Linz, 20.03.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau A J, geb. x, B, B L, vertreten durch die Rechtsanwältin Dr. R G, M, L, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 1. Februar 2012, Zl. VerkR96-4590-2011, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 20.3.2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen; das angefochtene Straferkenntnis wird im Schuld- u. Strafausspruch sowie hinsichtlich der auferlegten Gutachterkosten bestätigt.
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden der Berufungswerberin als Kosten für das Berufungsverfahren 160 Euro auferlegt (20% der verhängten Geldstrafe).
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG u. § 19 § 24, § 51, § 51c, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010
Zu II.: § 64 Abs.1 bis 3 VStG iVm § 5a Abs.2 StVO 1960
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem o.a. Straferkenntnis über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 800 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 192 Stunden verhängt, weil sie am 30.06.2011, 19:50 Uhr, in Linz, L bis ONr. den Pkw mit dem Kennzeichen x, in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.
Zuzüglich zu den Verfahrenskosten in Höhe von 80 Euro wurden gemäß § 5a Abs.2 StVO 1960 die auf das Gebührenanspruchsgesetz, BGBl. 214/1992 gestützten Kosten für die klinische Untersuchung und die Blutabnahme in Höhe von 305,30 Euro sowie die Untersuchung der Blutprobe durch das gerichtsmedizinische Institut der Universität Salzburg in Höhe von 660 Euro (insgesamt 965,30 Euro) auferlegt.
1.1. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:
2. Die Berufungswerberin erhob dagegen durch die ausgewiesene Rechtsvertreterin fristgerecht Berufung:
3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier trotz des ausdrücklichen Verzichtes der Berufungswerberin mit Blick auf das im Ergebnis den Tatvorwurf als rechtswidrig darstellenden Berufungsausführungen geboten (§ 51e Abs.1 Z1). Sowohl die Berufungswerberin als auch die Behörde erster Instanz nahmen an der Berufungsverhandlung teil.
Dem Verfahrensakt angeschlossen finden sich das polizeiärztliche Gutachten über die durchgeführte klinische Untersuchung von Dr. L. K, sowie das Gutachten über die Blutuntersuchung des gerichtsmedizinischen Institutes Salzburg-Linz (Dr. T-B, Dr. K) über den Umfang der Suchtmittelbeeinträchtigung anlässlich der verkehrsauffälligen Fahrt der Berufungswerberin am 30.6.2011 um 19:50 Uhr.
4. Sachverhalt:
Eingangs wird festgestellt, dass diesen Anlassfall betreffend bereits mit h. Erk. vom 18.8.2011, VwSen-522930/2/Br gemäß dem auch diesem Verfahren zu Grunde liegenden Gutachten, die Berufung gegen eine aufgetragene amtsärztlich Untersuchung abzuweisen gewesen ist.
Im zitierten Berufungsverfahren ging der Unabhängige Verwaltungssenat ebenfalls von einer offenkundigen Suchtgiftbeeinträchtigung der Berufungswerberin aus.
Der verfahrensgegenständlichen Fahrt lag laut Gutachtenslage ein vorheriger Konsum eines lidocainhaltigen und phenterminhaltigen Präparates (Anorektikum), sowie der Designerdroge MDPV zu Grunde. In diesem Zustand war laut Gutachter die Fahrtüchtigkeit nicht mehr gegeben, so dass ein Lenken in einem durch Drogen beeinträchtigtem Zustand als erwiesen anzunehmen war.
Der Gerichtsmediziner (Prof. Dr. rer. nat. T K, Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger) empfahl in diesem Zusammenhang die behördliche verkehrsmedizinische Überprüfung der Fahreignung der Untersuchten.
4.1. Beweisaufnahme im Berufungsverfahren:
Eingangs wird seitens der Rechtsvertreterschaft das Ergebnis der Gutachten und die diesbezüglichen Kostenvorschreibungen außer Streit gestellt. Die im Berufungsschriftsatz erhobenen Einwände mit Blick auf § 44a VStG, wonach es im Rahmen der Verfolgungshandlung im Tatvorwurf der Bezeichnung des die Fahrtauglichkeit ausschließenden Suchtmittels bedurft hätte wurden jedoch weiterhin aufrecht erhalten.
Erstmals im Zuge der Berufungsverhandlung wird jedoch die heimliche Beimengung der nachgewiesenen Suchtmittelsubstanz in ein Getränk ins Spiel gebracht. Diesbezüglich soll eine Anzeige gegen unbekannte Täter erstattet worden sein, welche einerseits unbelegt bleibt und andererseits ohne Ergebnis verlaufen sein soll. Sie verweist auf einen zur fraglichen Zeit seitens ihres Exmannes sehr schmutzig geführten Ehestreit. Diesbezüglich wurde anlässlich der Berufungsverhandlung ein Beleg über ein gegen den Ehemann S J wegen eines Vorfalls vom 4.7.2011 u. 1.7. bis 15.8.2011 durch Diversion erledigtes Verfahren nach § 223 u. § 229 StGB v. 3.2.2012, GZ 45 BAZ 546/11v – 11, vorgelegt (Beilage 1).
Konkret führt die Berufungswerberin nunmehr aus, sie habe sich am 30.6.2011 den ganzen Tag über im eigenen Lokal aufgehalten und dort Büroarbeiten gemacht. Da es ihr physisch nicht gut gegangen sei habe sie am Abend mehrfach versucht ihren Ehegatten anzurufen bzw. ihn mit SMS zu erreichen, damit dieser sie nach Hause fahre. Da jedoch ein Kontakt scheiterte sei sie schließlich selbst gefahren. Offenbar habe jemand bereits im Vorfeld die Polizei verständigt, welche ihr bis zum Ort der Anhaltung um 19:50 Uhr ca. fünf Kilometer weit nachgefahren sei.
Die Beeinträchtigung durch Suchtmittel wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung letztlich außer Streit gestellt.
Die Berufungsbehörde sieht angesichts des im Rahmen der Berufungsverhandlung geschöpften Beweisergebnisses keine Veranlassung der nunmehrigen Verantwortung eines unverschuldeten Lenkens eines Pkw unter Suchtmittelbeinträchtigung zu folgen.
Wäre die Berufungswerberin tatsächlich von der Beimischung eines Suchtmittels in ein Getränk ausgegangen, so hätte sie dies wohl noch im Zuge der Amtshandlung oder spätestens gegenüber der untersuchenden Ärztin erwähnt und nicht erst ein dreiviertel Jahr später im Zuge der Berufungsverhandlung.
Letztlich werden die beiden auf hoher fachlicher Ebene generierten Gutachten (die klinische Untersuchung des Amtsarztes kurz nach der Anhaltung der Berufungswerberin als KFZ-Lenkerin, sowie aus der Blutuntersuchung gezogenen fachlichen Schlussfolgerungen durch Prof. Dr. K), selbst von der Berufungswerberin nicht mehr in Frage gestellt.
Für die Berufungsbehörde besteht sohin kein Zweifel daran, dass die Berufungswerberin die ihr zur Last gelegte Übertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 sowohl objektiv als auch subjektiv zu verantworten hat.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Der § 5 Abs.1 StVO 1960 idF BGBl. I Nr. 59/2011 lautet: "Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt."
Nach § 99 Abs.1b StVO 1960 idF BGBl I Nr. 59/2011 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 800 Euro bis 3.633 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.
5.1. Als unzutreffend erweist sich der Verfahrens- u. Verjährungseinwand ob der fehlenden Bezeichnung des Suchtmittels im Tatvorwurf. Diesbezüglich ist ebenfalls auf die Judikatur zum Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu verweisen, wo weder das Ausmaß der Alkoholisierung noch die nicht benannte Art des genossenen Alkohols ein wesentiches Tatbestandselement darstellt und die Aufnahme in den Spruch daher nicht geboten ist; VwGH 16.12.2005, 2005/02/0236 mit Hinweis auf VwGH 2.9.1992, 92/02/0169). Nicht anders sieht es der Unabhängige Verwaltungssenat im Falle einer Beeinträchtigung durch Suchtmittel. Die Fassung der anzuwendenden Rechtsvorschrift ist selbst außerhalb der Verjährungsfrist noch korrigierbar.
Es entspricht ferner der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass, wie auch zur Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes, einem derartigen Umstand (nur) dann Bedeutung beizumessen ist, wenn auf diesen von Betroffenen bei erster sich bietender Gelegenheit von sich aus hingewiesen wird (vgl. unter vielen VwGH 7.8.2003, 2000/02/0035 und VwGH 17.12.1999, 97/02/0545).
Wie oben bereits dargelegt war der erstmals im Zuge der Berufungsverhandlung vorgetragenen Verantwortung über die heimliche Beigabe eines Suchtmittels in das Getränk nicht zu folgen.
6. Zum Strafausspruch:
Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
6.1. Hier fand die Behörde erster Instanz mit der Mindeststrafe von 800 Euro und mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 192 Stunden (entspricht acht Tagen) - und demnach einem die Mindestersatzfreiheitsstrafe um 24 Stunden übersteigenden Ausmaß - das Auslangen.
Abschließend sei festgestellt, dass hier die Anwendung des a.o. Milderungsrechtes (§ 20 VStG) lediglich bei beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe zulässig wäre. Mangels beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kommt auch die Anwendung dieses Rechtsinstitutes nicht in Betracht. Ebenso wenig ist angesichts des Wissen von einer möglichen Suchtmittelbeeinträchtigung zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes von keinem geringem Verschuldensgrad sowie angesichts der kilometerweiten Fahrt auch von keinen bloß unbedeutenden Tatfolgen auszugehen gewesen.
Sowohl die Auslagen für die Gutachten als auch die Verfahrenskosten waren iSd Punkt II. als gesetzlich begründet festzustellen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von € 220,-- zu entrichten.
Dr. B l e i e r