Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730255/26/Wg/Sta

Linz, 09.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwälte und Strafverteidiger X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12. Jänner 2010, Sich40-376-2033, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19. Jänner 2012 zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit Bescheid vom 12. Jänner 2010, Sich40-376-2003, gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 60 Abs.1 und 2 Z1 iVm §§ 61 Abs.3, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren, das ist bis 12. Jänner 2020, für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. Das Aufenthaltsverbot stützt sich im Wesentlichen auf näher angeführte strafrechtliche Verurteilungen des Bw.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 27. Jänner 2010. Der Bw stellte darin den Berufungsantrag, die Sicherheitsdirektion Oö. möge der Berufung Folge geben, den angefochtenen Bescheid beheben und das Verfahren einstellen.

Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 – FRG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion Oö. dem Unabhängigen Verwaltungssenat den Verfahrensakt zuständigkeitshalber übermittelt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat führte am 19. Jänner 2012 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der rechtsanwaltliche Vertreter erstattete eingangs folgendes Vorbringen:

"Es wird auf die Ausführungen im Berufungsschriftsatz verwiesen. Der Berufungswerber ist in Österreich bestens integriert. Dies belegen einerseits die Stellungnahmen der Bewährungshilfe, die Lohnzetteln sowie eine Stellungnahme seiner Lebensgefährtin Frau X. Diese Unterlagen werden dem Verhandlungsleiter zur Einsicht vorgelegt." Der rechtsanwaltliche Vertreter verwies abschließend auf die Ausführungen im Berufungsschriftsatz und beantragte die Behebung des Aufenthaltsverbotes.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger der Türkei.

 

Der Bw reiste im Jahr 1976 das erste Mal gemeinsam mit seinen Eltern nach Österreich. Die Bundespolizeidirektion Linz erließ mit Bescheid vom 16. Jänner 1985, FR-67.099, ein bis zum 31. Jänner 1990 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich. Der Begründung des Bescheides zufolge müsse der Bw als Fremder betrachtet werden, dessen weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde und insbesonders öffentlichen Interessen zuwiderlaufe, weil ihm bewusst gewesen sei, dass sein Sichtvermerk gefälscht und mit diesem verfälschten Sichtvermerk nicht nur die Grenzkontrollstellen, sondern auch das türkische Konsulat in Salzburg getäuscht wurde. Weiters sei er wegen Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz und Meldegesetz rechtskräftig bestraft worden.

 

Der Bw verließ daraufhin im Jahr 1985 freiwillig das Bundesgebiet und kehrte in die Türkei zurück. Von 1985 bis zur neuerlichen Einreise im November 1996 hielt er sich in der Türkei auf. Die Einreise erfolgte auf Grund eines Aufenthaltstitels und war daher rechtmäßig. Zuletzt stellte er am 29. März 2007 einen Verlängerungsantrag seiner "Niederlassungsbewilligung – beschränkt". Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land wies diesen Antrag als vom Landeshauptmann von Oberösterreich ermächtigte Behörde mit Bescheid vom 3. August 2009 gemäß § 13 Abs.3 AVG zurück. Die Bundesministerin für Inneres wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 11. November 2009, Zl. 154.519/2-III/11/09, ab. Der Verwaltungsgerichtshof behob mit Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2009/21/0407-12, den Bescheid der Bundesministerin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, woraufhin die Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom 25. Juli 2011, Zl. 154.519/14-III/4/11, den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. August 2009 behob. Das Verfahren über den Verlängerungsantrag ist nach wie vor anhängig.

 

Zu seinen familiären Verhältnissen ist festzustellen, dass der Bw am X in der Türkei eine türkische Staatsangehörige heiratete. Seine Ehegattin kam im Jahr 1997 nach Österreich. Aus der Beziehung gingen zwei Kinder hervor. Im Jahr X wurde die Ehe aber geschieden. Bis zur Scheidung lebten der Bw und seine Gattin sowie die beiden gemeinsamen Kinder in Familiengemeinschaft in Österreich. Nach der Scheidung verlies der Bw die eheliche Wohnung. Im Jahr X kehrte seine Ex-Gattin gemeinsam mit den beiden Kindern in die Türkei zurück, wo sie sich seither aufhalten. Die beiden Kinder sind mittlerweile volljährig. Der Bw hat keinen Kontakt zu seinen Kindern.

 

Der Bw hält einen ständigen Kontakt zu seinen Verwandten im Bundesgebiet. Dabei handelt es sich um folgende Personen: X (Vater), X (Mutter), X (Bruder), X und X (Schwestern); zu seinen Schwestern hat er aber keinen intensiven Kontakt. Soweit ihm bekannt ist, heißt seine Schwester X mit Nachname X. Wie seine Schwester X mit Nachnamen heißt, konnte er in der mündlichen Verhandlung nicht sagen. Darüber hinaus leben noch ein Onkel und seine Cousinen in Grieskirchen. Außerdem hat er in Österreich einen großen Freundeskreis.

 

Er sieht seine Verwandten grundsätzlich alle 2 Wochen. Seinen Vater und seine Mutter besucht er jede Woche. Wenn er freitags  mit seinem Hendlgrillstand am Hauptplatz steht, bringt ihm seine Schwester X, die in X eine Boutique betreibt, Kaffee bzw. besucht sie ihn jede Woche, wenn er in X ist.

 

Die Freundin des Bw heißt X und lebt in X, X in X. Die beiden führen keinen gemeinsamen Haushalt. Sie sehen sich etwa alle 2 Wochen. Sie telefonieren täglich etwa zweimal. Frau X ist österreichische Staatsbürgerin. Die beiden lernten sich im Jahr 2008 kennen. Der Bw machte ihr im Jahr 2008 einen Heiratsantrag. Wegen der darauffolgenden strafrechtlichen Probleme kam es aber nicht zur Eheschließung. Frau X erklärte in dem bei der mündlichen Verhandlung vom rechtsanwaltlichen Vertreter überreichten Schreiben vom 15. Jänner 2012, dass der Bw ihr Lebensmensch geworden sei. Sie wollen gemeinsam alt werden, Freud und Leid teilen. Sie wolle mit Herrn X eine gemeinsame Zukunft aufbauen.

 

Zur Ausbildung des Bw ist festzustellen, dass er in der Türkei eingeschult wurde und dort auch die Hauptschule besuchte. Er konnte die Hauptschule zunächst nicht abschließen, da er mit seinen Eltern nach Österreich auswanderte. Er kehrte etwa 2 Jahre nach der ersten Einreise in die Türkei zurück, wo er diese Prüfungen nachholte. Er verfügt daher über einen Hauptschulabschluss in der Türkei. In Österreich ging er nicht in die Schule und machte auch keine besonderen Ausbildungen. Er erwarb sich durch seine eigene Tätigkeit die erforderlichen Kenntnisse für das Gastgewerbe. Er verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse. Mittlerweile spricht er die deutsche Sprache eigenen Angaben zufolge besser als Türkisch. Er sei aber in der Lage, sich in der türkischen Sprache zu verständigen. Er beherrsche auch die kurdische Sprache. Kurdisch sei seine Muttersprache. Er könne Deutsch besser als Türkisch und Kurdisch. Kurdisch spreche er aber sicher besser als Türkisch.

 

Zur beruflichen Integration des Bw ist festzustellen, dass er gewerberechtlicher Geschäftsführer der X war, die das Gastronomiegewerbe angemeldet hatte. Die X betrieb ein Cafehaus in X. Bei der Auflösung der KEG im Jahr 2002 waren laut Angaben des Bw insgesamt etwa 15.000 Euro Schulden vorhanden. In den folgenden Jahren vermehrten sich diese Schulden infolge von Mahnungen, Zinsen etc. Er versuchte nach dem 2002 noch etwa 2 Jahre lang das Cafe zu betreiben. Im Jahr 2004 beschloss er, arbeiten zu gehen. Im Versicherungsdatenauszug der Gebietskrankenkasse scheinen im Zeitraum vom 15. März 2004 bis 31. August 2004, vom 21. Dezember 2004 bis 5. April 2005, vom 3. Juni 2005 bis 19. August 2005, vom 1. Oktober 2005 bis 7. Dezember 2005, vom 20. Dezember 2005 bis 10. März 2006, vom 9. Juli 2006 bis 21. Oktober 2006, am 17. Dezember 2007, vom 29. März 2007 bis 23. April 2007, vom 13. Juni 2007 bis 15. August 2007, vom 16. August 2007 bis 11. April 2008, vom 24. April 2008 bis 22. August 2008, vom 17. Juli 2009 bis 24. Juli 2009, vom 20. Jänner 2010 bis 22. Jänner 2010 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse auf. Seit dem 30. März 2010 steht er in einem aufrechten Arbeitsverhältnis mit der X GmbH. Laut den vorgelegten Lohnzetteln wurde ihm im September 2011 ein Betrag von 885,10 Euro ausbezahlt, 220,17 Euro wurden im Wege der Gehaltsexekution abgezogen. Im Oktober 2011 wurden ihm 885,10 Euro ausgezahlt. 195,17 Euro wurden im Wege der Gehaltsexekution und 25 Euro als Pfändungskosten abgezogen. Im November 2011 wurde ihm ein Betrag von 1.764,20 Euro ausbezahlt. Die Gehaltsexekution belief sich auf 437,53 Euro. Im Dezember wurde ihm wiederum ein Betrag von 885,10 Euro bei einer Gehaltsexekution über 220,17 Euro ausbezahlt. Laut Mitteilung des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 24. Jänner 2012 kann der Bw auf Grund dieser mehr als einjährigen Beschäftigung beim selben Arbeitgeber das Recht auf Verlängerung seiner Arbeitsbewilligung gemäß Artikel 6 Abs.1 erster Gedankenstrich des ARB 1/80 geltend machen.

 

Zu seinen finanziellen Verhältnissen ist festzustellen, dass er eigenen Angaben zufolge Schulden in der Höhe von etwa 23.000 oder 24.000 Euro hat. Hauptgläubiger sind die Träger der Sozialversicherung.

 

Zur sozialen Integration ist ergänzend festzustellen, dass er während seiner Tätigkeit im Cafe in X sehr viele Leute, darunter auch österreichische Staatsbürger kennen lernte. Er spielte darüber hinaus in X 15 Jahre lang in einem Fußballverein.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde er zur Gestaltung seiner Freizeit befragt. Dazu gab er an, dass er sehr viel arbeiten würde. Nach der Dienstzeit würde er sich ausruhen für den nächsten Arbeitstag. Am Wochenende würde er dann seine Freundin treffen.

 

Der Bw wurde in Österreich mehrmals strafrechtlich verurteilt. So hat das Bezirksgericht Ried i.I. mit Urteil vom 22. April 2003, Zl. 4 U 41/03f zu Recht erkannt:

"X ist schuldig; er hat am 28:10:2002 in X mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, X und X durch die Vortäuschung, ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Kreditnehmer zu sein, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur Ausfolgung eines Bargeldbetrages von € 1.500,--, sohin zu einer Handlung verleitet, welche X und X am Vermögen schädigte, wobei der Schaden € 2.000,-- nicht überstieg.

Strafbare Handlung(en):

Vergehen des Betruges nach dem § 146 StGB

Anwendung weiterer gesetzlicher Bestimmungen:

Strafe:

2 (zwei) W o c h e n  Freiheitsstrafe

Gemäß § 43 Abs.1 StGB wird der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen."

Mildernd war das Geständnis. Erschwerend die einschlägige Vorstrafe.

 

Das Landesgericht Wels hat mit Urteil vom 12. Jänner 2005, Zl. 12 HV 110/2004d, zu Recht erkannt:

"X ist schuldig,

er hat zu nachfolgenden Zeiten und Orten ihm anvertraute Güter in einem € 3.000,-- übersteigenden Wert in Höhe von € 4.995,99, nämlich die für per Nachnahme übernommenen Pakete von Kunden übergebenen Inkassobeträge, sich mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung zugeeignet, indem er das Geld für sich verwendete, und zwar

1.    am 18.11.2003 in X € 1.088,39

2.    am 25.11.2003 in X € 1.327,20

3.    am selben Tag in X € 295,20

4.    am 5.4.2003 in X € 1.190,08

5.    am 11.12.2003 in X € 150,64

6.    am 12.12.2003 in X € 54,90

7.    am 15.12.2003 in X €246,20

8.    am 11.12.2003 in X €281,66.

 

X hat hiedurch das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs.1 und 2, 1. Fall StGB begangen und wird hiefür unter Bedachtnahme auf §§ 28 Abs.1, 29 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs.2 StGB zur

Freiheitsstrafe von vier Monaten

sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß § 43 Abs.1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 369 Abs.1 StPO ist er schuldig, dem Privatbeteiligten X einen Schadenersatzteilbetrag von € 1.000,-- zu bezahlen.

Gemäß § 366 Abs.2 StPO wird der Privatbeteiligte mit seinen weiteren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen."

Mildernd war das Tatsachengeständnis, erschwerend die Tatwiederholung sowie eine einschlägige Vorverurteilung.

 

Das Oberlandesgericht Linz gab der dagegen erhobenen Berufung sowie der dagegen erhobenen Beschwerde mit Urteil vom 22. September 2005, Zl. 7 BS 227/05i, keine Folge.

 

Das Bezirksgericht Wels hat mit Urteil vom 24. Juli 2007, Zl. 16 U 61/07s, zu Recht erkannt.

"X ist schuldig;

er hat am 24.10.2006 in X

a)    mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, X durch die falsche Vorstellung eines rückzahlungsfähigen und rückzahlungswilligen Darlehensnehmers, somit durch Täuschung über Tatsachen, zu einer Handlung, nämlich zur Hingabe eines Darlehens von € 500,--verleitet, wodurch X einen Schaden in der Höhe von € 500,-- erleiden sollte und in dieser Höhe auch erlitt;

b)    ein ihm von der Fa. X anvertrautes Gut, nämlich den an sie verpfändeten PKW, Marke VW Golf, sich mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, zugeeignet, indem er diesen in Kenntnis der Verpfändung an X um € 900,-- verkaufte.

X hat hiedurch zu a) das Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB und zu b) das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs.1 StGB begangen.

Er wird hiefür nach § 133 Abs.1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt.

Gemäß § 389 StPO hat X die Kosten des Strafverfahrens zu ersetzen.

X ist weiters schuldig, dem Privatbeteiligten X einen Betrag von € 500,-- und dem Privatbeteiligten X einen Betrag von € 900,-- bei sonstiger Zwangsfolge zu bezahlen.

II. den Beschluß gefasst:

1.    Aus Anlass dieses Urteils wird von einem Widerruf der bedingten Strafnachsicht der mit Urteil des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 22.4.2003, 4 U 41/03, verhängten Freiheitsstrafe von 2 Wochen  gemäß § 494a Abs.1 Z2 1. Fall StPO abgesehen.

2.    Aus Anlass dieses Urteils wird weiters von einem Widerruf der bedingten Strafnachsicht der mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 12.1.2005, 12 Hv 110/04, verhängten Freiheitsstrafe von 4 Monaten gemäß § 494a Abs.1 Z2 1. Fall StPO abgesehen. Gemäß §§ 53 Abs.2 StGB, 494a Abs.7 StPO wird die dort bestimmte Probezeit auf Jahre verlängert."

Mildernd war kein Umstand; erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen. Das Landesgericht Wels gab der Berufung mit Urteil vom 15. November 2007, Zl. 24 BL 111/07k dahingehend Folge, dass die Freiheitsstrafe auf 6 Wochen herabgesetzt wurde.

 

Das Landesgericht Wels hat mit Urteil vom 9. Dezember 2008, Zl. 13 HV 130/08h, zu Recht erkannt:

"I. X ist schuldig;

er hat im Zeitraum vom 05.04.2008 bis 10.04.2008 ein ihm als Kellner mit Inkassoberechtigung im X anvertrautes Gut in einem € 3.000,-- übersteigenden Wert, nämlich in fünf Angriffen Bargeld in der Höhe von insgesamt €3.850,--, dadurch, dass er die einzelnen Bargeldbeträge für sich behielt und diese überwiegend in diversen Spielcasinos verspielte, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Er hat hiedurch begangen das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs.1 und 2, 1. Fall StGB und er wird hiefür unter Anwendung des § 29 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs.2 StGB zu einer

Freiheitsstrafe  von Sieben Monaten

sowie gemäß § 389 Abs.1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens

verurteilt.

III. Gemeinsam mit dem Urteil fasst das Landesgericht Wels nachstehenden

Beschluss

Gemäß § 494a Abs.1 1 2 1. Fall StPO wird aus Anlass dieses Urteils von einem Widerruf der mit Urteil des

a)       Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 22.04.2003, rechtskräftig seit 26.04.2003, 4 U 41/03f verhängten Freiheitsstrafe von zwei Wochen

b)       Landesgerichtes Wels vom 12.01.2005, rechtskräftig seit 22.09.2005, 12 Hv 100/04d verhängten Freiheitsstrafe von vier Monaten abgesehen."

Mildernd war die geständige Verantwortung sowie die gänzliche Schadensgutmachung; erschwerend drei einschlägige Vorverurteilungen.

 

Das OLG Linz  hat mit Urteil vom 16. April 2009, Zl 7 Bs 102/09p, über die dagegen erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe gegen das Urteil des LG Wels vom 9. Dezember 2008 sowie über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das gleichzeitig erklärte Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht zu Recht erkannt: "Der Berufung wird Folge gegeben; Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch dahin abgeändert, dass die Gewährung bedingter Strafnachsicht aus dem Urteil ausgeschieden wird." Weiters beschloss das OLG, der Beschwerde keine Folge zu geben.

 

Der Bw befand sich aus diesem Grund in der Zeit von 28. Juli 2009 bis 14. Jänner 2010 in gerichtlicher Strafhaft. Am 14. Jänner 2010 wurde er bedingt entlassen.

 

Festzuhalten ist, dass er vom 13. Jänner 2004 bis 4. Februar 2004 auf Grund der Strafverfügung des Finanzamtes Grieskirchen vom 27. September 2002 wegen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs.2a sowie der Finanzordnungswidrigkeiten nach § 51 Abs.1 Finanzstrafgesetz eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte.

 

Der Bw wurde in der mündlichen Verhandlung vom Verhandlungsleiter befragt, wie er zu den in den Urteilen angeführten Vermögensdelikten heute stehe. Dazu gab er an, dass er sich, seitdem er mit einer Österreicherin zusammen sei, vollkommen geändert habe. Aus den Schulden heraus hätten sich auch die strafbaren Handlungen ergeben. Dies würde ihm sehr leid tun. Er habe einen großen Fehler gemacht. Er habe eingesehen, dass nur über ein ordentliches Beschäftigungsverhältnis diese problematische Situation gelöst werden könne. Er stelle sich der Verantwortung und zahle die Schulden jetzt auf legalem Weg zurück. Ihm sei wichtig, dass aus dem wirtschaftlichen Scheitern der KEG niemand einen Schaden erleide.

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die mündliche Verhandlung am 19. Jänner 2012, bei der der Bw als Partei einvernommen wurde. Das Schreiben der X vom 15. Jänner 2012, das Schreiben der Bewährungshilfe vom 3. Jänner 2012 sowie die Verdienstnachweise für Dezember, November, Oktober und September 2011 wurden in Kopie als Beilage der Niederschrift angeschlossen. Der Inhalt dieser Schreiben wird – soweit erforderlich – bei den Feststellungen wiedergegeben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat befasste weiters das AMS Oberösterreich mit der Frage, ob der Bw Rechte aus dem Assoziationsabkommen mit der Türkei geltend machen könnte. Das Antwortschreiben des AMS vom 24. Jänner 2012 ist in seiner wesentlichen Schlussfolgerung oben wiedergegeben. Die BH Wels Land erhielt dieses Schreiben zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme. Sie gab dazu keine Stellungnahme ab.

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

§ 9 Abs. 1 Z 1 FPG und § 9 Abs. 1a FPG sehen die Zuständigkeit des Verwaltungssenates als Berufungsbehörde grundsätzlich nur im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen sowie bei Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen vor. Aus dem erwähnten Erkenntnis des VwGH vom 31. Mai 2011, GZ: 2011/22/0097, folgt aber letztlich, dass im Belangen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme – wie z. B. Ausweisung und Aufenthaltsverbot – aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit von Artikel 13 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie 2008/115/eg des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 generell der Unabhängige Verwaltungssenat zuständige Berufungsbehörde ist.

 

Gemäß § 125 Abs. 16 FPG 2005 idF BGBl I 38/2011 (= idgF) sind vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

 

Der Bw hält sich im Verlängerungsverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er kann auf Grund seines letzten Beschäftigungsverhältnisses Rechte aus dem Assoziationsabkommen mit der Türkei nach Artikel 6 Abs.1 erster Gedankenstrich für sich geltend machen. In die dem Fremden demnach zukommende Rechtsstellung könnte – ebenso wie in die Rechtsstellung gemäß Artikel 7 ARB – nach der Judikatur des EuGH zu Artikel 14 ARB nur unter den gleichen Voraussetzungen eingegriffen werden, unter denen ein Eingriff in die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Mitgliedsstaaten zulässig ist. Die gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes werden mit dem – seinem Wortlaut nach nur für freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige anwendbaren - § 67 Abs.1 FPG umgesetzt. Dies bedeutet, dass § 67 Abs.1 FPG auf türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach Artikel 6 oder Artikel 7 ARB erlangt haben, anzuwenden ist (vgl. VwGH vom 13. November 2007, 2007/18/0545).

 

Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR Bürger, Schweizer Bürger, Begünstigte Drittstaatsangehörige und Familienangehörigen von nicht unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und Österreichern gemäß §§ 65b und 67 FPG haben sich mit Inkrafttreten des FRÄG am 1. Juli 2011 nicht wesentlich geändert.

 

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist gemäß § 67 Abs 1 FPG zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

Ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 67 Abs 2 FPG für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

 

Ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 67 Abs 3 FPG unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

Dem Bw würde die Rechtsposition nach Artikel 6 ARB nur dann nicht zukommen, wenn sein persönliches Verhalten nach wie vor eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Nur unter dieser Voraussetzung dürfte ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs.1 FPG erlassen werden.

 

Bei dieser Gefährdungsprognose war zunächst zu berücksichtigen, dass der Bw bei den Straftaten keine Gewalt anwendete. Er beging die Straftaten wegen der Schulden, für die er nach der Auflösung der X KEG im Jahr 2002 einzustehen hatte. Es sind seinen Angaben zufolge etwa noch 23.000 oder 24.000 Euro an Schulden vorhanden. Der Bw gab an, er habe eingesehen, dass nur über ein ordentliches Beschäftigungsverhältnis diese problematische Situation gelöst werden könne. 

 

Dazu ist festzuhalten, dass ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters in erster Linie daran zu messen ist, innerhalb welchen Zeitraumes er sich nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohl verhalten hat (vgl. VwGH vom 19. Mai 2011, GZ. 2008/21/0486). Gegen die von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land im bekämpften Bescheid vorgenommene Gefährdungsprognose bestehen aus Sicht der damaligen Rechts- und Sachlage keine Bedenken. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Berufungswerber nach seiner Entlassung im Jahr 2010 nunmehr seit 30. März 2010 in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis steht. Es ist davon auszugehen, dass er die noch vorhandenen Schulden auf legalem Weg durch sein Einkommen aus dem Beschäftigungsverhältnis tilgen wird. Es kann nicht angenommen werden, dass sein persönliches Verhalten nach wie vor eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat musste diese während des Berufungsverfahrens eingetretene maßgebliche Änderung des Sachverhaltes aufgreifen. Die Berufungsbehörde darf sich nicht auf die Beurteilung der zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides geltenden Rechts- und Sachlage beschränken.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 37,70 (Eingabe- und Beilagengebühr Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

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