei und bestand keine Integration in den Betrieb der Firma x. Aus den im Verfahren vorgelegten Rechnungen geht zudem hervor, dass Herr x Dienstleistungen für verschiedene Auftraggeber erbrachte, weshalb er in keiner persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Firma x stand. Derartige Paketzustellungen werden regelmäßig von nur einer Person pro Fahrzeug erbracht, Herr x war mit Herrn x zwecks Vorbereitung der soeben begonnenen eigenen selbstständigen Tätigkeit unterwegs, um die entsprechenden Abläufe kennen zu lernen. Wie bereits dargelegt, hat Herr x die von ihm für die Firma x erbrachten Transportdienstleistungen mit Honorarnote vom 13. August 2009 verrechnet und verfügt dieser über eine UID-Nummer, was ebenfalls auf eine unternehmerische Tätigkeit hinweist. Die Erstbehörde hat sich im bekämpften Bescheid mit den Beweisergebnissen sowie den Darstellungen des Berufungswerbers nicht auseinander gesetzt. Es wird festgehalten, dass zwischen der Firma x und den beiden Herren kein schriftlicher Werkvertrag ausgefertigt wurde, sondern mündliche Vereinbarungen getroffen wurden, welche die Höhe der Vergütung betrafen. Weitere Festlegungen waren zwischen den Vertragsparteien nicht erforderlich, weshalb ein schriftlicher Werkvertrag vom Berufungswerber nicht vorgelegt werden konnte und wäre es Aufgabe der Erstbehörde gewesen, diesbezüglich mit dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers in Kontakt zu treten und die Vorlage eines Werkvertrages anzuregen oder aufzutragen.

 

3. Mit Schreiben 1. Dezember 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, die aufgrund des sachlichen Zusammenhangs der den Verfahren zugrunde liegenden Verwaltungsübertretungen gemäß § 51e Abs.7 VStG gemeinsam mit der öffentlichen mündlichen Verhandlung zu dem beim Unabhängigen Verwaltungssenat anhängigen Berufungsverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zu VwSen-253010 durchgeführt wurde. An dieser Verhandlung haben der Bw mit seinem Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der am Verfahren beteiligten Organpartei teilgenommen. Als Zeuge wurde Herr x befragt, zu dessen Einvernahme eine Dolmetscherin dem Verfahren beigezogen wurde. Der ebenfalls als Zeuge beantragte rumänische Staatsangehörige x konnte mangels Vorliegen einer ladungsfähigen Zustelladresse nicht zur Berufungsverhandlung geladen werden.

 

4.1. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist unbeschränkt haftender Gesellschafter der Firma x mit Sitz in x.

 

Am 4. August 2009 führte der rumänische Staatsangehörige Herr x, geb. am x, für den Bw Paketzustellfahrten im Raum Traun – Wels mit dem im Eigentum der Firma x stehenden und auf diese Firma zugelassenen Transportfahrzeug, einem Fiat Ducato, Kennzeichen x, durch. Herr x stellte mit dem Fahrzeug der x die Pakete anhand der ihm vom Bw übergebenen Adressenliste zu. Für derartige Fahrten wird üblicherweise lediglich ein Fahrer und kein Mitfahrer benötigt. Als Entgelt wurde zwischen dem Bw und Herrn x eine Entlohnung pro Zustellstopp vereinbart. Für Transportleistungen im August 2009 erhielt Herr x von der Firma x den Betrag von 500,-- Euro bar ausbezahlt.

 

Am 4. August 2009 Tag fuhr auch der rumänische Staatsangehörige Herr x, geb. am x, der Schwager des Bw, mit Herrn x mit. Herr x hatte vor, künftig selbst als Zustellfahrer tätig zu werden und nutzte die Fahrt, um die Abwicklung der Paketzustellungen kennen zu lernen.

 

Anlässlich einer Verkehrskontrolle wurden Herr x als Lenker und Herr x als Beifahrer am 4. August 2009 um 8.10 Uhr durch Organe der Autobahnpolizeiinspektion Haid einer Verkehrskontrolle unterzogen.

 

Herr x wurde nicht vor Arbeitsantritt am 4.8.2009 als Arbeitnehmer der Firma x beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt mit den vorgelegten Urkunden und Unterlagen sowie dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 8. Februar 2012.

 

Für das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates steht aufgrund des Beweisverfahrens als erwiesen fest, dass Herr x am Kontrolltag im Auftrag des Bw mit dem im Eigentum der Firma x stehenden Transportfahrzeug Paketzustellfahrten durchgeführt hat. Aus dem vom Bw vorgelegten "Überlassungsvertrag" vom 1. August 2009 geht zweifelsfrei hervor, dass das Fahrzeug bis zur vollständigen Bezahlung (der Raten und des Restwertes) im Eigentum der Firma x verblieb. Ob Herr x überhaupt selbst über ein Transportfahrzeug verfügte, konnte der Bw nicht angeben (vgl. Tonbandprotokoll Seite 2: "Ich weiß nicht, ob Herr x ein eigenes Transportfahrzeug hatte".) Unbestritten blieb auch die Aussage, dass es sich bei Herr x um den Schwager des Bw handelt und dieser mit Herrn x unterwegs war, um die Vorgangsweise für seine künftige Tätigkeit als Paketzusteller kennen zu lernen. Den vorgelegten Unterlagen (Rechnungen) ist zu entnehmen, dass Herr x in weiterer Folge für verschiedene Auftraggeber tätig wurde. Der Aussage des Bw ist auch zu entnehmen, dass mit Herrn x eine Entlohnung je Zwischenstopp vereinbart war und derartige Fahrten üblicherweise alleine durch den Fahrer durchgeführt werden. Aufgrund der divergierenden Aussagen in der Berufungsverhandlung lassen sich keine eindeutigen Feststellungen hinsichtlich der Personen, mit denen Herr x die Beladung des Fahrzeuges durchführte, und der Betankung des Transportfahrzeuges am Kontrolltag treffen, jedoch sind diese für die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes nicht maßgeblich und kann das insoweit unbestrittene Vorbringen des Bw der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragenen Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortlich Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Seitens des Bw wurde nicht bestritten, dass er als unbeschränkt haftender Gesellschafter für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die Firma x strafrechtlich  verantwortlich ist.

 

5.2. Gemäß § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

§ 33 Abs.1a ASVG lautet: Der Dienstgeber kann die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

1.      vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und

2.      die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

 

Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten nach bürgerlichem Recht können Verpflichtungen nach dem ASVG, besonderes die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden (§ 539a Abs.2 ASVG). Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer, den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a Abs.3 ASVG).

 

5.2.1. Zu Faktum 2 des angefochtenen Straferkenntnisses bringt der Bw vor, dass der rumänische Staatsangehörige Herr x am 4.8.2009 für ihn im Rahmen eines Werkvertrages tätig war.

 

Ein Werkvertrag liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt besteht, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln muss. Die Verpflichtung aus einem Werkvertrag besteht darin, die genau umrissene Leistung (in der Regel bis zu einem bestimmten Termin) zu erbringen. Das Interesse des Bestellers bzw. die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können. Mit der Erbringung der Leistung endet das Werkvertragsverhältnis. Eine zwar leistungsbezogene, nicht aber erfolgsbezogene Entlohnung spricht gegen das Vorliegen eines Werkvertrages. Für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG ist nach § 539a ASVG der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Es ist daher unerheblich, ob bzw. allenfalls von wem ein formeller Arbeitsvertrag mit dem Ausländer geschlossen wird bzw. welchen Inhalt eine allenfalls darüber ausgefertigte Vertragsurkunde hat (vgl. VwGH vom 14. November 2002, 2000/09/0174). Für die Qualifikation der Tätigkeit kommt es daher nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien an. Maßgeblich ist die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen im Einzelfall. Das Vorliegen einzelner, auch für das Vorliegen eines Werkvertrages sprechender Sachverhaltselemente ist nicht ausreichend, wenn sich aus den Gesamtumständen unter Berücksichtigung der jeweiligen wirtschaftlichen Interessenslage Gegenteiliges ergibt.

 

Im gegenständlichen Fall wurde Herr x im Firmenwagen des Bw bei einer Tätigkeit angetroffen, die typischerweise in einem Dienstverhältnis erbracht wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch das bloße "Mitfahren" im LKW als "Verwendung" im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses anzusehen sein. Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegen stehen.

 

Der Bw gab selbst an, er habe Herrn x am Kontrolltag mit Paketzustellfahrten betraut. Bei der dabei von Herrn x verrichteten Tätigkeit konnten Weisungen betreffend das arbeitsbezogene Verhalten unterbleiben, da dieser bei der von ihm geschuldeten Tätigkeit von sich aus wusste, wie er sich zu verhalten hat. Eine großteils in Abwesenheit des Empfängers der Arbeitsleistung beschäftigte Person wird nicht schon dadurch persönlich unabhängig, dass sich aufgrund ihrer Erfahrungen oder der Natur der zu verrichtenden Arbeiten Weisungen über die Reihenfolge und den näheren Inhalt dieser Arbeit erübrigen, sofern der Beschäftigte, der somit den Arbeitsablauf selbst bestimmt, nur der stillen Autorität des Empfängers der Arbeitsleistung, d.h. seinem Weisungs- und Kontrollrecht unterliegt. Unter diesen Umständen kann ein Beschäftigungsverhältnis auch vorliegen, wenn der Dienstgeber faktisch überhaupt nicht in den Arbeitsablauf eingreift (vgl. VwGH v. 17. Jänner 1995, Zl. 93/08/0092). Die von Herrn x erwartete Zustellleistung stellte keine Tätigkeit dar, für die besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten erforderlich waren, sondern arbeitete er die ihm vom Bw übergebene Liste der Zustelladressen ab. Aufgrund der Einfachheit der zu erbringenden Leistung mangelt es daher schon an der Werkvertragsfähigkeit der vom Ausländer verrichteten Tätigkeit. Einfache, in unmittelbarem Ablauf zu besorgende Tätigkeiten, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, sind derart durch die Vorgabe des Arbeitgebers vorbestimmt, dass sie als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren sind (vgl. VwGH vom 22. Juni 2006, Zl. 2002/09/0187). Auch die an Stückzahlen bemessene Entlohnung spricht nicht gegen die Annahme eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses. Eine leistungsbezogene Entlohnung mit einem an der Erledigung von Stückzahlen orientierten Entgelt, etwa in Form von Akkordlohn, ist bei Dienstverhältnissen durchaus üblich und spricht nicht für eine Tätigkeit des Ausländers als selbstständiger Unternehmer. Zudem spricht der Umstand, dass der Ausländer für die Tätigkeit ausschließlich das vom Bw zur Verfügung gestellte Betriebsmittel verwendete, gegen das Vorliegen eines Werkvertrages. Der Bw konnte nicht darlegen, inwieweit Herr x bei der Erfüllung der ihm übertragenen Tätigkeit ein – für einen Unternehmer typisches – wirtschaftliches Risiko zu tragen hatte.

 

Auch das Vorliegen von Gewerbescheinen ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Beurteilung einer Tätigkeit als Selbstständige im Hinblick auf die Regelung des § 539a ASVG nicht ausreichend. Das Vorhandensein von Gewerbeberechtigungen, UID-Nummern oder allfälligen Wirtschaftsförderungen ändert daher nichts an der rechtlichen Beurteilung der gegenständlichen von Herrn x verrichteten Tätigkeit.

 

Da Herr x als am Kontrolltag von der Firma x beschäftigter Dienstnehmer nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde, ist der objektive Sachverhalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung hinsichtlich Faktum 1 des gegenständlichen Straferkenntnisses als erfüllt zu werten.

 

5.2.2. Dem gegenüber konnte im Beweisverfahren nicht zweifelsfrei geklärt werden, dass auch hinsichtlich des Faktums 1, der Tätigkeit des Herrn x, eine Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes vorliegt.

 

Bei der gegenständlichen Konstellation ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es nachvollziehbar und glaubwürdig erscheint, dass für die gegenständliche Zustellfahrt üblicherweise lediglich eine Person erforderlich war. Diesbezüglich hat der Bw Herrn x mit der Zustellfahrt betraut. Zudem handelt es sich bei Herrn x um den Schwager des Bw, weshalb von einem gewissen Naheverhältnis zum Bw auszugehen ist. Herr x hat die Fahrt zudem offenbar dazu genutzt, die Abwicklungsmodalitäten für seine künftige Tätigkeit als Zustellfahrer kennen zu lernen. Dass dafür ein Entgelt vereinbart wurde, konnte nicht nachgewiesen werden, vielmehr erscheint nachvollziehbar, dass Herr x, der von dieser Gelegenheit selbst profitierte, unentgeltlich gemeinsam mit Herrn x unterwegs war. Selbst der Umstand, dass Herr x bei der Kontrolle selbst den Transporter lenkte, spricht nicht gegen diese Annahme. Mangels Vorliegen einer Entgeltlichkeit ist daher das Vorliegen einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gegen Entgelt des Herrn x von der x am Kontrolltag nicht zweifelsfrei erwiesen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Hinsichtlich des dem Bw in Faktum 1. des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegten Tatvorwurfes war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Dem Bw ist es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes hinsichtlich der Beschäftigung des Herrn x am Kontrolltag kein Verschulden trifft und ist ihm daher die hinsichtlich Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen.

 

7. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Die im vorliegenden Fall vorliegende Ordnungswidrigkeit gemäß § 111 Abs.1 ASVG wird mit einer Mindestgeldstrafe von 730 Euro geahndet. Im gegenständlichen Straferkenntnis wurde dem Bw die Beschäftigung von zwei Arbeitern zur Last gelegt und über ihn eine Gesamtstrafe in Höhe von 730 Euro verhängt. Mit Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2009/08/0056-8, hat der Verwaltungsgerichtshof klar gelegt, dass die Mindeststrafe gemäß § 111 Abs.2 ASVG für jeden betretenen Arbeitnehmer einzeln zu verhängen ist. Der Unabhängige Verwaltungssenat konnte jedoch als Ergebnis des Berufungsverfahrens nur hinsichtlich des dem Bw in Faktum 2. zur Last gelegten Verhaltens eine Verwaltungsübertretung nach dem ASVG als erwiesen feststellen. Ein Maßstab, anhand dessen sich zweifelsfrei beurteilen lässt, ob die belangte Behörde für die aufrecht zu haltende eine Verwaltungsübertretung eine höhere Strafe verhängt hat oder nicht, liegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht vor und kann daher von der Berufungsbehörde im Hinblick auf das im § 51 Abs.6 VStG ausdrücklich normierte Verbot der reformatio in peius für die aufrecht erhaltene Verwaltungsübertretung ein Strafausspruch nicht erfolgen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

8. Mangels Strafausspruch zu Faktum 2. und Behebung des Faktum 1. entfallen gemäß § 64 Abs.2 VStG Kostenbeiträge zum Verfahren vor der belangten Behörde. Gemäß § 65 VStG entfällt auch die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Berufungsverfahren.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

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