Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730013/16/Wg/GRU

Linz, 16.05.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch X, X, X, gegen die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 21.1.2010, Zl. Sich40-9764-2009 KG, verhängte Ausweisung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5.4.2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.                Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG und  § 61 Abs 3 FPG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) mit Bescheid vom 21.1.2010, Zl. Sich40-9764-2009 KG, gem. § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 9.2.2010. Der Bw beantragt darin, die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid der Bezirkshaupt­mannschaft Perg vom 21.1.2010 dahingehend abändern, dass der Bescheid aufgehoben und das eingeleitete Ausweisungsverfahren eingestellt wird; in eventu den angefochtenen Bescheid zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurück zu verweisen.

 

Nach Inkrafttreten wesentlicher Bestandteile des Fremden­rechts­änderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 am 1. Juli 2011 übermittelte die Sicherheitsdirektion den Berufungsakt zu­ständig­keitshalber dem Verwaltungssenat .

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat führte am 5.4.2012 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch. Der rechtsanwaltliche Vertreter verwies eingangs auf den Berufungsschriftsatz. Die dort gestellten Anträge wurden vollinhaltlich aufrecht erhalten.

 

Der Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger der Türkei.

 

Er reiste am 26.11.2002 illegal in das Bundesgebiet ein und hält sich seither im Bundesgebiet auf. Er lebt zur Zeit bei seiner Schwester in X, X und verfügt über ein eigenes Zimmer.

 

Seit 1.11.2011 ist der Bw beim Roten Kreuz aktiv. Weiters spielt er gerne – soweit seine Freizeit es erlaubt – Fußball bei der Union X. Er verbringt auch sehr viel Zeit mit den Kindern seiner Schwester X. Seitens der Union X und von X (der Bw hat auf freiwilliger Basis bei Filmarbeiten mitgeholfen) wurde ein Empfehlungsschreiben vorgelegt.

 

Er ist seit 1. Jänner 2004 als Gesellschafter der X mit Sitz in X, X, selbstständig erwerbstätig. Sein monatliches Einkommen beträgt ca. 300,-- oder 400,-- Euro. Da er gewerblich selbständig tätig ist, unterliegt sein Einkommen naturgemäß gewissen Schwankungen. Es kann auch sein – je nach Wirtschaftslage – dass sein Einkommen höher ausfällt.

 

Im Versicherungsdatenauszug vom 16. Dezember 2011 scheinen folgende Eintragungen auf:

 

von                             bis                 Art der Monate / meldende Stelle_____________________ Nr. *) 01.01.2004         31.08.2010          gewerbl.selbständig Erwerbstätiger

01.11.2009         31.08.2010          nicht bezahlte Beiträge BSVG, GSVG, FSVG

01.10.2010         30.09.2011          nicht bezahlte Beiträge BSVG, GSVG, FSVG

13.10.2010         30.09.2011          gewerbl.selbständig Erwerbstätiger

 

Lt Versicherungsbestätigung vom 5. April 2012 ist der Bw von 13. Oktober 2010 bis laufend in der Krankenversicherung nach dem GSVG pflichtversichert. Bezüglich der Beitragsrückstände wurde eine Ratenzahlung vereinbart.

 

Der Bw hatte schon einmal eine Freundin, diese Beziehung (6 Jahre lang) hat er aber auf Grund seines unsicheren Aufenthaltsstatus gelöst. Seine damalige Freundin hieß X und ist österreichische Staatsbürgerin.  Sobald der Bw über einen Aufenthaltstitel verfügt, möchte er eine Familie gründen.

 

Im Bundesgebiet wohnen noch seine Schwester, ein Cousin und eine Cousine. Die Eltern des Bw leben in der Türkei.

 

Der Bw verfügt über ein Zertifikat über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2.

 

Zu seinem Asylverfahren ist festzustellen, dass er am 28. November 2002 einen Asylantrag stellte. Das Asylverfahren ist seit 29. Jänner 2009 rechtskräftig negativ abgeschlossen. Die Republik Österreich gewährt dem Bw kein Asyl. Er verfügte während des Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß AsylG. Im Asylverfahren wurde keine Ausweisung ausgesprochen.

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Die Ausweisungsentscheidung gilt gem. § 125 Abs. 14 Fremden­polizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 38/2011 als Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 FPG. Der Bw hält sich seit rechtskräftigem negativen Abschluss seines Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf. Der Tatbestand für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG ist dem Grund nach erfüllt.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der illegale Aufenthalt des Bw seit negativem Abschluss des Asylverfahrens beeinträchtigt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in einem erheblichen Ausmaß.

 

Dem gegenüber steht das persönliche Interesse des Bw an der Fortsetzung seines Privatlebens im Bundesgebiet. Sobald er über einen Aufenthaltstitel verfügt, möchte er eine Familie gründen.

 

Auch ein unrechtmäßiger Aufenthalt kann zur Begründung einer Integration im Inland herangezogen werden, wenn dem auch nicht derselbe Stellenwert wie bei einer rechtmäßigen Niederlassung zugemessen werden kann (vgl. VwGH vom 4.9.2003, GZ. 2000/21/0102).

 

Zusammengefasst hat sich der Bw – insb. durch die langjährige selbstständige Erwerbstätigkeit - in der Zeit seines nunmehr seit 26.11.2002 dauernden Aufenthaltes im Bundesgebiet der Republik Österreich so weit integriert, dass seine privaten Interessen an der Fortsetzung des Aufenthaltes die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes überwiegen.

 

Eine Rückkehrentscheidung ist mittlerweile dauerhaft unzulässig.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die Berufung von 30,40 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

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