Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420718/8/SR/JO

Linz, 27.04.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, geboren am X, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch X, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 15. November 2011 (Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei) durch dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurechenbare Organe, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.            Die Beschwerde wird abgewiesen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro (Schriftsatzaufwand und Eingabegebühr) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2011 erhob der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Maßnahmenbeschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 15. November 2011 in Form der Abschiebung des Bf in die Türkei durch dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurechenbare Organe. Die Beschwerde wurde per Fax übermittelt und langte am 27. Dezember 2011 beim Unabhängigen Verwaltungssenat ein.

 

Zum Sachverhalt brachte der Rechtsvertreter vor, dass der Asylgerichtshof mit Urteil vom 22. Februar 2010 die Beschwerde des Bf abgewiesen und die Ausweisung in die Türkei ausgesprochen habe. Der Verfassungsgerichtshof habe der Beschwerde mit Beschluss vom 16. April 2010 die aufschiebende Wirkung zuerkannt und in weiterer Folge die Beschwerde abgelehnt.

 

Am 7. November 2011 habe der Bf persönlich bei der belangten Behörde einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG 2005 gestellt und entgegen den Ausführungen der Aufenthaltsbehörde sämtliche notwendigen Unterlagen vorgelegt.

 

Nach den Feststellungen der SID im Aufenthaltsverfahren Sich40-27957-2010 befinde sich der Bf seit Februar 2001 in Österreich und habe im September 2003 einen Asylantrag gestellt. Der Bf sei seit seiner Einreise in Österreich bei seinen Eltern wohnhaft und verfüge über einen Arbeitsvertrag, wonach er nach Erteilung der Aufenthaltsberechtigung jederzeit einer unselbständigen Tätigkeit nachgehen könne. Darüber hinaus habe er die erforderliche Deutschprüfung abgelegt, sodass sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 NAG vorliegen würden.

 

Gemäß § 41a Abs. 11 NAG hätte die belangte Behörde bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag mit der Durchführung der eine Ausweisung umsetzende Abschiebung zuwarten müssen.

 

Über Vorladung der Aufenthaltsbehörde habe der Bf den Besprechungstermin am 15. November 2011 wahrgenommen. In Kenntnis dieses Termins habe die belangte Behörde den Bf erwartet und sofort abgeschoben.

 

Die Abschiebung sei rechtswidrig erfolgt. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehe in der Abschiebung des Bf durch die belangte Behörde als Fremdenpolizeibehörde. Entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 58 Abs. 2 FPG sei der Bf überhaupt nicht – und somit auch nicht rechtzeitig – von der bevorstehenden Abschiebung informiert worden. Weiters habe die Aufenthaltsbehörde der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck die Fremdenpolizeibehörde der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck rechtwidrig vom Einvernahmetermin in Kenntnis gesetzt. Die Aufenthaltsbehörde habe als Grund für die Einvernahme ergänzende Auskünfte hinsichtlich des NAG-Antrages vorgegeben. Darüber hinaus habe die belangte Behörde entgegen § 41a Abs. 11 nicht die rechtskräftige Entscheidung im NAG-Verfahren abgewartet.

 

Die belangte Behörde habe in Kenntnis obiger Bestimmungen dem Bf jegliche Möglichkeit genommen, sich auf eine bevorstehende Abschiebung einzustellen bzw. der Abschiebung dadurch zu entgehen, dass mit der belangten Behörde die einvernehmliche Ausreise vereinbart werde. In diesem Sinne habe er als Rechtsvertreter dem Bf geraten, spätestens nach Vorliegen einer Information gemäß § 58 Abs. 2 FPG in Absprache mit der belangten Behörde unverzüglich freiwillig auszureisen. Der Bf habe diese Vorgangsweise akzeptiert. Mit der von der belangten Behörde gewählten Aktion sei der Bf dieser Möglichkeit geradezu beraubt worden. In dieser Angelegenheit werde der vorliegende Sachverhalt auch in Richtung § 302 Abs. 1 StGB zu prüfen sein.

 

Abschließend stellte der Bf den Antrag, den angefochtenen Verwaltungsakt, nämlich die Abschiebung des Bf durch die belangte Behörde am 15. November 2011 für rechtswidrig zu erklären, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und die belangte Behörde zum Kostenersatz zu verurteilen.

 

1.2. Am 10. Jänner 2012 zog der Rechtsvertreter des Bf den Verhandlungsantrag zurück.

 

1.3. Mit Schreiben vom 10. Jänner 2012 übermittelte der Rechtsvertreter des Bf die an die StA Wels ergangene Sachverhaltsdarstellung vom 28. Dezember 2011 in Abschrift.

 

2.1. Mit E-Mail vom 20. Jänner 2012 wurde die belangte Behörde zur Aktenvorlage aufgefordert und ihr die Möglichkeit eingeräumt eine Gegenschrift zu erstatten.

 

2.2. Mit Schreiben vom 7. Februar 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der in Rede stehenden Maßnahmenbeschwerde und erstattete eine Gegenschrift.

 

Einleitend verwies die belangte Behörde auf den Vorlageakt. Anschließend stellte sie fest, dass der Bf am 15. November 2012 in die Türkei abgeschoben worden sei.

 

Zum Sachverhalt führte die belangte Behörde aus, dass der Asylgerichtshof mit Entscheidung vom 22. Februar 2010, Zl. E5 253.246-0/2008-11E, gemäß den  §§ 7 und 8 AsylG 1997 den Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag) abgewiesen und gemäß § 10 AsylG 2005 die Ausweisung des Bf in die Türkei verfügt habe.

 

Mit Beschluss vom 16. April 2010, U 522/10-2, habe der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde gegen die Entscheidung des Asylgerichthofes die aufschiebende Wirkung zuerkannt und mit Beschluss vom 16. September 2011, U 522/10-6, die Beschwerde abgelehnt.

 

Am 7. November 2011 habe der Bf bei der belangten Behörde einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG gestellt. Dieser Antrag sei mit Wirkung vom 9. Jänner 2012 abgewiesen worden.

 

Wie in der Beschwerde ausgeführt, sei der Bf vorgeladen worden. Jedoch für den 14. November 2011 und nicht für den 15. November 2011. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung sei dem Bf ein Verbesserungsauftrag (betreffend § 41a Abs. 9 NAG) ausgefolgt worden. Im Anschluss daran sei er von der belangten Behörde über die bevorstehende Abschiebung in sein Herkunftsland Türkei informiert und anschließend festgenommen worden. Die Niederschrift und der Verbesserungsauftrag seien per FAX an den Rechtsvertreter geschickt worden.

 

Das Flugticket für die Abschiebung sei bereits am 9. November 2011 gebucht worden. Die Bestätigung des Flugtermins sei vom Reisebüro erst am 11. November 2011, einem Freitag, erfolgt. Eine Verständigung von der geplanten Abschiebung auf dem Postweg wäre nicht vor dem 14. November 2011 beim Bf/Rechtsvertreter eingegangen. Unzutreffend sei, dass der Rechtsvertreter nicht von der geplanten Abschiebung informiert worden wäre. Mit den tatsächlichen Abschiebevorbereitungen habe erst nach dem Einlangen der Reservierungsbestätigung des Flugtickets in den Nachmittagsstunden des 14. November 2011 begonnen werden können. Die Vorhaltung in der Beschwerde, wonach zum Zeitpunkt der Antragsstellung nach dem NAG noch kein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung eingeleitet gewesen sei, gehe vollkommen ins Leere, da zu diesem Zeitpunkt bereits eine rechtskräftige Ausweisung (nach dem AsylG) vorgelegen sei. Zum Zeitpunkt der Effektuierung der Ausweisung sei der negative Ausgang des NAG-Verfahrens bereits aktenkundig absehbar gewesen, da die Sicherheitsdirektion Oberösterreich bereits am 10. November 2011 eine negative Stellungnahme gemäß § 44b Abs. 2 NAG abgegeben habe.

 

Eine mündliche Verhandlung werde seitens der BH Vöcklabruck nicht begehrt, es sei denn, diese wäre zur Klärung des Sachverhaltes anhand offener Fragen erforderlich.

 

2.3. Mit Schreiben vom 19. März 2012 wurde dem Rechtsvertreter die Gegenschrift der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht. Auf die Einbringung einer Stellungnahme wurde verzichtet (AV vom 17. April 2012).

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt und die eingebrachten Schriftsätze bzw. Beweismittel.

 

3.1. Da sich daraus der entscheidungsrelevante Sachverhalt zweifelsfrei ergibt, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet werden, zumal im Verfahren lediglich die Klärung einer Rechtsfrage vorzunehmen ist, der Sachverhalt völlig unbestritten ist und dem diesbezüglichen Vorbringen des Bf völlige Glaubwürdigkeit zugemessen wird und tatsächlich keine wesentlichen Widersprüche in den jeweiligen Darstellungen der Parteien aufscheinen.

 

Im Übrigen zog der Rechtsvertreter des Bf einen ursprünglichen Verhandlungsantrag zurück und wurde auch schon von der belangten Behörde auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. bis 2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt und den folgenden ergänzenden Sachverhaltsfeststellungen aus:

 

Mit Schreiben vom 26. Februar 2010 teilte die belangte Behörde dem Bf mit, dass er sich nach rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte. Aus diesem Grund werde er aufgefordert, das Bundesgebiet unverzüglich (freiwillig) zu verlassen. Auf die Möglichkeit der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe wurde der Bf hingewiesen. Weiters wurde dem Bf zur Kenntnis gebracht, dass er, sollte er von der freiwilligen Rückkehr keinen Gebrauch machen, mit fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen (Abschiebung, Schubhaft, gelinderes Mittel) zu rechnen habe.

 

Am 5. März 2010 brachte der Rechtsvertreter des Bf einen Antrag gemäß § 44 Abs. 3 NAG und am 1. April 2010 Anträge gemäß § 19 Abs. 8 NAG und § 21 Abs. 3 NAG ein.

 

Der Antrag gemäß § 44 Abs. 3 NAG wurde mit Bescheid vom 11. Juni 2010, Zl. Sich40-27957-2010, als unzulässig zurückgewiesen und erwuchs in der Folge in Rechtskraft.

 

Mit Schreiben vom 26. April 2010 ersuchte die belangte Behörde das Generalkonsulat der türkischen Republik um Ausstellung eines Heimreisezertifikates.

 

Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 26. April 2010 ersuchte die belangte Behörde das Generalkonsulat am 3. November 2011 neuerlich um Ausstellung eines Heimreisezertifikates.

 

Einem E-Mail der belangten Behörde vom 7. November 2011 ist zu entnehmen, dass der Bw am 7. November 2011 einen Antrag gemäß § 41a Abs. 9 NAG eingebracht hat und ein abgelaufener türkischer Reisepass (ausgestellt auf den Bf am 11. November 2010) sowie ein gültiger Nüfus sichergestellt worden sind.

 

In begründeten Stellungnahmen gemäß § 44b Abs. 2 NAG vom 3. Mai 2010, E1/10718/2010 und vom 10. November 2011, E1/26349/2011, sah die Sicherheitsdirektion Oberösterreich fremdenpolizeiliche Maßnahmen im Sinne des Art. 8 EMRK als zulässig an.

 

Mit Ladungsbescheid vom 11. November 2011 (Übermittlung per FAX an den Rechtsvertreter) wurde der Bf aufgefordert, am 14. November 2011 um 09.00 Uhr persönlich bei der belangten Behörde vorzusprechen, da sein Erscheinen nötig sei (Grund: Niederlassungsantrag vom 7. November 2011).

 

Weiters erteilte die belangte Behörde am 11. November 2011 der PI Vöcklabruck einen Festnahmeauftrag für den 14. November 2011 in den Amtsräumen der Fremdenpolizei der belangten Behörde. Der Festnahmeauftrag beinhaltete u.a. die Festnahme des Bf am 14. November 2011, seine Überstellung in das PAZ X bis 16.00 Uhr zur Sicherung der Abschiebung am 15. November 2011 um 10.00 Uhr.

 

Am 14. November 2011 verständigte die belangte Behörde die Schubhaftkoordination des BMI vom Abschiebeauftrag.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Befragung am 14. November 2011 wurde dem Bf, der sich zur Befragung ohne Anwesenheit des Rechtsvertreters bereit erklärt hatte, ein Verbesserungsauftrag im NAG-Verfahren erteilt. Im Anschluss daran teilte die belangte Behörde dem Bf um 10.26 Uhr mit, dass er am 15. November 2011 in die Türkei abgeschoben werde.

 

Am 15. November 2011 (eingelangt bei der belangten Behörde um 08.44 Uhr per FAX) beantragte der Rechtsvertreter die Abschiebung abzubrechen und berief sich dabei auf § 41a Abs. 9 NAG und Artikel 8 EMRK.

 

In der Äußerung des Rechtsvertreters vom 28. Dezember 2011 (betreffend NAG Verfahren) wies dieser u.a. auf zwischenzeitig rechtswidrig erfolgte Abschiebung hin und begründete den Vorwurf damit, dass die Bestimmung des § 58 FPG missachtet worden sei.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF., entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen. Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.

 

4.1.2. Die behauptete Maßnahme fand - unbestritten - am 15. November 2011 statt. Die Beschwerde langte am 27. Dezember 2011 beim Oö. Verwaltungssenat ein. Sie ist daher rechtzeitig erhoben worden.

 

4.2.1. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).

 

4.2.2. Im vorliegenden Fall behauptet der Bf durch die Abschiebung am 15. November 2011 in seinen Rechten verletzt worden zu sein. Die Abschiebung sei als rechtswidrig anzusehen, da sie gegen der ausdrücklichen Vorschriften der   §§ 58 Abs. 2 FPG (rechtzeitige Information über die bevorstehende Abschiebung) und 41a Abs. 11 NAG (abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung im Aufenthaltsverfahren) erfolgt sei.

 

Bei den einschreitenden Beamten handelt es sich zweifelsfrei um Organe der öffentlichen Aufsicht, die in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Rahmen des Fremdenpolizeigesetzes einschritten.

 

Die Abschiebung wurde über Weisung der belangten Behörde (in ihrem örtlichen wie auch sachlichen Zuständigkeitsbereich) vorgenommen, weshalb dieser das Einschreiten der Organe zuzurechnen ist.

 

Dass es sich bei der Durchführung einer Abschiebung um eine Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt handelt, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Erörterung; dies gilt naturgemäß auch für das frühe Stadium der Abschiebung, in dessen Rahmen der Bf schon am Vortag festgenommen und nach Wien verbracht wurde, wobei hier seine persönliche Freiheit jedenfalls eingeschränkt war, gleich, ob eine formale Festnahme erfolgte (wie im vorliegenden Fall) oder bloß faktischer Zwang ausgeübt wurde.

 

Fraglich ist allerdings, ob diese Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt in der vorgenommenen Form Deckung in der österreichischen Rechtsordnung findet.

 

4.3.1. Gemäß § 46 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 112/2011, sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung (§§ 61, 66, § 10 AsylG 2005) oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1.      die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der   öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2.      sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.      aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer          Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.      sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das       Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

Gemäß § 10 Abs. 7 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 38/2011, gilt eine Ausweisung, wenn sie durchsetzbar wird, als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG 2005.

 

Nach § 10 Abs. 4 AsylG 2005 idF. BGBl I Nr. 122/2009, hat der Fremde unverzüglich auszureisen, wenn eine durchsetzbare Ausweisung besteht.

 

Gemäß § 67 Abs. 3 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009, hat die Behröde den Fremden, gegen den eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 erlassen wurde, über seine Pflicht zur unverzüglichen Ausreise zu informieren. Dabei ist er insbesondere ist auf die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr und der Rückkehrhilfe sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen.

 

4.3.2. Im vorliegenden Fall steht nun außer Frage, dass der Bf gemäß § 10 AsylG 2005 mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22. Februar 2010 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden ist. Der Bw wurde bereits am 26. Februar 2010 nachweislich von der Ausreiseverpflichtung in Kenntnis gesetzt. Weiters wurde er auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise und der Inanspruchnahme der Caritas Rückkehrhilfe hingewiesen. Anstelle seiner Verpflichtung nachzukommen bzw. die Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, hat der Bf durch Antragstellungen nach dem NAG versucht, seinen Aufenthalt in Österreich verlängern zu können.

 

Daraus folgt aber, dass der Tatbestand des § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG als erfüllt anzusehen ist und die zwangsweise Abschiebung dem Grunde nach zulässig war.

 

Dies wird vom Bf nicht bestritten; allerdings sieht er sich in seinen Rechten dadurch verletzt, dass die Information über den Abschiebetermin (ausschließlich gemäß § 58 FPG) überhaupt nicht, also nicht zeitgerecht, erfolgt sei, und vermeint hier einen Grund für die generelle Unzulässigkeit der Abschiebung zu erkennen.

 

4.4.1. Gemäß § 58 Abs. 2 FPG hat die Behörde den Fremden, gegen den eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 erlassen wurde, ausgenommen nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 folgenden zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG, ehest möglich ab Vorliegen der dafür erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nachweislich über den festgelegten Abschiebetermin sowie über die Rechtsfolgen eines versäumten Abschiebetermins zu informieren. Wurde ein von der Behörde festgelegter Abschiebetermin bereits einmal aus Gründen, die dem Fremden zurechenbar sind versäumt, so hat die Behörde den Fremden erst mit Durchsetzung eines Festnahmeauftrages gemäß § 74 über den neuerlich festgesetzten Abschiebetermin zu informieren. Das Bundesasylamt ist in allen Fällen unmittelbar nach Festlegung eines Abschiebetermins in Kenntnis zu setzen. Diese Information ist von der Akteneinsicht ausgenommen.

 

4.4.2. Unabhängig von der Frage, ob im vorliegenden Fall von einer ehest möglichen Information gesprochen werden kann oder nicht, stellt sich zunächst die Frage, ob ein allfälliges Unterlassen oder - wie im vorliegenden Fall behauptet - ein Mindererfüllen dieser Informationspflicht überhaupt dazu geeignet sein kann, als Rechtsfolge die Unzulässigkeit der betreffenden Maßnahme - also der Abschiebung - nach sich zu ziehen. Der Gesetzestext bietet hier per se keine ausreichenden Anhaltspunkte, weshalb folgend auf die grammatikalische Interpretation auf die Gesetzesmaterialien zurückzugreifen ist.

 

4.4.3. Die RV 1078 BlgNR 24. GP zu § 58 des Fremdenpolizeigesetzes in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 geben zu der hier relevierten Frage keinen Aufschluss, verweisen jedoch dem Inhalt nach auf die RV 330 BlgNR 24. GP zu § 67 Abs. 3 - 5 FPG in der vorgehenden Fassung.

 

Ua. wird dort ausgeführt: "Es wird daher künftig die Aufgabe der Fremdenpolizeibehörde sein, derartige Maßnahmen vorausschauend zu planen und dem Fremden seine tatsächliche und rechtliche Situation zur Kenntnis zu bringen. Diese Information entfaltet im Hinblick auf die Bestimmungen des FPG keine normative Wirkung, sondern stellt vielmehr eine objektive Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 12a Abs. 3 AsylG 2005 dar."

 

§ 12a Abs. 3 AsylG 2005 behandelt allerdings lediglich den faktischen Abschiebeschutz im Zusammenhang mit Asyl-Folgeanträgen und ist für den hier zu beurteilenden Fall nicht weiter von Relevanz.

 

4.4.4. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine allfällige Verletzung der Informationspflicht nach § 58 Abs. 2 FPG keine Auswirkung auf die Zulässigkeit einer Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt nach dem FPG hat. In anderen Worten bedeutet dies, dass eine Abschiebung - wie im konkreten Fall - nicht dadurch rechtswidrig werden kann, wenn allenfalls eine Information darüber nicht oder nicht ehest möglich an die betroffenen Parteien ergeht.

 

4.5. Entgegen der Ansicht des Bf führt das zum Zeitpunkt der Abschiebung offene Verfahren (Antrag gemäß § 41a Abs. 9 NAG) auch nicht zu Rechtswidrigkeit der fremdenpolizeilichen Maßnahme.

 

Anders als in der Beschwerde angedacht ist bei Anträgen nach § 41a Abs. 9 NAG nicht auf § 41a Abs. 11 NAG abzustellen und bei Vorliegen der in den Ziffern 1 und 2 genannten Voraussetzungen mit der Abschiebung zuzuwarten. Eine Vorgangsweise nach § 41a Abs. 11 NAG setzt einen Antrag gemäß § 41a Abs. 10 NAG voraus. Einen solchen Antrag hat der Bf aber nicht eingebracht.

 

Für Anträge nach § 41a Abs. 9 NAG hat der Gesetzgeber besondere Verfahrensbestimmungen im den §§ 44a und 44b NAG vorgesehen.

 

Demnach begründen Anträge gemäß § 41a Abs. 9 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Ebenso stehen sie der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegen und können daher in fremdenpolizeilichen Verfahren keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 44b Abs. 3 NAG).

 

Da dem Bf weder nach dem FPG noch dem NAG ein Aufenthalts- bzw Bleiberecht zugekommen ist, wurde er durch die Abschiebung nicht in seinen Rechten verletzt. Damit geht aber das Begehr der in Rede stehenden Maßnahmenbeschwerde (Aufenthalts- bzw. Bleiberecht bis zur Entscheidung der NAG-Behörde) ins Leere.

 

4.6. Es war daher die vorliegende Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Nach § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach    § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder zurückgezogen oder abgewiesen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Gemäß § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagegebühren für die Beschwerde von insgesamt 14,30 Euro angefallen. Ein Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

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