Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101073/6/Br/La

Linz, 31.03.1993

VwSen - 101073/6/Br/La Linz, am 31. März 1993 DVR. 0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn Dr. A.H., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A.L., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion .. vom 8. Jänner 1993, Zl.: Cst 3776/92 Hu, nach der am 31. März 1993 durch-geführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht er-kannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

$ 99 Abs.3 lit.a iVm 24 Abs.3 lit.b der Straßenverkehrs- ordnung 1960 - StVO, BGBl.Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 615/1991; $ 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992, iVm $ 19, $ 24, 45 Abs.1 Z 1, $ 51 Abs.1, $ 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 867/1992; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

$ 65 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion .. hat mit Straferkenntnis vom 8. Jänner 1993, Zl. Cst 3.776/92-Hu wider den Berufungswerber (folglich genannt: Bw) eine Strafe von 300 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit von 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Dem Bw wurde zur Last gelegt am 21.2.1992 zw. 15.50 Uhr und 16.24 Uhr in L. das KFZ mit dem Kennzeichen .. vor einer Hauseinfahrt zum Parken abgestellt gehabt zu haben.

1.2. Begründend führte die Erstbehörde aus, daß die Verwaltungsübertretung aufgrund der Angaben des Meldungslegers, erwiesen sei. Die Erstbehörde führte im wesentlichen noch aus, daß die Einfahrt als solche zweifelsfrei zu erkennen gewesen wäre. Auch habe die Gehsteigkante kein Hindernis für eine Einfahrt dargestellt. Schließlich hat die Erstbehörde bei der Strafzumessung noch berücksichtigt, daß diese Hauseinfahrt, weil sie, insbesondere für einen Ortsunkundigen, "nicht gerade als auffällig bezeichnet werden könne" und diesen Umstand daher mildernd gewertet.Ebenso mildernd wurde noch die Unbescholtenheit des Bw gewürdigt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Bw durch Hinterlegung mit 19. Jänner 1993 zugestellt.

2. Dagegen hat der Bw durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 21.1.1993 binnen offener Frist Berufung erhoben. Er bringt darin vor allem zum Ausdruck, daß die Einfahrt für ihn nicht erkennbar gewesen wäre. Es liege eine Abschrägung der Gehsteigkante nicht vor. Die Aufschrift "Einfahrt verboten" habe dafür gesprochen, daß eine Einfahrt nicht vorliege. Immerhin wurde diese Tafel folglich mit einer Tafel "Ausfahrt freihalten" ersetzt. Er stelle sohin den Antrag auf Aufhebung dieses Straferkenntnisses.

3. Die Erstbehörde hat den Akt vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates zur Sachentscheidung gegeben. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberöster- reich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion .., Zl. Cst 3.776/92-Hu und die Durchführung eines Ortsaugenscheines. Der Berufungswerber entschuldigte sein Nichterscheinen. Auch die Erstbehörde war nicht erschienen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war im Sinne des § 51e Abs.1 VStG erforderlich.

5. Nachfolgender Sachverhalt war als erwiesen anzusehen:

5.1. Die "Einfahrt" des Hauses G. ist 2,20 m. breit. Die Höhe der "Einfahrt" beträgt etwa 4 Meter, wobei diese in etwa 3,5 m in einem Rundbogen verläuft. Der vorgelagerte Gehsteig weist bis zur Fluchtlinie der Gebäudefront eine Breite von 2,50 m auf. Gegenüber der Fahrbahn ist der Gehsteig 5 bis 6 cm angehoben. Im Bereich der Einfahrt (in Verlängerung der Einfahrtsöffnung) ist eine Abschrägung der Gehsteigkante nicht gegeben. Der Gehsteig verläuft im Bereich von mindestens 5 Meter vor und hinter der gegenständlichen Einfahrt in annähernd gleicher baulichen Höhe gegenüber der Fahrbahn. In Richtung stadtauswärts steigt die "Kantenhöhe" etwas an. Die Markierungsfarbe "blaue Zone" ist im Bereich links und rechts der Einfahrt so gut wie nicht mehr erkennbar. Wie auch auf den im Akt erliegenden Fotos ersichtlich, befindet sich links der Einfahrt in einer Höhe von etwa 1,30 m eine weiße Tafel (ca. 40 x 25 cm) mit roter Aufschrift "Einfahrt freihalten". Beide Flügeltüren, es handelt sich um alte und verwitterte massive Holztüren, waren zum Zeitpunkt des Ortsaugenscheines geöffnet.

5.1.1. Dieser Sachverhalt stützt sich auf das Vorbringen des Bw und des Ergebnisses des durchgeführten Ortsaugenscheines.

6. Rechtlich war zu erwägen:

6.1. Das Parken im Sinne des $ 24 Abs.3 lit.b ist vor Haus- und Grundstückseinfahrten verboten. Eine Haus- und Grundstückseinfahrt ist nur dann vorhanden, wenn das Einfahren in Häuser und Grundstücke ohne weitere Vorkehrungen möglich ist. Wenn die Randsteine des Gehsteiges vor einem Haustor nicht abgeschrägt sind und wenn zwischen Fahrbahn und Gehsteig Bretter gelegt werden müssen, um in das Haustor einfahren zu können, so kann von einer Hauseinfahrt nicht gesprochen werden (Benes-Messiner, Manz'sche komment. Ausgabe der StVO, 8.Auflage, Anmerkung 11, Seite 430). Gegenständlich wären wohl derartige Vorkehrungen zum Einfahren nicht erforderlich. Der Gehsteig ist lediglich 5 bis 6 cm hoch, jedoch im Bereich der Einfahrt nicht abgeschrägt. Der Umstand, daß sich hier ein Tor befindet, läßt jedoch eine Hauseinfahrt als solche noch nicht unbedingt erkennen (so auch VwGH 10.9.1982, 02/1767/80, ZVR 1983/336). Es ist daher im besonderen die Frage des Verschuldens zu prüfen gewesen.

6.2. Grundsätzlich ist zum Verschuldens gemäß $ 5 Abs.1 VStG anzumerken, daß, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der "Täter" nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Dieser Nachweis wurde erbracht.Der durchgeführte Ortsaugenschein hat ergeben, daß eine Abschrägung des Gehsteiges nicht vorliegt. Es ermangelt daher der hinreichenden Erkennbarkeit, daß es sich bei gegenständlicher "Einfahrt" tatsächlich um eine in Benützung stehende Hauseinfahrt handelt. Auch der zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalles angebracht gewesene Hinweis "Einfahrt verboten" läßt für den unbefangenen Betrachter eher den Schluß zu, daß die Einfahrt eben nicht benützt wird. Dieser, wenn auch durch die Realität sich als irrig herausstellende Meinung, war offenbar auch der Bw verfallen. Der Umstand, daß der Bw einen Parkschein gelöst hatte, belegt jedenfalls dessen Gutgläubikeit. Angesichts dieser Eindrücke vor Ort hat der Bw nicht schuldhaft gehandelt, daß er die "Hauseinfahrt" nicht als solche erkannt hat. Eine objektive Sorgfaltswidrigkeit kann ihm daher nicht vorgeworfen werden.

6.2.2. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen (s. E Slg. 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig wurde folglich dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der (die) Handelnde angehört, an seiner Stelle anders Verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Dies muß im gegenständlichen Fall verneint werden. Man muß sich letztlich auch davor hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl. abermals VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Die Einholung von Erkundigungen, ob diese Einfahrt etwa tatsächlich benützt wird, wären dem Bw angesichts der vorher beschriebenen Gestaltung der Vorfallsörtlichkeit nicht zuzumuten gewesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö. Verwaltungssenat Dr. B l e i e r 6

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