Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730512/17/Wg/GRU

Linz, 19.04.2012

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, X, X, gegen die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 17.1.2011, AZ: 1029448/FRB, verhängte Ausweisung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.3.2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.                Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG und  § 61 Abs 3 FPG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) mit Bescheid vom 17.1.2011, AZ: 1029448/FRB, gem. § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 31.1.2011. Der Bw beantragt darin, die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 17.1.2011 dahingehend abändern, dass festgestellt wird, dass eine Ausweisung auf Dauer unzulässig ist; in eventu den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde aufheben.

 

Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremden­rechts­änderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 in Kraft getreten waren, übermittelte die Sicherheitsdirektion dem Verwaltungssenat zuständigkeitshalber den Berufungsakt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat führte am 28.3.2012 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch. Der Bw erstattete eingangs folgendes Vorbringen: "Herr X konnte leider nicht zur Verhandlung kommen, da er leider keine Zeit hat. Die Zustellvollmacht für X von der X bleibt aufrecht. Weiters verweise ich auf die Unterstützungserklärung der X sowie das Sprachzertifikat Deutsch vom 8.1.2011 und einen Meldezettel vom 20.3.2012. Ich möchte unbedingt in Österreich bleiben und beantrage, der Berufung stattzugeben und die Ausweisung für dauerhaft unzulässig zu erklären."

 

Der Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von X.

 

Er reiste am 27.10.2002 in das Bundesgebiet ein. Er ist seit 18.12.2002 mit kurzen Unterbrechungen im Bundesgebiet gemeldet. Der Bw ist ledig und wohnt bei seiner Lebensgefährtin X und deren 8‑jährigen Sohn X in Familiengemeinschaft in X, X. Er lebt mit X seit etwa einem halben Jahr in einem gemeinsamen Haushalt. X ist nicht freizügigkeitsberechtigte österreichische Staatsbürgerin.

 

Im Bundesgebiet leben keine leiblichen Angehörigen des Bw. Einer seiner Brüder lebt an der Elfenbeinküste, der zweite Bruder lebt in Amerika. Eine Schwester des Bw lebt in Togo, die zweite Schwester lebt in Frankreich. Seine Mutter pendelt zwischen Togo und Frankreich hin und her.

 

Der Bw wird von seiner Lebensgefährtin (Frau X) und von einer Bekannten (Frau X) finanziell unterstützt. Seine Lebensgefährtin arbeitet als Konditorin in X und verdient netto etwa 1.900,-- Euro monatlich.

 

Aus dem Versicherungsdatenauszug vom 15.2.2012 gehen folgende Versicherungszeiten des Bw hervor:

von                     bis                           Art der Monate/meldende Stelle

 

05.11.2002        31.12.2005             Asylwerber bzw. Flüchtlinge

25.10.2007        29.01.2009             Asylwerber bzw. Flüchtlinge

02.02.2009        20.12.2010             Asylwerber bzw. Flüchtlinge

20.01.2011        13.05.2011             Asylwerber bzw. Flüchtlinge

 

In der mündlichen Verhandlung gab der Bw an, dass er über ein Sprachzertifikat Deutsch Niveau A2 verfügt, wobei er keinen Deutschkurs besuchte, sondern sich seine Kenntnisse über das Fernsehen bzw. durch den persönlichen Kontakt auf der Straße erworben hat. Er spricht fließend deutsch. In seiner Heimat Togo besuchte der Bw die Volksschule und anschließend das Gymnasium. Danach studierte er 1 Jahr lang an der Uni in Togo BWL. Anschließend ging er nach Frankreich, wo er wieder 2 Jahre lang BWL studierte. Dann verließ er Frankreich und kehrte wieder nach Togo zurück, wo er bei seinem Bruder in einer Computer-Firma arbeitete. Nebenbei studierte er wieder 1 Jahr lang BWL.

 

Im Anschluss daran reiste er illegal nach Österreich und stellte am 28.10.2002 einen Asylantrag. Dieses Asylverfahren ist seit 2.12.2010 rechtskräftig negativ abgeschlossen. Es wurde ihm kein Asyl gewährt.

 

Festzustellen war weiters, dass der Bw unbescholten ist.

 

Die vorgelegten Empfehlungsschreiben des X, der X sowie der X bestätigen, dass der Bw in Österreich über einen Freundeskreis verfügt.

 

Der Bw leidet unter Diabetes und möchte auch aus gesundheitlichen Gründen in Österreich bleiben. Seine Freundin unterstützt ihn diesbezüglich finanziell. Er muss aber kein Insulin spritzen, es reicht aus, wenn er Tabletten nimmt.

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Vorbringen des Bw und den in der Verhandlung vorgelegten Dokumenten.

 

Weiters hat die Lebensgefährtin X persönlich am 29.3.2012 vorgesprochen und bestätigt, dass sie mit dem Bw in einer aufrechten Familiengemeinschaft lebt. Sie möchten auch heiraten und gemeinsame Kinder bekommen. Sie gab als Zeugin unter Wahrheitspflicht an, der Bw halte sich seit einem halben Jahr ständig bei ihr auf, sodass man von einem gemeinsamen Haushalt sprechen könne. Der Bw seinerseits gab an, nach der Abmeldung seines Hauptwohnsitzes im Jahr 2011 drei bis vier Monate bei X, einem Freund gewohnt zu haben. Danach sei er bei X eingezogen. Diese Angaben stimmen zeitlich in etwa überein. Auf Grund der unter Wahrheitspflicht erfolgten Aussage der X konnte daher – ungeachtet der erst mit 20. März 2012 erfolgten Anmeldung eines Hauptwohnsitzes - festgestellt werden, dass sie mit dem Bw seit etwa einem halben Jahr in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

 

Die sehr guten Deutschkenntnisse des Bw sind hervorzuheben. Der Bw sprach in der mündlichen Verhandlung fließend deutsch. 

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Die Ausweisungsentscheidung gilt gem. § 125 Abs. 14 Fremden­polizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 38/2011 als Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 FPG. Der Bw hält sich seit rechtskräftigem negativen Abschluss seines Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf. Der Tatbestand für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG ist dem Grund nach erfüllt.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs. 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs. 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der illegale Aufenthalt des Bw seit negativem Abschluss des Asylverfahrens beeinträchtigt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in einem erheblichen Ausmaß.

 

Dem gegenüber steht das persönliche Interesse des Bw an der Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin und ihrem Sohn gemeinsam in einer Wohnung.

 

Auch ein unrechtmäßiger Aufenthalt kann zur Begründung einer Integration im Inland herangezogen werden, wenn dem auch nicht derselbe Stellenwert wie bei einer rechtmäßigen Niederlassung zugemessen werden kann (vgl. VwGH vom 4.9.2003, GZ. 2000/21/0102).

 

Der Bw hat den Willen zur Integration durch entsprechende Deutsch-Kenntnisse unter Beweis gestellt. In der mündlichen Verhandlung war eine Kommunikation mit ihm ohne weiteres möglich. Es liegt ein Zertifikat über Deutsch-Kenntnisse auf Niveau A2 vor. Im Akt befinden sich Schreiben, die nach Ansicht des Bw seine  Arbeitswilligkeit belegen sollen. Dies ändert nichts daran, dass er nicht beruflich integriert ist.   

 

Auf Grund seines nunmehr seit 27.10.2002 dauernden Aufenthaltes im Bundesgebiet der Republik Österreich und der Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin überwiegen dessen ungeachtet seine privaten Interessen an der Fortsetzung des Aufenthaltes die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes.

 

Eine Rückkehrentscheidung ist mittlerweile dauerhaft unzulässig.  Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die Berufung von 40,-- Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

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