Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730395/18/Sr/ER

Linz, 29.05.2012

VwSen-730396/6/Sr/ER

VwSen-730397/2/Sr/ER

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung 1.) der X, geb. X, 2.) der mj. X, geb. X und 3.) des mj. X, geb. X, alle StA von Serbien, allesamt vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen die Bescheide des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 25. Juli 2011, AZ.: Sich40-27887-2010, Sich40-24849-2007 und Sich40-29356-2011, betreffend Rückkehrentscheidungen und Einreiseverbote der Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

             I.                  Den Berufungen wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

 

          II.                  Rückkehrentscheidungen sind auf Dauer unzulässig.

 

 

 

I.                   Жалба се усваја а оспорено решење укида без права на накнаду трошкова.

 

II.                Одлука о повратку има трајно дејство.

 

 

Rechtsgrundlage / Законски основ:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 


Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit den Bescheiden des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 25. Juli 2011, AZ.: Sich40-27887-2010, Sich40-24849-2007 und Sich40-29356-2011, wurden gegen die Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 1 iVm. § 61 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011, Rückkehrentscheidungen und damit verbundene Einreiseverbote für den gesamten Schengenraum angeordnet.

 

Neben der Wiedergabe der angewendeten Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde zum Sachverhalt im Wesentlichen aus, dass die 1. Bw erstmalig im Jahr 2002 in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei und am 14. Oktober 2002 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Dieser Antrag sei am 1. Dezember 2003 in erster Instanz abgewiesen worden, der Asylgerichtshof habe am 4. Jänner 2010 die diesbezügliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Im selben Erkenntnis habe der Asylgerichtshof auch die Beschwerde der 2. Bw abgewiesen. Für den 3. Bw habe die 1. Bw am 31. Mai 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der am 4. Juni 2010 abgewiesen wurde. Am 29. Oktober 2010 habe der Asylgerichtshof die diesbezügliche Beschwerde abgewiesen. Mit Schreiben vom 24. Mai 2011 sei den Bw mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, sie aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich auszuweisen. Dazu sei eine schriftliche Stellungnahme der Bw bei der belangten Behörde eingegangen.

Es stehe fest, dass sich die 1. Bw und die 2. Bw seit 4. Jänner 2010 und der 3. Bw seit 15. November 2010 illegal in Österreich aufhielten. Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen seien aufgrund entsprechender Stellungnahmen der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich zur Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen rechtskräftig negativ entschieden worden.

Aus dem Versicherungsdatenauszug der 1. Bw gehe hervor, dass sie nie in Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen sei. Seit dem 2. Februar 2010 sei sie mit ihrem Gatten mitversichert, der seit 9. Dezember 1993 im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen sei. Der Gatte der 1. Bw gehe keiner Beschäftigung nach, es könne daher angenommen werden, dass er ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Gebietskörperschaften nicht in der Lage sei, für den Unterhalt der Familie zur Gänze aufzukommen. In diesem Zusammenhang zitiert die belangte Behörde eine zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheids bereits außer Kraft getretene Norm, wonach der Mangel an Unterhaltsmitteln die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.

Die belangte Behörde führt weiters an, dass die 1. Bw trotz ihres langen Aufenthalts in Österreich bis dato keine Deutschprüfung auf Niveau A2 abgelegt habe, auch gehe aus ihren Unterlagen nicht hervor, dass sie jemals einen Deutschkurs besucht hätte. Auch habe sich die 1. Bw weder beruflich noch schulisch weitergebildet. Eine berufliche Integration sei bei der 1. Bw nicht vorhanden, aufgrund ihres langen Aufenthalts könnten jedoch gewisse Deutschkenntnisse angenommen werden. Eine soziale Integration könne die 1. Bw nicht nachweisen, sie habe keine Unterstützungserklärungen vorgelegt und sei in keinem Verein tätig.

Die 1. Bw sei strafrechtlich unbescholten.

Die belangte Behörde stellt das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens fest, führt aber an, dass das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden sei, in dem sich die 1. Bw ihres unsicheren Aufenthalts aufgrund der erstinstanzlichen negativen Asylentscheidung bereits bewusst gewesen sei. Die Heirat und die Geburten der beiden Kinder – der 2. Bw und des 3. Bw – hätten zeitlich deutlich nach der erstinstanzlichen Asylentscheidung stattgefunden.

Von einem Organisationsverschulden der Asylbehörden könne nicht gesprochen werden, da die 1. Bw nach rechtskräftig negativer Entscheidung des Asylgerichtshofs über die Beschwerden der 1. Bw und der 2. Bw vom 4. Jänner 2010 am 31. Mai 2010 für den 3. Bw noch einen Asylantrag gestellt habe, der am 29. Oktober 2010 durch den Asylgerichtshof abgewiesen worden sei.

Zur familiären Situation der 1. Bw stellt die belangte Behörde fest, dass deren Eltern und eine Schwester im Herkunftsstaat leben würden. In Österreich bestehe ein Familienleben zwischen der 1. Bw, der 2. Bw, dem 3. Bw und dem Ehemann bzw. Vater. Gegen die Bw seien aber mit gleichem Datum Rückkehrentscheidungen getroffen worden. In ihrer schriftlichen Stellungnahme zur geplanten Ausweisung hätten die Bw angeführt, dass die Ausweisung der EMRK und der Grundrechtecharta widersprechen würde, da Kinder einen Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen hätten. Die belangte Behörde stellt diesbezüglich fest, dass der Vater am Besuch der Kinder durch die belangte Behörde nicht gehindert werde. Da der Vater bzw. der Gatte ebenfalls die serbische Staatsbürgerschaft besitze und aufgrund seiner Niederlassung jederzeit wieder nach Österreich einreisen könne, stehe regelmäßigen Besuchen nichts im Weg. Wie intensiv die Bindung zwischen Vater und 2. und 3. Bw bzw. zwischen der 1. Bw und ihrem Ehemann sei, hänge von diesem ab. Überdies beinhalte die EMRK weder das Recht, den am besten geeigneten Ort für die Entwicklung des Familienlebens zu wählen noch die Verpflichtung zur Herstellung des Familienlebens.

 

Eine Rückkehrentscheidung sei nur zulässig, wenn sie keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK darstelle. Die belangte Behörde kommt zum Schluss, dass die Rückkehrentscheidungen zwar in das Privat- und Familienleben der Bw eingreifen würden, diese Eingriffe jedoch dringend geboten seien, um die öffentliche Ordnung im Bereich des Fremdenwesens wieder herzustellen.

Das persönliche Verhalten der 1. Bw habe gezeigt, dass sie kein Interesse an einer Integration in Österreich habe. Sie sei nie legal beschäftigt gewesen, habe keine Deutschprüfung abgelegt, spreche ihre Muttersprache, habe in ihrem Herkunftsstaat die Schule absolviert und weise dort enge familiäre Bindungen auf. Eine soziale Integration habe sie nicht nachweisen können.

Die 1. Bw habe in Österreich zu einem Zeitpunkt, in dem sie sich ihres unsicheren Aufenthalts bewusst sein hätte müssen, ein Familienleben gegründet. Durch die Asylantragstellung für die 2. und den 3. Bw habe die 1. Bw ihren vorläufigen Aufenthalt in Österreich verlängern können, trotz der rechtskräftig negativen Asylbescheide der 1. Bw und der 2. Bw habe die 1. Bw für den 3. Bw nochmals um Asyl angesucht. Dieses Verhalten zeige deutlich, dass die 1. Bw nicht gewillt sei, freiwillig das Bundesgebiet zu verlassen. Dieses Verhalten zeige auch, dass die 1. Bw kein Interesse daran habe, die österreichischen Rechtsnormen zu akzeptieren und einzuhalten.

Bezüglich der 2. Bw und des 3. Bw stellt die belangte Behörde fest, dass diese über eine Krankenversicherung verfügen würden, ansonsten werden keine Integrationsmerkmale festgestellt. Die 2. Bw besuche keinen Kindergarten, weshalb von der belangten Behörde die Deutschkenntnisse der 2. Bw als gering eingestuft werden. Die belangte Behörde verweist bezüglich der beiden Minderjährigen auf höchstgerichtliche Entscheidungen, wonach die Ausweisung von Minderjährigen gemeinsam mit einem Elternteil zulässig sei, da gerade Kinder in jüngerem Alter in der Lange seien, sich rasch an neue Lebenssituationen und Umgebungen anzupassen. Diesbezüglich wird auch auf die im Herkunftsstaat der Mutter lebenden Großeltern und die Tante hingewiesen. Abschließend verweist die belangte Behörde auf ein Erkenntnis des EGMR, der ausdrücklich zwischen rechtmäßig niedergelassenen und aufgrund des Asylwerberstatus vorübergehend niedergelassenen Personen unterscheide und klargestellt habe, dass diese Unterscheidung aus menschenrechtlicher Sicht gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines über Jahre andauernden Verfahrens nie sicher sei.

Betreffend die Dauer des Einreiseverbots von 24 Monaten führt die belangte Behörde an, dass die Beharrlichkeit der Bw, nicht aus dem Bundesgebiet ausreisen zu wollen, eine entsprechende Störung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf das Fremdenwesen darstelle. Durch das relativ kurze Einreiseverbot biete die belangte Behörde den Bw die Möglichkeit, nach Ablauf der Frist geordnet nach Österreich zuzuwandern.

Die Frist für die freiwillige Ausreise legt die belangte Behörde mit 14 Tagen ab Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung fest und erachtet diese Frist unter Beachtung des Privat- und Familienlebens der Bw als ausreichend.

 

2. Gegen diese am 29. Juli 2011 zugestellten Bescheide erhoben die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 10. August 2011 Berufung. Darin werden die Anträge gestellt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben; in eventu die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens an die Erstbehörde zurückzuverweisen; eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und die gegenständlichen Verfahren auszusetzen, bis die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zum Bescheid des BM.I. Gz. 3020.045/3/III/4/10 (Antrag auf Niederlassungsbewilligung gemäß NAG) vorliegt.

Die Bw begründen ihre Berufung im Wesentlichen damit, dass das Familienleben der Bw in Österreich mit ihrem Ehemann bzw. Vater nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Unzutreffend sei ferner, dass die Anträge auf Niederlassungsbewilligung abgewiesen worden seien, vielmehr sei die Entscheidung darüber noch offen. Den Bw sei ein Verfahrenshelfer beigestellt worden.

Unter Berufung auf die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen und die Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung sowie mehrerer höchstgerichtlicher Urteile verweisen die Bw darauf, dass die gegen sie erlassenen Rückkehrentscheidungen und Einreiseverbote rechtswidrig seien.

Zu den Argumenten, dass die 1. Bw keine Deutschkenntnisse nachweisen könne und als Hausfrau und Mutter von zwei kleinen Kindern nicht berufstätig sei, weisen die Bw darauf hin, dass diese Argumente keine rechtliche Grundlage hätten, ebenso wenig wie der Vorwurf, dass die 1. Bw eine Familie gegründet habe, obwohl sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen. Das Wohl der Kinder und die familiären Bindungen seien bei den Rückkehrentscheidungen nicht gebührend beachtet worden.

Ferner sei evident, dass der angefochtene Bescheid Art. 8 EMRK und Art 24 der Grundrechtecharta, der den Anspruch des Kindes auf regelmäßige persönliche Beziehung und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen vorsehe, verletze. Das Argument, dass der Vater seine Familie in Serbien besuchen könne, sei nicht nachvollziehbar. Nach einem allgemeinen Verständnis sei es wünschenswert für die eheliche Beziehung und die Beziehung der Kinder zu den Eltern, wenn sie im gemeinsamen Haushalt leben. Ferner sei es realitätsfremd, davon auszugehen, dass es allein aus zeitlichen und finanziellen Gründen dem Familienvater möglich sein könne, regelmäßig nach Serbien zu seiner Familie zu pendeln und gleichzeitig einer Arbeit in Österreich nachzugehen. Mit dem angefochtenen Bescheid würde den Kindern der Vater gestohlen.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat Oö. zur Berufungsentscheidung vor.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie der ergänzenden Unterlagen der Bw vom 9. Mai 2012 (Bestätigungen über Krankenhausaufenthalte der Kinder, Arztbriefe, Anmeldebestätigung für den Deutsch-Integrationskurs, Kindergarten-besuchsbestätigungen, Arbeits- und Lohnbestätigung) und durch telefonische Auskünfte des Gatten der 1. Bw.

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d Abs. 2 Z. 1 AVG).

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von den in Punkt 1 betreffend die Aufenthaltsdauer und die Asylverfahren der Bw dargestellten sowie die familiären Verhältnisse und die Unbescholtenheit der Bw betreffenden unbestrittenen Sachverhaltsteile aus und stellt ergänzend Folgendes fest:

Der Ehemann der 1. Bw bzw. Vater der 2. Bw und des 3. Bw geht mittlerweile einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und ist in der Lage, aus Eigenem den Unterhalt der Familie sicherzustellen.

Die 1. Bw war bereits zu einem Deutsch-Integrationskurs angemeldet, konnte diesen aber aufgrund schwerer Erkrankungen ihrer beiden mj. Kinder, die Krankenhausaufenthalte zur Folge hatten, bislang nicht abschließen. Mittlerweile ist die 1. Bw erneut zu einem Deutsch-Integrationskurs angemeldet, der mit 31. Mai 2012 beginnen wird. Im Zuge eines Telefongesprächs mit dem Gatten der 1. Bw, während dessen der Gatte mit der 1. Bw Rücksprache gehalten hat, konnte festgestellt werden, dass die 1. Bw mit ihrem Gatten deutsch spricht.

Die 2. Bw besucht seit September 2011 den Kindergarten und hat sich dort sehr gut integriert.

Die Bw haben einen großen Verwandtenkreis in Österreich, wobei einige dieser Personen österreichische Staatsbürger sind, zu denen regelmäßiger Kontakt besteht. Die 2. Bw und der 3. Bw haben Cousinen und Cousins im gleichen Alter, die österreichische Staatsbürger sind und mit denen regelmäßiger Kontakt gepflegt wird.

Am 2. Juni 2010 brachten die Bw, vertreten durch Ihren Rechtsanwalt, eine Stellungnahme zur beabsichtigten Ausweisung ein, in der sie angaben, dass der 1. Bw im Rahmen ihres Status als Asylwerberin nicht erlaubt und möglich gewesen sei, einer Beschäftigung nachzugehen. Der Gatte der 1. Bw verfüge aber über ausreichende Unterhaltsmittel, um seine Familie zu versorgen. Daher bestehe auch keine Notwendigkeit für die 1. Bw einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, die zu einer Vernachlässigung der Kinder führen könne.

Eine gesetzliche Grundlage, die Deutschprüfung abzulegen habe sich bisher nicht ergeben und sei auch nicht notwendig, da die 1. Bw deutsch könne, wovon sich die belangte Behörde durch eine persönliche Ladung überzeugen könne.

Die 1. Bw werde berufsorientierte Weiterbildungskurse besuchen, sobald sie über einen Aufenthaltstitel, der sie zu Erwerbstätigkeit berechtigt, verfügt.

Am 8. Juni 2011 ergänzten die Bw ihre Stellungnahme indem sie mitteilten, dass ihre Verfahren betreffend die Anträge auf Erlassung von Niederlassungsbewilligungen noch nicht abgeschlossen seien. Weiters verweisen sie auf Art. 8 EMRK und Art. 24 der Grundrechtecharta, wonach Kinder den Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen hätten.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall ist auch von den Bw selbst unbestritten, dass sie über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügen und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig sind.

 

Allerdings ist bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung sowohl auf Art. 8 EMRK als auch auf § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

4.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der       bisherige         Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.         der Grad der Integration;

5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des     Asyl-   Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem            Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.3. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.3.1. Der belangten Behörde folgend würde aufgrund der beabsichtigten Rückkehrentscheidungen in das Familienleben der Bw eingegriffen und ist eine Interessenabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG hinsichtlich des Privat- und Familienlebens der Bw vorzunehmen, wobei insbesondere auf die Integration, das Asylverfahren und die lange Aufenthaltsdauer Bedacht zu nehmen ist.

In Anbetracht des hinsichtlich der 1. Bw rund 10 Jahre währenden bzw. hinsichtlich der 2. Bw und des 3. Bw ausschließlichen Aufenthaltes im Bundesgebiet ist den Bw eine der Dauer ihres Aufenthaltes entsprechende Integration zuzugestehen.

Der Aufenthalt der 1. Bw war von 14. Oktober 2002 bis 4. Jänner 2010, also 7 Jahre und 3 Monate, rechtmäßig. Der Aufenthalt der 2. Bw war von 9. März 2007 bis 4. Jänner 2010, also rund die Hälfte ihres bisherigen Lebens, rechtmäßig. Der Aufenthalts des 3. Bw war von 31. Mai 2010 bis 29. Oktober 2010 rechtmäßig.

 

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch angesichts der ständigen Judikatur des VwGH dadurch gemindert, als der Aufenthalt der Bw während der Asylverfahren nur aufgrund von Anträgen, die sich letztendlich als unberechtigt erwiesen haben, temporär berechtigt war. Den Bw – bzw. deren Vertretungsberechtigten – musste bewusst sein, dass sie ein Privatleben während eines Zeitraumes, in dem sie einen "unsicheren" Aufenthaltsstatus hatten, geschaffen haben, (vgl. etwa Erkenntnis vom 08.11.2006, Zahl 2006/18/0344 sowie Zahl 2006/18/0226 ua.). Sie durften nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

 

In Hinblick auf die Aufenthaltsdauer der 1. Bw bzw. auf die Tatsache, dass die 2. Bw und der 3. Bw in Österreich geboren wurden und die 2. Bw in Österreich den Kindergarten besucht, ist auf die jüngste Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofs abzustellen.

Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. März 2012, Zl. 2010/21/0012, dem Umstand, dass die minderjährigen Beschwerdeführer den Großteil ihres Lebens in Österreich verbracht haben, integriert sind und den Kindergarten besuchen, sowie der Prüfung der Zumutbarkeit der Rückkehr des Vaters bzw. Ehemanns in seinen Herkunftsstaat, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen:

 

"Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nämlich nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. (siehe unter vielen etwa das Erkenntnis vom 24. November 2011, Zl. 2011/23/0465, mwN).

Dem wird die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht gerecht. Einerseits ging die belangte Behörde auf Teile des Vorbringens der Beschwerdeführer (in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin: Beschäftigungen im Zeitraum bis 2006, Absolvierung von Deutschkursen, Unbescholtenheit, Deckung des Lebensbedarfs durch den Lebensgefährten; in Bezug auf den Zweitbeschwerdeführer: sehr gute Deutschkenntnisse, Situationsbeschreibung durch die Kindergartenleiterin) überhaupt nicht ein. Andererseits beschränkte sie sich bei der Interessenabwägung darauf, den Beschwerdeführern eine der Dauer des Aufenthaltes in Österreich entsprechende Integration zuzubilligen [...].

Insbesondere hat es die belangte Behörde demnach unterlassen, sich mit den geltend gemachten, für einen Verbleib der Erstbeschwerdeführerin nach einem mittlerweile (bis zur Bescheiderlassung) mehr als achteinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich sprechenden Umständen konkret auseinanderzusetzen und auf die Situation des fast siebenjährigen, in Österreich geborenen Kindes näher einzugehen (siehe zu einem ähnlichen Begründungsmangel der belangten Behörde zuletzt das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zlen. 2010/21/0404, 0405, mwH).

Vor allem hätte die belangte Behörde aber in der vorliegenden Konstellation die Frage prüfen müssen, ob dem Lebensgefährten bzw. Vater der Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung des Familienlebens eine Rückkehr in die Türkei zuzumuten wäre, was eine Befassung insbesondere mit dessen aufenthaltsrechtlicher Stellung (nach der Aktenlage verfügt er seit 2004 über einen Niederlassungsnachweis) und dessen Beschäftigungssituation erfordert hätte (siehe dazu auch unter dem Gesichtspunkt des § 66 Abs. 3 FPG das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/21/0119)."

 

Im Hinblick auf den rund 10 Jahre währenden Aufenthalt der 1. Bw in Österreich ist im Besonderen auf die die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, GZ 2009/21/0348, einer sozialen Integration, obwohl sie in einem Zeitraum entstanden ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen.

 

"Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: E vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, E. vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte."

 

Im Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2010/22/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Sachlage, jedoch eines knapp über 10 Jahre bestehenden Aufenthaltes, dem persönlichen Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht beigemessen, dass eine Ausweisung unzulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei wie folgt ausgeführt:

 

"Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erwerbstätigkeit und darauf, dass er sich während seines Aufenthaltes in Österreich "in privater Hinsicht sehr gut integriert" habe. Die belangte Behörde hob zwar zu Recht hervor, dass dem Beschwerdeführer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er somit nicht mit einem legalen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Sie ist auch darin im Recht, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0688). Dementsprechend haben Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Demgegenüber vermag der Beschwerdeführer jedoch einen bereits über zehnjährigen Aufenthalt in Österreich für sich ins Treffen zu führen und es stellte die belangte Behörde auch fest, dass er erwerbstätig ist. Diese Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung unverhältnismäßig erscheint (vgl. zu ähnlichen Fällen etwa die E. vom 26. August 2010, 2010/21/0206 und 2010/21/0009)."

 

4.4.2. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob wegen eines besonders stark ausgeprägten persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich akzeptiert werden muss, dass die Bw mit ihrem Verhalten im Ergebnis versuchen, vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen (Hinweis E 24. Oktober 2007, 2007/21/0361), vgl. 2007/21/0074 17.07.2008.

 

Mit 10 Jahren Dauer kann die 1. Bw auf einen langen Aufenthalt in Österreich verweisen, wobei der größte Teil davon aufgrund des rund siebeneinhalb Jahre andauernden Asylverfahrens rechtmäßig war.

Die 2. Bw und der 3. Bw wurden in Österreich geboren, wobei der überwiegende Teil ihres Aufenthalts aufgrund asylrechtlicher Bestimmungen rechtmäßig war.

 

Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid keinerlei Bezug auf die erste Stellungnahme der Bw vom 2. Juni 2010 genommen, in der einerseits auf die Gründe eingegangen wurde, warum die 1. Bw in Österreich bislang nicht erwerbstätig war, andererseits der belangten Behörde angeboten wurde, sich von den Deutschkenntnissen der 1. Bw zu überzeugen. Davon hat die belangte Behörde keinen Gebrauch gemacht, sondern lediglich darauf verwiesen, dass die 1. Bw keine Deutschprüfung abgelegt hätte – wozu im Rahmen des Asylverfahrens aber keine Verpflichtung bestand.

Die 1. Bw ist mittlerweile wieder zu einem Deutsch-Integrationskurs angemeldet und konnte glaubhaft erklären, warum sie einen früher schon begonnenen Kurs nicht beenden konnte. Überdies konnte sich das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats selbst von den Deutschkenntnissen der Bw überzeugen.

 

Auch würdigte die belangte Behörde nicht den Umstand, dass die 1. Bw Mutter von zwei kleinen Kindern ist, die zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheids ein bzw. fünf Jahre alt waren. Dass in einer derartigen Lebenssituation eine berufliche Integration – abgesehen von den rechtlichen Hindernissen – nicht erwartet werden kann, ist von der belangten Behörde in keiner Weise berücksichtigt worden.

 

Den von der belangten Behörde festgestellten familiären Bindungen der Bw im Herkunftsstaat ist entgegen zu halten, dass sich der Vater bzw. Ehemann – somit die Kernfamilie – in Österreich befindet und zu ihm eine erheblich stärkere Bindung besteht als zu Verwandten, die sich in einem anderen Staat befinden. Der Vater bzw. Ehemann ist in Österreich niedergelassen und hat hier, nachdem er bereits seit 1993 rechtmäßig in Österreich niedergelassen ist – zweifellos seinen Lebensmittelpunkt. Obwohl der Vater bzw. Gatte serbischer Staatsbürger ist, wird ihm aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Österreich und seiner damit verbundenen Verwurzelung und Integration die Begleitung seiner Kernfamilie wohl nicht zumutbar sein.

Der VwGH hat ua. m Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2009/21/0303, das Recht des Vaters auf persönlichen Kontakt zu seinen Kindern festgestellt. Dass dieser Kontakt nicht durch sporadische Besuche des in Österreich niedergelassenen Vaters seiner in Serbien lebenden Kinder aufrecht erhalten werden kann, steht außer Zweifel.

Auch der Umstand, dass die Bw auch außerhalb der Kernfamilie einen großen Verwandtenkreis in Österreich haben, mit dem regelmäßiger Kontakt gepflegt wird und zu dem auch österreichische Staatsbürger zählen, ist im Rahmen der Abwägung der Privatinteressen der Bw zu würdigen.

 

Überdies besucht die 2. Bw seit September 2011 den Kindergarten und hat sich dort nach Auskunft der Kindergartenleitung sehr gut integriert.

Der Gatte der 1. Bw bzw. Vater der 2. Bw und des 3. Bw geht mittlerweile wieder einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und kann für den Unterhalt seiner Familie aufkommen.

 

Gemäß der oben angeführten Judikatur ist in diesem Fall hinsichtlich der Frage eines unsicheren Aufenthalts nach § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände – dabei insbesondere des Umstands, das die Bw einen wesentlichen Teil bzw. ihr gesamtes bisheriges Leben in Österreich  verbracht haben – festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen.

 

Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss, zumal die Asylverfahren der 1. und 2. Bw bis zur rechtskräftigen letztinstanzlichen Entscheidung mehr als sieben bzw. drei Jahre gedauert haben, wobei keine Folgeanträge gestellt wurden. Dass die 1. Bw in Folge für ihren Sohn, der erst nach der rechtskräftigen Entscheidung über ihren Asylantrag geboren wurde, ebenfalls einen Asylantrag gestellt hat, kann ihr in der Gesamtbetrachtung nicht zum Nachteil gereichen, zumal sie damit nicht widerrechtlich gehandelt hat, über diesen Antrag binnen fünf Monaten rechtskräftig entschieden worden ist und die dadurch entstandene Verzögerung im Vergleich zur Dauer des Verfahrens der 1. Bw äußerst gering ist.

 

Die dargelegten Umstände verleihen dem persönlichen Interesse der Bw an ihrem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass Rückkehrentscheidungen unverhältnismäßig sind.

 

 

4.5. Im Ergebnis sind Rückkehrentscheidungen im Hinblick auf das Privat- und Familienleben der Bw auf Dauer unzulässig. Über Einreiseverbote, die gemäß
§ 53 Abs. 1 mit Rückkehrentscheidungen unter Einem zu erlassen sind, ist demnach nicht mehr abzusprechen.

 

4.6. Es war daher den Berufungen stattzugeben, die angefochtenen Bescheide waren aufzuheben, und es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 42,90 Euro (3 x Eingabegebühr) und 65,40 Euro (Beilagen) angefallen.

 

 

                                                           Поука о правном леку:

Против овог Решењa није дозвољено уложити уредан правни лек.

 

 

Напомена:

Против овог Решењa може да се уложи жалба у року од шест недеља од дана достављањa истог на Уставни или Управни суд. Жалбу мора - осим законом предвиђених изузетака – да уложи и потпише надлежни адвокат. На сваку жалбу плаћа се такса у вредности од 220 Евро.

 

 

 

 

Christian Stierschneider

 

 

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