Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-301029/2/WEI/Ba

Linz, 02.05.2012

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des E K, V, R, vormals vertreten durch den inzwischen verstorbenen M H, Obmann der "X", F, W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 14. April 2011, Zl. Pol 96-291-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 5 Abs 1 Oö. Polizeistrafgesetz – Oö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr. 94/1985, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 77/2007) zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird in der Schuldfrage teilweise Folge gegeben und der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses mit Einschränkungen insofern bestätigt, als im 2. Spruchabsatz der vorletzte Satz nur zu lauten hat: "Die Angriffe wurden durch den Einsatz einer Holzlatte abgewehrt." und im 3. Spruchabsatz der vorletzte und letzte Satz ersatzlos zu entfallen haben.

 

II.                Aus Anlass der Berufung wird die Geldstrafe auf 400 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 100 Stunden reduziert.

 

III.             Der Berufungswerber hat im Verfahren erster Instanz einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 40 Euro zu leisten. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiterer Kostenbeitrags.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG; § 64 Abs 1 und 2 und § 65 VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Gmunden wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt:

 

"Sie haben es als Halter der auf dem Areal Ihrer Straußenzucht gehaltenen Strauße zu verantworten, dass diese am 04.11.2010 in R, V, in einer Weise beaufsichtigt und verwahrt wurden, dass durch ein Tier zumindest um 14:45 Uhr, dritte Personen gefährdet und über das zumutbare Maß hinaus belästigt wurden, indem zwei von Ihnen gehaltenen Vögel aus dem umzäunten Gehege entweichen und bis in das Ortsgebiet von R vordringen konnten.

In der Folge traten die unbeaufsichtigt herumlaufenden Strauße einen Maschendrahtzaun, welcher das Hühnergehege von R und M A an der Adresse R, S, abgrenzte, nieder und betraten dieses. Beim Versuch, die Strauße aus dem Hühnergehege zu vertreiben um deren Hühner zu schützen, wurden sowohl R als auch M A von den Straußen durch aggressives Verhalten attackiert indem die Tiere auf die Eheleute losgegangen sind. Die Angriffe auf das persönliche Rechtsgut – Leib und Leben -, womit jedenfalls eine Gefährdung von Personen verbunden war, wurden durch den Einsatz einer Holzlatte abgewehrt. Die Tiere konnten schließlich vom Grundstück S vertrieben werden.

 

Die Belästigung war insofern gegeben, da es als nicht mehr tolerierbare und somit unzumutbare Belästigung der Bevölkerung, im konkreten Fall im Besonderen der Eheleute A, anzusehen ist, wenn weitgehend unberechenbare, potentiell gefahrenträchtige ausgewachsene Strauße im Ortsgebiet von R sowie am Privatgrundstück der Familie A frei und unbeaufsichtigt herumlaufen können und dabei deren Eigentum zerstören sowie gefährden. Um das Ortsgebiet von R sowie das Privatgrundstück der Eheleute A erreichen zu können mussten die Tiere mehrfach öffentliche Straßen überqueren. Die allgemein denkbaren Gefahren für Straßenverkehrsteilnehmer sind ebenfalls als unzumutbar anzusehen."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde den § 5 Abs 1 iVm § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in Höhe von 900 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde dem Bw gemäß § 64 VStG der Betrag von 90 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 19. April 2011 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig per Telefax eingebrachte Berufung vom 22. April 2011, mit der sinngemäß die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

Die Berufung meint das Gefahr für "Leib und Leben" ein Jahrzehnt nicht bestanden habe. Erst um das Jahr 2005 habe die Behörde die große Gefahr der Straußvögel und das große Schottervorkommen an einem der Grundstücke des Bw entdeckt. Ob sich die R und M A belästigt oder gefährdet fühlten, sei nach Rücksprache mit ihnen ganz und gar nicht sicher. Sie mögen dazu befragt werden.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und wesentliche S a c h v e r h al t :

 

2.1. Mit Anzeige der Polizeiinspektion (PI) L vom 26. November 2010, Zl. A2/14534/2010-Red, wurde der Bw angezeigt, weil er es zwei ausgewachsenen Straußen durch unsachgemäße Verwahrung ermöglicht habe, aus dem Gehege der Straußenfarm zu entlaufen. Die umherlaufenden Strauße seien in der Folge in das Hühnerfreigehege des landwirtschaftlichen Anwesens von R und M A in R; S, durch Niedertreten eines Maschendrahtzaunes gelangt. Beim Versuch, die Strauße aus dem Hühnergehege zu vertreiben und die Hühner zu schützen, seien R und M A von den Straußen durch aggressives Verhalten attackiert worden.

 

Nach telefonischer Verständigung der Polizeiinspektion vom Vorfall um 14:45 Uhr wurde der Aussendienst der PI L (AI K und GI R) per Funk in Kenntnis gesetzt und die Beamten begaben sich zum Anwesen von R und M A. Beim Eintreffen der Beamten war es den Ehegatten A durch massives Schreien und Gestikulieren gelungen, die Strauße aus dem Hühnergehege zu verjagen. Die Strauße seien trotz der Abwehr mit einer Holzlatte immer wieder auf das Ehepaar losgegangen. Ein Strauß lief in der Folge in Richtung Bahnlinie davon und konnte in der Umgebung nicht mehr gesichtet werden. Der zweite Strauß sei vor dem Zaun außerhalb des Hühnergeheges auf und ab gelaufen. Nach zahlreichen erfolglosen Versuchen, ihn auf offenes Gelände bzw auf das offene Feld zu scheuchen, ging der Strauß plötzlich auf GI R los, der gezwungen gewesen wäre, den Strauß zu erschießen. E K habe zum Vorfall nicht befragt werden können, weil er an seinem Wohnsitz nicht angetroffen worden sei.

 

2.2. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. März 2011 hat die belangte Behörde dem Bw die Tat etwas abweichend vom angefochtenen Straferkenntnis wie folgt angelastet:

 

"Sie haben es als Halter der auf dem Areal Ihrer Straußenzucht gehaltenen Strauße zu verantworten, dass diese am 04.11.2010, zumindest um 14:45 Uhr, in R, V, in einer Weise beaufsichtigt und verwahrt wurden, dass durch ein Tier dritte Personen gefährdet und über das zumutbare Maß hinaus belästigt wurden, indem zwei von Ihnen gehaltenen Vögel aus dem umzäunten Gehege entweichen und bis in das Ortsgebiet von R vordringen konnten.

 

In der Folge traten die unbeaufsichtigt herumlaufenden Strauße einen Maschendrahtzaun, welcher das Hühnergehege von R und M A an der Adresse  R, S, abgrenzte, nieder und betraten dieses. Beim Versuch, die Strauße aus dem Hühnergehege zu vertreiben um deren Hühner zu schützen, wurden sowohl R als auch M A von den Straußen durch aggressives Verhalten attackiert indem die Tiere auf die Eheleute losgegangen sind. Die Angriffe wurden durch den Einsatz einer Holzlatte abgewehrt. Die Tiere konnten schließlich vom Grundstück S 2 vertrieben werden."

 

Mit Schreiben vom 12. März 2011 verwies der Rechtsvertreter des Bf auf die Niederschrift des Gemeindeamts W vom 11. Februar 2011 betreffend eine schon damals abgegebene Rechtfertigung. Die Familie A gehöre zu den guten Nachbarn. Auf die Ablichtung ihrer Stellungnahme werde verwiesen. Dazu wurde folgende handschriftliche Stellungnahme auf das Schreiben kopiert:

 

"Herr GRINSP R

 

Wir haben mit Ihnen in der

Polizeiinspektion L vereinbart

gegen Herrn E K keine

Anzeige zu erstatten, den der Schaden

wurde von Herrn E K

beglichen."

 

Die oben erwähnte Niederschrift vom 11. Februar 2011 wurde mit M H aufgenommen, der den Vorfall zwar in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritt, dazu aber eine Schilderung nach Art einer Persiflage gab, um die Sache als Bagatelle darzustellen. Er verwies auch auf die Gutmachung des Sachschadens durch den Bw und beantragte, kein Strafverfahren zu veranlassen.

 

2.3. In weiterer Folge hat die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis erlassen und den angelasteten Sachverhalt als erwiesen angesehen. In der Stellungnahme vom 11. Februar 2011 seien keine sachdienlichen Hinweise zum Sachverhalt erfolgt. Der Bw habe wie schon in zahlreichen Verfahren wieder zu verantworten, dass durch ein Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt wurden. Mit den weiteren Ausführungen begründet die Behörde näher die angenommene Gefährdung und Belästigung.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt und dabei unter Berücksichtigung des Vorbringens des Bw festgestellt, dass der angelastete Sachverhalt im Wesentlichen unbestritten geblieben ist. Zum Grund warum immer wieder Straußenvögel aus der Straußenfarm des Bw entlaufen, kann auf Grund früherer Strafverfahren Folgendes festgestellt werden:

 

3.1. Dem erkennenden Verwaltungssenat ist aus dem mit h. Erkenntnis vom 27. August 2009, Zl. VwSen-300837/18/WEI/Se (BH Gmunden zu Zl. Pol 96-57-2008), entschiedenen Berufungsverfahren bekannt, dass ein ausgewachsener männlicher Straußenvogel mit einer auffälligen Verletzung im Brustbereich vermutlich von Rangkämpfen mit anderen Hähnen am frühen Nachmittag des 10. März 2008 im nicht umzäunten Garten des J N auftauchte und sich aggressiv verhielt. Dem damaligen Polizeibericht der PI L vom 18. März 2008, Zl. B6/4221/2008-Ste, war eine Lichtbildbeilage 2 vom 27. März 2008 über den damaligen Zustand der Umzäunung der Straußenfarm des Bw angeschlossen. Auf den insgesamt 8 Lichtbildern konnte man morsche und bereits umgefallene Steher und unzureichende Drahtverbindungen erkennbar. Bild Nr. 8 zeigt einen freilaufenden Strauß in der Nähe, aber außerhalb des Geheges, der auf Grund der unzureichenden Umzäunung entlaufen konnte.

 

In der damals am 14. Juli 2009 durchgeführten Berufungsverhandlung erläuterte der Amtstierarzt Mag. G der belangten Behörde aus fachlicher Sicht, dass die vom Bw praktizierte Straußenhaltung in einem einheitlichen Gehege ohne Abtrennungen durch Zwischenzäune zwecks Gruppenhaltung unweigerlich zum Problem von Rangkämpfen zwischen den Hähnen und damit zu Verletzungen der Tiere und zur Unruhe innerhalb der Herde führt. Normalerweise muss man die Straußenvögel in verschiedenen Gruppen halten, welche nach Alter und Geschlecht differenziert werden. Weil diese Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Haltung vom Bw nicht erfüllt werden, seien Konflikte vorprogrammiert. Auch die Bodenvegetation innerhalb des Geheges sei im schlechten Zustand, weshalb die Tiere bei Gelegenheit Grünfutter außerhalb des Geheges suchen. Aus diesen Gründen und auch wegen der mangelhaften Umzäunung kommt es immer wieder zu Ausbrüchen von erwachsenen Straußenvögeln.

 

3.2. In dem zuletzt mit h. Berufungsentscheidung vom 9. August 2010, Zl. VwSen-300895/2/WEI/Sta, abgeschlossenen Strafverfahren wegen § 5 Abs 1 Oö. PolStG wurden der Anzeige der PI L vom 24. April 2009, Zl. A1/000005860/01/2009, Farblichtbilder beigelegt, zu denen von der Polizei ausgeführt wurde, dass bei einer Besichtigung an mehrerer Stellen des Zaunes festgestellt werden konnte, dass sich der untere erste Draht in einer Höhe von ca. 70 cm befand. Dies wurde mit mehrere Lichtbilder dokumentiert, wobei auf einem Bild auch eine Bodenvertiefung in unmittelbarer Nähe zu sehen war. Diese Situation war nach der dem Oö. Verwaltungssenat zuletzt bekannt gewordenen Darstellung der PI L ein Grund dafür, dass Strauße aus dem Gehege schlüpfen können.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 5 Abs 1 Oö PolStG (idF LGBl Nr. 94/1985 und LGBl Nr. 147/2002) begeht u.A. eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet,

 

wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, dass durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden.

 

Den Materialien (vgl AB Blg 448/1985 zum kurzschriftlichen Bericht Oö. LT, 22. GP, 3) ist zu entnehmen, dass sich eine landesgesetzliche Regelung betreffend das Halten von Tieren nicht mehr nur auf gefährliche Tiere beschränken sollte und Missstände nicht mehr ortspolizeilichen Regelungen der Gemeinden überlassen bleiben sollten. Vielmehr sprach sich der Ausschuss für allgemeine innere Angelegenheiten des Oö. Landtages dafür aus, eine Beaufsichtigung oder Verwahrung von Tieren, die so mangelhaft erfolgt, dass sie Gefährdungen oder Belästigungen dritter Personen zur Folge hat, in Zukunft für strafbar zu erklären. Dritte Personen seien dabei alle, die nicht unmittelbar dem Haushalt des Tierhalters angehören.

 

Nach hM ist Tierhalter, wer die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausübt und über Verwahrung und Beaufsichtigung entscheidet (vgl näher mwN Dittrich/Tades, MGA ABGB³³, E 18ff zu § 1320; Reischauer in Rummel², Rz 7 f zu § 1320 ABGB). Auf eine bestimmte rechtliche Beziehung zum Tier (etwa das Eigentumsrecht) kommt es dabei nicht an. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, sind die faktischen Verhältnisse der Herrschaft über das Tier (Aufzucht, Ernährung, Unterbringung, Pflege und gesundheitliche Betreuung) für den Begriff des Haltens entscheidend (vgl VwGH 30.7.1992, 88/17/0149).

 

Dass der Bw als Betreiber einer Straußenfarm auch Halter der Strauße ist, steht außer Frage. Er kommt als Täter der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 1 Oö. PolStG in Betracht, zumal die belangte Behörde die Ausnahme nach § 8 leg.cit. für das Halten von Tieren im Rahmen der ortsüblichen land- und forstwirtschaftliche Produktion zutreffend verneint hat.

 

Zum Deliktscharakter des § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. PolStG hat der Oö. Verwatungssenat schon in der Vergangenheit die Ansicht vertreten (vgl VwSen-300417 vom 25.06.2002, VwSen-300442 vom 5.09.2002; VwSen-300518 vom 30.06.2004), dass es sich bei dieser Verwaltungsübertretung nach der gewählten grammatikalischen Konstruktion mit Hauptsatz und Folgesatz um ein Erfolgsdelikt handelt, bei dem die mangelhafte Haltung des Tieres zu einer in der Außenwelt erkennbaren (konkreten) Gefährdung oder zu einer unzumutbaren Belästigung Dritter führen muss. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl AB zur Oö. Polizeistrafgesetznovelle 1985, Blg 448/1985 zum kurzschriftlichen Bericht Oö. LT, 22. GP, 3) geht auch hervor, dass nicht jede mangelhafte Tierhaltung, sondern nur eine solche, die Gefährdungen oder Belästigungen dritter Personen zur Folge hat, in Zukunft strafbar sein sollte.

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3. Wie das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats im Erkenntnis vom 9. August 2010, Zl. 300895/2/WEI/Sta, ausführte, war die Umschreibung, dass ein frei laufender Strauß die Fahrbahn einer stark befahrenen Landesstraße mehrmals betreten hatte und den Fahrzeugverkehr stark gefährdete, weil PKW-Lenker dem Vogel gerade noch rechtzeitig ausweichen oder abbremsen konnten, ausreichend und nach den damals gegebenen Umständen noch bestimmt genug, um den Bw in die Lage zu versetzen, ein Vorbringen als Gegendarstellung zu erstatten. Damals waren die Besatzungen von zwei Polizeistreifen vor Ort eingeschritten und versuchten wiederholt, den Strauß ins Feld zu scheuchen, warnten herannahende Fahrzeuglenker vor der gefährlichen Verkehrssituation und sicherten mit Blaulicht die Fahrbahn.

 

Dagegen spricht der vorletzte Satz im 3. Spruchabsatz des angefochtenen Straferkenntnisses nur ganz allgemein von der mehrfachen Überquerung von öffentlichen Straßen durch die entlaufenen Tiere, ohne dass dies näher dargelegt worden wäre oder zumindest aus dem vorgelegten Akteninhalt nachvollzogen werden könnte. Der letzte Satz spricht außerdem nur von allgemein denkbaren unzumutbaren Gefahren für Verkehrsteilnehmer und behandelt damit gar keinen konkreten Vorfall. Überdies hatte die belangte Behörde in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch keine vergleichbare Anlastung vorgenommen, weshalb schon aus diesem Grund die Ergänzung des Spruchs im angefochtenen Straferkenntnis unzulässig erscheint.

 

Der vorletzte und der letzte Satz des Spruches enthalten nur allgemeine Behauptungen, die an der mangelnden Konkretisierung einer bestimmten Gefahrensituation nichts zu ändern vermag. Eine solche pauschale Anlastung lässt die für die Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal "dass ... dritte Personen gefährdet werden" erforderlichen Sachverhaltselemente vermissen. Im Ergebnis hatten diese Sätze im Schuldspruch daher zu entfallen.

 

4.4. Im Erkenntnis vom 28. Jänner 2010, VwSen-300869/2/WEI/Sta, hat der unabhängige Verwaltungssenat schon ausgeführt, dass beim Tatbestand des § 5 Abs 1 Oö. PolStG zwischen Gefährdungs- und Belästigungsvariante zu unterscheiden ist. Im Falle der Gefährdung dritter Personen infolge mangelhafter Verwahrung eines Tieres muss ein Ereignis vorliegen und umschrieben werden, aus dem eine nahe Gefahr für ein persönliches Rechtsgut abgeleitet werden kann.

 

Im vorliegenden Fall konnte die belangte Behörde nach den Umständen davon ausgehen, dass durch das aggressive Verhalten der beiden ausgewachsenen Strauße eine konkrete Gefahr für die körperliche Integrität der Ehegatten A vorlag. Die Vögel konnten schließlich durch Schreien und Gestikulieren sowie durch den Einsatz einer Holzlatte abgewehrt und aus dem Hühnergehege vertrieben werden (vgl Anzeige der PI L vom 26.11.2010). Die nach den Wörtern "Die Angriffe" im vorletzten Satz des 2. Spruchabsatzes gewählte Umschreibung "auf das persönliche Rechtsgut - Leib und Leben - womit jedenfalls eine Gefährdung von Personen verbunden war," erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat unangebracht und teilweise übertrieben. Sie ist einerseits überflüssig, weil die Leibesgefahr schon durch die sonstige Darstellung hinreichend zum Ausdruck kommt. Andererseits ist sie überschießend, wenn von einer Gefahr für das Rechtsgut Leben die Rede ist, weil es für so eine weitgehende konkrete Gefährdung keine Anhaltspunkte gibt. Die oben erwähnte Wendung im vorletzten Satz des Spruchabsatzes 2 hatte daher zu entfallen.

 

Auf Grundlage der von der belangten Behörde gewählten Spruchfassung ist auch davon auszugehen, dass der Tatbestand des § 5 Abs 1 Oö PolStG in Bezug auf seine Belästigungsvariante verwirklicht worden ist. Nach dem Empfinden eines objektiven Beobachters (näher dazu VwSen-300869/2/WEI/Sta vom 28.01.2010) ist es als nicht mehr tolerierbare und damit unzumutbare Belästigung der Bevölkerung anzusehen, wenn ein ausgewachsener Strauß frei herumläuft und auf einem Privatgrundstück Schaden anrichtet und die Besitzer noch attackiert. Im Falle der Gefährdung von Personen liegt typischerweise auch eine unzumutbare Belästigung für diese Personen vor. Dieser Belästigung kommt aber neben der Gefährdung der körperlichen Integrität keine eigenständige Bedeutung zu. Sie tritt im Wege der Scheinkonkurrenz zurück.

 

Dass eine nahe Begegnung mit einem frei laufenden Strauß häufig zu einer unzumutbare Belästigung führen wird, kann nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden. Der Umgang mit einem Straußenvogel ist für die heimische Bevölkerung ungewohnt und das Verhalten eines solchen 80 bis 90 kg wiegenden Laufvogels, der zumindest eine Geschwindigkeit von 60 km/h erreichen kann, ist weitgehend unberechenbar und potentiell gefahrenträchtig (vgl näher das h. Erkenntnis vom 27.08.2009 im Berufungsverfahren VwSen-300837/18 und VwSen-300838/17/WEI/Se). Im Zweifel werden Personen, die durch die Anwesenheit des erwachsenen Straußes, insbesondere eines männlichen Tieres, in ihrer Nähe betroffen sind, dem Vogel ausweichen und/oder sich in Sicherheit bringen müssen.

 

4.5. Im Ergebnis war die Tatanlastung mit den oben dargelegten Einschränkungen zu bestätigen. Der Bw hat gemäß § 5 Abs 1 Oö. PolStG den Tatbestand der nicht ordnungsgemäßen Verwahrung eines Tieres mit nachfolgender Gefährdung und Belästigung dritter Personen über das zumutbare Maß hinaus zu verantworten.

 

Diese Verwaltungsübertretung hat der Bw auch schuldhaft begangen, weil er aus zahlreichen Vorfällen in der Vergangenheit und einschlägigen Vorstrafen (vgl etwa die h. Erkenntnisse vom 26.08.2009, Zl. VwSen-300834/15/WEI/Se, vom 27.08.2009, Zlen. VwSen-300837/18/WEI/Se, 300838/17/WEI/Se, sowie vom 28.01.2010, Zl. VwSen-300869/2/WEI/Sta), bei denen immer wieder Strauße aus seiner Straußenfarm entweichen und andere Personen belästigen oder gefährden konnten, offenbar nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen, die Haltungsbedingungen zur Vermeidung von Rangkämpfen oder der Futtersuche außerhalb des Geheges nicht verbessert und Mängel in der Umzäunung nicht rechtzeitig behoben hat.

Im Ergebnis steht daher fest, dass der Bw die dargelegte Verwaltungsübertretung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt hat.

 

4.6. Im Rahmen der Strafbemessung war nach der Strafbestimmung des § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG bei einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Oö. PolStG von einer Strafdrohung bis zu 1.450 Euro auszugehen. Die belangte Behörde ging unter Hinweis auf frühere Verwaltungsstrafverfahren zu den persönlichen Verhältnissen des Bw von einer Landwirtschaft mit Einheitswert von 23.000 Euro, keinem weiteren Vermögen und keinen Sorgepflichten aus. Diesen persönlichen Verhältnissen hat der Bw durch die Telefaxeingabe seines damaligen Rechtsvertreters vom 30. Juni 2011 widersprochen und den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom 2. Februar 2010, Zl. EW-AZ 43/1533-1-0066/4, vorgelegt, mit dem der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs mit (EZ 66 der KG 42154 R) in V 8,  R, zum 1. Jänner 2009 mit lediglich 10.600 Euro festgestellt worden ist. In früheren Berufungen (zB VwSen-300922-2009) wird noch auf eine Alterspension von 1.200 Euro hingewiesen.

 

Straferschwerend wertete die belangte Behörde 15 einschlägige rechtskräftige Verwaltungsübertretungen wegen § 5 Abs 1 Oö. PolStG und 30 weitere Verwaltungsstrafen nach dem Tierschutzgesetz, die nicht näher spezifiziert wurden. Es ist beim Oö. Verwaltungssenat amtsbekannt, dass es meist um Übertretungen nach § 38 iVm § 24 Tierschutzgesetz (Verstöße gegen Haltungsvorschriften in Tierhaltungsverordnungen) ging. Abgesehen von der Unbestimmtheit hält der erkennende Verwaltungssenat grundsätzlich die Nichteinhaltung von Haltungsbedingungen im Verhältnis zu § 5 Oö. PolStG nicht für einschlägig und daher insofern nicht für erschwerend.

 

Strafmildernd wurde kein Umstand von der belangten Behörde gewertet. Dem kann der Oö. Verwaltungssenat im Hinblick auf die im Rechtfertigungsschreiben vom 12. März 2011 wiedergegebenen Äußerung der Ehegatten A zur Schadensgutmachung durch den Bw nicht beipflichten (vgl oben Punkt 2.2). Das Bemühen des Bw, sich mit den Ehegatten A ins Einvernehmen zu setzen, und der Ersatz des Sachschadens ist jedenfalls als eindeutiger Strafmilderungsgrund (iSd § 33 Z StGB iVm § 19 Abs 2 VStG) zu werten.

 

Der erkennende Verwaltungssenat hat im gegenständlichen Fall den Schuldspruch teilweise eingeschränkt, weil eine Gefährdung dritter Personen auf öffentlichen Straßen durch die entlaufenen Strauße nicht konkret feststellbar war. Außerdem war auch die strafbehördliche Anlastung von Lebensgefahr der Ehegatten A, die nicht einmal einen Anzeige gegen den Bw durch die PI L wollten, doch sehr übertrieben und hatte daher zu entfallen.

 

Mit diesen Spruchänderungen vermindert sich das Gewicht des Tatvorwurfs nicht unwesentlich. Im Hinblick auf den eingeschränkten Tatvorwurf war auch das dem Bw vorwerfbare Verschulden vermindert. Auch der von der belangten Behörde unberücksichtigte Milderungsgrund wirkte sich strafmindernd aus. Außerdem waren auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bw ungünstiger, als von der belangten Behörde angenommen.

 

Bei den gegebenen Strafzumessungsgründen und im Hinblick auf die ungünstigen persönlichen Verhältnisse des Bw erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat eine Geldstrafe in Höhe von 400 Euro einerseits als tat- und schuldangemessen und andererseits auch aus präventiven Überlegungen noch ausreichend, um den Bw von einschlägigen weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Die für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß dem § 16 Abs 2 VStG innerhalb von zwei Wochen festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe konnte mit 100 Stunden im Verhältnis zur verminderten Geldstrafe etwas höher bemessen werden, weil es dabei nur mehr auf den Unrechts- und Schuldgehalt und nicht auf die ungünstigen Einkommens – und Vermögensverhältnisse des Bw ankam.

 

5. Im Ergebnis war der Berufung teilweise Folge zu geben, der Schuldspruch wie dargelegt einzuschränken und die Strafe entsprechend zu reduzieren. Im Berufungsverfahren entfiel damit gemäß § 65 VStG ein weiterer Kostenbeitrag.

 

Im erstinstanzlichen Strafverfahren vermindert sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG auf den Betrag von 40 Euro (10 % der Geldstrafe).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum