Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101101/17/Bi/Shn

Linz, 01.06.1993

VwSen - 101101/17/Bi/Shn Linz, am 1.Juni 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des E F, vom 22. Februar 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 29. Jänner 1993, VerkR96/5373/1992/Stei/He, aufgrund des Ergebnisses der am 17. Mai 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht:

I.: Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt.

II.: Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

III.: Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz den Betrag von 200 S (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: §§ 66 Abs.4 und 71 Abs.1 Z1 und Abs.4 AVG iVm den §§ 24 und 51 VStG; zu II.: § 66 Abs.4 AVG iVm den §§ 24, 51 und 19 VStG, § 16 Abs.2 lit.b iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960; zu III.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe Zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 29. Jänner 1993, VerkR96/5373/1992/Stei/He, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs.3 lit.a iVm § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am 21. September 1992 gegen 6.45 Uhr den PKW auf der W-Bezirksstraße von W in Richtung G gelenkt und dabei bei Straßenkilometer 3,5 vor der dort befindlichen unübersichtlichen Kurve überholt hat. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

3. Aus dem Verfahrensakt geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber das Straferkenntnis am 4. Februar 1993 eigenhändig übernommen hat, womit die mit zwei Wochen bemessene Berufungsfrist begann, die demnach am 18. Februar 1993 endete. Die Berufung wurde mittels Telefax am 22. Februar 1993, also nach Ablauf der Berufungsfrist, bei der Erstinstanz eingebracht.

Dieser Umstand wurde dem Rechtsmittelwerber seitens des unabhängigen Verwaltungssenates mit Schreiben vom 4. März 1993 zur Kenntnis gebracht, worauf der Rechtsmittelwerber am 15. März 1993 beim unabhängigen Verwaltungssenat erschien und mitteilte, das Straferkenntnis sei zwar von ihm eigenhändig übernommen worden, er habe aber die Unterlagen seinem Versicherungsvertreter übergeben, der ihm zugesagt habe, den Fall übernehme die Rechtschutzversicherung, und er brauche sich nicht mehr weiter darum zu kümmern. Erst am 21. Februar 1993 sei er telefonisch von einem anderen Versicherungsvertreter verständigt worden, daß die Versicherung den Fall nicht übernehme, und er sich selbst um die Berufung kümmern müsse. Aus diesem Grund habe er sofort am 22. Februar 1993 mittels Firmenfax Berufung eingebracht. Er arbeitet die ganze Woche auswärts und sei nur an den Wochenenden in H erreichbar.

Mit Schreiben vom 2. April 1993 teilte die D-Versicherung dem unabhängigen Verwaltungssenat mit, der Sachverhalt habe sich tatsächlich, wie vom Rechtsmittelwerber geschildert, zugetragen, zumal der Außendienstmitarbeiter die Auffassung vertreten habe, der Sachverhalt sei aus der bestehenden Rechtschutzversicherung versichert. Er habe deshalb die Unterlagen in Empfang genommen, dann aber feststellen müssen, daß kein Versicherungsschutz gewährt werden könne, sodaß die Unterlagen einem anderen Außendienstmitarbeiter mitgegeben wurden, mit dem Auftrag, diese dem Rechtsmittelwerber auszuhändigen. Dabei sei es offensichtlich zur Fristversäumnis gekommen.

4. Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG iVm § 24 VStG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Rechtsmittelwerber hat nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates glaubhaft gemacht, daß er durch das für ihn unvorhergesehene und aufgrund seiner beruflich bedingten Abwesenheit unabwendbare Nichttätigwerden der Rechtschutzversicherung an der rechtzeitigen Einbringung der Berufung gehindert war, wobei er nach Kenntnisnahme der Mitteilung des Untätigbleibens der Versicherung am darauffolgenden Tag die versäumte Handlung nachgeholt hat. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde rechtzeitig gestellt, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war. Die Berufung ist daher als rechtzeitig eingebracht anzusehen.

Zu II.: 1. Der Rechtsmittelwerber macht in der Berufung geltend, er sei am genannten Tag nie auf dem erwähnten Straßenstück mit seinem PKW gefahren, was er schon bei der Erstbehörde schriftlich deponiert habe. Als Zeuge hiefür mache er Herrn G P geltend.

2. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie durch Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber gehört sowie Ing. R V, Ch V und G P zeugenschaftlich vernommen wurden. Weiters wurde der in Rede stehende PKW des Rechtsmittelwerbers besichtigt.

Der Zeuge Ing. R V bekräftigte seine im Rahmen der Anzeigeerstattung beim Gendarmerieposten Gramastetten deponierten Schilderungen in der Weise, daß es sich beim überholenden PKW um einen seiner Meinung nach dunkelblauen oder dunkelgrauen Opel Kadett gehandelt habe. Er habe sich das Kennzeichen eingeprägt und noch während der Fahrt selbst aufgeschrieben. Er sei so perplex gewesen, daß ihn in dieser Kurve jemand überholt habe, daß er nicht darauf geachtet habe, wieviele Personen im Auto saßen. Er legte außerdem ein Foto, aufgenommen am Beginn der in Rede stehenden Kurve in seiner damaligen Fahrtrichtung, vor, aus dem sich ergibt, daß es sich beim in Rede stehenden Straßenabschnitt um eine aus einer Rechts-Links-Kombination bestehende S-Kurve handelt, wobei die beiden Kurven nahtlos ineinander übergehen und die noch auf dem Lichtbild ersichtliche Linkskurve im auslaufenden Teil durch den linksseitig befindlichen Wald verdeckt wird.

Der Zeuge Ch V konnte sich noch konkret erinnern, daß sein Vater den PKW stark abgebremst hat und daß es sich beim überholenden PKW um einen dunkelblauen Kadett gehandelt hat. Das Kennzeichen habe er selbst nicht erkennen können und auch am PKW sei ihm nichts besonderes aufgefallen.

Der Zeuge G P hat im wesentlichen die Angaben des Rechtsmittelwerbers bestätigt. Demnach waren beide unterwegs zu einer Truppenübung und der Rechtsmittelwerber habe ihn in Walding auf der rechten Seite der Bundesstraße im Bereich der dortigen Kreuzung auf Höhe der Firma Mazda E abgeholt. Sie seien auf der Bundesstraße Richtung L gefahren, wobei in O ein Stau gewesen sei; über G seien sie nicht gefahren.

Der Rechtsmittelwerber hat im Rahmen der Verhandlung weiters geltend gemacht, er wisse, daß es im Bezirk Urfahr-Umgebung mehrere schwarze Opel-Kadett GSI gebe, wobei die Ziffernkombination im Kennzeichen anders sei.

Der Zeuge Ing. V hat bei der mündlichen Verhandlung einen sehr ruhigen überlegten und mit Sicherheit glaubwürdigen Eindruck gemacht, wobei aus seiner Sicht durchaus verständlich ist, daß er das Überholmanöver in dieser Situation für äußerst gefährlich gehalten und deshalb den Lenker zur Anzeige gebracht hat. Er hat seine Schilderung auch durch ein selbst angefertigtes Foto untermauert, sodaß davon auszugehen ist, daß die Anzeige sicher nicht an den Haaren herbeigezogen war. Auch hinsichtlich des Kennzeichens bestehen für den unabhängigen Verwaltungssenat keine Zweifel, auch wenn die Farbe des PKW mit dunkelblau eventuell dunkelgrau angegeben wurde. Da beide Fahrzeuge mit Licht unterwegs waren, der Vorfall sich in einem Waldbereich ereignete und um 6.45 Uhr morgens Ende September nach der allgemeinen Lebenserfahrung noch nicht von vollem Tageslicht auszugehen ist, ist die Diskrepanz in der farblichen Beschreibung des PKW nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage zu stellen. Der Zeuge Ch V konnte sich nur mehr an das Bremsmanöver seines Vaters und daran erinnern, daß dieser selbst während der Fahrt das Kennzeichen notiert hat. Das tatsächliche Kennzeichen war ihm im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Erinnerung, was aber aufgrund des inzwischen verstrichenen Zeitraumes nicht verwunderlich ist. Daß eine Kennzeichentafel mit weißem Untergrund bei diesen Lichtverhältnissen die Lesbarkeit insbesondere der Ziffernkombination im Kennzeichen nicht beeinträchtigt, hat auch der Rechtsmittelwerber nicht bestritten, wobei es auch der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, daß ein Fahrzeuglenker, der an einer für ihn undenkbaren Stelle überholt wird, sich in erster Linie das Kennzeichen einprägt und weniger auf die Anzahl der Fahrzeuginsassen, getönte Rücklichter oder im Fond verstautes Gepäck achtet. Der Zeuge Ing. Visin hat eindeutig und zweifelsfrei angegeben, es habe sich um einen Opel-Kadett GSI gehandelt. Die Typenbezeichnung an der Heckseite des PKW links neben dem Kennzeichen ist einwandfrei erkennbar.

Es ist richtig, daß es im Bezirk Urfahr-Umgebung mehrere Fahrzeuge der gleichen Marke wie das vom Rechtsmittelwerber gelenkte gibt, deren Kennzeichen mit W endet, jedoch ist nur ein PKW der gleichen Type zugelassen (Kadett E-CC-C 20NE), nämlich ein weißer Opel Kadett GSI.

Der vom Rechtsmittelwerber geltend gemachte Zeuge, mit dem er nicht verwandt und laut eigenen Angaben auch nicht befreundet ist, zu dem aber offensichtlich schon aufgrund des Umstandes, daß er ihn mit den PKW samt Truppenübungsgepäck zunächst zur Freundin nach A und dann zur Kaserne in E mitgenommen hat, ein gewisses Naheverhältnis besteht, sodaß wohl nicht zu erwarten war, daß der Zeuge nun als Gegenleistung für die Mitnahme gegen den Rechtsmittelwerber aussagt, wurde offensichtlich im Sinne des Berufungsvorbringens "aufgeklärt", was sich in seiner Zeugenaussage widergespiegelt hat. Daß der Zeuge bei der Firma Mazda E, die sich im Kreuzungsbereich der R-Bundesstraße mit der W-Bezirksstraße befindet, abgeholt wurde, eröffnet durchaus die Möglichkeit, daß der Rechtsmittelwerber Richtung G weiterfuhr und nicht die R-Bundesstraße Richtung Linz benützte. Zu bedenken ist weiters, daß der 21. September 1992 ein Montag war und an diesem Wochentag erfahrungsgemäß mit Stauungen im Bereich O zu rechnen ist. Aus diesem Grund vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß es für den Rechtsmittelwerber durchaus naheliegend war, die Strecke über G zu fahren, wobei insbesondere auch auffällt, daß die zeitlichen Schilderungen sowohl des Wegfahrens in der Früh als auch des Überholmanövers korrespondieren.

Aus all diesen Erwägungen gelangt der unabhängige Verwaltungssenat in freier Beweiswürdigung zu der Auffassung, daß der Zeuge Ing. V in der Lage war, das Kennzeichen des ihn überholenden PKW zweifelsfrei festzustellen und daß der Rechtsmittelwerber der Lenker des zur Anzeige gebrachten PKW war.

Zum Überholmanöver selbst ist auszuführen, daß es sich bei der auf dem Foto ersichtlichen Kurve tatsächlich um eine unübersichtliche Kurve handelt, zumal das Erkennen des Herannahen eines entgegenkommenden Lenkers durch die den Straßenverlauf verdeckenden Bäume unmöglich ist. Auch wenn der PKW des Rechtsmittelwerbers 150 PS aufweist, weshalb ein kurzer Überholweg anzunehmen ist - der Zeuge V war laut eigenen Angaben mit 40 km/h bis 50 km/h unterwegs -, so ist doch davon auszugehen, daß es bei einem eventuellen Gegenverkehr, der sich mit eben dieser Geschwindigkeit genähert hätte, für den Rechtsmittelwerber unmöglich gewesen wäre, sein Überholmanöver gefahrlos sowohl für den Zeugen Ing. V als auch für den entgegenkommenden Fahrzeuglenker zu beenden oder abzubrechen. Dies mußte ihm aber aufgrund der Sichtverhältnisse schon bei Beginn des Überholmanövers bewußt sein, sodaß er den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die von der Erstinstanz verhängte Strafe durchaus dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung angemessen ist, wobei auch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Rechtsmittelwerbers berücksichtigt wurden (13.000 S netto monatlich, kein Vermögen, keine Sorgepflichten). Mildernd oder erschwerend war nichts zu berücksichtigen.

Die verhängte Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens (§ 99 Abs.3 StVO 1960 sieht Geldstrafen bis 10.000 S zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe vor), eine Herabsetzung war aus general- und vor allem spezialpräventiven Gründen nicht gerechtfertigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu III.: Der Ausspruch über die Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger 6

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