Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420641/19/Fi/MB/Ga

Linz, 20.03.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johannes Fischer über die Beschwerde des RR, vertreten durch Rechtsanwalt TK, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz am
28. Mai 2010 mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

I.            Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die am 28. Mai 2010 gegenüber dem Beschwerdeführer erfolgte Videodokumentation der Eingangskontrolle im Rahmen der Identitätsfeststellung vor dem Verhandlungssaal 61 des Landesgerichtes Linz durch dem Bundespolizeidirektor von Linz zurechenbare Organe für rechtswidrig erklärt wird.

 

II.        Darüber hinausgehend wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

 

III.    Der Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion von Linz) hat dem Beschwerdeführer den beantragten Verfahrensaufwand in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

IV.      Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion Linz) die beantragten Kosten in Höhe von 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro; Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Z 2; § 67c, 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.


Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) erhob mit Schreiben vom 9. Juli 2010 – eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 13. Juli 2010 – Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Der Bf bringt darin vor, dass er durch am 28. Mai 2010 im Landesgericht Linz von Sicherheitsorganen gesetzte Eingriffshandlungen in seinen verfassungs- und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei.

Begründend führt der Bf aus, dass er an diesem Tag um 9.00 Uhr an einer Strafverhandlung am Landesgericht Linz teilnehmen wollte. Das Betreten des Verhandlungssaales sei jedoch nur nach namentlicher und visueller Registrierung der persönlichen Daten durch Polizeibeamte möglich gewesen: Der Bf habe sich zunächst ausweisen müssen, sodann seien die persönlichen Daten des Bf in einen Laptop eingegeben worden. Dieses Prozedere sei gefilmt worden. Die Identitätsfeststellung als auch das Filmen seien unter Zwang erfolgt, zumal andernfalls ein Betreten des Verhandlungssaales nicht möglich gewesen sei.

Es sei zwar richtig, dass der die Verhandlung leitende Richter die Polizei zur Durchführung einer Identitätsfeststellung der Zuhörer beim Zugang zum Verhandlungssaal aufgefordert habe, der Richter habe aber keine Film- oder Fotoaufnahmen angeordnet. Demnach sei nach Ansicht des Bf die Videodokumentation der persönlichen Datenerhebung des Bf im Rahmen der Befugnisse nach dem Sicherheitspolizeigesetz (im Folgenden: SPG) und jedenfalls ohne gerichtlichen Auftrag durch die Polizeibeamten durchgeführt worden. Überdies sei – so der Bf – darauf hinzuweisen, dass das Filmen von Personen außerhalb des Gerichtssaales bei einer Identitätsfeststellung die Befugnisse der Sitzungspolizei im Rahmen der Strafprozessordnung (im Folgenden: StPO) überschreiten würde, sodass diese von einer sitzungspolizeilichen Anordnung eines Richters gar nicht umfasst sein könne.

Der Bf sehe sich daher "[...] insbesonders [...]" (siehe S 5 der Beschwerdeschrift und S 2 der Stellungnahme des Bf vom 18. August 2010) in der Videoaufnahme bei der Abgabe seiner persönlichen Daten in seinen Rechten verletzt, da ein derartiges Vorgehen als erkennungsdienstliche Behandlung im Sinne des § 65 SPG zu qualifizieren sei und nicht von der Sitzungspolizei gem. § 233 StPO gedeckt sei und auch nicht vom Gericht angeordnet wurde.

Aus diesen Gründen erachte sich der Bf in seinen verfassungs- und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt und werde daher die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes beantragt.

1.2. Mit Schreiben vom 16. Juli 2010 wurde die Bundespolizeidirektion Linz als belangte Behörde zur Erstattung einer Gegenschrift und zur Vorlage allenfalls vorhandener Verwaltungsakten aufgefordert.

1.3. Mit Schreiben vom 2. August 2010 erstattete die Bundespolizeidirektion Linz eine Gegenschrift. Begründend wird darin im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Am 28. Mai 2010 um 9.00 Uhr habe im Landesgericht Linz eine Hauptverhandlung in einer Strafsache stattgefunden. Nachdem zur gleichen Zeit vor dem Gerichtsgebäude zwei angemeldete, von der Bundespolizeidirektion Linz nicht untersagte, Versammlungen abgehalten worden seien, habe der zuständige Richter mit Schreiben vom 25. Mai 2010, GZ, um polizeilichen Schutz zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung während der Hauptverhandlung und aus Sicherheitsgründen um Identitätsfeststellung der Zuhörer beim Zugang in den Verhandlungssaal ersucht. Weiters seien die Mitnahme von Handys, Fotoapparaten, Filmkameras sowie Tonaufnahmen in den Verhandlungssaal untersagt worden. Bezüglich Letzterem seien die Durchsuchungsmaßnahmen bzw. Überprüfungen von Mitarbeitern der "G" bzw. von Justizwachebeamten vorgenommen worden. Die seitens der polizeilichen Organe gesetzten Maßnahmen seien auf Grund der sitzungspolizeilichen Anordnung des Richters vorgenommen worden. Dies gelte ebenso für die getätigten Videoaufzeichnungen:

Die geplanten Videoaufnahmen seien dem zuständigen Richter sowie dem Sicherheitsbeauftragten des Landesgerichtes Linz mitgeteilt worden. Ein Widerspruch sei nicht erfolgt. Nachdem sich einige Personen hinsichtlich der Videoaufnahmen beschwerten, sei erneut mit dem Sicherheitsbeauftragten Rücksprache gehalten worden. Dieser habe folglich erklärt, "dass die Polizei, im Gericht über deren Gerichtsauftrag sicher filmen dürfen". Demnach konnten die polizeilichen Organe davon ausgehen, dass die Videoaufnahmen vom Gerichtsauftrag umfasst gewesen seien. Für diese Sichtweise könne zudem eingewendet werden, dass an den weiteren Verhandlungstagen, an denen der zuständige Richter u.a. um polizeilichen Schutz zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung während der Hauptverhandlung und aus Sicherheitsgründen um Identitätsfeststellung der Zuhörer beim Zugang in den Verhandlungssaal ersucht habe, ausdrücklich erklärt worden sei, dass Videoaufnahmen nicht notwendig seien.

Weiters wird in der Gegenschrift darauf hingewiesen, dass wegen des Tätigwerdens auf Grund einer sitzungspolizeilichen Anordnung nach der StPO auch alle erhobenen Daten dem Gericht übergeben worden seien. Eine Verarbeitung iSd SPG habe hingegen deshalb gerade nicht stattgefunden. Eine erkennungsdienstliche Maßnahme iSd §§ 64 ff SPG sei daher jedenfalls zu verneinen.

Da der Beschwerde – wie gezeigt – eine ausschließlich nach der StPO gesetzte Amtshandlung zu Grunde liege, werde die kostenpflichtige Abweisung bzw. Zurückweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt.

Der Gegenschrift sind das Ersuchen des zuständigen Richters an das Stadtpolizeikommando von Linz vom 25. Mai 2010 sowie vom 9. Juni 2010 beigelegt.

1.4. Mit Schreiben vom 3. August 2010 wurde dem Bf die Gegenschrift der Bundespolizeidirektion unter gleichzeitiger Einladung zur Stellungnahme übermittelt. Der Bf replizierte darauf mit Schriftsatz vom 18. August 2010. In seiner Stellungnahme wiederholte der Bf sein Beschwerdevorbringen.

1.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat ersuchte mit Schreiben vom 29. Juli 2010 den Präsidenten des Landesgerichtes Linz zum Vorbringen des Bf Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 9. August 2010 übermittelte der Präsident des Landesgerichts Linz eine Kopie einer bereits zuvor an den Bf erteilten Auskunft vom 1. Juli 2010, in der die Vorgehensweise des Landesgerichtes Linz sowie des Verhandlungsleiters im Verfahren 24 dargelegt wird. Dem Schreiben weiters angeschlossen wurde u.a. das Ersuchen des zuständigen Richters an das Stadtpolizeikommando von Linz vom 25. Mai 2010 sowie vom 9. Juni 2010.

1.6. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 2011 zu B 1549/10-10 wurde der Beschluss des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 20. September 2010 zu GZ: VwSen-420641/9/Fi/Fl, mit welchem die gesamte Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen wurde, aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof führte mit Blick auf den Beschwerdeumfang wie folgt aus:

"Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2010 erhob der Bf beim [UVS] Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die beschriebenen, von ihm am 28. Mai 2010 im Landesgericht Linz von Sicherheitsorganen abverlangten Handlungen (Legitimierung und Duldung der Videoaufnahmen). Begründend führte [der Bf] im Kern aus, dass insbesondere das Filmen 'unter Zwang erfolgt' sei, weil ihm 'andernfalls ein Betreten des Verhandlungssaales nicht möglich gewesen' wäre. '[D]ie Videodokumentation der persönlichen Datenerhebung' sei 'jedenfalls ohne gerichtlichen Auftrag durch die Polizeibeamten durchgeführt' worden.

[...]

Mit Bescheid vom 20. September 2010 wies der UVS die Beschwerde als unzulässig zurück. Es lägen insgesamt (auch in Bezug auf die Filmaufnahmen) nur der Gerichtsbarkeit, nicht aber der Verwaltung zurechenbare Eingriffsakte vor. Ein offenkundiges Überschreiten des schriftlichen (im Bescheid wörtlich wiedergegebenen) sitzungspolizeilichen Auftrags des Gerichts durch Polizeibeamte und damit ein der Verwaltung zuzuordnendes, mit Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG anfechtbares Handeln sei nicht zu erkennen. Dies gelte auch für die 'vorgeblich unbefugt angefertigte' Videoaufzeichnung der Identitätsfeststellung.

[...]

Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, dass zwar die vom Bf durch die Sicherheitsorgane abverlangte Legitimierung (einschließlich der – zur Feststellung der Identität gebotenen und gegenüber Filmaufnahmen weit weniger eingriffsintensiven – Aufzeichnung der Daten) vom Gerichtsauftrag erfasst war (bzw. diesem diente), nicht aber die Herstellung der Videoaufnahmen; diese sind vielmehr als selbstständige, von der Identitätsfeststellung getrennte und mit dieser nicht unmittelbar zusammenhängende Maßnahmen der Exekutive zu qualifizieren, die durch die richterliche Anordnung nicht gedeckt werden."

Abschließend kommt der Verfassungsgerichtshof zu dem Schluss, dass der bekämpfte Verwaltungsakt, "soweit er das Filmen des Bf zum Gegenstand hat", als mit implizitem Duldungsbefehl verbundener Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren ist, der einseitig in subjektive Rechte des Bf eingreift.

1.7. Mit Eingabe vom 1. März 2012 teilte die Bundespolizeidirektion Linz mit, dass betreffend die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde kein Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gestellt und in Bezug auf das unter Pkt. 1.6. erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes keine Ergänzung der erstatteten Gegenschrift vorgenommen wird. Weitere Grundlagen für eine materielle Rechtfertigung des Polizeihandelns werden nicht vorgebracht.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtsnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt. Da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 2 Z. 3 AVG von der Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

Am 28. Mai 2010 um 9.00 Uhr hat am Landesgericht Linz eine Hauptverhandlung in einer Strafsache stattgefunden. Nachdem es sich um ein umfangreiches Strafverfahren handelte, wobei zur gleichen Zeit vor dem Gerichtsgebäude zwei angemeldete und von der Bundespolizeidirektion Linz nicht untersagte Versammlungen abgehalten wurden und mit Störversuchen im Gebäude des Landesgerichtes Linz zu rechnen war, hat der das Verfahren führende Einzelrichter mit Schreiben vom 25. Mai 2010, GZ, an das Stadtpolizeikommando Linz das Ersuchen gestellt, um Zurverfügungsstellung von uniformierten Polizisten zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Verhandlungssaal für die Dauer der Hauptverhandlung am 28. Mai 2010 sowie von Kriminalbeamten in Zivil und um Identitätsfeststellung der Zuhörer beim Zugang in den Verhandlungssaal aus Sicherheitsgründen. Weiters wurde die Mitnahme von Handys, Fotoapparaten, Filmkameras sowie Tonaufnahmen in den Verhandlungssaal untersagt. Der Einzelrichter stützt sich in diesem Schreiben ausdrücklich auf § 233 Abs. 1 StPO.

Wörtlich lautet dieses Schreiben wie folgt:

"...

         An das

Stadtpolizeikommando

Linz

Betrifft: Strafsache gegen ...

Ersuchen

 

1)               um Zurverfügungstellung von uniformierten Polizisten zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Verhandlungssaal 61 für die Dauer der Hauptverhandlung am 28. Mai 2010, Beginn des Einsatzes um 08:30 Uhr, Beginn der Hauptverhandlung um 09:00 Uhr, Dauer ca. drei Stunden, sowie von Kriminalbeamten in Zivil

und

2)               um Identitätsfeststellung der Zuhörer beim Zugang in den Verhandlungssaal 61 (aus Sicherheitsgründen).

 

         Die Mitnahme von Handys, Fotoapparaten, Filmkameras sowie Tonaufnahmegeräten in den Verhandlungssaal 61 ist untersagt (Anordnung des Einzelrichters im Rahmen der Sitzungspolizei gemäß § 233 Abs 1 StPO).

 

         Bei der Strafsache gegen ... handelt es sich um ein umfangreiches Strafverfahren, wobei bereits zwei Demonstrationen vor dem Landesgericht angemeldet wurden.

 

         Mit Störversuchen im Gebäude des Landesgerichtes Linz ist zu rechnen.

 

Landesgericht Linz, Abt. 24

am 25. Mai 2010

[Unterschrift des Einzelrichters]"

Die von den Polizeibeamten gesetzten Handlungen erfolgten grundsätzlich aufgrund dieser vom zuständigen Einzelrichter erteilten sitzungspolizeilichen Anordnung. In Entsprechung dieses Ersuchens führten Polizeibeamte am 28. Mai 2010 vor Verhandlungsbeginn im Gerichtsgebäude eine Identitätsfeststellung durch. Die Zuhörer hatten sich auszuweisen und deren persönliche Daten wurden in einen Laptop eingegeben. Der Vorgang der Identitätsfeststellung wurde durch Polizeibeamte gefilmt. Die registrierten Daten sowie die Videoaufzeichnungen wurden dem Gericht übergeben.

Erst im Ersuchen vom 9. Juni 2010 bezüglich eines weiteren Verhandlungstermins erklärte der zuständige Einzelrichter ausdrücklich und abweichend vom Ersuchen den 28. Mai 2010 betreffend, dass Videoaufnahmen nicht benötigt werden.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Gemäß § 67a AVG hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3.2. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Z 2 AVG kann derjenige, der durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, eine Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat erheben.

Kennzeichnend für einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist, dass ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung gegenüber einem individuell bestimmten Adressaten physischen Zwang (Gewalt) ausübt oder einen Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch erteilt (s dazu VfSlg. 18.212/2007). Eine dem Staat zurechenbare Maßnahme stellt dann unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt dar, wenn dem Betroffenen entweder im Sinne eines Befehls eine Verpflichtung auferlegt oder in dessen Rechtsposition durch eine faktische Handlung eingegriffen wird. Unter bestimmten Umständen besteht die Ausübung einer solchen Befehlsgewalt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch in der Auferlegung einer impliziten Duldungspflicht (s dazu VfSlg. 17.774/2006).

3.3. Schlichtes Fotografieren im Zuge einer Amtshandlung ist mangels Anwendung physischen Zwanges oder Vorliegens eines Befehls mit unverzüglichen Befolgungsanspruch nicht als faktische Amtshandlung idS zu werten. Ebenso verhält es sich mit Videoaufzeichnungen von Personengruppen im Rahmen einer Versammlung, welche zu Schulungszwecken verfertigt werden (s dazu VfSlg. 15.109/1998).

Entsprechend der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 2010, B 1549/10-10, stellt die durchgeführte Videodokumentation im Laufe der Identitätskontrolle jedoch einen tauglichen Beschwerdegegenstand dar. Der Bf wurde nämlich von einem Polizeiorgan nicht bloß fotografiert oder als Angehöriger einer Gruppe gefilmt, sondern als Einzelperson vor Betreten des Verhandlungssaales in seiner konkreten Eigenschaft als Prozessbeobachter auf Video festgehalten. Unter den gegeben Umständen musste der Bf den Eindruck gewinnen, dass ihm im Falle der Ablehnung der Aufzeichnung der Zutritt zum Verhandlungssaal verwehrt würde. Insofern wurde ihm eine unmittelbare Duldungspflicht durch das Verwaltungshandeln auferlegt und stellt sich dies sohin als bekämpfbare Maßnahme dar, welche einseitig in subjektive Rechte des Bf eingreift (s dazu weiter das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 2011, B 1549/10-10).

3.4. Ein gerichtlicher Befehl bzw. Auftrag deckt die zu seiner Durchführung gesetzten Maßnahmen nur insoweit, als den Maßnahmen in Bezug auf den Zweck der Anordnung bloß dienende Funktion beizumessen ist (s dazu VfSlg 11.524/1987). Zur Beurteilung der Frage der Deckung einer gesetzten Maßnahme durch den richterlichen Befehl bzw. Auftrag, ist eine Ex-post-Beurteilung vorzunehmen. Diese Beurteilung ist überdies anhand eines objektiven Maßstabes durchzuführen. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu beachten, dass der Erklärungswert eines richterlichen Auftrages so zu ermitteln ist, dass das "Schweigen" zu einem polizeilichen Vorhaben einen richterlichen Auftrag oder Befehl nicht ersetzen kann (s dazu das Bezug habende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 2011, B 1549/10-10).

3.5. Der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zufolge ist das Rechtsschutzinstrumentarium der Maßnahmenbeschwerde jedoch bloß als ein subsidiärer Rechtsbehelf anzusehen, der stets nur zum Tragen kommt, wenn keine der sonst vorgesehenen ordentlichen Rechtsmittel zur Verfügung stehen (vgl. zB VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; 28.1.1994, 93/11/0035).

3.6. Da in der richterlichen Anordnung die Herstellung von Videoaufzeichnungen keine Erwähnung findet, sondern sich diese vielmehr nach dem Wortlaut und Sinngehalt auf die Identitätsfeststellung der Zuhörer beim Zugang zum Verhandlungssaal beschränkt, kann die durchgeführte Videodokumentation nicht der Gerichtsbarkeit zugerechnet werden, sondern stellt sich als selbstständiges Verwaltungshandeln dar. Auch der nicht vorhandene Widerspruch des Sicherheitsbeauftragten des Gerichtes bzw. des zuständigen Einzelrichters führt nicht zu einer Deckung durch einen richterlichen Auftrag.

Anderes gilt jedoch für die von den Sicherheitsorganen abverlangte Legitimierung inklusive dem Erfassen der Daten. Beides – welches als ein einheitlicher Vorgang ("Identitätsfeststellung") zu bewerten ist – ist vom gerichtlichen Auftrag erfasst und daher der Gerichtsbarkeit zuzuordnen und somit nicht tauglicher Gegenstand im anhängigen Verfahren. Dahingehend war daher die Beschwerde spruchgemäß zurückzuweisen.

3.7. Betreffend die Rechtmäßigkeit wurde von der belangten Behörde keine taugliche Rechtsgrundlage vorgebracht und ist überdies zu erkennen, dass der Vorgang des Filmens weder in Zusammenhang mit einer konkreten Straftat, noch in Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff stand. Weder die Regelung der "Identitätskontrolle" im Rahmen des Sicherheitspolizeigesetzes gem. §§ 35, 64f SPG, noch die Bestimmungen der Strafprozessordnung gem. § 118 Abs. 2 StPO vermögen eine Rechtfertigung des Verwaltungshandelns zu leisten. In beiden Regelungskomplexen kann überdies als erlaubte Maßnahme das "Filmen" als nicht erfasst gesehen werden. Erfasst wird lediglich die Herstellung von Fotoaufnahmen. Ein weiterer Rechtfertigungsgrund kann nicht erkannt werden.

 

4.1. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bf nach § 79a Abs 1, Abs 2 und Abs 4 Z  3 AVG iVm § 1 Z 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II 456) antragsgemäß hinsichtlich des Beschwerdepunktes der Duldung der Videodokumentation ein Aufwandersatz in Höhe von 737,60 Euro (beantragter Schriftsatzaufwand) zuzusprechen.

4.2. Überdies sind dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Bundespolizeidirektion Linz) als obsiegende Partei nach § 79a Abs. 1, 3, 4 und 6 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 antragsgemäß im Hinblick auf den darüber hinausgehenden Beschwerdepunkt Kosten in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand beantragt: 51,50 Euro; Schriftsatzaufwand beantragt: 220,30 Euro) zuzusprechen.

5. In diesem Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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