Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401176/4/SR/Ga

Linz, 25.04.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, alias X, geboren am X, alias X, geboren am X, Staatsangehöriger von Afghanistan, derzeit PAZ X, X, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 13. April 2012, GZ Sich40-1679-2012, und Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft seit dem 13. April 2012 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird      festgestellt, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die   Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

 

II.     Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei          Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den notwendigen      Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 112/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage vom nachstehenden Gang des Verfahrens und Sachverhalt aus:

 

1.1. Mit Mandatsbescheid vom 13. April 2012, Zl. Sich 40-1679-2012, ordnete die belangte Behörde auf der Grundlage des § 76 Abs 2a Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) und zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Den Bescheid, dessen Spruch und Rechtsmittelbelehrung in eine für den Bf verständliche Sprache übersetzt wurde, hat der Bf mit einem Schubhaftinformationsblatt noch am gleichen Tag übernommen. Die Übersetzung erfolgte in Paschtu. Anschließend wurde der Bf zum Vollzug der Schubhaft ins polizeiliche Anhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion X überstellt.

 

1.2. Aus dem Schubhaftbescheid und der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche Sachverhalt:

 

1.2.1. Der Bf, laut eigenen Angaben ein Staatsangehöriger von Afghanistan, dessen Identität nicht gesichert ist, stellte am 16. März 2012 vor Beamten des LPK Wien einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag).

 

1.2.2. Im Zuge der Erstbefragung am 17. März 2012 führte der Bf aus, X zu heißen, am X in X geboren und Staatsbürger von Afghanistan zu sein. Er würde über keine Barmittel verfügen und von keinen Bezugspersonen unterstützt werden. Da er Probleme mit dem Magen habe, nehme er regelmäßig das Medikament Ergenyl, dass er von einem Arzt in Deutschland bekommen habe. Im achten Monat des Jahres 2010 habe er die Heimat zu Fuß verlassen und sei über Iran und die Türkei in Griechenland eingereist, wo er von der griechischen Polizei am 10. September 2010 aufgegriffen worden wäre. Nach erkennungsdienstlicher Behandlung (Fingerabdrücke und Foto) sei er bis zum 13. September 2010 angehalten worden. Vor der Entlassung habe er einen schriftlichen Landesverweis erhalten. Diesen habe er weggeworfen. Anschließend sei er mit dem Autobus nach Athen gefahren, habe sich dort bis zum zweiten Monat des Jahres 2011 aufgehalten und danach mit vier weiteren Personen illegal nach Mazedonien gereist. In Mazedonien sei er "erwischt" und nach Griechenland abgeschoben worden. Die griechischen Behörden hätten ihn ca. 1 Monat angehalten. Nach der Entlassung sei er nach Athen gefahren und habe sich dort bis zum 6. Juni 2011 in einem Schlepperquartier aufgehalten. Versteckt in einem Container sei er nach Thessaloniki gelangt und in der Folge mit einem Schnellboot nach Italien gebracht worden. Die Bootsfahrt habe ca. 5 Tage in Anspruch genommen. Am 12. Juni 2011 sei er mit 35 weiteren Bootsinsassen von der italienischen Polizei aufgegriffen worden, man habe ihm die Fingerabdrücke abgenommen und drei Tage lang angehalten. Da er gegenüber den Behörden ausgesagt habe, nicht in Italien bleiben sondern weiterreisen zu wollen, sei er nach Griechenland abgeschoben worden. In Griechenland habe ihm ein afghanischer Schlepper einen gefälschten italienischen Reisepass besorgt. Mit diesem sei er von Athen nach Frankfurt geflogen. Bei der Einreise in Frankfurt sei die Fälschung hervorgekommen und er drei Monate lang in Haft gewesen. Im Gefängnis sei ihm mitgeteilt worden, dass er im Falle der Asylantragsstellung freikommen werde und in Deutschland bleiben könne. Nach ca. einem Monat in einem Lager sei er vor die Wahl gestellt worden, freiwillig nach Afghanistan zurückzukehren oder nach Italien abgeschoben zu werden. Er habe sich für Italien entschieden. Im November 2011 sei die Abschiebung nach Rom erfolgt. Dort habe er sich bei Freunden in Bahnhofsnähe aufgehalten. Ca. sechs Tage vor der nunmehrigen Asylantragstellung habe ihm die Polizei in Rom ein Zugticket ausgestellt und ihn aufgefordert, in das Lager nach X zu fahren. Freunde hätten ihm im Lager gesagt, dass er wegen der Nichtbezahlung des Schlepperlohns von einem kurdischen Schlepper gesucht werde. Daraufhin sei er am 15. März 2012 in einen Zug gestiegen und nach Österreich (Wien) gefahren.

 

In Griechenland und Italien habe er nicht um Asyl angesucht. Italien sei ein gutes Land, wegen der Schulden beim Schlepper habe er sich nicht mehr sicher gefühlt. Den Herkunftsstaat habe er wegen Probleme mit den Taliban verlassen.

 

Nach Griechenland wolle er wegen der Probleme nicht zurück, nach Italien nicht, da er sich vor den Schleppern fürchte und nach Deutschland nicht, da ihm für den Fall der Rückkehr ein Gefängnisaufenthalt von sechs Monaten angedroht worden sei.

 

1.2.3. Im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung kamen folgende EURODAC – Treffer hervor:

17.06.2011/X und 08.07.2011/X lautend auf den Namen X, geboren am X, afghanischer Staatsangehöriger

 

Dem Wiederaufnahmeersuchen des Bundesasylamtes vom 19. März 2012 kam Italien am 2. April 2012 nach und stimmte der Übernahme des Asylverfahrens und der Überstellung des Bf nach Italien zu.

 

1.2.4. Am 3. April 2012 wurde der Bf in die EAST-West verlegt und die belangte Behörde davon verständigt.

 

Die Zuteilung eines Rechtsberaters der "ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe" erfolgte am 4. April 2012.

 

Am 10. April 2012 fand beim Bundesasylamt, EAST-West, im Zulassungsverfahren die Befragung des Bf in Gegenwart seines Rechtsberaters statt.

 

Einleitend verwies der Bf auf seine getätigten Angaben bei der Erstbefragung. Dokumente besitze er nicht und seine Identität könne er nicht nachweisen. Den Aufenthalt in Griechenland, die Reise von Griechenland nach Italien und von Griechenland nach Deutschland könne er nicht beweisen. Die Schlepper hätten ihm alles abgenommen. Entgegen der Aktenlage (erkennungsdienstliche Behandlung in Otranto am 17. Juni 2011) bestritt der Bf eine Asylantragstellung in Italien. Zur Untermauerung seiner Aussage brachte der Bf vor, dass im Falle der Asylantragsstellung eine Abschiebung nach Griechenland nicht stattgefunden hätte. Erst nach der Abschiebung von Deutschland nach Italien habe er eine Asylantragsstellung vorgehabt.

Abweichend von den geschilderten Reisebewegungen sagte der Bf aus, dass er am 12. Juni 2011 in Italien (irgendwo an der Grenze) angekommen und noch am selben Tag nach Griechenland abgeschoben worden sei. Den Widerspruch zur erkennungsdienstlichen Behandlung am 17. Juni 2011 in X konnte er nicht aufklären.

Nach der Mitteilung über die beabsichtigte Überstellung nach Italien wies der Bf wiederholend auf jene Gründe hin, die ihn zur Ausreise aus Italien veranlasst hätten (Gefahren, die vom Schlepper wegen Nichtbezahlung des Schlepperlohns ausgehen würden).

 

Mit Bescheid vom 12. April 2012, AZ 12 03.181, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Bf ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sah Italien entsprechend Art. 16 (1) (c) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zur Prüfung des Asylantrages als zuständig an. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Bf aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und die Abschiebung nach Italien für zulässig betrachtet. Der Bescheid wurde dem Bf am 13. April 2012 ausgefolgt. Die Bestätigung der Übernahme verweigerte der Bf.

 

Zum "Themenbereich Abschiebung nach Griechenland und (keine) Asylantragstellung in Italien" führte das Bundesasylamt in der Beweiswürdigung wie folgt aus:

 

Betreffend Ihre Angaben, dass Sie am 12. Juni 2011 von Italien aus nach Griechenland abgeschoben worden wären, wird angeführt, dass diesen kein Glauben geschenkt wird.

 

So können Sie einerseits diese Behauptungen mit keinerlei Beweismittel belegen und ist andererseits mit der dezidierten Zustimmung (datiert mit 02.04.2012) der italienischen Behörden zur Rückübernahme Ihrer Person erwiesen, dass Sie von den italienischen Behörden nicht nach Griechenland überstellt worden sind. Im gegenteiligen Fall wäre die Zuständigkeit Italiens erloschen und die italienischen Behörden hätten das Wiederaufnahmeersuchen der Republik Österreich abgelehnt. Auch wären Sie in diesem Fall (wären Sie tatsächlich von Italien nach Griechenland rückgeführt worden) nicht von Deutschland aus nach Italien überstellt worden, da eine Zuständigkeit Italiens im November 2011 bereits erloschen gewesen wäre.

 

Abgesehen davon weist Ihr Vorbringen auch einen eklatanten Widerspruch auf. So geben Sie im Zuge der Erstbefragung am 17.03.2012 dezidiert an, nach Ihrer Ankunft in Italien am 12.06.2011 drei Tage in Haft gewesen zu sein, bevor Sie nach Griechenland überstellt worden wären. Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesasylamt führen Sie dann widersprüchlich an, am 12.06.2011 in Italien angekommen und noch am selben Tag (!) nach Griechenland rückgeführt worden zu sein.

 

Aufgrund der oa. Erwägungen ist es für die ho. Behörde erwiesen, dass Ihr Vorbringen absolut unglaubhaft ist und die italienischen Behörden Sie nicht nach Griechenland rücküberstellt haben.

 

Bezüglich Ihrer Angaben, dass Sie in Italien keinen Asylantrag gestellt hätten, ist festzuhalten, dass Sie in Italien sehr wohl einen Asylantrag gestellt haben. Dies ergibt sich aus der Kennnummer gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. D der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11.12.2000 (Eurodac-Verordnung), in welcher gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28.02.2002 (Eurodac-Durchführungsverordnung) dem/den Kennbuchstaben für die Mitgliedsstaaten die Kennung von Personenkategorien folgt. Dabei werden Daten von Asylwerbern mit „1“ und von Personen nach Art. 8 der Eurodac-Verordnung (das sind Personen über vierzehn Jahre, welche beim illegalen Überschreiten der Grenze eines Mitgliedsstaates aus einem Drittstaat kommend von den zuständigen Kontrollbehörden aufgegriffen und nicht zurückgewiesen werden) mit „2“ gekennzeichnet.

 

Nachdem der gegenständliche Eurodac-Treffer „IT1...“ lautet, ist daraus ersichtlich, dass Sie in Italien einen Asylantrag gestellt haben und Ihnen dabei die Fingerabdrücke abgenommen wurden, Sie demzufolge in Italien ein „Asylwerber“ waren (vgl. dazu AGH-Erkenntnis vom 06.05.2009, GZ. S17 406.067-1/2009-2E).

 

Innerhalb offener Frist erhob der Bf Beschwerde an den Asylgerichtshof. Laut AIS wurde der Verwaltungsakt am 20. April 2012 per DHL an den Asylgerichtshof geschickt.

 

1.3. Mit Bescheid vom 13. April 2012, GZ Sich40-1679-2012, ordnete die belangte Behörde auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG iVm. § 57 AVG gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) und zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) an.

 

Einleitend nahm die belangte Behörde Bezug auf die einschlägigen Bestimmungen und stellte ausführlich den relevanten Sachverhalt dar.

 

Dabei hielt sie u.a. fest, dass der Bf in Österreich keinerlei familiären Bezug habe, völlig mittellos sei und mangels der Vorlage eines Identitätsdokumentes die tatsächliche Identität des Bf nicht gesichert sei. Die angeführten Krankheiten seien nicht entscheidungsrelevant, was sich auch im Reiseverhalten und der Flexibilität des Bf gezeigt habe. Infolge der Zustimmung der italienischen Behörden sei hervorgekommen, dass sich der Bf in Italien völlig anderer Personalien (X, geboren am X) bedient habe.

 

Dem oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes, der dem Bf am 13. April 2012 zugestellt worden sei, komme gemäß § 36 Abs. 1 AsylG eine aufschiebende Wirkung nicht zu.

 

Unmittelbar nach Zustellung dieses Bescheides sei der mittellose Bf festgenommen worden, da er nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sei, durchsetzbar aus dem Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen worden wäre und die Außerlandesbringung unmittelbar bevorstehe.

 

Eine Rückkehr nach Italien habe der Bf zu jedem Zeitpunkt klar negiert und sich gegen die Rückbringung ausgesprochen.

 

Ein entsprechendes Verhalten habe der Bf bereits in Italien und Deutschland unter Beweis gestellt, indem er sich der Asylantragstellung bediente, um freigelassen und nicht abgeschoben zu werden. Zugewiesene Unterkünfte habe der Bf aufgegeben und sei unter Aufwendung weiterer Barmittel (Schlepperkosten) illegal von Italien nach Deutschland und nach erfolgter Rückstellung von Italien nach Österreich gereist. Erkennbar sei der Bf nicht gewillt, seine Fluchtgründe in Italien inhaltlich prüfen zu lassen. Bewusst habe er sich dem weiteren Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren in Italien nicht zur Verfügung gehalten. Eine Verhaltensänderung sei nicht erkennbar.

 

Bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 Abs. 2a FPG. habe die Behörde – im Gegensatz zu der Rechtsnorm des § 76 Abs. 2 FPG. – kein Ermessen im Hinblick auf die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005. Es bleibe jedoch zu prüfen, ob die Sicherung der Abschiebung bzw. des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung mittels Schubhaft notwendig sei und ob in der Person des Asylwerbers gelegene, besondere Umstände der Schubhaft entgegenstehen würden.

 

Hinsichtlich der Notwendigkeit werde festgehalten, dass in Fällen, in denen eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung gemäß dem Dublinabkommen erlassen wurde, durch die im Fremdenrechtsänderungsgesetz (FRÄG) 2009 geänderten Rechtsbestimmungen ein Sicherungsbedarf bereits indiziert ist. Mit einer zeitnahen Abschiebung nach Italien sei im vorliegenden Fall jedenfalls zu rechnen, zumal sich (u. a. durch die verkürzte Rechtsmittelfrist gegen zurückweisende Entscheidungen der Asylbehörden) das Asylverfahren im finalen Stadium befinde und selbst im Falle des Einbringens einer Beschwerde im Asyl- und Ausweisungsverfahren von einer zeitlich sehr kurzen Anhaltung in der Schubhaft auszugehen sei.

 

Italien werde vom Bf offensichtlich als Transitland betrachtet. Der Bf habe auch illegale Grenzübertritte innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ganz bewusst in Kauf genommen. Sein Verhalten zeige auf, dass er keinesfalls gewillt sei, sich der Abschiebung und einem Asylverfahren in Italien zu stellen.

 

Der Handlungsweise und den Angaben des Bf sei auch zu entnehmen, dass er sich offenkundig nur in westlichen Mitgliedstaaten der europäischen Union abseits von Italien aufhalten wolle und dafür auch seine Ersparnisse geopfert habe, um dieses Ziel zu erreichen. Auch gehe unzweifelhaft hervor, dass er nicht an minderjährige Kinder gebunden und flexibel in seiner Lebensgestaltung sei. Er könne sich in fremden Staaten selbst versorgen, zumindest dann, wenn es erforderlich sei um in der Anonymität in einem Land auszuharren und bei Bedarf in Nachbarstaaten weiterreisen zu können.

 

Nachdem dem Bf nunmehr mittels Bescheid die Überstellung nach Italien angekündigt (durchsetzbare Ausweisung) und der Spruch des Bescheides in eine ihm verständliche Sprache übersetzt sei, wäre davon auszugehen, dass er sich ebenso in Österreich dem Verfahren entziehen und in die Anonymität abtauchen werde, um sich – wenn auch illegal – fortlaufend im Bundesgebiet aufzuhalten und einer drohenden Überstellung nach Italien entgehen zu können.

 

In den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG 2005 sei von der Verhängung der Schubhaft lediglich in absoluten Ausnahmefällen abzusehen; solche besonderen Umstände in der Person des Bf würden nicht vorliegen und auch aus der Aktenlage nicht hervorgehen.

 

Nachdem aufgrund des geschilderten Sachverhaltes und des bisherigen Verhaltens des Bf im Bundesgebiet zu befürchten sei, dass er sich – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen und in die Anonymität abtauchen werde, sei zur Sicherung der Abschiebung des Bf in den Mitgliedstaat Italien seine Anhaltung in der Schubhaft unbedingt erforderlich.

 

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf – nach einem neuerlichen Abtauchen in die Anonymität – dem österreichischen Staat weiters finanziell zur Last fallen könnte. Nachdem der Bf bereits mehrfach unter Beweis gestellt habe, dass er keinen Wert an der Einhaltung der Rechts- und Werteordnung in den Gastländern lege, sei auch davon auszugehen, dass der Bf den erforderlichen Unterhalt auch im Bundesgebiet oder in der europäischen Union notfalls durch illegale Beschäftigung oder strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen erwirtschaften werde.

 

Darüber sei im Besonderen die Gefahr nach einem Abtauchen in die Anonymität sehr groß, dass letztlich Österreich für die inhaltliche Asylprüfung zuständig werden könne. Die belangte Behörde komme nach umfassender Einzelfallprüfung des Sachverhaltes zum Schluss, dass eine Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft im konkreten Fall vorliege. Denn dem Recht des Fremden auf Schutz der persönlichen Freiheit stehe das überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um dieses Ziel zu gewährleisten sei der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit erforderlich.

 

2.1. Mit der am 23. April 2012 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten, per Post (Poststempel 40?0 Linz, 19.4.2012) übermittelten Eingabe vom 16. April 2012 erhob der Bf "Beschwerde gemäß § 82 FPG idgF" und stellte die Anträge, den Schubhaftbescheid sowie die auf dessen Grundlage erfolgte Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären. Weiters möge der Bund zum Kostenersatz im verzeichneten Ausmaß verpflichtet werden.

 

Die Sachverhaltsfeststellungen werden vom Bf nicht in Frage gestellt. Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen führt der Bf aus, dass die Formalvoraussetzungen des § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG unbestritten erfüllt seien. "Bestritten werde jedoch das Vorliegen einer Sicherungsnotwendigkeit im Form der Anhaltung in Schubhaft". Die von der belangten Behörde herangezogenen Umstände seien nach der höchstgerichtlichen Judikatur nicht geeignet, einen Sicherungsbedarf zu begründen. Auszugsweise wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. August 2010, Zl. 2010/21/0234, wiedergeben und einige Passagen hervorgehoben. Ohne auf den vorliegenden Fall Bezug zu nehmen, hält der Bf fest, dass in Ansehung dieser Judikatur die belangte Behörde einen Sicherungsbedarf verneinen hätte müssen und allenfalls ein gelinderes Mittel verhängen hätte dürfen. Weiters erachtet sich der Bf durch den "angefochtenen Bescheid" in seinen Rechten verletzt, weil die belangte Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen habe. Wiederum bezieht sich der Bf auf das o.a. Erkenntnis und unterlässt ein fallbezogenes Vorbringen. In "Gesamtschau" habe die belangte Behörde " die Notwendigkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung mit unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und sohin die Schubhaftverhängung und –aufrechterhaltung mit Rechtswidrigkeit behaftet".

 

2.2. Mit Schreiben vom 23. April 2012 übermittelte die belangte Behörde per E-Mail Teile des von ihr geführten Fremdenaktes, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Einleitend verwies die belangte Behörde auf die übermittelten Aktenunterlagen, den bereits im Schubhaftbescheid vom 16. Februar 2012 festgestellten Sachverhalt, die Beschwerde im Asylverfahren und die Übermittlung der Asylakten an den Asylgerichtshof.

 

Nach umfassenden Ausführungen zum konkreten Sicherungsbedarf kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass eine Verhaltensänderung des Bf nicht erkennbar sei und im Hinblick auf den fortgeschrittenen Verfahrensstand die Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens und der Abschiebung unbedingt erforderlich sei.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche (unstrittige) Sachverhalt hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 112/2011, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.2. Es ist unbestritten, dass der Bf von der belangten Behörde seit dem 13. April 2012 in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

4.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß   § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs 1 Z 4 vorletzter Satz AsylG 2005 nicht nachgekommen ist;

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs 2 Z 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne vorausgegangener Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zur Behörde, in der auf diese Konsequenzen hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird (§ 77 Abs. 4 FPG).

 

Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 FPG vor. Wird einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von 10 Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

4.4. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.5. In dem aus Anlass einer Amtsbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0542, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst wiederholt, dass die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, sondern der Sicherungsbedarf müsse in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa eine mangelnde soziale Verankerung in Österreich in Betracht komme (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Für die Bejahung des Sicherungsbedarfs im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG komme daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, welche das befürchtete Risiko des Untertauchens rechtfertigen können (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0162). Abgesehen von der Integration des Fremden sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (Hinweis auf VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0311; VwGH je vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0091 und Zl. 2006/21/0051). Auch wenn Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstellen (vgl etwa VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0087; VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/311) kann nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2009 der Verurteilung eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zukommen. Eine erhebliche Delinquenz des Fremden kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner baldigen Abschiebung - in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern.

 

4.6. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde im Hinblick auf den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. April 2012, mit dem der Asylantrag gemäß § 5 AsylG 2006 als unzulässig zurückgewiesen und die Ausweisung des Bf nach Italien anordnet wurde, mit Recht auf den Schubhaftgrund des § 76 Abs 2a FPG abgestellt. In einem solchen Fall liegt nämlich eine durchsetzbare Ausweisung vor, bei der einer Beschwerde an den Asylgerichtshof nur dann aufschiebende Wirkung zukommt, wenn ihr der Asylgerichtshof binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuerkennt (vgl §§ 36 Abs 1, 37 Abs 1 AsylG 2005). Mit der die Ausweisung umsetzenden Abschiebung ist gemäß § 36 Abs 4 AsylG 2005 bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, im Falle eines Rechtsmittels bis zum Ablauf des siebenten Tages nach Beschwerdevorlage zuzuwarten.

 

In diesem Verfahrensstadium droht demnach ganz zeitnah die Abschiebung. Die belangte Behörde hat daher zutreffend argumentiert, dass im Fall des § 76 Abs 2a Z 1 FPG der Sicherungsbedarf schon von vornherein indiziert ist. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf die Ausreiseunwilligkeit des Bf, seine Mittellosigkeit, die mangelnde soziale Verankerung, seine illegalen Grenzübertritte innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die er durchaus bewusst in Kauf genommen hat, die Verschleierung seiner Reisebewegung, die nicht glaubhaften Angaben zum Aufenthalt des letzten Jahres und die Verwendung unterschiedlicher Identitäten.

 

Auf die Reisebewegungen samt Aufenthalten in den angesprochenen Mitgliedsstaaten ist bei der Begründung des Sicherungsbedürfnisses und bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung abzustellen.

 

Sowohl die belangte Behörde als auch das Bundesasylamt sind nachvollziehbar davon ausgegangen, dass die Reisebeschreibungen Griechenland betreffend nicht glaubhaft sind. Im oben wiedergegebenen Teil der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes kommen die Verschleierungsbestrebungen des Bf eindeutig und klar zum Ausdruck. Bestätigung für diese Annahme ist bereits im Asylverfahren zu finden. Darin bringt der Rechtsberater des Bf zum Ausdruck, dass grundsätzlich Griechenland zur Führung des Asylverfahrens zuständig sei, jedoch bedingt durch die Unzulässigkeit einer Abschiebung nach Griechenland, eine Zuständigkeit Österreichs zur Führung des Asylverfahrens gegeben wäre und eine Zurückweisung des Asylantrages und eine Abschiebung des Bf nach Italien daher nicht in Frage komme.

 

Ein Vergleich der Angaben des Bf vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung) und den zeitlich kurz davon getätigten Aussagen vor dem Bundesasylamt fördert wesentliche Widersprüche zu Tage. Herauszuheben sind die markanten Widersprüche, die die illegale Einreise nach Italien und die "Abschiebung" nach Griechenland betreffen. Folgte man den zuletzt im Asylverfahren gemachten Angaben des Bf, hätte eine erkennungsdienstliche Behandlung in X am 17. Juni 2011 nicht stattfinden können, da sich der Bf (laut seinen Angaben) bereits seit dem 12. Juni 2011 (Letztversion) bzw. dem 15. Juni 2011 (Erstbefragung) wieder in Griechenland befunden haben will.

 

In der Beschwerdeschrift wird unter "Sachverhalt" lediglich auf die getätigten Angaben bei der Erstbefragung verwiesen, die behördlichen Sachverhaltsfeststellungen und die Zuständigkeit Italiens werden nicht mehr in Frage gestellt. Dies zeigt sich auch darin, dass der Bf die "Formalvoraussetzungen des § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG unbestritten als erfüllt" ansieht.

 

Bei der Prüfung, ob ein konkretes Sicherungsbedürfnis vorliegt, ist noch einmal Bezug auf die bereits wiedergegebene Beweiswürdigung des Bundesasylamtes (und in diesem Sinne auch die der belangten Behörde) zu nehmen. Auch wenn der Bf auf diesen Teil seines (ursprünglichen) Vorbringens nicht mehr abstellt und die Zuständigkeit Italiens zur Führung des Asylverfahrens unstrittig als gegeben erachtet, lassen die Aussagen im Asylverfahren eindeutige Rückschlüsse auf die Einstellung des Bf zu.

 

Unbestritten verließ der Bf seine Heimat im August 2010 und reiste schlepperunterstützt in Italien ein. Trotz mehrfach gestellter Asylanträge in verschiedenen Staaten ist es - bedingt durch das Verhalten des Bf – noch zu keinem inhaltlichen Abschluss eines derartigen Verfahrens gekommen. Obwohl der Bf eine Asylantragsstellung in Italien bestreitet, lässt sich aus dem EURODAC-Ergebnis entnehmen, dass der Bf in Italien / X am 17. Juni 2011 einen Asylantrag gestellt hat. Diesbezüglich ist auf die schlüssige Beweisführung der belangten Behörde und des Bundesasylamtes zu verweisen. Ohne sich dem Verfahren zu unterziehen, ist der Bf untergetaucht und in der Folge illegal in Deutschland eingereist. Dort hat er sich im Glauben, fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entkommen, wiederum der Asylantragsstellung bedient. Wider seinen Erwartungen ist er im November 2011 in den zuständigen Staat - Italien - abgeschoben worden. In Italien hielt sich der Bf bis Anfang März 2012 in Rom auf und mied in diesem Zeitraum den Behördenkontakt. Um den 10. März 2012 suchte der Bf laut seinen Angaben und ohne Gründe dafür anzugeben die Polizei auf. Der Aufforderung, Unterkunft in einem Lager in X zu nehmen, kam der Bf mit Hinweis auf die Gefährdung durch seinen Schlepper nicht nach. Aus den Vorbringen des Bf ist durchgehend erkennbar, dass er in wesentlichen Bereichen vage und widersprüchlich bleibt. Insgesamt ist jedoch zu ersehen, dass er an einem inhaltlich geführten Asylverfahren keine Interesse zeigt und nur an einem Weiterverbleib in von ihm ausgesuchten europäischen Staaten interessiert ist. Italien scheint bei ihm nicht als Wunschasylland auf.

 

Grundsätzlich rechtfertigt schon das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer und beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet das Risiko des Untertauchens und deutet auf einen konkreten Sicherungsbedarf hin. Im gegenständlichen Fall fehlen diese Anknüpfungspunkte gänzlich. Darüber hinaus hat das bisherige – oben beschriebene - Verhalten des Bf aufgezeigt, dass er monatelang in der Anonymität untertaucht und sich dabei verschiedene (Schein-)Identitäten zulegt, um fremdenpolizeiliche Maßnahmen zu unterlaufen. Da der Bf mit allen Mitteln eine Zurückschiebung nach Italien verhindern möchte (beispielsweise konstruierte er eine allgemein gehaltene Gefährdung seiner Person durch Schlepper) und ein neuerliches Abtauchen in die Anonymität zu befürchten ist, bestand und besteht daher ein konkretes Sicherungsbedürfnis.

 

Der Verweis des Bf auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes führt nicht zu dem von ihm angestrebten Spruch. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof in der vom Bf auszugsweise wiedergegebenen Entscheidung davon gesprochen, dass es bei der Heranziehung der genannten Schubhaftbestimmung auf Grund des Sonderfalls "weniger ausgeprägter Hinweise" bedarf, jedoch Hinweise neben dem Vorliegen des Schubhaftgrundes "immer erforderlich" sind. Wie oben dargestellt, sind dem relevanten Sachverhalt "ausgeprägte Hinweise" zu entnehmen, die ein die Schubhaft rechtfertigendes Sicherungsbedürfnis aufzeigen. Inwieweit der Bescheid der belangten Behörde mit Rechtswidrigkeit behaftet sein soll, weil die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Im Hinblick auf den allseits unstrittigen Sachverhalt und darauf, dass der Bf keinerlei Ausführungen dazu gemacht und sich mit dem Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes begnügt hat, musste dieses Vorbringen nicht weiter verfolgt werden.

 

Abgesehen vom vorliegenden konkreten Sicherungsbedürfnis ist die Anhaltung in Schubhaft auch verhältnismäßig und das Ziel erreichbar.

 

Die belangte Behörde hat bezogen auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles von der Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 FPG mit Recht Abstand genommen. Der Bf wird voraussichtlich weiterhin alles unternehmen, um die Abschiebung nach Italien zu vereiteln. Durch das schon bisher unkooperative Verhalten des Bf ist nicht damit zu rechnen, dass er sich freiwillig zur Verfügung halten werde.

 

Die Wahrscheinlichkeit des Untertauchens rechtfertigt eine Ermessensübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen. Die Schubhaft erscheint auch im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen verhältnismäßig.

 

Die belangte Behörde ist weiters verpflichtet, die Schubhaft nur so kurz wie möglich zu halten und darf diese darüber hinaus nur aufrechterhalten, wenn der Grund für ihre Anordnung nicht weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Darüber hinaus darf sie außer den gesetzlich bestimmten Fällen insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern. § 80 Abs. 5 FPG sieht vor, dass die Schubhaft, die in den Fällen des § 76 Abs. 2 oder 2a FPG verhängt wurde, bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden kann, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z. 1 bis 3 vor.

 

Wie aus den getroffenen Feststellungen hervorgeht, hat die belangte Behörde darauf hingewirkt, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

 

Im vorliegenden Fall wird die Schubhaft weniger als zwei Wochen aufrecht erhalten. Weder aus dem Vorbringen des Bf noch aus der Aktenlage ist zu ersehen, dass die belangte Behörde ihrer Verpflichtung, die Schubhaft so kurz wie möglich zu gestalten, nicht nachgekommen wäre.

 

Der Oö. Verwaltungssenat kann keine aktenkundigen Anhaltspunkte erkennen, wonach es auf Grund fremdenpolizeilicher Versäumnisse zu unangebrachten Verzögerungen gekommen wäre. Im Hinblick auf die seit 13. April 2012 durchsetzbare Ausweisungsentscheidung ist die Anhaltung des Bf notwendig und verhältnismäßig um die Abschiebung zu sichern, da aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes weiterhin zu befürchten ist, dass sich der Bf den fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde, sollte er sich in Freiheit befinden.

 

Wie die belangte Behörde auch richtig ausgeführt hat, stehen keine besonderen Umstände in der Person des Bf der Schubhaft entgegen. Da in der gegebenen Situation von einem erhöhten Sicherungsbedarf auszugehen ist, kommt beim Bf auch ein gelinderes Mittel nach § 77 FPG nicht in Betracht, zumal der Zweck der Schubhaft damit nicht erreichbar ist.

 

Im Ergebnis ist aus den dargelegten Gründen davon auszugehen, dass sowohl der Schubhaftbescheid, die Verhängung als auch die Aufrechterhaltung der Schubhaft des Bf rechtmäßig sind.

 

Gemäß dem § 83 Abs 4 FPG hatte der Oö. Verwaltungssenat daher auch festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt vorliegen.

 

5. Nach § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach    § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder zurückgezogen oder abgewiesen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Gemäß § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagegebühren für die Beschwerde von insgesamt 36,10 Euro angefallen. Ein Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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