Linz, 19.03.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Berger über die Berufung des H J Z, geb., E, H a. H, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Grieskirchen vom 12.1.2012, Z Sich-96-146-2011, wegen einer Übertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt.
II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: §§ 24, 45 Abs. 1 Z 3 und § 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).
Zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.
Entscheidungsgründe:
Als verletzte Rechtsgrundlage wird § 81 Abs 1 SPG genannt.
§ 81 Abs 1 SPG: "Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden."
§ 83 SPG:
"(1) Wer sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand eine Tat begeht, die ihm außer diesem Zustand als Verwaltungsübertretung zugerechnet würde, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen.
(2) Bei Vorliegen erschwerender Umstände kann anstelle einer Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen verhängt werden. Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht strenger sein, als sie das Gesetz für die im Rauschzustand begangene Tat (begangenen Taten) androht."
3.3.1. Wer sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand einen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung wie etwa nach § 81 Abs 1 SPG verwirklicht, kann nicht wegen dieser spezifischen Verwaltungsübertretung bestraft werden. § 83 SPG begründet daher für diese Fälle einen besonderen Straftatbestand. (Vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 3. zu § 83 SPG.)
3.3.2. Die Strafbarkeit nach § 83 Abs 1 SPG setzt somit einen "die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand" voraus, wobei es gleichgültig ist, ob dieser auf Alkoholkonsum oder auf den Genuss anderer berauschender Mittel (zB Suchtmittel) zurückzuführen ist (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 4.1. zu § 83 SPG).
Zunächst ist daher zu klären, ob sich der Bw im vorgeworfenen Tatzeitpunkt in einem solchen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befunden hat:
Die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Rauschzustände werden nach hL (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 3. ff zu § 83 SPG mN aus der Rechtsprechung) als Zustände "voller Berauschung" bezeichnet. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dadurch gekennzeichnet, dass der Täter zufolge seines Zustandes nicht mehr in der Lage ist, von seiner Vernunft und seinem Verstand Gebrauch zu machen und daher den Sinngehalt seiner Handlungsweise nicht mehr überblicken und begreifen kann. Der Zustand verlangt dabei allerdings nicht die gänzliche Aufhebung des Bewusstseins, bei der der Täter einer willkürlichen Handlung nicht mehr fähig wäre. Es genügt aber auch nicht eine bloße Trübung oder Herabsetzung des Bewusstseins. Typische Indizien für das Vorliegen einer vollen Berauschung sind etwa ungenügende Orientierung des Täters in Zeit und Raum, Sinnlosigkeit seines Handelns und Erinnerungsverlust in Bezug auf die Tatereignisse.
3.3.3. Im vorliegenden Fall lag im vorgeworfenen Tatzeitpunkt ganz offenkundig ein die Zurechnungsfähigkeit des Bw ausschließender Rauschzustand iSd § 83 Abs 1 SPG vor. Denn wie die belangte Behörde selbst in ihrer Begründung festhält, machte der Bw auf die einschreitenden Polizeibeamten einen "stark substanzbeeinträchtigten Eindruck"; er roch stark nach Alkohol, schwankte beim Gehen und lallte beim Sprechen. Ferner indiziert auch der ebenfalls in der Begründung konstatierte Umstand, dass sich mehrere Nordic Walker durch den am Rande des Weges schlafenden betrunkenen Bw durch diesen "massiv verunsichert, gestört und belästigt" fühlten, einen erheblichen, die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand des Bw, da ein minder-berauschter, am Wegrand Schlafender wohl keine derart "massiven" Verunsicherungen bei Dritten hervorgerufen hätte.
Auch der Erinnerungsverlust des Bw (dass er sich bis ca. 50 Meter vor der Bergstation erinnern könne, aber 100 Meter weiter aufgewacht sei) ist als typisches Indiz für das Vorliegen einer vollen Berauschung des Bw zu werten. Ebenso lassen die Fragen an einen Polizisten, "ob er denn betrunken sei; ob er denn eingeraucht sei; ob er denn kokse; ob er denn heroinsüchtig sei; ob er denn gar ein Kinderschänder sei" und ganz besonders auch der Umstand, dass sich der Bw, als er von den Polizisten – erst nach mehrmaligen erfolglosen Versuchen – geweckt wurde, durch eine "Abbruchkante" bedroht fühlte und daher kurz nach der Amtshandlung an diesen Ort zurückkehrte, um sein "geologisches Gutachten fertig zu stellen", zweifellos auf einen solchen die Zurechnungsfähigkeit des Bw ausschließenden Rauschzustand schließen. So vermag das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates keinerlei Sinnhaftigkeit in diesem Verhalten des Bw zu erkennen.
3.3.4. Da das Tatbestandselement des qualifizierten Rauschzustandes nach § 83 Abs. 1 SPG somit im gegenständlichen Fall unzweifelhaft vorlag, war die erfolgte Bestrafung nach § 81 SPG schon aus diesem Grund jedenfalls unzulässig.
3.4. Der Berufung war daher stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Aufgrund der bereits verstrichenen Verfolgungsverjährungsfrist war auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG zu verfügen.
3.5. Dabei kann dahinstehen, ob es dem Bw aus anderen als auf den Konsum substanzbeeinträchtigender Substanzen zurückzuführenden Gründen an der nach § 3 VStG vorausgesetzten Zurechnungsfähigkeit mangelte, war das gegenständliche Straferkenntnis doch schon aus den unter Punkt 3.3. genannten Gründen spruchgemäß zu entscheiden.
4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220,- Euro zu entrichten.
Astrid Berger
VwSen-231292/4/AB/Sta vom 19. März 2012
Erkenntnis
Rechtssatz
SPG §81 Abs1;
SPG §83 Abs1
Wer sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand einen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung wie etwa nach § 81 Abs 1 SPG verwirklicht, kann nicht wegen dieser spezifischen Verwaltungsübertretung bestraft werden. § 83 SPG begründet daher für diese Fälle einen besonderen Straftatbestand (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 3. zu § 83 SPG.)
Die Strafbarkeit nach § 83 Abs 1 SPG setzt somit einen "die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand" voraus, wobei es gleichgültig ist, ob dieser auf Alkoholkonsum oder auf den Genuss anderer berauschender Mittel (zB Suchtmittel) zurückzuführen ist (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 4.1. zu § 83 SPG).
Die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Rauschzustände werden nach hL (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 3. ff zu § 83 SPG mN aus der Rechtsprechung) als Zustände "voller Berauschung" bezeichnet. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dadurch gekennzeichnet, dass der Täter zufolge seines Zustandes nicht mehr in der Lage ist, von seiner Vernunft und seinem Verstand Gebrauch zu machen und daher den Sinngehalt seiner Handlungsweise nicht mehr überblicken und begreifen kann. Der Zustand verlangt dabei allerdings nicht die gänzliche Aufhebung des Bewusstseins, bei der der Täter einer willkürlichen Handlung nicht mehr fähig wäre. Es genügt aber auch nicht eine bloße Trübung oder Herabsetzung des Bewusstseins. Typische Indizien für das Vorliegen einer vollen Berauschung sind etwa ungenügende Orientierung des Täters in Zeit und Raum, Sinnlosigkeit seines Handelns und Erinnerungsverlust in Bezug auf die Tatereignisse.