Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281396/6/Kl/BRE

Linz, 24.04.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x, vertreten durch x Rechtsanwälte GmbH, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz Land vom 20.2.2012, Ge96-70-2011/HW, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

 

I.                 Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis

         aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.             Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs. 1  Z. 1 und 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VstG.

Zu II: § 66 Abs. 1 VstG

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20.2.2012, Ge96-70-2011/HW, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.000 Euro, für dein Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 und § 114 Abs. 4 Z. 7 ASchG in Verbindung mit § 70 Abs. 2 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH, unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Türenproduktion x GmbH & Co. KG., Sitz in politischer Gemeinde x, Geschäftsanschrift; x, folgende Übertretung der allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) zu verantworten hat:

Der Arbeitsinspektor Ing. Mag. x vom Arbeitsinspektorat x hat bei einer Unfallerhebung am 24.5.2011 festgestellt, dass

am 24.5.2011 in der Arbeitsstätte der Arbeitgeberin "x Türenproduktion x GmbH. & Co KG" in x,

der Arbeitnehmer Herr x mit Transportarbeiten in der Lagerhalle beschäftigt wurde, obwohl ihm vom Arbeitgeber keine Sicherheitsschuhe mit Zehenschutzkappe zur Verfügung gestellt wurden. Bei dieser Tätigkeit besteht die Gefahr von Verletzungen für die Beine und sind Arbeitschuhe nicht geeignet.

Dadurch wurde  § 70 Abs. 2 AAV übertreten, wonach jenem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen für die Beine besteht und für diese Tätigkeit Arbeitsschuhe nicht geeignet sind, jedenfalls ein zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material zur Verfügung zu stellen ist (z.B. Sicherheitsschuh mit Zehenschutz).

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass weder aus § 70 Abs. 2 AAV noch aus sonstigen arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften hervor gehe, was der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber unter der Wortfolge "zur Verfügung zu stellen" versteht. Der Judikatur sei lediglich zu entnehmen, dass davon auszugehen ist, dass eine Norm, die den Arbeitgeber verpflichtet, bestimmte Materialien, Geräte oder ähnliches "zur Verfügung zu stellen", den Arbeitgeber nicht dazu verpflichte, die Arbeitnehmer zur Nutzung dieses Gegenstände anzuhalten. Vor diesem Hintergrund wurde in der Judikatur regelmäßig die Übernahme der Kosten für die persönliche Schutzausrüstung als ausreichende zur Verfügungstellung anerkannt. Es komme daher nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Arbeitgeber seiner Verpflichtung der zur Verfügungstellung dann nach, wenn er dem Arbeitnehmer die Kosten der Sicherheitsschuhe ersetzt. Dem Arbeitnehmer x seien bereits im Jahr 2003 vom Unternehmer 2 Paar Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt worden und es wurden ihm die Kosten für die am 19.5.2011 gelieferten Sicherheitsschuhe vom Arbeitgeber refundiert. Dies ergebe sich auch aus der bereits vorgelegten Einzelvereinbarung. Es habe daher der Arbeitgeber Herrn x Sicherheitsschuhe gemäß § 70 Abs. 2 AAV zur Verfügung gestellt. Dass der Arbeitnehmer diese zur Verfügung gestellten Sicherheitsschuhe nicht getragen hat, kann dem Berufungswerber nicht vorgeworfen werden. Der Arbeitnehmer war im Zeitpunkt des Arbeitsunfalles nicht mit Transportarbeiten beschäftigt. Vor diesem Hintergrund hätte auch überprüft werden müssen, ob die konkreten Tätigkeiten, für die der Arbeitnehmer eingesetzt wurde, den Arbeitgeber zur Zurverfügungstellung von Sicherheitsschuhen verpflichte. Schließlich wurde ein nicht hinreichender bestimmter Tatvorwurf geltend gemacht. Es sei die Tatzeit nicht hinreichend konkretisiert angegeben. Auch sei eine konkrete Gefährdung des Arbeitnehmers nicht gegeben gewesen. Schließlich wurde auch das Verschulden bekämpft. Zur Strafhöhe wurde die Unbescholtenheit als Strafmilderungsgrund geltend gemacht und angeführt, dass die Tat nicht vorsetzlich begangen worden sei. Auch habe der Berufungswerber ein Tatsachengeständnis erbracht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51 e Abs. 2 Z. 1 VstG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Mit Schreiben vom 14.6.2011 wurde vom Arbeitsinspektorat Linz angezeigt, dass in der Arbeitsstätte x Türenproduktion x GmbH & Co. KG am 24.5.2011 der Arbeitnehmer x mit Transportarbeiten in der Lagerhalle beschäftigt wurde, obwohl ihm vom Arbeitgeber keine Sicherheitsschuhe mit Zehenschutzkappe zur Verfügung gestellt wurden. Dies wurde anlässlich einer Unfallserhebung festgestellt. Dies stelle eine Verwaltungsübertretung gemäß § 70 Abs. 2 AAV dar.

Der Berufungswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x Beteiligungsverwaltungs GmbH, die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Türenproduktion x GmbH & Co. KG ist, wurde mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 30.6.2011 wegen dieser Tatbegehung am 24.5.2011 zur Verantwortung gezogen. Auch die Einvernahme als Beschuldigter am 7.7.2011 richtet sich auf den Tatzeitpunkt 24.5.2011; gleichfalls die weiteren Verfahrensschritte bis letztlich das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

 

Bereits bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 7.7.2011 wie auch nunmehr im Berufungsverfahren hat der Beschuldigte eine Unfallmeldung der x vorgelegt, aus der eindeutig hervor geht, dass sich der Unfall am 17.5.2011 um 13:30 Uhr ereignet hat. Der Verunfallte wurde im AKH Linz am 17.5.2011 behandelt.

Es ist daher erwiesen, dass der Tatzeitpunkt nicht der 24.5.2011, sondern der Unfallstag, nämlich 17.5.2011 war. Die vorgeworfene Verwaltungsübertretung wurde daher zum angelasteten Tatzeitpunkt nicht begangen. Da eine Richtigstellung wegen bereits abgelaufener Verfolgungsverjährungsfrist nicht mehr möglich ist, war das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, weil der Berufungswerber die ihm für 24.5.2011 angelastete Tat nicht begangen hat.

 

5.2. Im Übrigen hat der Oö. Verwaltungssenat auch hinsichtlich der Tatanlastung in der Sache selbst Bedenken. Wie bereits dem Arbeitsinspektorat anlässlich der Wahrung des Parteiengehörs mitgeteilt wurde, hat gemäß § 72 Abs. 1 Z. 5 ASchG der Bundesminister durch Verordnung "die Tätigkeiten und Bedingungen, bei denen bestimmte persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen sind sowie die Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen " näher zu regeln.

In näherer Ausführung der genannten gesetzlichen Ermächtigung regelt daher    § 70 Abs. 2 AAV, dass jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen oder Hautschädigungen für die Beine besteht und für diese Tätigkeit Arbeitsschuhe nicht geeignet sind, ein passender zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material zur Verfügung zu stellen ist.

Eine darüber hinaus gehende Anordnung oder Verpflichtung des Arbeitgebers ist im § 70 Abs. 2 AAV nicht zu entnehmen, insbesondere ist daraus noch nicht die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass das zur Verfügung gestellte Material auch verwendet wird, abzuleiten. Auch die allgemeine Bestimmung des ASchG sieht eine Benutzungsregelung hinsichtlich der Schutzausrüstung nicht vor. Gemäß § 114 Abs. 4 Z. 7 ASchG gilt zwar § 70 AAV als Bundesgesetz weiter, und gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG ist die Zuwiderhandlung gegen weiter geltende Bestimmungen unter Strafe gestellt, allerdings ist hinsichtlich der Benutzung eine Gebotsnorm in § 70 AAV nicht gegeben, sodass auch nicht von einer Zuwiderhandlung gegen eine Gebotsnorm auszugehen war und daher auch ein Zuwiderhandeln nicht unter Strafe gestellt ist.

Es war daher auch unter diesem Aspekt das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

In dieser Hinsicht hat auch das Arbeitsinspektorat Linz mit Stellungsnahme vom 27. März 2011 ausgeführt, dass § 69 Abs. 3 ASchG eine Verpflichtung des Arbeitnehmers regelt, die persönlichen Schutzausrüstungen zu benutzen, und Arbeitgeber gemäß § 130 Abs. 1 Z. 26 ASchG ein dem widersprechendes Verhalten der Arbeitnehmer nicht dulden dürfen. Diesen Ausführungen ist jedoch entgegen zu halten, dass eine diesbezügliche Pflichtverletzung dem Berufungswerber nicht vorgeworfen wurde und daher auch nachträglich im Berufungsverfahren das Straferkenntnis nicht in diese Richtung abgeändert werden kann, weil auch hinsichtlich eines solches Tatvorwurfes bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs. 1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Tatvorwurf, Tatzeit; zur Verfügung stellen ist noch kein Gebot, für die Verwendung zu sorgen.

 

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