Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252987/8/Kü/Ba

Linz, 20.04.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn K S, J, L, vom 10. Oktober 2011 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. Sep­tember 2011, Gz. 0029930/2011, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2012, zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. Sep­­tember 2011, Gz. 0029930/2011, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.1 und Abs.1a iVm § 111 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine Geldstrafe von 730 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben als Gewerbeinhaber der Firma S K, W, L, welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevoll­mächtigten bestellt hat, folgende Verwaltungs­übertretung zu verantworten:

Die oa. Firma hat als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG seit 05.07.2011 den türki­schen Staatsbürger Herrn S A, geboren X, gemeldet J, L als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt im Lokal in der W, L als Aushilfe - Geschirr abwa­schen - beschäftigt. Der in Rede stehende Beschäftigte war der Firma organisatorisch sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Auch bestand eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit.

Obwohl dieser Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken- Unfall- und Pensions­versicherung vollversicherungspflichtig ist, wurde hierüber eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der OÖ. Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77 als zuständigem Sozialversicherungsträger nicht vor Aufnahme der Tätigkeit erstattet.

Die gegenständliche Firma hat somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1ASVG verstoßen."

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung des Bw, in welcher die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt wird. Begründend wurde fest­gehalten, dass bereits am 4. August 2011 per FAX eine Rechtfertigung vorgelegt worden sei. Herr S A sei sein leiblicher Bruder, der am fraglichen Tag von einem Erhebungsbeamten des FA Linz in seiner Imbissstube angetroffen worden sei, als dieser sich auf Besuch im Geschäft aufgehalten habe und – da der Geschäftsgang sehr gut gewesen sei – uneigennützig als Blutsverwandter und unentgeltlich geholfen habe, Geschirr abzuwaschen. Der Beamte habe seinen Bruder befragt, doch habe sein Bruder zu diesem Zeitpunkt kein Wort Deutsch gesprochen.

 

Des Weiteren sei festzustellen, dass zu dieser Zeit beim AMS bereits ein Antrag seines Bruders auf Selbstständigkeit eingebracht worden sei, dem am 26.7.2011 mittels Bescheid stattgegeben worden sei. In der Zwischenzeit sei die S G OG, W, L, gegründet worden, in das Handels­register des BG Linz mit dem Bw als Geschäftsführer und seinem Bruder als Teilhaber eingetragen worden und die Geschäftstätigkeit aufgenommen worden.

 

3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat mit Schreiben vom 18. Ok­tober 2011 (eingelangt am 24. Oktober 2011) die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2012, an welcher der Bw in Begleitung eines Vertreters sowie ein Vertreter der Finanzverwaltung teilgenommen haben. In der mündlichen Verhandlung wurde das Kontrollorgan, welches die gegenständliche Kontrolle des Lokals durchgeführt hat, als Zeuge einvernommen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Seit 1. Februar 2010 betreibt der Bw als Einzelunternehmer am Standort W, L, ein Lokal, welches eine Größe von ca. 50 m2 aufweist und über ca. 20 Sitzplätze verfügt. Das Lokal ist täglich von 9.00 bis 23.00 Uhr geöffnet. Im Juli 2011 war der Bw selbst im Lokal tätig und hat zudem noch einen Pizza-Koch beschäftigt.

 

Der Bruder des Bw, Herr A S, ist im Februar 2011 als Asylwerber nach Österreich gekommen. Herr A S hat vorerst im Asylanten­heim gewohnt, doch hat ihn der Bw nach einem Monat in seiner Wohnung in der J in L Unterkunft gewährt. Der Bw hat ab dieser Zeit auch für seinen Bruder gesorgt.

 

Von Zeit zu Zeit hat Herr A S das Lokal des Bw besucht, da dieser den ganzen Tag über dort gewesen ist. Der Bw hat seinem Bruder gegen­über gesagt, dass er nicht arbeiten dürfe. Er konnte aber nicht verhindern, dass dieser gelegentlich kleine Tätigkeiten, wie Aschenbecher ausleeren usw. durchgeführt hat. Da der Bw seinen Bruder auch versorgt hat, hat sich dieser im Lokal selbstständig etwas zu trinken und zu essen genommen und hat dafür nichts bezahlt.

 

In der Folge wurde der Bw von einem Bekannten dahingehend beraten, dass er sich einen zusätzlichen Angestellten in seinem Geschäftsbetrieb nicht leisten kann sondern er nur eine Personengesellschaft gründen kann, die in der Folge dann das Lokal betreibt. Im Lokal sollten dann die Gesellschafter ohne einen Lohn zu beziehen arbeiten. Aus diesem Grunde wurde zwischen dem Bw und seinem Bruder am 3.3.2011 ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen. Die Gesell­schaft wurde am 30.7.2011 ins Firmenbuch eingetragen.

 

Am 5.7.2011 wurde das Lokal des Bw von Organen des Finanzamtes Linz auf Einhaltung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes kontrolliert. Bei dieser Kontrolle wurde der Bruder des Bw bei der Spüle im Barbereich ange­troffen. Herrn A S wurde von den Kontrollorganen ein Personen­blatt vorgelegt. In diesem Personenblatt hat Herr A S angegeben, dass er nicht arbeitet.

 

Im September 2011 wurde das Lokal des Bw von der S G OG über­nommen. Die Gewerbeberechtigung ist am 7. September 2011 erteilt worden.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich einerseits aus dem Strafantrag des Finanzamtes Linz sowie den grundsätzlich übereinstimmenden Angaben des Bw sowie des einvernommenen Zeugen in der mündlichen Verhandlung. Vom Bw wird grundsätzlich nicht bestritten, dass sein Bruder im Lokal aufhältig gewesen ist und bei der Spüle gestanden ist. Zusätzliche Beobachtungen wurden auch vom Zeugen im Zuge der Kontrolle nicht gemacht.

 

Die Feststellungen hinsichtlich der Gründung der Personengesellschaft ergeben sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.       Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.       Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.       Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.       gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Nach § 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

5.2. Voraussetzung für die Annahme der Dienstnehmereigenschaft ist im Sinne des § 4 Abs.2 ASVG das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit. Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beur­teilung der persönlichen Abhängigkeit auf das Gesamtbild der Tätigkeit an. Es müssen nicht alle Kriterien der Dienstnehmereigenschaft vorliegen. Wesentlich ist, ob die Gesamtbetrachtung der Art und Weise der Tätigkeit zum Ergebnis der persönlichen Abhängigkeit gelangt.

 

Der Bruder des Bw wurde von den Kontrollorganen am Tag der vorgeworfenen Beschäftigung im Bereich der Spüle angetroffen. Tatsache ist, dass der Bw seinen Bruder bei sich aufgenommen hat und auch für die kostenlos Verpflegung aufgekommen ist. Nachvollziehbar und den üblichen Gegebenheiten folgend erscheint es daher, dass der Bruder des Bw des Öfteren im Lokal anwesend gewesen ist und dort sich selbstständig mit Essen und Trinken versorgen konnte. Auch entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Bruder des Bw sich durch die Verrichtung von kleinen Handgriffen im Lokal nützlich macht und sich so seinem Bruder gegenüber für die Aufnahme und Verpflegung erkenntlich zeigt. Eine Arbeitspflicht des Bruders des Bw bzw. eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs.2 ASVG kann daraus aber nicht abgeleitet werden. Fest steht zudem, dass der Bw seinem Bruder kein Entgelt für allfällige Tätigkeiten im Lokal bezahlt hat. Außerdem hat der Bw seinen Bruder gegenüber immer wieder geäußert, dass dieser im Lokal nicht arbeiten darf. Dass es nach dem Kontrollzeitpunkt durch die Gründung einer Personengesellschaft und der Übernahme des Lokals durch diese Personenge­sellschaft eine Möglichkeit für den Bruder des Bw gegeben hat, eine Tätigkeit im Lokal aufzunehmen, ist grundsätzlich nicht Gegenstand dieses Verwaltungsstraf­verfahrens. Dem Bw wird angelastet, am 5. Juli 2011 seinen Bruder beschäftigt zu haben. Zu diesem Zeitpunkt kann allerdings den glaubwürdigen Darstellungen des Bw in der Berufung sowie in der mündlichen Verhandlung, wonach es sich um unent­geltliche Hilfstätigkeit des Bruders des Bw an diesem Tag gehandelt hat, nicht entgegen getreten werden. Die spezifische Bindung zwischen den beiden ist aufgrund der Blutsverwandtschaft gegeben. Die Freiwilligkeit und Unentgeltlich­keit der Leistung wird vom erkennenden Mitglied des Unabhängigen Verwaltungs­senates nicht in Zweifel gezogen. Die Verpflegung des Bw stellt keine Gegenleistung für erbrachte Hilfstätigkeiten dar sondern ist aufgrund der be­stehenden Verwandtschaft als Selbstverständlichkeit und im Familienkreis üblich anzusehen. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kann dem Bw eine Beschäftigung seines Bruders jedenfalls am vorgeworfenen Tattag nicht nachgewiesen werden sondern ist im Zweifel – anderes hat auch das Ermittlungsverfahren im Berufungsverfahren nicht ergeben – von einem Ge­fälligkeitsdienst des Bruders, welcher keine Versicherungspflicht auslöst, auszugehen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Bw am vorgeworfenen Tattag nicht als Dienstgeber seines Bruders gewertet werden kann und daher ein Verstoß gegen die melderechtlichen Vorschriften nicht vorgehalten werden kann, weshalb der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

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