Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401182/4/MB/JO

Linz, 29.05.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde der X, StA: Afghanistan, vertreten durch X, wegen Anhaltung in Schubhaft vom 27. März 2012 bis 29. März 2012 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Linz-Land, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung der Bf in Schubhaft vom 27. März 2012 bis 29. März 2012 für rechtswidrig erklärt.

 

II.     Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Linz-Land) hat der Beschwerdeführerin den Verfahrensaufwand in Höhe von 751,90 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 17/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 27. März 2012, GZ.: Sich47-7-2012, wurde über die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF – FPG – iVm. § 57 AVG zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet und im PAZ X, X vollzogen.

 

Der Spruch des gegenständlichen Schubhaftbescheides lautet wie folgt:

"Spruchpunkt l:

Gemäß § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, iVm § 57 Abs 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl.. Nr., 51/1991 idgF, wird gegen Sie die Schubhaft zur Sicherung

• der Abschiebung (§ 46 FPG) angeordnet."

 

Als Rechtsgrundlage führt die belangte Behörde folgende Normen an: "§ 76 Abs 1 FPG, BGBl I Nr 100/2005 idgF iVm § 57 AVG, BGBl, Nr.. 51/1991 idgF."

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass die Bf von Organen des Landeskriminalamtes am 26. März 2012 um 19:34 als Insassin eines PKW's, VW Touran (deutsches Kennzeichen X), in Österreich, Oberösterreich, Bezirk Linz-Land auf der Autobahn A1, Fahrtrichtung Salzburg, bei Straßenkilometer 174.000, angehalten und einer Fremdenkontrolle unterzogen worden sei. Dabei konnte die Bf keinerlei Reisedokumente vorweisen, obwohl sie als afghanischer Staatsbürger der Pass- und Visumpflicht unterliege. Die Bf sei nach eigenen Angaben am 26. März 2012 morgens nach Österreich eingereist. Grundsätzlich sei sie in Begleitung Ihrer Schwester von Afghanistan mit einem Schlepper nach Österreich gereist, sei schlepperunterstützt am Landweg mit verschiedensten Transportsmittel, wie LKWs, Kleinbusse und zu Fuß über unbekannte Länder nach Österreich gekommen. In Österreich sei die Bf an einem unbekannten Ort an einem Waldstück ausgesetzt worden und ein zufällig getroffener Passant habe für die Bf auf ihre Bitte hin ein Taxi angerufen. Das Taxi habe die Bf und ihre Schwester in eine größere Stadt gebracht. Von dort aus habe sie ihre 2 Brüder, welche aus Deutschland hergereist seien, um die Bf und ihre Schwester abzuholen, angerufen.

 

Die Bf sei in Begleitung ihrer Schwester und eines Herren, welcher Ihnen unbekannt sei, in ein Cafe gegangen und sei sodann von ihren Brüdern mit dem PKW abgeholt worden. Bei der anschließenden Fahrt sei sie auf der Autobahn, Fahrtrichtung Salzburg, von der Polizei angehalten worden und sei einer Fremdenkontrolle unterzogen worden. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Bf über keinen Aufenthaltstitel für Österreich bzw. den EU/EWR-Raum verfüge. Auch ein Reisedokument könne die Bf nicht vorweisen.

 

Darüber hinaus seien eine EKIS und eine Anfrage über EURODAC negativ geblieben.

 

Bei Überprüfung der Person der Bf sei festgestellt worden, dass Sie nicht im Besitz eines gültigen Aufenthalts- oder Einreisetitels für Österreich sei. Insofern halte sie sich illegal im Bundesgebiet auf. Die Bf verfüge weder über ein Einkommen noch einen Krankenversicherungsschutz in Österreich und sei völlig mittellos. Weiters verfüge sie über keinen Wohnsitz in Österreich. Da die Bf nicht im Besitz von Reise- bzw. Ausweisdokumenten sei, könne Ihre Identität auch nicht zweifelsfrei festgestellt werden.

 

Aus all diesen Gründen plane die belangte Behörde die Bf aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich in ihr Heimatland abzuschieben, weshalb Sie mit 27. März 2012 zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen werde, nachdem aufgrund des zuvor geschilderten Sachverhaltes und aufgrund des bisherigen Verhaltens der Bf im Bundesgebiet zu befürchten sei, dass die Bf sich - auf freiem Fuß belassen - dem weiteren Zugriff der belangten Behörde entziehen werde bzw. versuchen werde einer konkret geplanten und organisierten zwangsweisen Ausreise zu entkommen. Zur Sicherung der Abschiebung nach Afghanistan, für welche der Republik Österreich massive Kosten entstehen würden, sei daher die Anhaltung in Schubhaft unbedingt erforderlich.

 

Weiters wird gefolgert, dass die Bf offensichtlich in keiner Weise gewillt sei die Rechtsordnung der Republik Österreich - insbesondere im Bereich des Fremdenrechts - zu respektieren. Der Verwaltungsgerichtshof stelle dazu in ständiger Judikatur fest, dass die Einhaltung fremdenpolizeilicher Vorschriften für den österreichischen Staat, vor allem in Zeiten eines erhöhten Zuwanderungsdruckes, von eminentem Interesse sei. Darüber hinaus bestehe aufgrund des geschilderten Sachverhalts auch ein konkreter Sicherungsbedarf.

 

Die Behörde müsse insofern davon ausgehen, dass der Zweck der Schubhaft auch nicht durch die Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden könne. Der Fluchtgefahr könne verlässlich nur mit Schubhaft begegnet werden, weil realistische Ansatzpunkte für die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG nicht ersichtlich seien, insbesondere weil derzeit kein Hauptwohnsitz angemeldet wurde.

 

Abschließend hält die belangte Behörde fest, dass im konkreten Fall auch die Verhältnismäßigkeit gegeben sei und gelangt zu dem Ergebnis, dass der mit der Schubhaftsverhängung verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit der Bf im Hinblick auf das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehe.

 

Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

1.2. Gegen die Anhaltung in Schubhaft erhob die Bf per Telefax, datiert mit 9. Mai 2012, durch ihre rechtsfreundliche Vertretung – rechtzeitig - Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat.

 

Zunächst führt die Bf zum Umfang der Beschwerde aus, dass mit dieser gemäß § 82 FPG innerhalb offener Frist die Anhaltung in Schubhaft durch die BH Linz-Land (Bescheid vom 27. März 2012, GZ: Sich47-7-2012) im Zeitraum vom 27. März 2012 bis zum 29. März 2012 wegen behaupteter Rechtswidrigkeit bekämpft wird.

 

Begründend führt die Bf zum Sachverhalt im Wesentlichen gleichlautend mit der belangten Behörde aus. Darüber hinaus wird angeführt, dass die Bf am 28. März 2012 im PAZ X in X die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsberatung erhalten habe und sich hiernach selbst für die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz entschieden habe. Am 29. März 2012 sei die Bf aus der Schubhaft entlassen und in die EAST X nach X überstellt worden.

 

In rechtlicher Hinsicht führt die Bf aus, dass die Verhängung der Schubhaft nicht verhältnismäßig sei und eine individuelle Prüfung der Situation der Bf von der belangten Behörde unterlassen wurde. Auch habe keine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen stattgefunden.

 

Ebenfalls wird die Notwendigkeit der Verhängung der Schubhaft bestritten, da die faktische Möglichkeit der Durchführung des konkreten Schubhaftzieles nicht gegeben sei, so könne nach einer aktuellen Stellungnahme des BMI, Abteilung H/3, vom 3. April 2012, festgehalten werden, dass „...[d]urch die in Wien eingerichtete Vertretungsbehörde der Islamischen Republik von Afghanistan allerdings [...] nur für freiwillige Ausreisen nicht jedoch für zwangsweise Rückführungen Helmreisezertifikate ausgestellt [werden], sodass derzeit Abschiebungen nach Afghanistan, obwohl nach einzelfallbezogenen Prüfungen gem. § 13 Abs. 2 FPG solche zulässig wären, nicht möglich [seien]". Die Bf verfüge, wie dies zweifelsfrei feststehe, über kein gültiges Reisedokument. Weiters habe die Bf zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen, freiwillig nach Afghanistan zurückkehren zu wollen (vielmehr führte sie an, nach Deutschland reisen zu wollen), weshalb ein Heimreisezertifikat für sie nicht hätte erwirkt werden können und eine zwangsweise Abschiebung der Bf faktisch unmöglich sei. Die Bf sei daher ohne ausreichende Begründung in Schubhaft angehalten worden und der angefochtene Bescheid insofern mit grober Rechtswidrigkeit belastet.

 

Darüber hinaus wird die Verletzung der Manuduktionspflicht und eine Verletzung der Art 2 und 3 der EMRK moniert. Angesichts der schlechten psychischen Verfassung der Bf sowie des jungen Alters und des erkennbar schlechten Gesundheitszustandes der mj. Schwester der Bf hätte die belangte Behörde daher jedenfalls überprüfen müssen, ob nicht eine sofortige Anordnung der Schubhaft gegen in der EMRK garantierten Grundrechte verstoße. Dies habe die belangte Behörde jedoch rechtswidrig unterlassen. Hinzu komme, dass die belangte Behörde in jedem Fall verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen, ob nicht die beabsichtigte Abschiebung gegen die genannten Bestimmungen der EMRK verstoße. Diese Prüfung sei rechtswidrig unterblieben.

 

Auch habe die belangte Behörde nicht geprüft, ob die Abschiebung der Bf im konkreten Fall gegen Art. 3 EMRK dahingehend verstoße, dass die Bf ohne männlichen Schutz in Afghanistan gelebt habe.

 

Im Übrigen vermag das Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels allein die Verhängung der Schubhaft noch nicht zu rechtfertigen. Selbst eine allenfalls gegebene Ausreiseunwilligkeit könne alleine nicht das Sicherungserfordernis begründen (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311). Schubhaft sei dahingehend jedenfalls nicht als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern anzuwenden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel seien für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0239).

 

Schließlich hätte es einer konkreten Auseinandersetzung damit bedurft, warum von der Verhängung eines gelinderen Mittels Abstand genommen wurde. Dies ist nicht geschehen.

 

Abschließend wurde ein Verstoß gegen die Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger („Rückführungsrichtlinie") vorgebracht und die Anträge gestellt:

der UVS Oberösterreich möge

1.      die Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum vom 27.3.2012 bis zum 29.3.2012 für rechtswidrig erklären,

2.      Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung und der Eingabegebühr zuerkennen.

 

2.1. Die belangte Behörde übermittelte dem Oö. Verwaltungssenat den bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 11. Mai 2012 zur weiteren Entscheidung.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten, im Wesentlichen unstrittigen, entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2011, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass die Bf am 26. März 2012 von Organen des LKA- angehalten und am 27. März 2012 der belangten Behörde vorgeführt wurde und vom 27. März 2012 bis zum 29. März 2012 aufgrund des Bescheides der belangten Behörde vom 27. März 2012 in Schubhaft angehalten wurde, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich die Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates nicht mehr in Schubhaft befand, sondern am 29. März 2012 aus dieser entlassen wurde, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG keine umfassende Prüfung der Anhaltung und des ihr zugrunde liegenden Bescheides vorzunehmen, sondern war im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf Internationalen Schutz, so kann gemäß § 76 Abs. 6 FPG diese aufrechterhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

3.4.1. Wie sich aus dem Spruch des Bescheides der belangten Behörde im Wort eindeutig ergibt, verhängte diese die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gem. § 46 FPG. Dies stellt den Prüfgegenstand vor dem Hintergrund der Beschwerdepunkte dar. Insofern gilt es auch vom Beschwerdevorbringen erfasst, dass eben der Bescheid schon an diesem Punkt mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, da die Sicherung der Abschiebung normlogisch die Existenz eines Titels für dieselbige voraussetzt. Für den Zeitraum vom 27. März 2012 bis zum 29. März 2012 kann dieser jedoch nicht vorgewiesen werden. Der Bescheid der belangten Behörde war somit bereits hiermit mit Rechtswidrigkeit behaftet. Dass die Übersetzung vermeintlich weiter gefasst ist, vermag an der normativen Reichweite des Spruches selbst nichts zu ändern.

 

3.4.2. Ein grundsätzlich möglicher Wechsel von § 76 Abs. 1 FPG zu § 76 Abs. 2 FPG wurde von der belangten Behörde ebenfalls nicht angezogen, zumal sich kein entsprechender Vermerk im Akt befindet. Weitere Ausführungen dazu können unterbleiben, zumal auch das Beschwerdevorbringen hier nicht umfassend ist. Trotzdem soll festgestellt werden, dass selbst bei nachträglicher Stützung der Schubhaft auf § 76 Abs. 2 FPG die ursprüngliche Rechtswidrigkeit (s Pkt. 3.4.1.) nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht beseitigt wird (s VwGH vom 26. Jänner 2012, Zl. 2008/21/0626-5).

 

3.5.1. Selbst wenn die oben angeführte Rechtswidrigkeit nicht gegeben wäre, würde das Erfordernis des Sicherungsbedarfes nicht erfüllt sein. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 1 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.5.2. Im vorliegenden Fall stützt die belangte Behörde die Annahme des konkreten Sicherungsbedarfs alleine darauf, dass die völlig mittellose Bf ohne jeglichen familiären, sozialen sowie beruflichen Anknüpfungspunkt im Bundesgebiet sowie ohne gültiges Reisedokument illegal in Österreich aufhältig sei, wobei sie auch über keinerlei Wohnsitz verfüge. Grundsätzlich wären diese Umstände abstrakt geeignet einen hohen Sicherungsbedarf zu indizieren. Zur Annahme desselbigen bedarf es jedoch weiterer Feststellungen und Ausführungen, welche auf die konkrete Person der Bf Bezug nehmen, denn selbst das kumulative Vorliegen von illegaler Einreise, das Fehlen erforderlicher Dokumente, mangelnde berufliche Integration im Inland, fehlende Krankenversicherung und Mittellosigkeit sind nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht per se geeignet um die Schubhaft zu verhängen (siehe VwGH vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0239). Die Verhängung der Schubhaft würde bei der gegenteiligen Ansicht zur Standardmaßnahme gegenüber "illegalen" Fremden werden und wäre kein Ermessensspielraum mehr entgegen der Intention des Gesetzes gegeben.

 

Dass notwendige zusätzliche Umstände bei der Bf vorliegen, kann vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht erkannt werden, und es kann aus den unter Pkt. 1.1. und 1.2. angeführten Sachverhaltsumständen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass die Bf nicht das fremdenpolizeiliche Verfahren in Österreich abgewartet hätte, obschon ihr Ziel die Zusammenführung mit ihrer verbleibenden Kernfamilie in Deutschland war.

 

3.5.3. Auch aus den Protokollen der Erst- und Zweitvernehmung ergibt sich nicht der Eindruck, dass die Bf einer behördlichen Anordnung nicht Folge geleistet hätte, zumal sie angibt, auch in ihrem Heimatstaat in einem autoritären Gefüge aufgewachsen zu sein (Schutzherr). Insofern liegt eher der Schluss nahe, dass die Bf das Verfahren bei entsprechender Information abgewartet hätte. Allenfalls könnte das Auslangen mit einem gelinderen Mittel gefunden werden.

 

3.5.4. Somit mangelt es an der Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahme für den gesamten Zeitraum der Anhaltung.

 

3.6. Ein näheres Eingehen auf die sonst in der Beschwerde geäußerten Einwendungen erübrigt sich somit.

 

3.8. Es war also aufgrund o.a. Darlegungen die Anhaltung der Bf in Schubhaft vom 27. März 2012 bis zum 29. März 2012 für rechtswidrig zu erklären und spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) zu einem Aufwandersatz in Höhe von 737,60 Euro zuzüglich der Eingabegebühren in Höhe von 14,30 Euro zu verpflichten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 18,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Markus Brandstetter

 

 

 

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