Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166798/3/Bi/Kr

Linz, 22.05.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn K P, F,  V, vom 5. März 2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Vöcklabruck vom 9. Februar 2012, VerkR96-25237-2011-Hai, wegen Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1  und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 10 Abs.1,      4 Abs.2 und 134 Abs.1 KFG 1967 und § 9 VStG eine Geldstrafe von 80 Euro (48 Stunden EFS) verhängt, weil er als Verantwortlicher des Zoofachhandels X, L – diese sei Zulassungsbesitzerin des Lkw Fiat Ducato, X – nicht dafür gesorgt habe, dass der Zustand des Lkw den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da am 6. Juli 2011, 9.15 Uhr in der Gemeinde Hofkirchen iM, Parkplatz nördlich der Falkenstein Straße vor dem Pfarramt gegenüber dem Betreuten Wohnen neu, östlich der Pfarrgasse, festgestellt worden sei, dass für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des Fahrzeuges maßgebende Teile nicht diesen Vorschriften entsprochen hätten, obwohl Kraftfahrzeuge so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer oder ihre Fahrzeuge entstünden. Es sei festgestellt worden, dass die Windschutzscheibe im unteren Bereich über die gesamte Scheibe verlaufend zersprungen gewesen sei. 

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 8 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe durch einen Telefonanruf eines Organes der PI Rohrbach am 6. Juli 2011 erfahren, dass die Frontscheibe des genannten Firmenfahrzeuges einen Sprung im unteren Bereich verlaufend habe und außerdem vorschriftswidrig geparkt sei. Er habe sofort mit Herrn M Z (Z), H, Kontakt aufgenommen und ihn davon informiert. Dieser habe das ggst Fahrzeug vom Zulassungsbesitzer, der Fa Zoo X, angemietet; da gebe es auch eine Faktura für die Fahrzeugmiete für den fraglichen Zeitraum, die er gerne vorlegen könne. Er habe noch am 6. Juli 2011 eine Frontscheibe bei der Fa Y in L, H P, bestellt und diese sei am 7. Juli 2011 verbaut worden. Ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Lenker, Herrn Z, ua auch wegen der gebrochenen Frontscheibe sei bei der BH Rohrbach eingeleitet, aber wegen der unverzügliche Reparatur eingestellt worden. Hier werde offenbar mit zweierlei Maß gemessen, wenn er durch die Berufung nun einen höheren Strafbetrag leisten müsste. Die Geldstrafe sei schon von 50 auf 80 Euro plus 8 Euro Kosten hinaufgesetzt worden. Durch die Fahrzeuganmietung im Monat Juli 2011 habe sich das Fahrzeug in der alleinigen Verfügungsgewalt des Herrn Z befunden, der auch für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich sei. Er beantrage dazu die Zeugeneinvernahme des Herrn Z sowie Verfahrens­einstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der ggst Lkw, zugelassen auf E B, L, am 6. Juli 2011 um 9.15 Uhr in Hofkirchen iM vom Lenker Z in einer Kurzparkzone geparkt und nach Ablauf der Kurzparkzeit nicht von dort entfernt worden war. Die Beanstandung erfolgte durch einen Beamten der PI Lembach, dem gegenüber der Lenker ua erklärte, die Scheibe sei bei der Fahrt schon gesprungen gewesen. Laut Anzeige hat der Sprung über die gesamte Breite im unteren Bereich bestanden.

Die Zulassungsbesitzerin hat sich im Einspruch gegen die Strafverfügung  der
BH Rohrbach, mit der wegen Übertretung gemäß  §§ 103 Abs.1 iVm 10 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 150 Euro verhängt worden war, auf den Bw als für den Fuhrpark Verantwortlichen berufen. Sie hat eine von ihr und dem Bw unterschriebene Erklärung vom 27. August 2009 vorgelegt, wonach dieser damit einverstanden war, "zu seinen Aufgaben der Geschäftsführung der Fa Zoo X weiters auch mit der Leitung des Fuhrparks der Firmenfahrzeuge, auch mit dem selbständigen Ein- und Verkauf von Fahrzeugen, betraut" zu werden; ausdrücklich angeführt wurden die Fahrzeuge A, B und C.

Daraufhin wurde das Verfahren gegen die Zulassungsbesitzerin eingestellt.

 

Obwohl in der Anzeige ausdrücklich als Lenker M.Z. angeführt war, erging seitens der Erstinstanz die Strafverfügung vom 9. November 2011 gegen den Bw als Lenker des genannten Lkw wegen des Abstellens in der Kurz­parkzone, ohne einen Ausweis für dauernd stark gehbehinderte Personen gut sichtbar anzubringen, und wegen der Beschädigung der Windschutzscheibe, weil die Sicht von Lenkerplatz aus für ein sicheres Lenken nicht gegeben gewesen sei. Die Strafe betrug 30 Euro für den Ausweis und 50 Euro für den Sprung in der Scheibe.

Der damals rechtsfreundlich vertretene Bw erklärte im Einspruch, er besitze keinen Ausweis nach § 29b StVO und habe sich zur Vorfallszeit im Geschäft in Linz befunden. Es sei nicht seine Aufgabe sich darum zu kümmern, ob er Leasingnehmer M.Z. einen derartigen Ausweis hinter die Windschutzscheibe lege;  er selbst habe keine Verfügungsgewalt über das Fahrzeug.

 

Laut Aktenvermerk vom 15. Dezember 2011 wurde das gegen den Bw gemäß
§ 29b StVO eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Allerdings wurde an ihn eine Aufforderung zur Rechtfertigung mit der erstmaligen Anlastung einer Übertretung gemäß §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 10 Abs.1 und 4 Abs.2 KFG und
§ 9 Abs.1 VStG gerichtet und am 29. Dezember 2011 an die Rechtsvertretung zugestellt.

Da darauf keine Reaktion erfolgte, erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis, zugestellt am 20. Februar 2012 an die Rechtsvertretung. Diese teilte die Auflösung des Vertretungsver­hältnisses am 1. März 2012 mit; die Berufung erfolgte durch den Bw selbst.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 103 Abs. 1 Z1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbescha­det allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen­en Verordnungen entspricht.

Gemäß § 103a Abs.1 Z2 KFG 1967 hat bei Vermietung eines Fahrzeuges ohne Beistellung des Lenkers der Mieter die im § 57a Abs.1 und im § 103 Abs.1 Z1 hinsichtlich des Zustandes des Fahrzeuges angeführten Pflichten neben dem Zulassungsbesitzer zu erfüllen; die Erfüllung der Pflichten durch einen Verpflichteten befreit den anderen. Gemäß Z3 hat der Mieter die im § 103 Abs.1 Z1 hinsichtlich des Zustandes der Ladung und der zu erfüllenden Auflagen, Z2 und 3, Abs.2, 3, 4, 5a und 6 und § 104 Abs.3 angeführten Pflichten anstelle des Zulassungsbesitzers zu erfüllen.

 

Damit obliegt die Sorge für die Windschutzscheibe sowohl dem Zulassungs­besitzer als auch dem Mieter, wobei im ggst Fall der Bw für die Zulassungs­besitzerin aufgrund seiner Zustimmungserklärung als Fuhrparkleiter gemäß § 9 VStG herangezogen werden kann. Wenn er in der Berufung ausführt, er habe eine neue Scheibe bestellt und diese sei am nächsten Tag verbaut worden, ist eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit durch ihn auf den Lkw wohl gegeben. 

 

Gemäß § 4 Abs.2 KFG 1967 müssen Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Sie müssen so gebaut und ausgerüstet sein, dass der Lenker, beförderte Personen und andere Straßenbenützer bei Verkehrsunfällen möglichst geschützt sind. Sie dürfen innen und außen keine vermeidbaren vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzlichen Vorrichtungen aufweisen, die bei Verkehrsunfällen schwere körper­liche Verletzungen erwarten lassen. Unvermeidbare vorspringende Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen, müssen durch geeignete Schutzvorrichtungen entsprechend abgedeckt oder, wenn dies nicht ohne schwere Beeinträchtigung der Verwendbarkeit des Fahrzeuges im Rahmen seiner Zweckbestimmung durchführbar ist, entsprechend gekennzeichnet sein.

 

Gemäß § 10 Abs.1 KFG müssen Windschutzscheiben und Klarsichtscheiben von Kraftfahrzeugen aus einem unveränderlichen, vollkommen durchsichtigen Stoff bestehen. Sie dürfen Gegenstände  nicht verzerrt erscheinen lassen und müssen auch bei Bruch so weit Sicht lassen, dass das Fahrzeug bis zum Anhalten sicher gelenkt werden kann.

 


Nach der Judikatur des VwGH (vgl E 25.1.2005, 2004/02/0295) liegt dann, wenn durch den Zustand der Windschutzscheibe vom Material her das "sichere Lenken" – sei es, weil Gegenstände verzerrt erscheinen oder weil aus anderen Gründen keine ausreichende Sicht gegeben ist – unter dem Blickwinkel des Schutzzweckes des KFG, dh der Sicherheit der Teilnehmer im Straßenverkehr (vgl E 29.6.1994, 93/03/0266), nicht gewährleistet ist, eine Strafbarkeit des Lenkers bzw Zulassungs­besitzers des Kraftfahrzeuges (vgl. § 102 Abs. 1 und § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG 1967) vor.

 

Gemäß § 10 Abs.2 Z3 Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung (PBStV) sind als Mängelgruppe "schwere Mängel" anzusehen: Fahrzeuge mit Mängeln, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges beeinträchtigen oder Fahrzeuge, die übermäßigen Lärm, Rauch, üblen Geruch oder schädliche Luft­verunreinigungen verursachen. Diese Fahrzeuge weisen nicht die Voraussetzung zur Erlangung einer Begutachtungsplakette gemäß § 57a Abs. 5 KFG 1967 bzw. der Bestätigung gemäß § 57 Abs. 6 KFG 1967 auf. Bei Fahrzeugen mit schweren Mängeln ist der Fahrzeuglenker oder Zulassungs­besitzer darauf hinzuweisen, dass das Fahrzeug auf Grund des festgestellten Mangels nicht verkehrs- und betriebssicher ist und diese Mängel bei der nächsten in Betracht kommenden Werkstätte behoben werden müssen.

Zu unterscheiden ist die Beurteilung, ob der Lenker mit einem mit einem schweren Mangel behafteten Kraftfahrzeug weiterhin am Straßenverkehr teil­nehmen darf oder ob er wegen des festgestellten Mangels das Lenken sofort zu unterlassen hat – in diesem Fall hätte aber der Lkw wegen Gefahr im Verzug aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

 

Um 9.15 Uhr des 6. Juli 2011 war, wie sich der Anzeige eindeutig entnehmen lässt, zwar ein Sprung im unteren Bereich der Windschutzscheibe über die gesamte Breite vorhanden, aber offenbar war der Sprung nicht derart gravierend, dass ein sofortiges Abstellen ("Aus-dem-Verkehr-Ziehen") des Lkw erforderlich gewesen wäre. Dem Lenker wurde laut Anzeige das weitere Lenken das Lkw nicht untersagt. Das lässt den Schluss zu, dass zum einen von der Position und zum anderen von der Qualität des Sprunges keine derartige Sichtbeeinträchtigung des Lenkers im Sinne einer Verzerrung oder sonstigen Beeinträchtigung bestanden hat, dass das sichere Lenken des Lkw dadurch ausge­schlossen gewesen wäre. 

Damit war zwar zur im Spruch genannten Zeit ein schwerer Mangel im Sinne der PBStV gegeben und für den Lkw wäre daher auch keine Begutachtungsplakette gemäß § 57a KFG ausgegeben worden. Die Sicht vom Lenkerplatz aus war aber offensichtlich nicht verzerrt oder sonst so eingeschränkt, dass ein weiteres Lenken zu einer Gefährdung des Lenkers, von Fahrzeuginsassen oder anderer Straßenbenützer geführt hätte, weil solches mit Sicherheit in der Anzeige festgehalten worden wäre und die oben dargelegten Konsequenzen gehabt hätte.

 

Aus dieser Überlegung war spruchgemäß zu entscheiden. Verfahrenskosten­beiträge fallen dabei naturgemäß nicht an.


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Sprung in der Windschutzscheibe unten quer über die gesamte Breite – Zulassungsbesitzer nicht nach §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 10 Abs.1 + 4 Abs.2 KFG strafbar, weil keine Gefahr im Verzug -> Einstellung

 

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