Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231292/4/AB/Sta

Linz, 19.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Berger über die Berufung des H J Z, geb., E, H a. H, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Grieskirchen vom 12.1.2012, Z Sich-96-146-2011, wegen einer Übertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 45 Abs. 1 Z 3 und § 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).

Zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.        Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Grieskirchen vom 12.1.2012, Z Sich-96-146-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 152 Stunden) verhängt, weil er am 11.9.2011 um 9:30 Uhr in H a. H, L, "durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört hat, indem [er] stark alkoholisiert auf dem Boden [lag] und die einschreitenden Beamten unter anderem mit den Worten: 'Kinderficker, Hurensöhne, Arschlöcher' beschimpfte[]".

 

Als verletzte Rechtsgrundlage wird § 81 Abs 1 SPG genannt.

 

1.2.        Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt durch die Angaben in der Anzeige der Polizeiinspektion H a. H sowie durch das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens – insbesondere die nachfolgend wiedergegebene zeugenschaftliche Aussage des amtshandelnden Polizisten – als erwiesen anzusehen sei. Insbesondere bestärkten die gegen den Strafreferenten untergriffigen Behauptungen geradezu die getroffenen Feststellungen bezüglich der den Polizisten abgegebenen Schimpfwörter.

 

Laut der Anzeige der Polizeiinspektion H a. H sei der Bw am Rande des Weges zum Aussichtsturm gelegen und habe geschlafen. Mehrere Nordic Walker hätten sich durch dieses Verhalten massiv verunsichert, gestört und belästigt gefühlt. Weiters hätte der Bw die einschreitenden Beamten mit folgenden Schimpfwörtern beschimpft: "Kinderficker, Hurensöhne, Arschlöcher".

 

Die Pächterin des Gasthauses "W L" habe den Beamten mitgeteilt, dass mehrere Gäste in das Lokal gekommen wären und sich beschwert hätten. Der wiederholten Aufforderung, die Örtlichkeit zu verlassen, sei der Bw nicht nachgekommen. Der Gastbetrieb sei dadurch massiv gestört worden.

 

Weiters hätte der Bw auf die amtshandelnden Beamten einen stark substanzbeeinträchtigten Eindruck gemacht und seine Atemluft hätte stark nach Alkohol gerochen. Er hätte beim Gehen geschwankt und beim Sprechen gelallt. Einer Untersuchung der Atemluft hätte er nicht zugestimmt bzw. hätte er diese Aufforderung gar nicht beachtet. Der Alkoholeinfluss dürfte nach Auffassung der belangten Behörde das enthemmte, provozierende und beleidigende Verhalten des Bw gesteigert haben.

 

1.3.        Aufgrund dieser Verwaltungsübertretung sei mit Strafverfügung vom 29.9.2011 über den Bw eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro verhängt worden. Gegen diese Strafverfügung habe der Bw folgenden – wörtlich wiedergegebenen – Einspruch erhoben:

 

"Die erste offizielle Bergfahrt findet laut Plan um 10.00 Uhr statt. Ich befand mich im Tiefschlaf und hörte aus weiter Entfernung ein lautes 'He', setzte mich auf, orientierte mich kurz, konnte kein Schwindelgefühl wahrnehmen und stand daher unverzüglich auf als ich zwei Uniformen erkennen konnte. Ich grüßte die beiden Polizisten mit einem knappen 'Morgen' und fragte wo das Problem zu finden sei. Einer der Polizisten meinte neben dem Weg schlafen sei eine Störung der öffentlichen Ordnung. Ich entgegnete, dass dies Privatgrund sei und daher kein öffentliches Interesse vorliege, worauf der Polizist jammerte, dass er wegen mir den langen, beschwerlichen Weg durch den Wald auf einer Schotterstraße auf sich nehmen musste. Ich fragte den Polizisten sofort, ob den die anrufende Person bereits versucht habe mich zu wecken, ich müsse das wissen, da dieser Umstand für mich wichtig sei. Da der Polizist sich nicht äußerte, fragte ich nach, ob denn anonym angerufen worden sei. Da noch immer keine Antwort kam, meinte ich, dass es mit der heutigen Technik möglich sei die Stimme des Anrufers zu verzerren und ich wolle diesen Anruf jetzt sofort hören, da er (der Polizist), offensichtlich nicht mit dem Inhalt des Anrufes vertraut ist; (der Polizist im Hintergrund mischte sich nicht ein). Bei der Akteneinsicht erfuhr ich, dass sich die Wirtin der W, befindlich am Standort L, namentlich angeführt ist. Der Polizist richtete seinen Blick in Richtung W (wo eine Frau mit einem Tablett unterwegs war), und fragte mich ob das die Wirtin sei, mit der abfälligen Bemerkung 'ob ich in der Früh überhaupt schon so weit sehe'. Ich entgegnete darauf, dass ich nicht wisse ob das die Wirtin sei, ich wisse nur aus der Zeitung, dass diese aus dem Bezirk R kommt und könne nicht sagen ob ein Foto dabei war, das ich mir merken hätte müssen und ob denn er von einem Foto wisse. Daraufhin verfinsterte sich der Blick des Polizisten. Ich meinte daraufhin, ob ich Sie den aufsperren solle, weil er so blöd frage, dass werde er doch wohl selbst noch schaffen und gab Ihm symbolisch den Schlüssel.

 

Der Polizist sagte zu mir, dass ich auf jeden Fall ein Schreiben bekomme. Ich ersuchte die Polizisten daraufhin mir Ihre Dienstnummern zu geben, damit ich mich beschwerden kann, falls ich doch nichts bekomme. Der Polizist im Hintergrund gab mir seine Dienstnummer sofort, der Andere weigerte sich. Ich fragte nach, ob er denn was zu verbergen hätte, weil es offensichtlich ein Problem darstelle, mir seine Dienstnummer zu geben. Da der Polizist stur schwieg fragte ich in aufsteigender Reihenfolge, jeweils mit kurzer Pause um eine Gegendarstellung zu ermöglichen: "ob er denn betrunken sei: ob er denn eingeraucht sei; ob er denn kokse; ob er denn heroinsichtig sei; ob er denn gar ein Kinderschänder sei". Da keine Antwort zu vernehmen war, notierte ich mir die Autonummer. Bevor die Polizisten anschließend in deren Dienstauto einstiegen und wegfuhren regte ich noch an, das es wohl besser sei das Protokoll gleich an Ort und Stelle zu schreiben, da Ihnen am beschwerlichen Rückweg wohl alles entfallen wird. Die Polizisten setzten sich daraufhin wortlos in das Dienstauto und fuhren weg.

 

Ich ging nach Hause, duschte mich, und kehrte zur Bergstation des Sesselliftes zurück um mein privates geologisches Gutachten fertig zu erstellen (als ich aufwachte und aufstand konnte ich neben mir eine Abbruchkante erkennen, die mir bedrohlich erschien). Gerne nehme ich zur Kenntnis, dass meine privaten Messungen an den seit Menschengedenken rutschenden Hängen des H öffentliches Ärgernis erregen. Da Ihre Abteilung gemäß einem mir vorliegenden Schreiben direkt dem Innenministerium unterstellt ist, wäre eine Überprüfung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen bezüglich einer Anfälligkeit der 'Interessensvertretung privater Personen' meiner Ansicht nach gegeben (meine Glaubwürdigkeit wird durch die Behörde nun mehr als 10 Jahren erheblich sabotiert, offensichtlich um die geheim gehaltene Rutschgefahr am für einige Personen finanziell interessanten Hang des H noch längere Zeit aufrecht erhalten).

 

Abschließend wäre noch zu bemerken, dass ich zu dem mir vorgeworfenen Drogenkonsum nur nach schriftlichem Nachweis der Aktualität der vor ca. 3 bis 4 Jahren vom Drogenbeauftragten des Bezirkes Grieskirchen bei einem Vortrag im Pfarrhof H a. H den Eltern bescheinigten geringen Gefahr der (nicht freiwilligen) Kontaktaufnahme mit verbotenen Substanzen in H a. H Hausruck, Stellung nehmen werde.

Eine Untersuchung der Atemluft wäre auch für mich von Interesse gewesen."

 

Einer der einschreitenden Beamten habe daraufhin zeugenschaftlich befragt angegeben, dass sich der Vorfall wie folgt abgespielt habe:

 

"Die Wirtin der L hat uns angerufen, dass sich Gäste belästigt fühlen, da sich ein Mann in unmittelbarer Nähe des Gasthauses seinen Rausch ausschläft. Wir sind dann mit dem Dienstauto hingefahren und haben [den Bw] am Straßenrand schlafend vorgefunden. Es benötigte mehrere Versuche ihn aufzuwecken. Als er munter wurde, reagierte er abwesend und sagte, wir sollen ihn in Ruhe lassen, da er nichts getan habe. Er machte einen offensichtlich alkoholbeeinträchtigten Eindruck. Wir sagten ihm, dass es Beschwerden von den Gästen gibt, dass er da einfach am Boden schläft. Dieses Verhalten sei nach Aussage der Wirtin sehr geschäftsschädigend. [Der Bw] verhielt sich sehr uneinsichtig und stellte auf unsere Fragen fast immer eine Gegenfrage bzw. sehr ausweichend. In der Folge begann er uns mit den in der Strafverfügung angeführten Ausdrücken wüst zu beschimpfen. Weiters begann er mit dem Fuß gegen das Dienstauto zu treten. Ich sagte zu meinen Kollegen, dass wir uns zurückziehen, damit die Situation nicht zu sehr eskaliert. [Der Bw] blieb an Ort und Stelle und wir sind vom Einsatzort weggefahren, da wir sonst womöglich [den Bw] festnehmen hätten müssen, da er auf unser beruhigendes Zureden nicht reagiert hat und noch aggressiver wurde."

 

Dazu habe der Bw folgende – wörtlich wiedergegebene – Stellungnahme abgegeben:

 

"Wie bereits telefonisch besprochen, ist Ihre Vorgangsweise in der Behandlung meines Einspruches vom 13.11.2011 gemäß Punkt 1 der Rechtsmittelbelehrung mit der dort angeführten Prüfung aller Umstände des Falles nicht vereinbar. Bezüglich der fehlenden Aussage der Wirtin [...] wurde ich nach Ihrer telefonisch kraftvoll geäußerten Irrelevanz der Notwendigkeit einer schriftlichen Aussage bei Herrn PI [...] telefonisch vorstellig. Dieser verwies mich sofort ob mangelnder Zuständigkeit wieder an Sie zurück.

Nachdrücklich verweise ich darauf, dass Sie bei unserem Telefongespräch vom 29.11.2011, wobei ich Sie auf den Absatz 1 hinweisen wollte, mich überholt haben und sich darauf beziehen wollten, dass die Strafverfügung mit meinem Einspruch [...] nicht mehr bezugsfähig ist. Da Sie die angeführten, angeblich von mir gegen die Polizisten gerichteten Kraftausdrücke mit Ihrer Unterschrift bestätigt haben, nehme ich mir das Recht heraus das Kürzel 'usw.' zu isolieren und es in Form von 'Volltrottel' auf Sie umzulagern.

Weiters fehlt die Aussage des zweiten Polizisten, dass ich auch mit ihm gesprochen habe, sodass für mich ein relevanter Grund, dass ich auch ihn beschimpfen hätte sollen für mich nicht nachvollziehbar ist. Diesbezüglich wurde auch bereits von Herrn PI [...] relativiert, da er sich in seiner Aussage als mein Diskussionspartner ausgibt und seinem Kollegen Anweisungen gibt.

Als die Polizisten zum Dienstauto gingen um wegzufahren, sagte ich ihnen, dass sie das nächste mal so einparken sollen, dass ein Rettungswagen vorbei fahren kann, da in der Waldschenke schon Betrieb sei (am Nachmittag waren zwei Rettungswagen vor Ort und die Sanitäter waren im Einsatz). Diese, meine Aussage dürfte wohl von Herrn PI [...] als Tritt gegen das Dienstauto interpretiert worden sein. Sollten Sie immer noch absolut sicher sein, dass ich beide Polizisten beschimpft habe, blättern Sie bitte um.

 

Wie bereits telefonisch besprochen, sind Sie für mich ein Arschloch der primitivsten Sorte, da es Ihnen völlig egal ist wodurch der stark substanzbeinträchtigte Eindruck verursacht wurde, obwohl ich angegeben habe, wissentlich keine (verbotenen) Substanzen konsumiert zu haben.

Offensichtlich sind Ihrer Ansicht nach die Aussagen von Herrn PI [...] diesbezüglich nicht glaubwürdig, womit Sie sämtliches von Ihnen bisher in die Bearbeitung der Anzeige investierte Arbeitsvolumen als sinnlos und somit Sie sich selbst mir als sinnlos beschäftigt bestätigen.

Somit wäre auch der Bezug eines weiteren, auch in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme angeführten, Schimpfwortes auf Ihre Person geklärt. Da Sie mich bei unseren zwei Telefongesprächen in punkto Lächerlichkeit bereits überholt haben stelle ich den

 

Antrag auf Überprüfung Ihrer Herkunft und Ihrer Sexualpraktiken

 

Begründung: Ihre Auffälligkeit bei unserem Telefongespräch vom 29.11.2011. Damit wären auch die verbleibenden von Ihnen zu bearbeitenden Kraftausdrücke gegen die Polizisten hinfällig und somit das Verfahren einzustellen. Ich stelle daher den Antrag auf Einstellung des Verfahrens mit oben angeführter Begründung.

Weiters wäre noch anzumerken: Es wurde nicht überprüft, ob der Sessellift schon in Betrieb war. Ich wurde von einer in der Öffentlichkeit stehenden Person gefragt, ob in der W eine Party gewesen sei. Es fehlen die Zeugenaussagen der Gäste. Abschließend wäre noch anzumerken, dass ich mir stark bewusst bin welche Handlungen ich gesetzt und Formulierungen gebraucht habe.

In Erwartung, dass Sie den Manipulationsparagraphen bereits in schriftlicher Form vorliegen haben verbleibe ich mit freundlichen Grüßen ..."

 

Nach Wiedergabe der dem Straferkenntnis zugrunde gelegten Gesetzesbestimmungen und unter Hinweis auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien führt die belangte Behörde weiters aus, dass das Verhalten des Bw – alkoholisiert am Wegrand liegen, Beschimpfen der im Dienst befindlichen Beamten, mit dem Fuß gegen das Dienstauto Treten – jedenfalls den Tatbestand des § 81 Abs 1 SPG erfülle. Es sei daher davon auszugehen, dass die Ordnung an einem öffentlichen Ort vom Bw dadurch jedenfalls erheblich gestört worden sei.

 

Die amtshandelnden Beamten, die den Sachverhalt ermittelt und angezeigt hätten, seien glaubhaft. Die Angaben in der Anzeige und die glaubwürdigen und unbedenklichen Aussagen des Beamten bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme hätten durch die bestreitenden und zum Teil im höchsten Maß beleidigenden Einspruchsangaben des Bw nicht ernsthaft in Frage gestellt werden können.

 

Aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens sei die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, dass der Bw im gegenständlichen Fall gegen die Strafbestimmung des § 81 Abs 1 SPG schuldhaft verstoßen habe, was als Verwaltungsübertretung strafbar sei.

 

Abschließend werden von der belangten Behörde Ausführungen zur konkreten Strafzumessung getroffen.

 

1.4.        Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bw mit Schreiben vom 6.2.2012 fristgerecht Berufung, in der er im Wesentlichen darauf hinweist, dass seines Erachtens der Sachverhalt nicht geklärt sei. Der Ablauf am 12.1.2012 habe sich seinen Erinnerungen zufolge folgendermaßen dargestellt: Nach dem Besuch eines Festes habe der Bw sich die Trasse der neuen Bahn auf die L samt der geplanten Veränderungen des dort befindlichen Gastbetriebes ansehen wollen. Als er weggegangen sei, sei es schon hell gewesen; er habe eine Gruppe junger Leute auf dem Gehsteig vor dem Lift getroffen, mit denen er kurz gesprochen hätte. Dann sei er schließlich zur Talstation und in weiterer Folge den Berg hinaufgegangen. In weiterer Folge führt der Bw wörtlich aus: "Bis ca. 50 Meter vor der Bergstation ist mir in Erinnerung. Als ich ca. 100 Meter weiter unsanft geweckt wurde, dachte ich zuerst an die Gruppe junger Leute und orientierte mich". Als der Bw jedoch die Uniformen erblickt habe, sei er aufgestanden, habe die Beamten gegrüßt und nach dem Problem gefragt.

 

Er hätte seines Erachtens nicht gelallt, sondern wäre eher vom Fest und der Musik etwas überdreht gewesen und hätte daher wohl zu schnell gesprochen.

 

Eine Tätlichkeit gegen ein Polizeiauto sei ihm völlig fremd.

 

Abschließend beantragt der Bw die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat.

 

1.5. Mit Schreiben vom 9.2.2012 übermittelte die belangte Behörde die gegenständliche Berufung unter gleichzeitiger Vorlage des bezughabenden Verwaltungsaktes und beantragte die Abweisung der Berufung und Bestätigung des Straferkenntnisses. Auf eine Verhandlung werde seitens der belangten Behörde ausdrücklich verzichtet.

 

1.6. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt. Dabei ist festzuhalten, dass sich der verfahrensgegenständlich entscheidungsrelevante Sachverhalt eindeutig aus der Aktenlage ergibt. Insbesondere zeigen die Ausführungen des Polizeibeamten deutlich, dass der Bf im vorgeworfenen Tatzeitpunkt stark alkoholisiert war; dies wird nicht zuletzt auch durch die Ausführungen des Bw, dass er sich bis ca. 50 Meter vor der Bergstation erinnern könne, aber 100 Meter weiter aufgewacht sei, bestärkt, indiziert dies doch nach der allgemeinen Lebenserfahrung einen jedenfalls kurzzeitigen substanzbeeinträchtigt bedingten Erinnerungsverlust. Auch die Frage an den Polizisten, "ob er denn betrunken sei; ob er denn eingeraucht sei; ob er denn kokse; ob er denn heroinsüchtig sei; ob er denn gar ein Kinderschänder sei" weist auf einen – Alkohol- oder Drogenkonsum bedingten – Rauschzustand des Bw hin. Schließlich lässt auch die Tatsache, dass sich der Bw, als er von den Polizisten geweckt wurde, durch eine "Abbruchkante" bedroht fühlte und daher kurz nach der Amtshandlung an diesen Ort zurückkehrte, um sein "geologisches Gutachten fertig zu stellen", auf einen Rauschzustand des Bw schließen.   

 

Dass der Bw während der Amtshandlung der Polizisten diesen gegenüber beleidigende Kraftausdrücke verwendete, steht nicht zuletzt aufgrund der eigenen Angaben des Bw ("Kinderschänder") für das erkennende Mitglied zweifellos fest. Im Übrigen besteht – nicht zuletzt aufgrund der bemerkenswerten, von verbalen Entgleisungen durchwachsenen – schriftlichen Eingaben des Bw an die belangte Behörde kein Grund, an den glaubwürdigen Ausführungen des Polizeibeamten zu zweifeln.

 

2.1.        Der Oö. Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bw ging direkt vom Besuch eines Festes kommend, die L hinauf, wo er nächst der Waldschänke "L" stark alkoholisiert auf dem Boden lag und schlief. Als ihn zwei verständigte Polizeibeamte aufweckten und ihm erklärten, dass dies eine Störung der öffentlichen Ordnung darstelle, bezeichnete der Bw diese als Kinderschänder, Kinderficker und dergleichen.

Der Bw machte auf die Beamten einen stark substanzbeeinträchtigten Eindruck, gab aber keine Angaben hinsichtlich des Konsums; eine Atemluftuntersuchung wurde nicht vorgenommen.

 

Nachdem die Polizeibeamten den Bw verlassen hatten, ging dieser nach Hause um zu duschen und kehrte dann zur Bergstation des Sesselliftes zurück, um ein privates geologisches Gutachten fertig zu stellen, da er, als er auf der L aufgewacht und aufgestanden sei, neben sich eine Abbruchkante zu erkennen glaubte, die ihm bedrohlich erschien.

 

2.2.        Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000,- Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3.         Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1.        Nach § 51c VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall - weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Dabei ist gemäß § 1 Abs. 2 VStG grundsätzlich das zur Zeit der Tat geltende Recht – im vorliegenden Fall daher das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl. 566/1991, in der Fassung BGBl. I 33/2011 – anzuwenden.

 

3.2.        Die maßgebliche Rechtslage lautet wie folgt:

 

§ 81 Abs 1 SPG: "Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden."

 

§ 83 SPG:

"(1) Wer sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand eine Tat begeht, die ihm außer diesem Zustand als Verwaltungsübertretung zugerechnet würde, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen.

 

(2) Bei Vorliegen erschwerender Umstände kann anstelle einer Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen verhängt werden. Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht strenger sein, als sie das Gesetz für die im Rauschzustand begangene Tat (begangenen Taten) androht."

 

3.3.1. Wer sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand einen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung wie etwa nach § 81 Abs 1 SPG verwirklicht, kann nicht wegen dieser spezifischen Verwaltungsübertretung bestraft werden. § 83 SPG begründet daher für diese Fälle einen besonderen Straftatbestand. (Vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 3. zu § 83 SPG.)

 

3.3.2. Die Strafbarkeit nach § 83 Abs 1 SPG setzt somit einen "die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand" voraus, wobei es gleichgültig ist, ob dieser auf Alkoholkonsum oder auf den Genuss anderer berauschender Mittel (zB Suchtmittel) zurückzuführen ist (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 4.1. zu § 83 SPG).

 

Zunächst ist daher zu klären, ob sich der Bw im vorgeworfenen Tatzeitpunkt in einem solchen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befunden hat:

 

Die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Rauschzustände werden nach hL (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 3. ff zu § 83 SPG mN aus der Rechtsprechung) als Zustände "voller Berauschung" bezeichnet. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dadurch gekennzeichnet, dass der Täter zufolge seines Zustandes nicht mehr in der Lage ist, von seiner Vernunft und seinem Verstand Gebrauch zu machen und daher den Sinngehalt seiner Handlungsweise nicht mehr überblicken und begreifen kann. Der Zustand verlangt dabei allerdings nicht die gänzliche Aufhebung des Bewusstseins, bei der der Täter einer willkürlichen Handlung nicht mehr fähig wäre. Es genügt aber auch nicht eine bloße Trübung oder Herabsetzung des Bewusstseins. Typische Indizien für das Vorliegen einer vollen Berauschung sind etwa ungenügende Orientierung des Täters in Zeit und Raum, Sinnlosigkeit seines Handelns und Erinnerungsverlust in Bezug auf die Tatereignisse.

 

3.3.3. Im vorliegenden Fall lag im vorgeworfenen Tatzeitpunkt ganz offenkundig ein die Zurechnungsfähigkeit des Bw ausschließender Rauschzustand iSd § 83 Abs 1 SPG vor. Denn wie die belangte Behörde selbst in ihrer Begründung festhält, machte der Bw auf die einschreitenden Polizeibeamten einen "stark substanzbeeinträchtigten Eindruck"; er roch stark nach Alkohol, schwankte beim Gehen und lallte beim Sprechen. Ferner indiziert auch der ebenfalls in der Begründung konstatierte Umstand, dass sich mehrere Nordic Walker durch den am Rande des Weges schlafenden betrunkenen Bw durch diesen "massiv verunsichert, gestört und belästigt" fühlten, einen erheblichen, die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand des Bw, da ein minder-berauschter, am Wegrand Schlafender wohl keine derart "massiven" Verunsicherungen bei Dritten hervorgerufen hätte.

Auch der Erinnerungsverlust des Bw (dass er sich bis ca. 50 Meter vor der Bergstation erinnern könne, aber 100 Meter weiter aufgewacht sei) ist als typisches Indiz für das Vorliegen einer vollen Berauschung des Bw zu werten. Ebenso lassen die Fragen an einen Polizisten, "ob er denn betrunken sei; ob er denn eingeraucht sei; ob er denn kokse; ob er denn heroinsüchtig sei; ob er denn gar ein Kinderschänder sei" und ganz besonders auch der Umstand, dass sich der Bw, als er von den Polizisten – erst nach mehrmaligen erfolglosen Versuchen – geweckt wurde, durch eine "Abbruchkante" bedroht fühlte und daher kurz nach der Amtshandlung an diesen Ort zurückkehrte, um sein "geologisches Gutachten fertig zu stellen", zweifellos auf einen solchen die Zurechnungsfähigkeit des Bw ausschließenden Rauschzustand schließen. So vermag das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates keinerlei Sinnhaftigkeit in diesem Verhalten des Bw zu erkennen.   

 

3.3.4. Da das Tatbestandselement des qualifizierten Rauschzustandes nach § 83 Abs. 1 SPG somit im gegenständlichen Fall unzweifelhaft vorlag, war die erfolgte Bestrafung nach § 81 SPG schon aus diesem Grund jedenfalls unzulässig.

 

3.4. Der Berufung war daher stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Aufgrund der bereits verstrichenen Verfolgungsverjährungsfrist war auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG zu verfügen.

 

3.5. Dabei kann dahinstehen, ob es dem Bw aus anderen als auf den Konsum substanzbeeinträchtigender Substanzen zurückzuführenden Gründen an der nach § 3 VStG vorausgesetzten Zurechnungsfähigkeit mangelte, war das gegenständliche Straferkenntnis doch schon aus den unter Punkt 3.3. genannten Gründen spruchgemäß zu entscheiden. 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220,- Euro zu entrichten.

Astrid Berger

 

 

VwSen-231292/4/AB/Sta vom 19. März 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

SPG §81 Abs1;

SPG §83 Abs1

 

Wer sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand einen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung wie etwa nach § 81 Abs 1 SPG verwirklicht, kann nicht wegen dieser spezifischen Verwaltungsübertretung bestraft werden. § 83 SPG begründet daher für diese Fälle einen besonderen Straftatbestand (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 3. zu § 83 SPG.)

 

Die Strafbarkeit nach § 83 Abs 1 SPG setzt somit einen "die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand" voraus, wobei es gleichgültig ist, ob dieser auf Alkoholkonsum oder auf den Genuss anderer berauschender Mittel (zB Suchtmittel) zurückzuführen ist (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 4.1. zu § 83 SPG).

 

Die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Rauschzustände werden nach hL (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz – Kommentar4, Anm. 3. ff zu § 83 SPG mN aus der Rechtsprechung) als Zustände "voller Berauschung" bezeichnet. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dadurch gekennzeichnet, dass der Täter zufolge seines Zustandes nicht mehr in der Lage ist, von seiner Vernunft und seinem Verstand Gebrauch zu machen und daher den Sinngehalt seiner Handlungsweise nicht mehr überblicken und begreifen kann. Der Zustand verlangt dabei allerdings nicht die gänzliche Aufhebung des Bewusstseins, bei der der Täter einer willkürlichen Handlung nicht mehr fähig wäre. Es genügt aber auch nicht eine bloße Trübung oder Herabsetzung des Bewusstseins. Typische Indizien für das Vorliegen einer vollen Berauschung sind etwa ungenügende Orientierung des Täters in Zeit und Raum, Sinnlosigkeit seines Handelns und Erinnerungsverlust in Bezug auf die Tatereignisse.

 

 

 

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