Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166824/2/Br/REI

Linz, 27.03.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier, über die gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung des Herrn M K geb. x, U, M, betreffend das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 08. März 2012, Zl. VerkR96-28607-2011, zu Recht:

 

 

I.       Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 800,-- Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf sieben Tage ermäßigt wird.

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 111/2012 - AVG iVm § 19, § 20, § 24, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 111/2012 - VStG.

 

 

 

II.     Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich folglich auf 80,-- Euro; für das Berufungsverfahren entfallen die Verfahrenskosten­beiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Behörde erster Instanz hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber nachfolgende Schuldsprüche gefällt:

"1) Sie haben das angeführte Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten ergab einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,97 mg/l.

Tatort: Gemeinde Frankenmarkt, Landesstraße Ortsgebiet, Ortsgebiet von Frankenmarkt, Wiener Landesstraße B1 Höhe StrKm 262,1, Gehsteig, Fahrtrichtung Straßwalchen Nr. 1 bei km 262.100.

Tatzeit: 16.12.2011, 21:40 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 99 Abs.1 lit. a i.V.m. § 5 Abs.1 StVO

 

2) Sie haben einen Gehsteig durch Befahren benutzt, obwohl die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art verboten ist.

Tatort:     Gemeinde Frankenmarkt, Landesstraße Ortsgebiet, Ortsgebiet von Frankenmarkt, Wiener Landesstraße B1 Höhe StrKm 262,1, Gehsteig, Fahrtrichtung Straßwalchen Nr. 1 bei km 262.100.

Tatzeit:    16.12.2011, 21:40 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 8 Abs.4 StVO

 

3) Sie haben ein Fahrrad verwendet, welches nicht mit einem hellleuchtenden, mit dem Fahrrad fest verbundenen Scheinwerfer, der die Fahrbahn nach vorne mit weißem oder hellgelbem, ruhendem Licht mit einer Lichtstärke von mindestens 100 cd beleuchtet, ausgerüstet war.

Tatort:     Gemeinde Frankenmarkt, Landesstraße Ortsgebiet, Ortsgebiet von Frankenmarkt, Wiener Landesstraße B1 Höhe StrKm 262,1, Gehsteig, Fahrtrichtung Straßwalchen Nr. 1 bei km 262.100.

Tatzeit:  16.12.2011, 21:40 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 66 Abs.1 StVO i.V.m. § 1 Abs.1 Ziffer 3 Fahrradverordnung

 

4) Sie haben ein Fahrrad verwendet, welches nicht mit einem roten Rücklicht mit einer Lichtstärke von mindestens 1 cd ausgerüstet war.

Tatort: Gemeinde Frankenmarkt, Landesstraße Ortsgebiet, Ortsgebiet von Frankenmarkt, Wiener Landesstraße B1 Höhe StrKm 262,1, Gehsteig, Fahrtrichtung Straßwalchen Nr. 1 bei km 262.100.

Tatzeit: 16.12.2011, 21:40 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 66 Abs.1 StVO i.V.m. § 1 Abs.1 Ziffer 4 Fahrradverordnung."

 

 

1.1. Im Punkt 1) wurde die Geldstrafe mit 2.000 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 432 Stunden und in den übrigen Punkten, gegen die das Rechtsmittel nicht gerichtet ist, 1 x 36 Euro und 2 x 20 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 und 2 x 12 Stunden  ausgesprochen.

 

 

1.2. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:

"Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber, gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

 

Gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.600 bis 5.900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8.mg/l oder mehr beträgt.

 

Gemäß § 8 Abs.4 StVO 1960 ist die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern verboten.

 

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726,00 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1,1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist

Gemäß § 66 Abs.1 StVO 1960 müssen Fahrräder der Größe des Benutzers entsprechen. Fahrräder, Fahrradanhänger und Kindersitze müssen in einem Zustand erhalten werden, der den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Fahrräder (§ 104 Abs. 8) entspricht.

 

Gemäß § 1 Abs.1 Ziffer 3 Fahrradverordnung muss jedes Fahrrad, das in Verkehr gebracht wird, - sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt - mit einem hellleuchtenden, mit dem Fahrrad fest verbundenen Scheinwerfer, der die Fahrbahn nach vorne mit weißem oder hellgelbem, ruhendem Licht mit einer Lichtstärke von mindestens 100 cd beleuchtet, ausgerüstet sein.

 

Gemäß § 1 Abs.1 Ziffer 4 Fahrradverordnung muss jedes Fahrrad, das in Verkehr gebracht wird, - sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt - mit einem roten Rücklicht mit einer Lichtstärke von mindestens 1cd, ausgerüstet sein.

 

Der im Spruch angeführte Sachverhalt wurde von der Polizeiinspektion x, Abtlnsp. x und Revlnsp x anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle festgestellt und zur Anzeige gebracht. Die Messung der Atemluft wurde mit dem geeichten Alkomaten Marke Dräger Alkomat 7110 MKIII A, Geräte Nr. ARPL-0020 durchgeführt Die Messungen ergaben einen Wert von 0,99 mg/l und 0,97 mg/l Atemluftalkoholgehalt.

 

Aufgrund der Anzeige wurde Ihnen der Sachverhalt nachweislich mit Aufforderung zur Rechtfertigung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27.12.2011 zur Kenntnis gebracht und Ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

In der Aufforderung zur Rechtfertigung wurde Ihnen auch mitgeteilt, dass das Strafverfahren ohne Ihre weitere Anhörung durchgeführt wird, wenn Sie von der Möglichkeit sich zu rechtfertigen keinen Gebrauch machen. Dieser Fall ist nun eingetreten, weshalb wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

 

An der Richtigkeit der Messungen mit dem geeichten Alkomaten konnte nicht gezweifelt werden und erscheint daher die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung zweifelsfrei erwiesen. Weiters handelt es sich bei Rev.Insp. W um ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht den Alkomattest durchzuführen.

 

Straferschwerend musste gewertet werden, dass Sie bereits 3 mal wegen einer derartigen Verwaltungsübertretung bestraft werden mussten. Strafmildernd konnte gewertet werden, dass Sie diese Übertretung mit einem Fahrrad begingen. Bei der Strafbemessung wurde ein monatliches Einkommen von 1.100,00 Euro, kein Vermögen, keine Sorgepflichten, angenommen, zumal Sie auch dazu keine Angaben machten.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten begründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle."

 

 

2. In der dagegen fristgerecht nur gegen das Strafausmaß zu Punkt 1) gerichteten Berufung  verweist der Berufungswerber im Ergebnis auf den bloßen Bezug einer Notstandshilfe. Außerdem befinde er sich ob seiner Alkoholkrankheit auf einer Alkoholentwöhnung. Er hoffe sein Problem wieder in den Griff zu bekommen und bitte daher um Nachlass - gemeint Reduzierung - der Geldstrafe.

 

 

3. Da  keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung konnte hier mangels gesonderten Antrages iVm der bloßen Strafberufung unterbleiben (51e Abs.3 Z2 VStG).

 

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt, sowie durch fernmündliche Rücksprache mit dem Berufungswerber hinsichtlich der Klarstellung seines Berufungsbegehrens (AV v. 27.3.2012). Beigeschafft wurden zwei Luftbilder von der Vorfallsörtlichkeit der B1.

 

 

4.  Der Berufungswerber war am Freitag den 16.12.2011 um 21:40 Uhr mit einem im Spruch nicht näher bezeichneten Fahrrad auf dem parallel zur B1 verlaufenden Gehsteig offenbar unbeleuchtet in Richtung Ortszentrum unterwegs. Bei dieser nächtlichen Fahrt betrug sein Atemluftalkoholgehalt 0,97 mg/l, wie eine bei Strkm 266,100 durchgeführte Atemluftkontrolle ergeben hat.

Als gesichert kann gelten, dass der Berufungswerber  mit dieser Alkofahrt Jahres- u. Tageszeit bedingt, außer sich selbst, keine sonstigen Verkehrsteilnehmer weder gefährdet noch sonst in irgendeiner Form nachteilig beeinträchtigt haben dürfte.

Wie die Rücksprache mit dem Berufungswerber ergab, richtet sich seine Berufung lediglich gegen das Strafausmaß im Punkt 1) nicht jedoch gegen die Vorwürfe der rechtswidrigen Benutzung des Gehsteiges und die Beleuchtungsmängel seines Fahrrades.

Aus der inhaltsleer gehaltenen VStV-Anzeige lassen sich keine Zusammenhänge mit einer sonstigen Verhaltensauffälligkeit des Berufungswerbers erschließen.  Mangels einer vollen Berufung hatte eine Neufassung des von mehrfachen sprachlichen Redundanzen überfrachteten, schwer lesbaren und holprig abgefassten  Spruches ("Sie haben einen Gehsteig durch Befahren benutzt"….; und 4 x den Tatort: "Gemeinde Frankenmarkt, Landesstraße Ortsgebiet, Ortsgebiet von Frankenmarkt, Wiener Landesstraße B1 Höhe StrKm 262,1, Gehsteig, Fahrtrichtung Straßwalchen Nr. 1 bei km 262.100") zu unterbleiben.  

Gegenüber den Polizeiorganen rechtfertigte der Berufungswerber seine Fahrt mit der Absicht sich lediglich eine Pizza bei der Tankstelle geholt zu haben. Ob der fehlenden Beleuchtung sei er extra auf dem Gehsteig gefahren. Diese Angaben scheinen glaubhaft und jedenfalls in keinem Widerspruch zu den Angaben der Meldungsleger. Ob der Berufungswerber der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27.12.2011 unentschuldigt keine Folge leistete bzw. aus welchen Gründen er den ihm am Vormittag des 1.2.2012 eröffneten Termin bei der Behörde erster Instanz nicht wahrgenommen hat, lässt sich dem Verfahrensakt ebenfalls nicht entnehmen.

Unbestritten ist, dass der Berufungswerber bereits zwei einschlägige Vormerkungen im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss aufweist. Laut Führerscheinregisterauszug ist er dzt. nicht im Besitz einer Lenkberechtigung.

 

 

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

§ 5 Abs.1 StVO lautet:

"Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt."

 

§ 99 Abs.1 lit.a lautet:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

          a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt," …..

 

 

6.1. Wenngleich von einem alkoholisierten Radfahrer offenkundig eine deutlich geringere Schädigung gesetzlicher Interessen einhergeht, differenziert der Gesetzgeber in der Strafsanktion nicht zwischen Fahrzeugen und Kraftfahrzeugen.

Obwohl hier keineswegs übersehen wird, dass beim Berufungswerber, abgesehen von seiner offenkundigen Schuldeinsicht, angesichts der einschlägigen Vormerkungen im engeren Sinn von keinem Überwiegen der Milderungsgründe ausgegangen werden kann, wird mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot dennoch die Bestimmung des § 20 VStG zur Anwendung gebracht.

Erst jüngst hat der Verfassungsgerichtshofes in dessen Erkenntnis vom 9.3.2011, G53/10 u.a., eine Gleichheitswidrigkeit betreffend Bestimmungen über Mindeststrafen (im Fremdenpolizeigesetz) erblickt, weil mangels hinreichender Differenzierung zwischen Verstößen unterschiedlicher Gravität, das Gesetz keine Berücksichtigung von Unterschieden ermöglichte (vgl. auch VfSlg 19083).

Vor diesem Hintergrund sieht sich daher der Unabhängige Verwaltungssenat in diesem Fall zur Anwendung des außerordentlichen Strafmilderungsrechts veranlasst.

 

§ 20 VStG lautet:

"Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden."

 

 

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 Strafgesetzbuch - StGB sinngemäß anzuwenden.

 

 

7.1.    Für den Fall des beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kann nach § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100). Die Alkofahrt am Fahrrad erfolgte um 21:40 Uhr des 16.12.2011 in der gänzlich verkehrsarmen Zeit. Es darf nicht übersehen werden, dass insbesondere zur Nacht- u. Winterzeit ein alkoholisierter Radfahrer am Gehsteig potenziell am ehesten nur sich selbst gefährdet (vgl. auch das h. Erk. 10.11.2008, VwSen-163624/2/Br/RSt).

Diese Umstände sind daher insbesondere mit Blick auf § 34 Abs.1 Z12 StGB, dessen Beurteilungskriterien durch § 19 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren gelten, als besonders überwiegende Milderungsgründe zu qualifizieren.

Daher basiert diese offenkundig nur auf ein kurzes Stück und einem Gehsteig konzipierte  Alkofahrt mit dem Fahrrad auf bloß geringer Tatschuld und der Tatunwert blieb weit hinter dem mit einer üblichen Alkofahrt verbundenen Umfang zurück. Dies kann unter Bedachtnahme auf das Sachlichkeitsgebot nicht unberücksichtig bleiben (vgl. dazu die h. Erk. v. 08.02.2005, VwSen-160237/5/Br/Wü, sowie v. 9.2.1998, VwSen-105157/5/BR). Die h. Judikatur ist seit jeher bestrebt unsachliche Ergebnisse in entsprechender Wertung ungleicher Ausgangslagen zu vermeiden (vgl. h. Erk. 19.06.1995VwSen-102913/2/Gu/Atz).

            

 

7.2. Wenn der Gesetzgeber keine Möglichkeit einer diesbezüglichen Differenzierung einräumt hat eine entsprechende Berücksichtigung durch eine am Sachlichkeitsgebot zu orientierende Gesetzesvollziehung Platz zu greifen.

Die Bestimmung des § 20 VStG gelangt nach Aufhebung des § 100 Abs.5 StVO 1960 durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 9.10.1997, G 216/96) auch für sogenannte Alkoverfahren wieder zur Anwendung. Bei vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht darauf ein Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH vom 31. 1.1990, 89/03/0027, VwGH 21.5.1992, 92/09/0015 und VwGH 2.9.1992, 92/02/0150).

Bereits mehrfach wurde durch den Unabhängigen Verwaltungssenat ausgesprochen, dass der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG), bei rechtsrichtiger Auslegung, auf die Umstände des konkreten Falls inhaltlich einzugehen hat und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen darf. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zur Ungleichbehandlung dadurch, mit einer schablonenhaften Anwendung einer Bestimmung Ungleiches in den Sanktionsfolgen gleich zu behandeln (vgl. unter vielen h. Erk. v. 21.2.1997, VwSen-104374).

Angesichts der hier vorliegenden Tatumstände galt es daher auch in diesem Fall den Unwert des Deliktes zu differenzieren um im Sinne der Sachlichkeit und Gerechtigkeit entsprechend zu werten um mit dem außerordentlichen Strafmilderungsrecht zu einer angemesseneren Geldstrafe zu gelangen.

Ebenfalls stehen der nunmehr ausgesprochenen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe keine Aspekte der Prävention entgegen.

Eine volle Ausschöpfung des auf die Hälfte reduzierbaren Strafsatzes war sohin trotz der bestehenden Vormerkungen geboten.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen  diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten. 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

VwSen-166824/2/Br/Rei vom 27. März 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

StVO 1960 §99 Abs1 lita;

VStG §20

 

 

Da § 99 Abs l lit a StVO 1960, der für das Lenken eines Fahrzeuges mit einem Blutalkoholgehalt von mehr als 1,6 Promille oder einem Atemluftalkoholgehalt von mehr als 0,8 mg/l eine generelle Mindeststrafe von 1.600 Euro vorsieht, nicht zwischen Verstößen von krass unterschiedlicher Gravität (wie etwa Alkofahrten mit einem Fahrrad im Gegensatz zu Alkofahrten mit einem LKW bzw PKW, die einen nicht wirklich vergleichbaren Tatunwert aufweisen) differenziert, kann im Falle der Bestrafung wegen Lenkens eines Fahrrades nur durch die Anwendung des § 20 VStG ein annähernd sachgerechtes (verfassungskonformes) Strafausmaß erreicht und damit eine Gleichheitswidrigkeit vermieden werden (vgl auch VfSlg 9901/1983).

 

Auch ohne beträchtliches Überwiegen von Milderungsgründen im engeren Sinn ist die Anwendung dieses Rechtsinstitutes daher geboten.

 

Der bei einem Radfahrer deutlich hinter dem (in der Mindeststrafe vertypten) Unwertgehalt einer Alkofahrt mit einem Kraftfahrzeug zurückbleibende Unrechtsgehalt ist im Sinne eines verfassungskonformen Gesetzesvollzugs einem Überwiegen der Milderungsgründe gleich zu setzen.

 

 

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