Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166912/5/Kof/REI

Linz, 14.05.2012

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn W S,
geb. x, S, P vertreten durch Frau Rechtsanwältin Mag.a Y, Y, Y gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 12. April 2012, VerkR96-1152-2012 betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung des Einspruchs als verspätet, nach der am 11. Mai 2012 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses,  zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und

der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 71 Abs.1 Z1 und Abs.4 AVG iVm § 24 VStG

§ 49 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid

-     den Antrag des nunmehrigen Berufungswerbers (Bw) auf Wiedereinsetzung
in die Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen die behördliche Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 10.02.2012, VerkR96-1152-2012 gemäß § 71 AVG iVm § 24 VStG abgewiesen und

-     den Einspruch des Bw betreffend die behördliche Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 10.02.2012, VerkR06-1152-2012 wegen verspäteter Einbringung gemäß § 49 Abs.3 VStG zurückgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Bw innerhalb offener Frist eine begründete Berufung vom 20.04.2012 erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:

 

Die belangte Behörde hat mit Strafverfügung vom 10. Februar 2012, VerkR96-1152-2012 über den Bw wegen insgesamt sechs näher bezeichneter Verwaltungs-übertretungen nach § 20 Abs.2 und § 52 lit.a Z10a StVO sowie wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs.1 Z1 FSG Geldstrafen – im Falle der Uneinbringlichkeit: Ersatzfreiheitsstrafen – verhängt.

 

Diese Strafverfügung wurde dem Bw – im Wege der Hinterlegung –

am Montag, dem 20. Februar 2012 zugestellt.

 

Gemäß § 49 Abs.1 VStG sowie der ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung in der oa. Strafverfügung ist ein Einspruch innerhalb von zwei Wochen – gerechnet ab Zustellung – einzubringen.

 

Im vorliegenden Fall hätte daher ein Einspruch spätestens am Montag,

dem 05. März 2012 erhoben werden müssen.

 

Der Bw war im Zeitraum 20. Februar 2012 bis 24. Februar 2012 – siehe dessen Ausführungen in der Berufung, Seite 3 – arbeitsbedingt von der Abgabestelle täglich über einen Zeitraum von etwa 12 Stunden abwesend, hat jedoch keine auswärtigen Nächtigungen durchgeführt.

Insbesondere war der Bw – siehe Schriftsatz vom 08.02.2012 (richtig wohl: vom 08.03.2012) – während der Öffnungszeiten des Postamtes (= 08.00 bis 17.30 Uhr) nicht an der Abgabestelle anwesend und konnte sich dadurch die Strafverfügung erst am Freitag, dem 24. Februar 2012 abholen.

 

Eine berufliche Abwesenheit von der Wohnung während des Tages stellt
keine Abwesenheit von der Abgabestelle dar, welche die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes an der Abgabestelle ausschließen und daher die Zustellung durch Hinterlegung unzulässig machen würde; VwGH vom 10.05.2011, 2007/18/0745; vom 20.09.2001, 2001/11/0130 jeweils mit Vorjudikatur.

 

Gemäß § 17 Abs.3 ZustG wurde dadurch die erstinstanzliche Strafverfügung rechtswirksam hinterlegt und hat die Rechtsmittelfrist mit jenem Tag, an dem
die Strafverfügung erstmals zur Abholung bereit gehalten wurde – Montag,
20. Februar 2012 – begonnen.

 

 

Entscheidend für den Beginn der Abholfrist und damit für den Tag der Zustellung ist jener Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird;

VwGH vom 16.09.2011, 2010/02/0273 mit Vorjudikatur.

 

Bereits die Hinterlegung eines Schriftstückes – und nicht erst dessen Behebung – begründet die Wirkung der Zustellung;

VwGH vom 17.07.2008, 2007/21/0227.

 

Der am Donnerstag, dem 08. März 2012 zur Post gegebene Einspruch wurde dadurch verspätet erhoben und hat die belangte Behörde somit diesen Einspruch – völlig zu Recht – als verspätet eingebracht  zurückgewiesen.

 

Betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist festzustellen:

 

Am 11. Mai 2012 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Bw sowie dessen Rechtsvertreterin teilgenommen haben.

 

Stellungnahme des Berufungswerbers sowie seiner Rechtsvertreterin:

Mit der kurzfristigen Anberaumung der mündlichen Verhandlung bin ich einverstanden bzw. verzichte ich auf die Einhaltung der 14-tägigen Frist in § 51e Abs.6 VStG.

 

Der erstinstanzliche Bescheid wird im gesamten Umfang angefochten, d.h.

•  sowohl betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung

   in den vorigen Stand

•  als auch betreffend die Zurückweisung des Einspruchs als verspätet.

 

In der Sache selbst führe ich aus:

Die erstinstanzliche Strafverfügung wurde am Montag, dem 20. Februar 2012 hinterlegt.

Abgeholt wurde diese von mir am Freitag, dem 24. Februar 2012.

Als "juristischer Laie" bin ich davon ausgegangen, dass die Rechtsmittelfrist mit dem Tag der Abholung – somit am 24. Februar 2012 – beginnt.

Ende der Rechtsmittelfrist wäre somit am Freitag, dem 9. März 2012 gewesen.

 

Dass gemäß der Rechtslage die Rechtsmittelfrist (hier: Einspruchsfrist) mit

dem Tag der Hinterlegung bzw. der "Abholbereitschaft" beginnt, war mir als

"juristischem Laien" völlig unbekannt.

Meines Erachtens liegt daher allenfalls ein "minderer Grad des Versehens"

im Sinne des § 71 Abs.1 Z1 AVG vor.

 

Ich habe erst bei meinem Gespräch mit meiner Rechtsanwältin, Frau Mag.a A.
am Mittwoch, dem 07. März 2012 erfahren, dass die Rechtsmittelfrist nicht mit dem Tag der Abholung, sondern mit dem Tag der erstmaligen "Abholbereitschaft" eines Schriftstückes beginnt.

 

Ich hatte zuvor ein Gespräch mit meinem Versicherungsvertreter, dieser hat mich darauf hingewiesen, dass bei behördlichen Schriftstücken eine "Rechtsmittelfrist" von 14 Tagen existiert.

 

Ich war jedoch nach wie vor der Meinung, dass diese erst mit der Abholung des Schriftstückes (im vorliegenden Fall: Freitag, 24. Februar 2012) beginnt.

 

Beim ersten Kontakt mit meiner Rechtsanwältin habe ich dieser ebenfalls

mitgeteilt, dass die Rechtsmittelfrist meines Erachtens am 9. März 2012 endet.

 

Eine Notwendigkeit, mich betreffend den exakten Beginn der Rechtsmittelfrist

zu erkundigen, habe ich – vor dem Gespräch mit meiner Rechtsanwältin –

nicht gesehen.

 

Der mindere Grad des Versehens iSd § 71 Abs.1 Z1 AVG ergibt sich auch daraus, dass ich keine Notwendigkeit erkannt habe, mich betreffend den tatsächlichen Beginn der Rechtsmittelfrist bei einer rechtskundigen Person (z.B. einer Behörde oder einem Rechtsanwalt) zu erkundigen."

 

Den Vorbringen des Bw,

-         er sei juristischer Laie,

-         er war – vor Erstkontakt mit seiner Rechtsanwältin – der Rechtsansicht, die Rechtsmittelfrist beginne mit dem Datum der Behebung des Schriftstückes und nicht mit Datum der Hinterlegung sowie

-         er habe bis zum Zeitpunkt des Erstkontaktes mit seiner Rechtsanwältin keinerlei Veranlassung gesehen, sich betreffend die Rechtswirksamkeit der Hinterlegung bzw. des Beginnes der Rechtsmittelfrist näher zu erkundigen

wird vollinhaltlich Glauben geschenkt.

 

Entscheidungswesentlich ist somit einzig und allein, ob dieser "Rechtsirrtum"
des Bw einen "minderen Grad des Versehens" iSd § 71 Abs.1 Z1 AVG darstellt oder nicht.

 

 

 

 

 

Grundsätzlich ist mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum nicht als ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis zu werten, welches die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte;

siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I, 2. Auflage,

E 116 (Seite 1566f) zitierten zahlreichen Entscheidungen des VwGH.

 

Die rein subjektive Beurteilung einer bestimmten Rechtslage kann den Wiedereinsetzungswerber niemals hindern, sich über die Wirkung eines Bescheides vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren.

Dies gilt auch betreffend den Irrtum über die Zustellwirkung der Hinterlegung;

VwGH vom 02.07.1998, 97/06/0056 mit Vorjudikatur;

          vom 30.04.2003, 2001/03/0183.

 

Der Rechtsirrtum des Bw:

die Rechtsmittelfrist (hier: Einspruchsfrist) beginne

o   nicht bereits mit dem Datum der Hinterlegung/"Abholbereitschaft", sondern

o   erst mit dem Datum der Abholung des Schriftstückes (hier: Strafverfügung)

ist kein minderer Grad des Versehens iSd § 71 Abs.1 Z1 AVG (iVm § 24 VStG) und bildet dadurch keinen Wiedereinsetzungsgrund;

VwGH vom 17.07.2008, 2007/21/0227 unter Verweis auf das zitierte Erkenntnis vom 30.04.2003, 2001/03/0183 mwN.

 

Die belangte Behörde hat somit völlig zu Recht den Antrag des Bw

auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

 

Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen, der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;   diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

 

 

 

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